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Charakterisierung Graf von Leicester aus Schillers Drama »Maria Stuart«

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(Stimmen: 217 Durchschnitt: 3.5)

Robert Dudley, der Graf von Leicester, ist der begünstigte Liebhaber von Königin Elisabeth. Der historische Leicester wird als vornehm, eitel und hochmütig und zu jedem ernsten Geschäfte untauglich geschildert. Er beherrschte die Königin, die ihn nicht entbehren konnte, musste dafür aber ihre Launen ertragen. Leicester stand mit Marias Vertrauten in Briefwechsel und gab ausschließlich den Vergiftungsrat. Schiller hat den Charakter nicht geändert, wohl aber idealisiert.

Leicester ist bei ihm der Repräsentant der vornehmen Pairs, die sich um Elisabeth Hand bewarben. Zugleich ist er Hofmann, in dessen Hand die Intrige des Stückes ruht. Er ist ein ganz passendes Seitenstück zu seiner Königin, eine ebenso heuchlerische, eine ebenso schwankende Natur. Er kann im Staatsrat (II, 3) anders sprechen als vor Gericht und weiß dies auch schlau genug zu motivieren. Von einer selbstständigen Meinung aber ist bei ihm nicht die Rede. Er richtet sich nach den Umständen und nach den Launen der Königin. Natürlich muss er einem kraftvollen Charakter gegenüber vorsichtig auftreten. Darum gibt er sich Burleigh gegenüber bedeckt, doch einem Mortimer eröffnet er sein Inneres.

Der Religionswechsel des Mortimer hat sein Vertrauen erweckt. Mortimer wird es ihm schon glauben, dass ihn „der Zwang der Zeiten“ zu Maria Stuarts Gegner gemacht und dass er sie jetzt an der Pforte des Todes aufsucht. Vor der Welt muss er Maria verfolgen, im Stillen kann er sie aber lieben, denkt er. Diese Liebe zu Maria Stuart ist die wesentlichste dichterische Zutat zum geschichtlichen Charakter des Leicester. Durch sie erscheinen die beiden Königinnen als Nebenbuhlerinnen, durch sie ist die Intrige des Stückes bedingt. Dass Leicester aber Maria wirklich liebt, zeigt sein Benehmen bei dem Empfang ihres Bildes und seine Verzweiflung am Schluss des Stückes.

Aber sein Ehrgeiz ist mächtiger als seine Liebe. Leicester möchte sich als Königin-Gemahl auf einem Thron sehen. Deshalb wirbt er im Stillen um zwei Königinnen, kann den „Sultanslaunen“ seiner Gebieterin schmeicheln und daneben den Weg zu Marias Rettung im Auge behalten. Erst als Elisabeth sich verlobt, gewinnt die Liebe zu Maria in ihm die Oberhand. Aber etwas zu ihrer Rettung zu tun, dazu ist er zu feige. Nur in dem Augenblick, wo er selbst in Gefahr ist, seine einflussreiche Stellung zu verlieren, da gibt die Not ihm den Mut (IV, 4), den Mortimer preiszugeben und sich mit der feinsten Schlauheit zu rechtfertigen. Als sich ihm endlich jeder Ausweg verschließt, opfert er lieber die Geliebte, als dass er seinen Ehrgeiz besiegte. Erst am Schluss, wo er Zeuge der entsetzlichen Folgen seines unwürdigen Intrigierens sein soll, da erwacht sein besseres Selbst und treibt ihn in freiwillige Verbannung.