HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 26. September 1799

Schiller an Gottfried Körner, 26. September 1799

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Jena, 26. Sept. [Donnerstag] 99.

Es ist nun ausgemacht, daß ich die nächsten Winterhalbjahre in Weimar zubringe; der Herzog hat mir 200 Thlr. Zulage gegeben, und ich erhalte auch etwas Holz in natura, welches mir bei dem theuren Holzpreise in Weimar sehr zu statten kommt. Ich werde also verschiedene Veränderungen in meiner Lebensweise erleiden, und besonders mehr als bisher in Gesellschaft leben. Obgleich Weimar ein theurerer Ort ist als Jena, so kann ich von dem, was mich der dortige Aufenthalt auf 6 Monate jährlich mehr kostet, doch alles das abrechnen, was es mich in Jena kostete, ein kleines Haus zu machen. Denn da ich nicht ausgehe, so sah ich alles bei mir, und mußte oft bewirthen. Dies fällt in Weimar weg, und ich gewinne mithin die zugelegten 200 Thlr. ganz.

Der Wallenstein hat uns auch noch ein ansehnliches Präsent in einem silbernen Caffeeservice eingetragen, von der regierenden Herzogin; und so haben sich die Musen diesmal gut aufgeführt.

Der Almanach ist jetzt bald gedruckt, und die Umstände haben mich genöthigt, gegen meine Neigung, eine Pause in meiner dramatischen Arbeit zu machen, und einige Gedichte auszuführen. Morgen aber hoffe ich zu der theatralischen Muse wieder zurückzukehren. Leider erscheint diesmal von Goethe gar nichts im Almanach; alle Productivität hat ihn diesen Sommer verlassen. Er ist seit etlichen Wochen hier und läßt Euch grüßen.

Es wäre recht schön, wenn Du mir Stoffe für dramatische Arbeiten zuführen könntest, denn an Stoffen fehlt mirs am meisten. Vor der Hand bin ich aber die historischen Sujets überdrüssig, weil sie der Phantasie gar zu sehr die Freiheit nehmen, und mit einer fast unausrottbaren prosaischen Trockenheit behaftet sind.

Hast Du denn die Reden über die Religion, die in Berlin herausgekommen sind, und Tiecks romantische Dichtungen gelesen? Beide Schriften las ich vor kurzem, weil man mich darauf neugierig machte, und ich fasse sie hier zusammen, weil es Berliner Producte sind, und gewissermaßen aus der nämlichen Coterie hervorgingen. Die erste ist, bei allem Anspruch auf Wärme und Innigkeit, noch sehr trocken im Ganzen, und oft prätensionirt geschrieben; auch enthält sie wenig neue Ausbeute. Tiecks Manier kennst Du aus dem gestiefelten Kater; er hat einen angenehmen romantischen Ton und viele gute Einfälle, ist aber doch viel zu hohl und zu dürftig. – Ihm hat die Relation zu Schlegels viel geschadet.

Die Überbringerin dieses Briefs, eine Mlle. Blasch aus Rudolstadt, welche die fürstlichen Kinder erzieht, wünscht Eure Bekanntschaft zu machen. Sie ist eine verständige sehr schätzbare Person und wird den Frauen gewiß nicht mißfallen.

Herzliche Grüße von Lotten an Euch alle. Ich habe vor 3 Wochen eine Reise mit ihr nach Rudolstadt und Weimar gemacht; wir sind erst seit 10 Tagen wieder hier.

Dein Sch.