HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 5. Oktober 1801

Schiller an Gottfried Körner, 5. Oktober 1801

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Weimar, 5. October [Montag] 1801.

Auch bei uns stellt sich nach und nach wieder die Ordnung ein und diese wird hoffentlich auch den Fleiß und den Succeß hervorbringen. Mad. Unzelmann hat uns vor 3 Tagen verlassen, weil sie nach Berlin zurückeilen mußte, und wir müssen uns wieder an unsre theatralische Hausmannskost halten. Die Theater, die ich in den letzten 3 Wochen gesehen, haben mich nun gerade nicht zur Arbeit begeistert, und ich muß sie eine Weile vergessen haben, um etwas Ordentliches zu machen. Alles zieht zur Prosa hinab, und ich habe mir wirklich im Ernst die Frage aufgeworfen: ob ich bei meinem gegenwärtigen Stücke, sowie bei allen, die auf dem Theater wirken sollen, nicht lieber gleich in Prosa schreiben soll, da die Declamation doch alles thut, um den Bau der Verse zu zerstören, und das Publicum nur an die liebe bequeme Natur gewöhnt ist. Wenn ich anders dieselbe Liebe, welche ich für meine Arbeit nothwendig haben muß, mit einer Ausführung in Prosa vereinigen kann, so werde ich mich wohl noch dazu entschließen.

Es freut mich doch sehr, daß Ihr Wallensteins Lager auf der Bühne zu sehen Gelegenheit gehabt habt, und daß es noch so leidlich gut ausgefallen ist. Maria Stuart ist freilich keine Aufgabe für eine solche Gesellschaft als die Secondasche, und wenn auch der Schauspieler alles dafür thäte, so kann sich das Publicum nicht darein finden, an einer reinen Handlung, ohne Interesse für einen Helden, ein freies Gefallen zu finden; und eben dadurch werden wir dramatische Schriftsteller in der Wahl der Stoffe so sehr beengt; denn die reinsten Stoffe in Absicht auf die Kunst werden dadurch ausgeschlossen, und sehr selten läßt sich eine reine und schöne Form mit dem affectionirten Interesse des Stoffs vereinigen.

Bei meinem W. geht es mir hierin noch ganz leidlich, und ich werde es mit der Kunst nicht zu verderben brauchen, um die Neigung zu befriedigen. Aber je schärfer ich dieses Stück ins Gesicht fasse, desto mehr häufen sich die Schwierigkeiten, obgleich auch das Interesse daran wächst.

Deine Vorschläge wegen der Glocke werde ich nächster Tage Zeltern mittheilen. Wir erwarten in einigen Wochen Reichardt aus Berlin, der seine Geisterinsel hier einstudiren und spielen lassen wird. Die Jageman wird, wie ich höre, vor dem Winter noch zurückkommen, und vor der Hand da bleiben. Es müssen ihr also von Dresden aus keine Anträge gemacht worden seyn.

Es sind 13 Lustspiele eingegangen, um den von Goethe aufgeworfenen Preis zu concurriren, und nicht eines ist davon zu brauchen; die meisten sind ganz unter der Kritik. So steht es jetzt um die dramatische Kunst in Deutschland.

Bei uns ist alles wohl; ich selbst habe mich seit meiner Zurückkunft leichter gefühlt, als während des ganzen Sommers, und ich wünschte, daß ich zu Dresden dieselbe Gesundheit genossen hätte. Vielleicht ist es aber eine Wirkung der Reise.

Tausend herzliche Grüße den lieben Frauen, den Kindern und den Freunden. Gar erfreulich ist es mir, daß ich Euch mir jetzt in Eurem Hause und in Eurem gesellschaftlichen Kreise denken kann; ich glaube dann selbst noch unter Euch zu leben, welches, hoffe ich, bald wiedergeschehen wird.

Noch einmal Lebewohl.

Dein Schiller.

Meiner Schwägerin die besten Grüße.

Die Memoires, die Floras u übrige Schriften werden mit dem nächsten Postwagen abgehen.