HomeDie Horen1795 - Stück 12IX. Sobiesky. [J.W. von Archenholz]

IX. Sobiesky. [J.W. von Archenholz]

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Ein historisches Fragment.

Pohlen, ein altes Reich, das in unsern Tagen, von einem Jahrzehend zum andern immer mehr sinkend, endlich aus der Reihe der Staaten verschwand, gröstentheils weil es in einem erleuchteten Zeitalter durch seine Staats-Verfassung sehr zurückgeblieben war, giebt den Nationen der Erde eine sehr wichtige Lehre. Dies Volk hatte jedoch in seinen Jahrbüchern auch sehr glänzende Perioden: damahls, als dessen Nachbarn in der Cultur nicht viel weiter, und überdies, in Vergleichung ihres nachherigen Zustandes, entweder schwach, oder doch durch ihre Verhältnisse wenig furchtbar waren; als Wissenschaften und Künste in den Augen aller Völker nur wenig Werth hatten, und die Waffen allein Ruhm oder Unruhm bestimmen; als noch die Kriege mit weniger Aufwand und mit weniger Kunst wie jetzt geführt wurden, und folglich der kriegerische Geist der pohlnischen Nation sich völlig entwickeln konnte. Da zitterten die Russen vor den Pohlen; da gaben diese selbst in Moscau Gesetze, und zählten die Cosaken unter ihre Unterthanen; da waren sie furchtbare Feinde der Schweden und Preussen, lieferten allein ohne Hilfstruppen den mächtigen Heeren der Tatarn und Türken grosse Feldschlachten, und retteten die Kayserstadt der Deutschen. Diese Thaten der Pohlen, einer durch ihre Constitution, Sitten und Kleidung, unter allen Europäern ausgezeichneten Nation, verlieren sich nicht im hohen Alterhum. Nein! sie gehören zur Geschichte des vorigen Jahrhunderts.

Die Masse des Volks, die in allen nicht ganz despotischen Ländern doch etwas in Betrachtung kommt, die im alten Rom unter den Consuln sehr viel, und im neuern Frankreich unter den Sansculotten alles galt, wurde in Pohlen für nichts geachtet. Nur allein die Edelleute gehörten hier zur Classe der Menschen; sie allein genossen Freyheit; die Macht fiel dem Senat zu, und dem König bleib allein die Majestät übrig. Die Freyheit als Gesetzgeber in den National-Versammlungen zu reden, bestimmte den stolzen Charakter der Pohlen; sie erzeugte und entwickelte bey ihnen jene sehr achtungswürdige, oft erhabene Beredsamkeit, die mit ihrer geringen Cultur andrer Künste und Wissenschaften so seltsam contrastirte. Die Redner sprachen hier von den Augen der ganzen Nation, und selbst unter dem Schilde der Nation. Eine sonderbare Eigenheit, und die man sonst nirgends sah, war, daß diese nehmlichen privilegirten Menschen zu gleicher Zeit Gesetzgeber, Lehrer der Nation, Richter und Soldaten waren. Sie thaten hier alles; sie wählten ihre König, berathschlagten im Senat, belehrten das Volk in den National-Versammlungen, und gaben hier Gesetze; sie fällten Urtheile in den Tribunälen, und zogen auch gegen die Feinde zu Felde.

Pohlen stellte uns noch ganz neuerlich in mancher Hinsicht das Sittengemählde jener finstern Zeiten vor Augen, die wir weit hinter uns sehen. Der Landmann lebte in der tiefsten Sklaverey; der Stadtbewohner war ohne alle Achtung und in beständiger Furcht eine Beute raubgieriger Grossen zu werden, die mit Pracht auf ihren Schlössern hauseten, von keiner Abhängigkeit wissen wollten, und für nichts als für Fehden einen Sinn hatten. Selbst die Gesetzgeber berathschlagten in den Reichs-Versammlungen mit ihrem Säbel an der Seite, den sie nicht selten zur Behauptung ihrer Meynungen zogen. Indeß war noch im 17ten Jahrhundert die pohlnische Nation in Wissenschaften, Künsten, kurz in allem was ein Volk veredelt, sehr wenig hinter den andern cultivirten Völkern in Europa zurück. Ihre elenden Städte und Dörfer, die uns jetzt so auffallen, ihre geringe Industrie, ihren Aberglauben, hatte sie damahls mit andern Nationen gemein, die jetzt auf einer hohen Stuffe der Cultur stehen; dagegen waren weise Gesetze bey den Pohlen weniger selten, wie bey ihren Nachbarn, den Deutschen, den Schweden, den Russen; und während man in Deutschland die Glaubensfreyheit durch einen dreysigjährigen bürgerlichen Krieg nur sehr unvollkommen erringen konnte, während sie in Frankreich durch Blut vertilgt, in England durch barbarische Gesetze beschränkt, und in Italien als verabscheuungswürdig proscribirt wurde, war die Toleranz in Pohlen mit der Verfassung dieses Staats verbunden; die Dissidenten, oder Nicht Catholiken, genossen hier gesetzmässig Menschen-Rechte, die man in jedem andern Reiche durchaus nicht anerkennen wollte; und so sehr auch die Pohlen an Rom hiengen, so waren doch ihre Gesetzgeber nicht zu bewegen, ein Römisches Inquisitions-Tribunal in ihrem Reiche einzuführen.

