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Charakterisierung Octavio Piccolomini aus Friedrich Schillers »Wallenstein«

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Im Jahre 1599 geboren, aus einem der ältesten und berühmtesten Geschlechter Italiens stammend, war Octavio Piccolomini bereits in jugendlichem Alter in den Kriegsdienst getreten. Nachdem er in Mailand unter den spanischen Truppen gedient hatte, kam er als Rittmeister mit einem Regiment nach Deutschland, das der Großherzog von Toskana dem Kaiser Ferdinand II. gegen die Böhmen als Hilfscorps sendete. Von nun an spielte er eine hervorragende Rolle unter den Feldherren des dreißigjährigen Krieges. In der Schlacht bei Lützen soll er das Regiment befehligt haben, durch dessen heftiges Vordringen Gustav Adolph ein Opfer seines Heldenmutes wurde. Als ihn Wallenstein 1634 zu den Salzburger Pässen schickte, um die aus Italien zu erwartenden Hilfsvölker zurückzuhalten, ging er von hier heimlicherweise nach Wien und setzte den Kaiser von den verdächtigen Plänen seines obersten Feldherrn in Kenntnis. Hierauf erhielt er neben Gallas und Altringer den Befehl, den Herzog von Friedland lebendig oder tot zu fangen.

Der geschichtliche Octavio war bei Wallensteins Ermordung erst 35 Jahr alt. Der Dichter, der ihm einen erwachsenen Sohn gibt, denkt ihn sich als einen Mann in den Fünfzigern. Er ist die Person, in deren Händen die Fäden der gegen Wallenstein gespielten Intrige zusammenlaufen. Doch dies passiert so, dass der Held des Stückes gleich am Anfang desselben von seinen Schlingen umstellt erscheint. Ein Freund der alten Ordnungen des Staates ist er bemüht gewesen, Wallensteins Abfall zu verhindern. Er hat ihm bei den Aussagen, die dieser ihm gemacht hatte, seine Bedenken geäußert und ihn (P. V, 1) im Ernst von dem gefährlichen Schritt abgemahnt. Da dies aber nicht geholfen hat, sinnt er nun heimlich darauf, dem Kaiser das Heer zu erhalten.

Ein Feind von wilden Zechgelagen (P. IV, 6), zieht er sich von den zu allerlei Ausschreitungen geneigten Offizieren zurück und wendet sich denen zu, die von besonnenerem Charakter sind. Buttler hat er bereits (P. I, 3) ausgeforscht, Altringer und Gallas sind (P. I, 3) schon gewonnen. Jetzt handelt es sich darum, auch die anderen Generäle herüberzuziehen. Das kann aber nur durch List geschehen. Obwohl er fühlt, dass Questenberg ihm vom Hof (P. I, 3) ein gefährliches Amt überbracht hat, dass er sich hüten muss, Verdacht zu erregen, weiß er sich doch durch alle Klippen hindurch zu winden. Die Pflicht für seinen Kaiser und die kluge Rücksicht für seine eigene Person werden die Richtschnur für sein Betragen.

Während er (P. I, 2) nicht nur einem Buttler, sondern auch einem Isolani zu schmeicheln versteht, hat er gleichzeitig den obersten Feldherrn mit Lauschern umstellt, die ihm alle Schritte desselben mitteilen müssen. Sich selbst dagegen versteht er wohl zu sichern, indem er seinen Verkehr mit den Unterhändlern (P. V, 2) durch die Kapuziner vermittelt. Was er in dieser Beziehung tut, glaubt er wohl verantworten zu können. Er stützt sich auf seinen Kaiser, dessen Politik sein Gewissen beruhigt. So benutzt er das Manifest, das Wallenstein in die Acht erklärt und das Heer von dem Gehorsam gegen seinen Feldherrn losspricht, um dem Kaiser neue Freunde zu gewinnen. Dass dabei auch wirkliche Hinterlist gegen den Herzog mit unterläuft, indem er Buttler (T. II, 6) den Brief zu lesen gibt, der sich so unvorteilhaft über ihn geäußert, macht ihm umso weniger Bedenken, als dies Verfahren gleichzeitig den Schein der Offenheit gegen den hinterrücks verleumdeten Buttler an sich trägt. Er glaubt sich daher vollständig berechtigt, seine krummen Wege (P. I, 4) als Wege der Ordnung zu schildern, um sich so seinem Sohn gegenüber rechtfertigen zu können.

Wenn Hoffmeister bei Octavio die Übereinstimmung des Charakters mit sich selbst vermisst, und meint, Schiller habe sich bemüht, das Gehässige in seinem Verhältniss zu Wallenstein zu mildern, ist dem gegenüber daran zu erinnern, dass Octavio, wie er (P. I, 3) selbst sagt, dem Wallenstein nur sein wahres Herz verbirgt, ohne ihm jedoch ein falsches zu heucheln. Besonders aber ist auf die ganze Szene (P. V, 1) zu verweisen, die bei der Beurteilung von Octavios Charakter nicht außer Acht gelassen werden darf. Schließlich rechtfertigt Schiller sich selber treffend mit den Worten: „Es lag weder in meiner Absicht, noch in den Worten meines Textes, dass ich Octavio Piccolomini als einen so gar schlimmen Mann, als einen Buben darstellen sollte. In meinem Stück ist er das nie; er ist sogar ein ziemlich rechtlicher Mann nach dem Weltbegriff, und die Schändlichkeit, die er begeht, sehen wir auf jedem Welttheater von Personen wiederholt, die, so wie er, von Recht und Pflicht strenge Begriffe haben. Er wählt zwar ein schlechtes Mittel, aber er verfolgt einen guten Zweck. Er will den Staat retten, er will seinem Kaiser dienen, den er nächst Gott als den höchsten Gegenstand seiner Pflichten betrachtet. Er verräth einen Freund, der ihm vertraut, aber dieser Freund ist ein Verräther seines Kaisers, und in seinen Augen zugleich ein Unsinniger.“ Mit Rücksicht auf den Schluss des Stückes fügen wir noch die historische Tatsache hinzu, dass Octavio nach Wallensteins Tod einen Teil der Güter des Ermordeten erhielt und dass er ferner wegen anderweitiger wichtiger Dienste, die er dem Kaiser später leistete, nach dem Westfälischen Frieden in den Reichsfürstenstand (vergl. T. V, 12) erhoben wurde. Er starb in Wien 1656.