HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 5. März 1789

Schiller an Gottfried Körner, 5. März 1789

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Weimar, 5. März [Donnerstag] 1789.

Göschen hat Ordre von mir bekommen, Dir mit erster Post die Thalia zuzuschicken, die nun fertig ist. Mit väterlicher Freude wirst Du Dein wohlerzogenes Kind darin erblicken, das mir beim wiederholten Lesen immer mehr gefällt und ohne alle Complimente, im ganzen Ernst, diesem Hefte sehr bei den Kennern aufhelfen wird. Wielands Urtheile haben nicht sehr viel zu sagen, aber als ein Künstler ist er über die Kunstschriften immer ein competenter Richter. Er ist äußerst erbaut von Deinem Aufsatze, und erklärte mir gleich, wie wir uns wiedersahen, daß Du sein Mann seiest. Die philosophische Ansicht der Sache, den männlichen gesetzten Ton und die angenehme Sprache kann er nicht genug loben. Ich werde noch mehrere Urtheile darüber hören, nicht um den Werth Deines Aufsatzes damit zu beweisen, sondern um es Dir immer klarer zu machen, daß Deine eigene Ansicht der Dinge diejenige Allgemeinheit nicht ausschließt, die sie dem Publicum zu genießen giebt, und daß Du also Beruf und Fug hast, Schriftsteller zu werden.

Deine Uebersetzung des Gibbon hat mir eine vorläufige Idee von diesem Schriftsteller gegeben. Er hat einen Blick des Genies, mit dem er die Facta auffaßt, daß sie sich unter ihm verneuen. Er stellt sie mit Beurtheilung dar, und erzählt sie geistvoll und kräftig; aber ich stimme Dir bey, daß sein Styl nicht vollkommen ist, daß man ihm eine Künstlichkeit anmerkt, ein Bestreben, eigen, conics und geistreich zu schreiben, das ihn öfters hart und dunkel macht. Im Erzählen lob ich mir doch immer die Franzosen; oder ist es bloß ihre Sprache, die ihnen vor anderen erlaubt, sich mit Leichtigkeit und Anmuth darin zu bewegen?

Glaubst Du nicht, daß ich in meinem historischen Styl in Gibbons Fehler zu fallen in Gefahr sei? Ich möchte mich in der That auf seiner blinden Seite nicht gern mit ihm berühren.

Die Künstler werde ich Dir über acht Tage schicken können; gedruckt sind sie, und der Mercur wird diese Woche fertig. Ich erwarte nun eine fernere Weisung von Dir: ob ich Wieland Deine Uebersetzung sogleich zustellen soll, um das Aprilstück des Mercur damit anzufangen, oder ob Du mit etwas anderem bei ihm anfangen willst. Doch hielt ich dafür (da einige Monatsstücke mit der Gibbonschen Uebersetzung angefüllt werden), doch nicht zu lange damit zu warten, weil sonst andere darauf speculiren möchten.

Nächstens mehr. Grüße Minna und Dorchen. Lebe wohl.

Schiller.

Suche Dir eine Histoire secrète vom berliner Hofe zu verschaffen, die erst kürzlich heraus ist. Sie wird Dich sehr amüsiren und aufklären. Es ist eine Sammlung von Briefen, die Mirabeau, als französischer Emissair in Berlin, an den pariser Hof geschrieben und die man widergesetzlich publicirt hat.