Man sahe in Pohlen seltsame Contraste, und überhaupt viel Ausserordentliches. Orientalische Pracht neben Irokesischer Nacktheit; Alt-Römische Gebräuche, vermischt mit gothischer Barbarey; einen König umgeben mit Kronbeamten an der Spitze einer Republik, und Negerartige Sklaverey der bei weitem grössern Anzahl der Einwohner Pohlens, mitten unter dem Geschrey von bestehender Freyheit; Edelleute, die den Handel für entehrend hielten, nicht aber die niedrigsten Dienste und Peitschenhiebe, die sie als Stallknechte empfiengen. Der Pabstliche Nuntius besaß hier eine ausübende Gewalt, wie in keinem andern Staate; selbst die Könige konnten nicht ohne Erlaubniß des Römischen Stuhls proclamirt werden; die Bischöffe sassen im Senat; Jesuiten waren Beichtväter aller grossen Familien; Priester und Mönche waren in erstaunlicher Anzahl; allein doch hatte der Pabst auf die Königswahl sehr wenig Einfluß. Es wurden Gesetze gemacht, und dennoch ward von der Republik die ausschweifendste Despotie begünstigt, und die Feudal-Anarchie geduldet. Ein jeder Grosser war biß zum Übermuth eifersüchtig auf seine Gewalt, die er durch beständig unterhaltene Truppen zu Pferde und zu Fuß zu behaupten suchte; und doch war es dem ärmsten Landboten erlaubt durch sein einfaches Veto die durch die ganze gesetzgebende Macht beschlossenen Gesetze zu verwerfen, und einen Reichstag zu zerreissen.

Dies so beruffene Pohlnische Veto, ein Machtspruch, der durch das französische königliche Veto in Europa bekannter worden ist, gehörte nicht zur Constitution von Pohlen. Es war ein Mißbrauch, nicht älter als das 17te Jahrhundert. Der Landbote Sycincsky war der erste, der auf dem Reichstag zu Warschau 1652 sein Veto aussprach. Man wollte ihn dafür in Stücken hauen; er entgieng den Säbelhieben, nicht aber dem Blitz, der ihn bald nachher, wie die Pohlen seiner Zeit sagten, für dies Verbrechen, tödtete. Es wurde jedoch kurz darauf als ein Privilegium der Landboten betrachtet, das nicht verletzt werden konnte.

Der Stolz der Pohlen hinderte sie nicht, ihre Könige fast immer im Auslande zu suchen. Fremde, die ihre Verfassung, ihre Gesetze, ihre Sitten, ihre Sprache nicht kannten, wurden ihre Beherrscher, und diese, durch den Glanz einer Krone getäuscht, unterwarfen sich gerne allen Demüthigungen, die mit dem Loose eines Königs der Pohlen verbunden waren. Der Kronkanzler konnte ihm das Reichssiegel verweigern, der Kron-Kammerherr hatte das Recht, nach Gutdünken die königlichen Zimmer zu visitiren, und jeder Edelmann durfte ihm ungestraft trozen.

Nicht minder charakteristisch und originell als ihre Staatsverfassung waren ihre NationalGebräuche. Manche derselben hatten das Gepräge von Größe. So war z. B. die Wahl der Könige ein sehr ausserordentliches Schauspiel, verbunden mit einer Feyerlichkeit, die der erhabenen Handlung angemessen war, und wozu man das Muster nirgends in Europa gesucht hatte; denn alle Wahlen gekrönter Häupter in andern Reichen waren sowohl unter sich, als von der Pohlnischen Wahl sehr verschieden. Die Wahl der Kayser geschah in den Cabinetten; das Looß bestimmte die Dogen-Würde, und die Päbste wurden im Gefängniß erwählt. Die Pohlen verfuhren anders; bey ihnen war die Wahl keine leere Ceremonie, sondern eine sehr ernsthafte Handlung; auch war der Ausgang immer sehr ungewiß, bis in unserm Jahrhundert, als nicht mehr die Pohlen, sondern fremde Mächte hier die Krone austheilten.

Der Wahlort der Pohlnischen Könige, wo diese in Europa einzige National-Scene vorgieng, die bis in unsern Tagen beständig fortgesezt wurde, war ein großes Feld an der Weichsel, ganz nahe bey der Hauptstadt. Die ganze Nation, das heißt, alle Edelleute des Reichs, die dahin reisen wollten und konnten, waren hier gegenwärtig, und formirten ein ungeheures Heer, das oft 150,000 auch 200,000 Mann stark war. Es herrschte jedoch bey demselben Ordnung. Die Schaaren waren alle nach ihren Woywodschaften geordnet. Diese abgetheilten Staatskörper erschienen bey solcher Gelegenheit mit überaus großer Pracht an kostbaren Kleidungen, Pferden, Fahnen und Waffen. Ganze Schaaren Reuter hatten vergoldete Lanzen. Die vornehmen Edelleute ritten auf Parade-Pferden, deren Sättel und Zäume mit Emaille und Gold eingelegt, oft auch mit kostbaren Edelsteinen bedeckt waren. Alle wetteiferten hier untereinander sich an äusserlichem Glanz zu übertreffen.

Der gröste Theil der hier versammleten Edelleute war zu Pferde und bewafnet. Die Pohlen lagerten sich auf der einen Seite des Flusses, die Lithauer auf der andern. Der innere Wahlort war ein grosses Gebäude, mitten auf dem Felde, mit Schanzen und Graben umgeben. Es war einem Fort ähnlich, und hatte drey Thore, nach Osten, Westen und Süden. Innerhalb diesem Wahltheater befanden sich alle Großen des Reichs, die Senatoren und Landboten. Die letztern, als wahre Volks-Repräsentanten, brachten immer den Schaaren Nachricht von dem Gang des Wahlgeschäfts und hohlten Instructionen.

Dies Wahlschauspiel, wobei niemand in den vorigen Jahrhunderten auf den Preiß sicher rechnen konnte, war einem altrömischen Circus nicht unähnlich, ein ungeheurer Plaz, eine unermeßliche Menge Zuschauer, Wettläuffer, die nach dem Ziele lieffen, und hoher Ruhm für den Sieger. Alle reichen Magnaten hielten mehr oder weniger Truppen; allein keine dieser Art durften sich dem Wahlort nähern, selbst die Truppen der Republik standen in einiger Entfernung. Auch war nach den Gesetzen die Gegenwart der Kron-Candidaten nicht erlaubt, um ihren persönlichen Einfluß auf die Stimmfreyheit zu verhindern.

