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Charakterisierung Franz Moor aus Schillers „Die Räuber“

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(Stimmen: 204 Durchschnitt: 3.5)

Der jüngere der beiden Brüder, bei Schiller Franz Moor, führt in der Schubartschen Erzählung den Namen Wilhelm. Aber Schiller war durch seinen Freund Wilhelm von Hoven auf den Stoff aufmerksam gemacht worden. Wie hätte er für den Bösewicht, den er zu zeichnen gedachte, diesen Namen beibehalten können? Er nannte ihn Franz, ein Name, dessen fremdländische Abstammung und dessen scharfer, schneidender Klang Schiller für seinen Zweck besser zusagten.

Franz ist von der Natur stiefmütterlich behandelt worden. Er ist hässlich in Gestalt und Gesicht und hat infolgedessen manche Demütigung erfahren. Das hat sein Gemüt verbittert. Mit einer gewissen Berechtigung macht er seinem Vater Maximilian über die ungleiche Behandlung Vorwürfe. Denn sein älterer Bruder Karl wurde von allen vorgezogen. Hat es ihm nun auch von jeher an Liebenswürdigkeit gefehlt, so besitzt er dafür doch Erfindungsgeist.

Was Franz auf redlichem Wege nicht gewinnen kann, das will er sich mit Gewalt ertrotzen. So wird er zum Verbrecher. Zunächst erscheint er als ein schlau berechnender Heuchler. Franz Moor sucht das Gegenteil von dem glauben zu machen, was er im Sinne hat, schiebt seine eigenen guten Eigenschaften hervor, verleumdet andere und dichtet ihnen seine eigenen Fehler an. Die alles gilt nur einem Zweck: Er will das Erbe der väterlichen Herrschaft antreten.

Deshalb muss der Vater beseitigt, der ältere Sohn vom Vaterherzen und der Bräutigam von der Braut gerissen werden. Amalia will er besitzen. Die Mittel dazu sind Lug und Trug, falsche Handschriften (II, 1) und wenn dies nicht hilft, tut es der Meuchelmord. Letzteres will er freilich selbst nicht tun. Solche Verbrechen sollen andere, Hermann und Daniel, für ihn begehen. Er will den Leuten nicht als Bösewicht erscheinen.

Doch schlägt ihm sein Gewissen, indem Franz sich durch eine eigene Art von Philosophie abzufinden sucht. Es braut sich ein Gewissen nach ganz eigener Fassung zu Recht, indem er mit diabolischer Sophistik Natur und Religion verhöhnt. Das Verhältnis zu seinem Vater wird von ihm in der herzlosesten und empörendsten Weise zergliedert, die heiligsten Empfindungen werden in den Schmutz getreten, um sich jeder bindenden Verpflichtung zu entziehen.

Die Religion ist ihm nichts anderes als heiliger Nebel, der Gedankenlose und Narren mit Furcht erfüllen und den Pöbel im Zaum halten soll. Deshalb verdreht Franz die Worte der Schrift und weiß Bibelstellen (IV, 2) in schändlicher Weise zu missbrauchen.

Wenn man will, so könnte man auch hier behaupten, dass Schiller aus sich selbst geschöpft. War doch auch er bereits von manchem religiösen Zweifeln gepeinigt, welche seinen kindlichen Glauben an die Wahrheit des christlichen Dogmas erschüttert hatten. Als Dramatiker brauchte er nicht bloß einen reflektierenden, er brauchte einen handelnden Bösewicht. Und in dieser Hinsicht offenbart sich bei Schiller die zu Übertreibungen geneigte Jugendliche Schwäche. Denn da, wo Franz wirklich handelnd auftritt, wird er zur Karikatur:

  • Die Heftigkeit, mit der er seinem Vater nachstellt, um ihn zu töten,
  • sein empörendes Benehmen dem verzweifelnden Vater gegenüber,
  • seine Ausbrüche des Zorns (II, 2) gegen Hermann, durch die er sich doch deutlich in die Karten sehen lässt,
  • die plump angelegte Intrige, durch welche er Amalie gewinnen will und an deren Gelingen er selber zweifeln muss,
  • die vollständig ungerechtfertigte, hohe Weise, in welcher er den alten, treuen Daniel verdächtigt.

Auch wenn „die Tugend im Kontraste mit dem Laster das lebendigste Kolorit erhält“, ist Schiller hier doch ein recht gewaltsames Streben bei der Anwendung dieser Kunst nachzusagen. Mit Recht sagt er in der Selbstkritik der Räuber, es sei „eine Verständigung gegen die menschliche Natur, ein solches Monstrum in eine Jünglingsseele zu versetzen.“

Glücklicher dagegen ist dem Dichter die Katastrophe gelungen, in welcher er das Ende seines Bösewichts zur Anschauung bringt: Die Gewissensqualen, welche ihn peinigen, die unwillkürlichen Schauder, welche seine Glieder in frostiger Angst rütteln, die Ausbrüche des Zorns gegen Daniel und den Pastor Moser, wo es ihm an Gründen fehlt, seine Gegner zu besiegen, die entsetzlichen Träume und die Gespenster, welche ihn im Augenblick der letzten Not verfolgen, die wahnsinnigen Reden, mit welchen der zweifelnde Atheist seinem Leben ein Ende macht – das alles ist von tief ergreifender Wahrheit und bei der Darstellung auch jederzeit von mächtiger Wirkung.