HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 4. Juli 1794

Schiller an Gottfried Körner, 4. Juli 1794

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Jena den 4. Juli [Freitag] 94.

Du hast in Deinen letztern Briefen über Deine Hieherreise nichts bestimmt, und doch habe ich, sowie auch Humbold, mit Ungeduld auf eine nähere Auskunft darüber gewartet. Auch um einstweilen Wohnung und Ameublement für euch zu besorgen, wünschte ich über die Zeit Deiner Ankunft gewiß zu seyn. Ich bitte Dich also, diesen Punkt in Deinem nächsten Brief zu berühren.

Für die Horen eröffnen sich sehr gute Aspecten. Goethe ist nicht nur als Mitarbeiter, sondern auch als Mitbeurtheiler und als Mitglied des Ausschußes dazu getreten. Engel aus Berlin und Garve haben die Einladung angenommen, und uns, wiewohl nicht auf bestimmte Zeiten, zu Beyträgen Hofnung gemacht. Von den übrigen kann ich jeden Posttag Antwort erhalten. Ueberhaupt läßt es sich zu einer auserlesenen Societät an, dergleichen in Deutschland noch keine zusammen getreten ist, und das gemeinschaftliche Produkt derselben kann nicht anders als gut ausfallen. Ich hoffe, daß das Beispiel auch auf Dich einen mächtigen Einfluß haben wird. Das Fach, das Du Dir erwählt hast, scheint mir vollkommen passend für Dich zu seyn, und es wird durch Deine Behandlung alles das gewinnen, was ihm ein Reinhold und Consorten, die die philosophirende Vernunft immer von der Individualität des Denkers absondern niemals geben können. Die philosogischen Recherchen, die eine solche Arbeit erfodern dürfte, sind das einzige, woran ich noch Anstoß nehme – ich kenne von dieser Seite Deine Kräfte noch nicht. Was den Plato betrifft, so kann Dir vielleicht die Schrift von Tennemann: System der platonischen Philosophie: viele unnöthige Arbeit ersparen.

Es wäre zu versuchen, ob Dir nicht die Biographie, besonders solcher Männer, die durch ihren Geist merkwürdig waren, glückte. Die Bibliothek in Dresden würde Dir dazu die nöthigen Materialien schaffen, und je nachdem Du einen Mann wähltest, würde sich eine solche Arbeit aufs engste mit dem Ganzen Deiner Ideen verknüpfen.

Ich habe jetzt auf eine Zeit lang alle Arbeiten liegen lassen, um d. Kant zu studieren. Einmal muß ich darüber ins Reine kommen, wenn ich nicht immer mit unsichern Schritten meinen Weg in der Speculation fortsetzen soll. Humbolds Umgang erleichtert mir diese Arbeit sehr, und die neue Ansicht, welche Fichte dem Kantschen Systeme gibt, trägt gleichfalls nicht wenig dazu bey, mich tiefer in diese Materie zu führen. Ich finde vielleicht bald Gelegenheit, Dir einige von den Fichtischen HauptIdeen mitzutheilen, die Dich gewiß interessieren werden. Was Du an seinen Beyträgen tadelst, ist gewiß schwer oder gar nicht zu vertheidigen; aber bei allem Fehlerhaften trägt dieses Buch doch immer das Gepräge eines schöpferischen Geistes, und erweckt große Erwartungen von seinem Urheber, die er jetzt schon zu erfüllen angefangen hat.

Humboldt, der Dich und die Frauen auf das Freundschaftlichste begrüßt, trägt mir auf, Dir zu sagen, daß er wegen der Schlegelschen Angelegenheit noch immer in Unterhandlung begriffen sey. Vieweg in Berlin hat den Antrag abgewiesen und er gedenkt sich jetzt an Hemmerde in Halle zu wenden.

Humboldt hatte seit einigen Wochen einen Acceß von einem intermittierenden Fieber, welches aber jetzt anfängt ihn zu verlassen. Ich und meine kleine Familie befinden uns leidlich wohl. Deinen Rath wegen Carls will ich befolgen und hierinn bloß die Natur wirken lassen.

Daß ich Dir meine Briefe nach Dänemark noch immer nicht schickte, liegt bloß daran, daß ich sie noch nicht ins Reine habe bringen können, um sie dem Abschreiber zu übergeben. Seitdem ich sie absandte, wurde manche beträchtliche Verbeßerung darinn angebracht, ohne die ich sie Dir nicht gern mittheilen möchte.

Lebe indessen wohl und gib mir bald wieder Nachrichten von Dir und der Familie. Meine Frau läßt euch herzlich grüßen und freut sich auf eure Hieherkunft sehr.

Dein Sch.