Die kriegerischen Eigenschaften der Pohlen, die Sattelfestigkeit ihrer Reuterey, und ihre Geschicklichkeit den Säbel und die Lanze zu gebrauchen, machten diese Nation bey allen Mängeln ihrer Staatsverfassung, und ihrer nicht großen Truppenzahl, furchtbar im Kriege. Hier waren die Pohlen kühn bis zur Verwegenheit; sie griffen ihre Feinde an, ohne auf deren Stärke zu achten, bestürmten die festesten Läger, und schwammen durch große Flüsse. Dies leztere sahe man von ihnen oft in ihren Kriegen gegen die Türken, ja selbst in Deutschland. Czarnecky schwamm im Jahr 1657 in Pommern mit seiner Cavallerie durch die Oder. Der Muth ersezte bey den Pohlen, was ihnen an Kunst fehlte; denn auch in der Art Krieg zu führen, blieben sie noch in neuern Zeiten zurück. Ihre Artillerie war und blieb immer sehr unbedeutend. Die Infanterie, die unter allen mannigfaltigen Systemen der Kriegskunst, bey Griechen und Römern, so wie bey den aufgeklärtesten Nationen unsers Zeitalters, beständig die Hauptkraft der Armeen ausmachte, wurde bey den Pohlen, noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, für nichts geachtet; ihre Cavallerie war ihnen alles. Sie trug Lanzen, floh im Treffen, fechtend wie die Parther, und marschirte wie die Tatarn mit allen zum Feldzuge nöthigen Lebensmitteln. Auch hatten sie noch in diesem neuen Zeitraum ganz besonders bewafnete Soldaten, die Bardysse, oder gekrümmte Ärte führten, und Bardyssaner genannt wurden.

Die Geschichte dieser Nation zeigt keine solche Vorfälle, die das Schicksal so vieler andern europäischen Staaten waren. Sie stellt uns keine Verschwörungen auf, keine ermordeten Könige, keine Religionskriege, keine fanatische Blutbäder, ja bey der grösten Anhänglichkeit an Rom, keine Ketzer-Gerichte. Die Herrscher, obgleich nur ein kleiner Theil der Nation, waren jedoch in zu großer Menge und zu sehr untereinander verbunden, um sich nicht von dem weit größern Theil Gehorsam zu verschaffen; daher es in Pohlen nie zu bürgerlichen Kriegen kam. Die unterdrückte Masse des Volks bewegte sich nicht; nur unter dem Adel entstanden oft Conföderationen, oder bewafnete Verbindungen, die nicht selten zu blutigen Auftritten, aber nie zu innerlichen Kriegen führten.

Die Aufstellung einiger historischer Züge dieser weiland achtbaren, nun aber vom Staaten-Theater wahrscheinlich auf ewig abtretenden Nation, dürfte jetzt größeres Interesse als je haben; daher dies Fragment. Es ist ein kleines Denkmahl; eine Art Standrede an dem Grabe eines erlauchten Todten.

Einer der grösten Männer dieser Nation war Johann Sobiesky, entsprungen aus einem Heldenstamm. Sein Großvater Marcus Sobiesky, Woywod von Lublin, rettete in der Moldau die Pohlnische Armee, die ihrem Untergange nahe war, und jezt einen Sieg erfocht. Er schlug die Rebellen in Pohlnisch Preussen im Jahr 1577, und blieb bey einem Sturm auf die Russische Festung Sokol. Noch berühmter war der Sohn Jacob Sobiesky, der als Feldherr im Jahr 1621 die große Schlacht bey Chozim lieferte, mit 65,000 Pohlen mehr als 200,000 Türken und Tatarn schlug, und hernach als bevollmächtigter Minister nach Constantinopel gieng, um hier die Friedensbedingungen vorzuschreiben. Er war Schriftsteller, rief Künstler aus Italien, um die Cultur seiner Landsleute zu verfeinern, und war selbst Lehrer seiner beyden Söhne, von denen Johann der jüngste war.

Von mütterlicher Seite war der Großvater dieses Johanns der berühmte Zolniewsky, der im Jahr 1610 die Russen geschlagen, Moseau erobert, und den Czaar Basilius gefangen genommen hatte. Zehn Jahre nachher war er in der Moldau, an der Spitze einer nicht sehr beträchtlichen Pohlnischen Armee von 100,000 Türken und Tatarn umringt. Er bahnte sich den Weg durch dies furchtbare Herr, und, obgleich von demselben beständig verfolgt, machte er doch einen glücklichen Rückzug von sechzig deutschen Meilen bis an die Ufer des Dniesters. Hier aber verließ ihn schändlich seine Cavallerie, schwamm durch den Fluß, und ließ die vom Feinde hart gedrängte Infanterie im Stich; selbst die Trossknechte spannten die Pferde in der Wagenburg aus, und ergriffen die Flucht. Dies geschah in der Finsterniß der Nacht, die das Schreken noch vermehrte. Alles war nun für die Pohlen verlohren. Zolkiewsky konnte sich retten; sein Sohn, der an seiner Seite focht, beschwor ihn dies zu thun. Der Vater antwortete: „Nimmermehr! die Republik hat mir „die ganze Armee anvertraut.“ Er sah nun seine ihm übrig gebliebene Infanterie in Stücken hauen, und seinen Sohn todt zur Erde stürzen, und einige Stunden nachher fiel er selbst mit Wunden bedeckt, als ein Opfer des Kriegs. Seine und seines Sohnes Überreste wurden von den Türken losgekauft, und in ein gemeinschaftliches Grab gelegt, das die Innschrift hatte:

„Möge aus unsrer Asche ein Rächer hervorgehn!“

Ein noch übrig gebliebener Sohn wollte dieser Rächer seyn; er warb auf eigne Kosten Soldaten, mit denen er ein weit stärkeres Korps Tatarn angrif; allein er erlag der Menge, und blieb selbst todt auf dem Wahlplaze. Die bestürzte Reichsversammlung beschloß 60,000 Mann anzuwerben, die Cosaken ins Feld zu rufen, ja den ganzen Adel aufzubieten, allein der Entschluß wurde nicht ausgeführt.

