HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 6. November 1792

Schiller an Gottfried Körner, 6. November 1792

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Jena den 6. Nobrs [Dienstag] 92.

Ich habe jetzt mein privatissimum in der Aesthetik angefangen, und bin nun in einer gewaltigen Thätigkeit. Da ich mich nicht an den Schlendrian halten kann, so muß ich mich ziemlich zusammennehmen, um zu 4 biß 5 Stunden in der Woche hinlänglichen Stoff zu haben. Auch sehe ich an den ersten Vorlesungen, wie viel Einfluß dieses Collegium auf Berichtigung meines Geschmacks haben wird. Der Stoff häuft sich jemehr ich fortschreite und ich bin jetzt schon auf manche lichtvolle Idee gekommen. Mit der Zahl und der Beschaffenheit meiner Zuhörer bin ich sehr zufrieden. Ich habe 24, wovon 18 mich bezahlen, jeder einen Ldor. Also schon 100 hiesige Thaler, und dieses Geld verdiene ich bloß dadurch, daß ich mir einen reichen Vorrath von Ideen zu schriftstellerischem Gebrauche zusammentrage, und obendrein vielleicht zu einem Resultat in der Kunst gelange.

Wenn Du von Göschen noch nicht praeveniert seyn solltest, so kann ich Dir die angenehme Nachricht geben, daß zu Deiner Schriftstellerei für 1793 und Deinen Finanzen ein sehr guter Plan gemacht ist. Göschen findet noch immer seine Rechnung bey dem Calender, u. besteht auf der Fortsetzung. Da ich mich ganz davon lossagen muß, so will er Dich bitten, einen historischen Stoff von etwa 18-20 Bogen zu arbeiten, wozu die Kromwellische Revolution in Vorschlag gebracht ist. Du hast volle 8 Monate Zeit dazu, brauchst im Grunde außer dem Hume und Sprengel wenige Lectüre, da es hier bloß um ein gut in die Augen fallendes Ganze zu thun ist. Es ist sehr interessant, gerade in der jetzigen Zeit ein gesundes Glaubensbekenntniß über Revolutionen abzulegen; und da es schlechterdings zum Vortheil der Revolutionsfeinde ausfallen muß so können die Wahrheiten, die den Regierungen nothwendig darinn gesagt werden müssen, keinen gehässigen Eindruck machen. Ich habe Göschen herzhaft versprochen, mich als Herausgeber zu nennen, und behalte mir bloß vor, daß Dein Mscrpt vorher durch meine Hände geht und Du mir etwa zwey oder drey Beschreibungen und Karakterschilderungen darein zurücklegst, damit das Werk wenigstens nach mir riecht, und einige Eigenthümlichkeiten des Stils daraus hervorblicken. Unter 400 Th wird er Dir nicht geben und Du behältst immer noch Zeit und Stoff für die Thalia.

Schreibe mir doch bald Deine Meinung. Ich gestehe, daß ich mir vor der Hand kein besseres Project für Dich denken kann. Auch mit dem großen Journal will Göschen entrieren, und sobald ich Muße habe, schreite ich zur Ausführung.

Minna und Dorchen herzliche Grüße von uns beiden.

Dein S.