HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 3. Juli 1800

Schiller an Gottfried Körner, 3. Juli 1800

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Weimar, 3. Jul. [Donnerstag] 1800.

Hier übersende ich Dir Maria Stuart und wünsche ihr eine gute Aufnahme. Du kannst sie vierzehn Tage behalten, alsdann bitte ich sie mir wieder aus, weil meine Freunde in Jena und hier darauf warten. Wolltest Du sie länger haben, so kannst Du sie abschreiben lassen. Ich bemerke nur noch, daß Du nicht stutzen darfst, wenn Du an die siebente Scene des fünften Acts kommst. Diese Scene ist bei der Vorstellung abgeändert worden; die Abänderung sende ich Dir, wenn Du das Stück gelesen hast.

Es freut mich, daß Du mit dem Macbeth so zufrieden bist. Deine Bemerkung wegen der in die erste Hexenscene eingeschobenen deutlichen Enunciationen mag wohl gegründet seyn; aber sie schienen mir für das Theater nöthig, weil die Masse des Publicums zu wenig Aufmerksamkeit hat und man ihr vordenken muß.

Ich kann Euch nicht rathen, die Maria auf dem Theater zu Leipzig vorstellen zu sehen, weil diese Truppe gar erbärmlich seyn soll, wie mir Goethe, der während der Messe in Leipzig war, nicht genug beschreiben kann.

Unsere Gesellschaft ist in jedem Sinne besser; nicht wegen einzelner vorragender Talente, sondern wegen der hübschen Haltung und Uebereinstimmung des Ganzen. Diese Gesellschaft spielt diesen und den nächsten Monat in Lauchstädt. Sollte die Maria zweimal dort gegeben werden (denn heut am 3ten wird sie das erstemal dort gespielt), so ließe sich die vorgeschlagene Partie vielleicht zu Lauchstädt ausführen. Schreibe mir darüber bald Deine Resolution, so will ich überlegen, was zu thun ist.

Die spanische Literatur wird Dir gewiß eine sehr anziehende Beschäftigung geben, wenn Du Dich mit der romantischen Poesie vertragen kannst. Sie ist freilich das Product eines andern Himmels und einer ganz andern Welt. Für unsere deutsche Poesie glaube ich nicht so viel Ausbeute daran finden zu können, als Du hoffst; weil wir einmal mehr philosophische Tiefe und mehr Wahrheit des Gefühls, als Phantasiespiele, lieben. Neuerdings hat Tieck in seinen romantischen Dichtungen diese Gattung wieder angeregt, und mit vielem Glück. Seine Genoveva ist wohl schon in Deinen Händen. Auch die Schlegels geben sich jetzt viel mit der spanischen Literatur ab, nach ihrer Art; aber durch ihre Einseitigkeit und Anmaßung verderben sie einem gleich die Lust.

S.