Es war Johann Sobiesky, dem Neffen des ehrwürdigen Zolkiewsky, vorbehalten sein Rächer zu seyn. Er hatte als Jüngling in Begleitung seines Bruders die vornehmsten Länder in Europa gesehn, und war eben über Constantinopel in sein Vaterland zurückgekehrt, als er zu dessen Vertheidigung die Waffen ergreifen muste. Die Zoporower Cosaken verheerten es; sie, die noch kürzlich Bewohner der Ukraine und Unterthanen der Republik Pohlen gewesen waren; ein Volk, das durch seine Kriegerischen Eigenschaften die Gränzen dieses Reichs bisher beschüzt hatte, das aber die gehäufte Mißhandlung der Pohlnischen Grossen nun nicht länger ertragen wollte. Der Unterdrückungsgeist, der von jeher unter allen Himmelsstrichen mit der Herrschaft gepaart war, verwandelte nun die eifrigsten Vertheidiger der Republik in ihre grausamsten Feinde. Ihr erster Aufstand wurde jedoch durch eine große Niederlage gedämpft; und so sehr entsank ihnen nun der Muth, daß sie selbst ihren Anführer Pauluk den Siegern auslieferten, um nur Begnadigung zu erlangen. Die Misshandlungen gegen sie wurden nun verdoppelt; man nahm ihnen alle Privilegien, desgleichen viele ihrer Kirchen, sandte Soldaten in ihr Land, und behandelte sie wie Sklaven. Jatinsky, ein hier commandirender Pohlnischer General, trieb diese sehr weit, und als er bey Chmielniky, dem Notarius der Cosaken (nächst dem Feldherrn die vornehmste Magistrats-Person dieses Volks) einigen Widerstand fand, verbrannte er dessen Landgebäude, ließ seinen Sohn in Stücken hauen, nothzüchtigte seine Frau, und erwürgte sie nachher mit eigenen Händen.

Diese empörende Grausamkeiten blieben troz allen Klagen ungestraft. Der König Vladislas IV, der damahls die Pohlen beherrschte, und nicht zu den schlechten Fürsten dieses Reichs gehört, kannte jedoch seine Schwäche als vollziehender Richter, und wollte daher die Kläger nicht hören. Die Cosaken griffen nun von neuem zu den Waffen; Chmielniky, ein im Kriege erfahrner und durch wissenschaftliche Kenntnisse ausgezeichneter Mann, wurde ihr Anführer, und das Glück begleitete seine Fahnen. Er drang ins Herz von Pohlen, schlug bey Pilawicz die von dem Kron-Feldherrn Potoky angeführte Pohlnische Armee, eroberte Lemberg, und sezte selbst die Hauptstadt Cracau in solches Schrecken, daß man von hier die königliche Krone wegbrachte. Verheerung und Mord bezeichneten die Schritte der siegenden Cosaken. Alle Edelleute, auf die man stieß, wurden niedergesäbelt, allein die Bauern wurden verschont; die Priester und Mönche aber gezwungen, sich mit den Nonnen zu verheyrathen, und die Juden sich taufen zu lassen.

Die Brüder Sobiesky kamen gerade von ihren Reisen zurück, als diese ganz unerwartete Niederlage der Kron-Armee, und zwar nach der damahligen Aristocraten-Sprache, durch verächtliche Rebellen, alles in Bestürzung gesezt hatte. Ihre Mutter, die Tochter des großen Zolkiewsky, empfieng sie mit den Worten: „Ihr kommt zu rechter Zeit uns zu rächen. Ich würde Euch nicht für meine Söhne erkennen, wenn auch Ihr bey Pilawicz geflohen wäret. Der Pohlnische Adel marschirte nun mit 50,000 Mann gegen die Cosaken, mit denen sich jezt die Tatarn verbunden hatten; es kam in Volhynien am Bogfluß zu einer zweyten Schlacht, die den Pohlen eben so ungünstig, wie die erste war. Sie wurden total geschlagen, und eine Menge vornehmer Edelleute gefangen genommen, unter denen sich auch der ältere Sobiesky befand. Man führte sie mit Ketten beladen vor den Chan der Tatarn, der ihnen allen die Köpfe abhauen ließ.

Dies geschah im Jahr 1649; in einem Zeitpunct, der den Königen nicht günstig war. Casimir hatte eben jetzt nach dem Tode des Vladislas den Pohlnischen Thron bestiegen, der anfieng zu wanken; König Philipp IV von Spanien hatte Portugal und alle asiatischen Besitzungen verlohren; Ludwig XIV flohe mitten in Frankreich vor seinen sieghaften Unterthanen, und Carl I von England hatte seinen Kopf aufs Blutgerüste tragen müssen.

Casimir marschirte nun in Person gegen die Cosaken, ohne jedoch eine Schlacht zu wünschen. Er hielt sich vertheidigungsweise in seinem festen Lager bey Zoborow. Der kühne Chmielniky grif es mit der grösten Wuth an, allein ohne Erfolg. Noch andre Treffen und Gefechte waren für ihn nicht glücklicher. Er verlohr dabey 20,000 Mann; ein Verlust, der den Frieden nach sich zog. Casimir bewilligte den Cosaken alles, nur verlangte er eine demüthige Scene, die auch statt hatte. Chmielniky muste auf den Knien um Verzeichung bitten, die Waffen ergriffen zu haben. Die Pohlnischen Großen aber waren hiemit nicht zufrieden; es war ihnen um mehr, als um Demüthigung zu thun; sie schrien, daß der König die Republik verrathen hätte. Die durch diese Wuth aufgeschreckten Cosaken wollten den förmlichen Bruch nicht erst abwarten; sie vereinigten sich wieder mit den Tatarn, und bey Beresteck kam es zu einem Treffen, worin jedoch die Pohlen Sieger waren. Allein der Sieg kam ihnen sehr theuer zu stehen; sie hatten eine große Menge Todter und Verwundeter, unter welchen leztern sich auch Sobiesky befand. Chimielniky floh nun zu den Russen, die damahls der Czaar Alexis beherrschte, und mit ihnen verstärkt drang er bald nachher wieder in Pohlen ein.

Die Lage dieses Reichs wurde bald schrecklich. Während daß die Russen Lithauen verheerten, die Cosaken und Tatarn die südlichen Gegenden mit Feuer und Schwerdt verwüsteten, fielen die Schweden im westlichen Pohlen ein, und unterwarfen sich einen grossen Theil des Landes. Auch Ragotzy, Fürst von Siebenbürgen, trat zu diesem Bunde, um ebenmässig seinen Antheil an der grossen Länderbeute zu haben, die bey einer so ungeheuren Allianz unfehlbar schien. Jeder Monat, jede Woche, rechtfertigte diese Erwartung. Die Pohlnischen Truppen wurden allenthalben geschlagen, oder zerstreut, der Schrecken wurde allgemein, und der König Casimir selbst flüchtete nach Schlesien.

In dieser Zeit der National-Verzweiflung standen zwey Männer von grossem Geiste, Sobiesky und Czarnecky, zur Vertheidigung ihres Vaterlandes auf, entschlossen alles zu benutzen, was Muth erzeugen, und günstige Umstände nur immer darbieten würden. Die Schweden, die in Lithauen ganz unbesorgt im Winterquartiere lagen, wurden theilweise überfallen, und niedergehauen. Nur eine kleine Zahl dieser kriegerischen Truppen entkam, und in wenig Wochen war kein Schwede mehr in Pohlen zu finden.

Was die Geschichte aller Zeiten bey verbündeten Kriegern lehrte, sahe man auch hier. Die Bundsgenossen wurden uneinig, und dies rettete Pohlen. Man fand Mittel, die Tatarn von dem Bunde zu trennen, und sie mit den Pohlen zu verbinden; und was die Vortheile dieser neuen Allianz vermehrte, war daß diese Tatarn der Führung des Sobiesky überlassen wurden. Er versammlete nun auch die zerstreuten Pohlen, und sezte sie mit kluger Überlegung in Thätigkeit; Czarnecky that ein gleiches; und so geschah, was in ähnlichen Fällen sich immer ereignete, und was wir noch am Ende des 18ten Jahrhunderts gesehen haben. Die tapfern, die siegreichen Schweden waren unter Anführung ihres Königs Carl Gustav von neuem in Pohlen eingefallen, allein sie drangen zu weit vor, und mußten in einem entlegenen feindlichen Lande ihren Unterhalt vom Glücke erwarten. Hiezu kam, daß der lange Marsch und die großen Strapatzen die Truppen sehr geschwächt hatten. Sobiesky benuzte alle diese Umstände, um unablässig die Feinde zu necken, und ihnen die Zufuhren abzuscheiden. Die Schweden waren in der grösten Bedrängniß, und ihre ganze Hofnung beruhte nun auf einem Corps ihrer Nation, von 6000 Mann, womit der General Douglas ihnen zu Hülfe eilte. Dieß Corps aber wurde von Sobiesky angegegriffen und geschlagen.

Die Pohlen konnten jedoch wegen der andern Feinde ihre Vortheile nicht verfolgen; sie musten sich theilen; denn Ragotzy rückte vor, und auch der Chrufürst von Brandenburg, Friedrich Wilhelm der Grosse, kam den Schweden zu Hülfe. In Verbindung mit diesen wurde bey Warschau ein grosser Sieg erfochten, der die Eroberung und Plünderung dieser Hauptstadt zur Folge hatte, und der überhaupt alle Hofnungen der Pohlen und Tatarn zu vernichten schien. Dies Waffenglück aber brachte die europäischen Cabinette in Bewegung; die Schweden und Preussen wurden durch die politischen Maasregeln grosser Mächte genöthigt, Pohlen zu räumen; ein kühner Einfall der Pohlen in Siebenbürgen zwang auch Ragotzy zum Rückzuge, und auch die Russen wurden aus allen ihren eroberten Plätzen vertrieben. Der Olivasche Frieden machte bald nachher dem Kriege der Pohlen mit ihren Hauptfeinden, den Schweden und Preussen, ein Ende.

Das Pohlnische Reich war nun der Ruhe nahe, allein die Ungerechtigkeit des Königs gegen einen edlen Patrioten, den Unterfeldherrn Lubomirsky, entfernte sie; und veranlasste einen Bürgerkrieg. Lubomirsky that alles um ihn zu vermeiden, allein der ungroßmüthige Monarch wollte von keiner Unterwerfung hören, selbst nicht, als der erstere an der Spitze einer Armee stand. Von Gefechten kam es endlich in Cujavien zu einer Schlacht, bey welcher der König selbst zugegen war, und wo Polubinsky als Feldherr die Armee der Republik, Sobiesky aber als General unter ihm commandirte. Ein Morast trennte beyde Heere. Der König befahl diesen zu passiren und den Feind anzugreifen. Sobiesky fand dies sehr gefährlich; seine Vorstellungen aber wurden nicht gehört, und die Schlacht gieng durch den Eigensinn des Monarchen verlohren, von dessen Truppen 13,000 Mann auf dem Platz blieben. Lubomirsky behandelte die Gefangenen, unter denen sich selbst Polubinsky befand, wie seine Freunde, und ließ sie alle frey, benutzte seinen Sieg um die Hände zur Versöhnung zu bieten, und so groß war sein Edelmuth, daß er, der die Bedingungen vorschrieb, und den Lieblings-Entwurf des Hofes in Betref der Thronfolge vereitelte, nicht einmahl die Wiedereinsetzung in seine Würden und Ämter verlangte, die ihm der König entzogen hatte.

Sobiesky, dessen starker Charakter, Tugenden und Verdienste, seine Lobredner waren, hatte das ungewöhnliche Schicksal, zu gleicher Zeit die allgemeine Hochachtung des Volks, und die Gunst des Königs zu geniessen, der auf ihn die höchsten Reichswürden häufte. Er ernannte ihn, was man nie zuvor vereinigt gesehn hatte, zum Kron-Großmarschall und auch zum Kron-Großfeldherrn. Die erste Würde machte ihn, zufolge der Staatsverfassung, in der Hauptstadt, die andere bey der Armee unumschränkt. Durch diese leztere war der Kronfeldherr Despot in allen Provinzen, besonders in Hinsicht der Winterquartiere, die er ganz nach eigener Willkühr anordnen, und dadurch die grossen Güterbesitzer ruiniren konnte. Sobiesky war so großmüthig, nicht allein diesem Theil seiner Gewalt für sich zu entsagen, sondern auch durch eine Acte dies so grausam gemißbrauchte Privilegium für alle seine Nachfolger zu vernichten. Hiedurch stillte er das Murren über eine allzu große Gewalt, das selbst die Hochachtung des Volks nicht hatte unterdrücken können.

Nie waren grosse Talente der Republick nöthiger. Die Tatarn thaten mit 80,000 Mann einen neuen Einfall in Pohlen, und verheerten Podolien und Volhinien. Die Cosaken vereinigten sich mit ihnen, und auch die Türken bedroheten die Republik. Ihre Länder waren nach so vielen Kriegen von streitfähigen Männern entblößt, und die Armee biß auf 12,000 Mann zusammengeschmolzen; und so schlecht war der Zustand der Finanzen, daß auch diese wenigen Truppen nicht mehr besoldet werden konnten. Sobiesky zeigte hier seine Thätigkeit und seinen Patriotismus. Er wandte alles an, die Armee zu verstärken, nahm dazu sowohl die Recruten als deren Unterhalt aus seinen eignen Ländereyen, erstand aus seinem Vermögen Geschütz und Kriegsbedürfnisse, und machte selbst in seinem Namen Anleihen, um den National-Schaz zu versorgen, sodann gieng er mit 20,000 Mann, dem 100,000 Mann starken Heer der Tatarn und Cosaken entgegen, und lagerte sich bey Pohance. Seine Maasregeln schienen vielen pohlnischen Befehlshabern verwegen; sie brachen in lautem Tadel aus. Der Feldherr erklärte, daß er von seinem Plan nicht abweichen würde, allein einem jeden die Freiheit gäbe, die Armee zu verlassen. Sein kleines Lager War ganz von den Feinden eingeschlossen; kein Entsatz war zu hoffen, und die Pohlnischen Truppen schienen verlohren zu seyn. So voller Zuversicht war jedoch Sobiesky bey seinen geringen Hülfsmitteln, und in seiner sehr bedenklichen Lage, daß er es wagte, dem Tatarischen Heerführer, dem Chan Nuradin, auf eine sonderbare Weise zu drohen. Man hatte einige Gefangene gemacht; er schickte sie zurück mit dem Auftrag: „Sagt dem Nuradin, daß ich ihn so behandeln werde, wie er meinen Bruder behandelt hat: Kopf für Kopf.“

Die Antwort des Tatarn war die Beschleunigung des Angriffs, der von allen Seiten zugleich geschah. Das Lager der Pohlen war stark verschanzt, ihre Stellung vortrefflich, und ihre Vertheidigung geschah mit ausserordentlichem Muth. Die Wuth der Angreifenden war daher fruchtlos; sie wurden mit grossem Verlust zurückgeschlagen. Am folgenden Tage ward der Angriff erneuert, und der Erfolg war nicht besser. Es war weder den Tarn noch den Cosaken möglich, ins Pohlnische Lager zu dringen. Diese blutigen Versuche wurden sechzehn Tage hintereinander fortgesetzt. Ein Sturm folgte dem andern, sowie auch ein Ausfall dem andern. Am siebzehnten Tage sollte ein General-Sturm geschehen. Sobiesky wollte diesen nicht abwarten; er verließ seine Verschanzungen, und gieng selbst den Feinden entgegen, die bey diesem Anblick ein Freudengeschrey erhoben. Sie hielten ihren Sieg nun für gewiss; aber eben diese Zuversicht hatte auch die Pohlnische Armee, zu der sich sogar freyillige Bauren gesellten, und bey welcher sich selbst die Trossknechte bewafnet hatten. Das Treffen war hartnäckig und blieb lange zweifehlhaft, bis die Pohlnischen leichten Truppen den Tatarn in die Flanke brachen. Nun suchten diese ihre Rettung in der Flucht, und rissen die Cosaken mit sich fort. Sobiesky ließ den Nuradin aufsuchen, um sein Wort zu halten; allein auch er war bereits entflohen, und ließ 20,000 Todte auf dem Schlachtfelde zurück. Der Friede war die herrlichste Frucht dieses Sieges, der so ganz als das Werk des Sobiesky betrachtet werden konnte. Auch war seine Rückreise nach Warschau ein ununterbrochener Triumph, der in der Reichsversammlung noch erhöhet wurde. Der Vice-Kanzler dankte hier auf eine feyerliche Weise, im Namen aller Stände, dem Feldherrn für seine dem Staat geleisteten grossen Dienste.

Pohlen sah nun eine noch nie gehabte Scene. Der König Casimir, dieser des Throns so unwürdige Monarch, der letzte des Jagelloschen Geschlechts, das dreyhundert Jahre lang dies Reich beherrscht hatte, erklärte dem Reichstag, daß er den Regierungsgeschäften nicht länger vorstehen, sondern sich zur Ewigkeit vorbereiten wolle. Die Senatoren, voller Besorgniß neue Unruhen in ihrem verheerten Reiche zu sehen, vergassen die königlichen Verbrechen, und baten den König fußfällig seinem Entschluß zu entsagen, womit nach vielen harten Reden gegen den Monarchen endlich auch die Landboten einstimmten, aber vergebens; er legte (im Jahr 1668) seine Krone nieder, und gieng nach Frankreich, wo er in einem Kloster starb.

Diese Krone wurde jetzt das Ziel der eifrigsten Bestrebungen vieler auswärtigen Fürsten. Der Czar von Russland wünschte sie für seinen Sohn, und um den Weg dazu zu ebnen, geschah sogar das Anerbieten, daß er die Griechische Religion abschwören sollte. Frankreich, das damahls anfieng, sich in die Angelegenheiten aller Staaten zu mischen, bemühete sich für einen Prinzen des Bourbonschen Hauses, und wollte anfangs dem Sohn des Prinzen Conde, nicht aber dem mit Ruhm gekrönten Vater den Thron verschaffen; an der Spitze dieser Parthey stand der durch seine Würde viel vermögende Priams Prazmovsky; auch zeigten sich als Kron-Candidaten der Fürst von Siebenbürgen, Ragotzy, der Herzog von Neuburg, und der Prinz Carl von Lothringen; ja selbst die Königin Christina, die die Schwedische Krone bereits niedergelegt, hatte den sonderbaren Einfall, unterstütz von dem Pabst, um die Pohlnische zu werben. Der Russische Prinz fand wenig Anhänger; Ragotzy noch weniger, von dessen Verheerungen sich noch überal in Pohlen die Spuren zeigten, und der dennoch, durch die mächtige Kronlust getrieben, die Stirne hatte, als Mitwerber aufzutreten. Der Herzog von Angouleme, Sohn des Prinzen von Conde, wurde wegen seiner Jugend, und wegen der zu seinem Vortheil von Casimir angesponnenen unglücklichen Intriguen verworfen; auf den Vater aber wäre vielleicht die Wahl gefallen, wenn nicht Ludwig XIV selbst gegen diesen Helden, den er haßte, gearbeitet hätte. Dieser Monarch trat endlich auf die Seite des Herzogs von Neuburg, der auch von dem Kayser, von Schweden, und von den Churfürsten von Brandenburg und Sachsen unterstützt wurde.

Die Pohlen bereiteten sich nun das edelste Recht auszuüben, das ein Volk nur geniessen kann: sich durch freye Wahl ein Oberhaupt zu geben. Man achtete nicht auf die drohende Forderungen des Czar Alexis, der 80,000 Mann in Bewegung setzte, um die Wahl seines Sohnes Feodor zu erzwingen. Das Wahl-Lager war auf den Feldern bey Warschau aufgeschlagen. Der Kern der Nation war hier versammlet. Es waren 90,000 Bewafnete zugegen, ohne den von allen Seiten herbeiströmenden Pöbel zu rechnen. Auf einmahl verbreitete sich das Gerücht, daß man durch eine listige Überraschung den Prinzen von Conde erwählen würde. Debitzky, ein Mann von grossem Ansehn, bemühte sich in einer Rede, diesen Entwurf als entehrend für die Nation zu schildern, und vermochte den Adel auf der Stelle, von dem Senat die Ausschliessung dieses Prinzen zu fordern. Der Senat war in Verlegenheit, und der Primas schwieg. Sobiesky, durch den Heldengeist mit dem grossen Conde verwandt, zeigte hier seinen gewöhnlichen Edelmuth; er, der Liebling der Nation, obgleich nicht unter den Kronbewerbern, konnte doch nicht ohne alle Hofnungen für sich seyn, und die verlangte Ausschliessung muste diese Hofnungen näher bringen. Dieß kam jedoch bey ihm in keine Betrachtung. Er nahm das Wort, lehnte sich gegen die Forderung auf, und sagte: „Es ist ganz was anders, seine Stimme zu versagen, als auszuschliessen. Das eine ist eine Ausübung der Freiheit, das andre eine Beleidigung. Wenn der Ritterstand so sehr die Freiheit des Senats einschränken will, so entferne ich mich, um keinen Antheil an der Dienstbarkeit des Senats, und an der Kränkung eines ruhmvollen Fürsten zu nehmen.“

Die Ausschliessung wurde jedoch am folgenden Tage Volksstimme, und erfolgte gegen den Willen des Senats. Nun lag die Krone zwischen den zwey Mitwerbern, dem Prinzen von Lothringen, und dem Herzog von Neuburg. Der gröste Theil des versammleten Adels war für den erstern, dagegen aber der Senat, die meisten Landboten, und fast alle Grossen des Reichs sich als Anhänger des letztern zeigten; es traten Redner auf, die von seinen grossen Länder-Besitzungen sprachen, die jene grossen, von ihm der Nation zugesagten Vortheile erhoben, und endlich unter ihren Argumenten für seine Wahl, auch die Armeen seiner mächtigen Beschützer anführten, die keine abschlägige Antwort annehmen würden. Diese Reden waren zu demüthigend für ein stolzes Volk, zumahl bey einer solchen Gelegenheit; auch setzten sie alles in Bewegung, und es erfolgte eine schreckliche Scene. Man bestürmte die Verschanzung, die den innern Wahlort deckte, und beschloß die Senatoren mit Pistolen; in wenig Minuten geschahen einige tausend Schüsse. Viele dieser Edeln warfen sich von ihren Sitzen zur Erde, um den Kugeln auszuweichen; andre wollten fliehen, allein man hielt sie mit Gewalt zurück; zwey Senatoren wurden dabey erschossen, und mehrere verwundet. Der Tumult nahm jeden Augenblick zu, und keine Bitten und Vorstellungen vermochten ihn zu stillen. Nur allein die Entschlossenheit des Sobiesky stellte die Ruhe her; er drohete die Truppen vorrücken zu lassen, um alle diejenigen niederzuschiessen, die sich der ruhigen Stimmen-Sammlung ferner widersetzen würden.

Jetzt fand Opalinsky, der Woywode von Kalisch, Gehör. „Warum, sagte er, wollen wir uns einander für Fürsten erwürgen, die wir nie gesehen haben, und deren Scepter vielleicht schwer auf uns liegen wird? Unsre Vorfahren waren weiser. Kaum hatte sich die Nation geformt, als sie sich, so wie heute, zwischen mehrern auswärtigen Pretendenten getheilt fand. Das sie bedrohende Unglück führte sie zur Vernunft. Sie wählte Piast, einen gebohrnen Pohlen, und dieser, ohne Geburth, ohne Vermögen, regierte so weise, daß noch jetzt aus Grundsätzen von Ehre und Dankbarkeit, ein jeder Pohle sich einen Piasten nennt. Laßt uns also unsern Vorfahren nachahmen und einen Piasten wählen!“

Diese Rede gefiel. Man benutzte die Stimmung, und sofort stellten zwey Woywoden, den Michael Wisnowiecky dem Volke zur Annahme dar. Das Geschrey ertönte nun von allen Seiten: Es lebe der König Michael! Nur allein die verweigerte Proclamation des Primas fehlte; sie wurde aber durch vorgehaltene Pistolen erpreßt, und nun war Michael König! er, der arm war, der nie ein Staatsamt verwaltet, und kein ander Verdienst hatte, als ein Sohn des berühmten Jeremias Wisnowiecky, und ein Abkömmling von Koribut, dem Onkel des grossen Jagollo, zu seyn.

Dieser Wahl-Fechterstreich, wodurch das Volk überrascht wurde, war eine Nachahmung der im Römischen Conclave üblichen Intriguen. Die Grossen beneideten den ohnehin mächtigen Sobiesky; sie fürchteten seinen ernsten Charakter, und hoften unter dem schwachen kenntnißlosen Michael unabhängig zu seyn. Dieser Mann fühlte auch so sehr seine Unfähigkeit, daß er bey den Ehrfurchtsbezeugungen wie ein Kind weinte, und die Krone anfangs gar nicht annehmen wollte. Die Brüder Pac, zwey ehrgeizige Männer, von denen der eine Großkanzler von Lithauen, und der andre Groß-Feldherr von Lithauen war, wurden seine Vertrauten und regierten den Staat, der abermahls von den Cosaken bedroht wurde; von Menschen, die gute Unterthanen gewesen waren, bevor man sie zu schlechten Sklaven gemacht hatte. Sie bemächtigten sich eines grossen Landstrichs, und fanden nur geringen Widerstand. Sobiesky gieng ihnen mit wenigen Truppen entgegen, vertrieb sie allenthalben ohne viel Blutvergiessen, unterjochte sie in kurzer Zeit wieder, und zwang ihren Anführer Doroscensko nach Constantionopel zu flüchten. Sein Betragen dabey und die darauf folgende Ausübung des Grundsatzes, daß man die Cosaken mit Güte zu ihrer Pflicht zurückzuführen, und sie durch die Aussicht ihres eignen Wohls fesseln müsse, forderten den Senat und die Nation zur Bewunderung auf; auch schrieb ihm der Vice-Kanzler im Namen des Königs und der Republick: „Man kann bey dieser Expedition nicht genug ihren Muth und Ihre Klugheit bewundern. Sie zwingen den Neid selbst zu gestehn, daß Pohlen Ihnen seine Rettung verdankt.“

Der siegreiche Muhamed IV, das Schrecken der Österreichischen Staaten, beherrschte damahls das Türkische Reich, und der berühmte Kiuperli, ein Mann von seltenen Geistesfähigkeiten, war sein Groß-Vezier. Dieser durch die Vorstellungen des Doroscensko und durch das Waffenglück der Türken angefeuert, machte jetzt den Entwurf, die Ukraine den Pohlen zu entreissen. Doroscensko wurde daher von den Türken wohl empfangen. Ein stolzes Schreiben von Kiuperli an den Senat, kündigte den Pohlen an, daß Muhamed diese Provinz in seinen Schutz genommen, und mit einem ungeheuren Heere sich den Gränzen nähere; allwo er die Antwort erwarten würde. In diesem Schreiben eines Despoten standen die in unsern Tagen viel bedeutenden Worte: „Die Cosaken haben nach dem Natur-Recht die Waffen ergriffen, um ihre Freiheit wieder zu erlangen.“

Der Senat versammlete sich. Die Patrioten verlangten, daß man die Cosaken zufrieden stellen sollte; die königliche Parthey hingegen heilt das Schreiben für eine leere Drohung, und versprach sich im äussersten Fall einen mächtigen Beystand von den Russen und dem Kayser Leopold, der seine Schwester dem König Michael zur Gemahlin gegeben hatte. Sobiesky war abwesend, und so groß war die Ehrfurcht der Marjorität für diesen Feldherrn, daß trotz dem Widerspruch der Hof-Creaturen alle fernere Berathschlagungen über diese Sache biß zu seiner Ankunft ausgesetzt wurden. Sie geschah am folgenden Tage. Die meisten Senatoren giengen ihm entgegen, und führten ihn mitten unter den grösten Lobsprüchen in den Senat. Hier redte Sobiesky nachdrücklich für die Cosaken. Die Hofparthie wagte es nicht die Sache durchs Stimmen entscheiden zu lassen; allein sie schlug einen andern Weg ein: die Pforte erhielt keine Antwort.

Der schwache König Michael wurde immer verächtlicher, sein Anhang kleiner, und die Gefahr des Reichs unter einer solchen Regierung mit jedem Tage grösser. Nun entstand eine Verbindung zwischen vielen Magnaten, an deren Spitze der Primas stand, den unwürdigen König zu entthronen. Sie schrieben deshalb an den Kayser Leopold, deckten ihm alle Wunden des Staats auf, zeigten die Nothwendigkeit, einen andern Herrscher zu haben, und erklärten, daß bloß ihre Ehrfurcht gegen den Kayser die Entthronung noch verschoben hätte. Leopold beklagte die Unfähigkeit seines Schwagers und die üble Lage der Republick, allein mit der Äusserung, daß er seiner Schwester Entthronung nicht zugeben könnte. Er schlug daher einen Ausweg vor, und dieser war: den König der ehelichen Unmacht zu beschuldigen, und dadurch seine Vermählung canonisch aufzulösen. Die Königin war damit zufrieden, jedoch mit der ausdrücklichen Bedingung, wieder des neuen Königs Gemahlin zu werden. Ihr Bruder empfahl nun zu dieser Würde den neuerlich verworfenen Kron-Candidaten, Prinzen von Lothringen.

Die Verbündeten wandten sich an Sobiesky, da nur allein seine Zustimmung den Erfolg leiten konnte. Der Großfeldherr gab dem Entwurf seinen Beyfall, fand es aber der Republick unanständig, von einem fremden Hofe Vorschriften zu erhalten, und höchst unwürdig Theil an der Intrigue zu nehmen, dem König durch eine Farce seine Gemahlin zu entreissen. Zum künftigen König schlug er den französischen Herzog von Longueville vor, der sich durch seinen kriegerischen Muth ausgezeichnet hatte; und auch mit diesem war die Königin zufrieden, um nur ihre Krone zu behalten. Diese Beschlüsse bleiben jedoch sowohl dem König Michael, als dem Wiener-Hofe verborgen.

Der König war indeß durch die Bewegungen der Türken genöthigt, einen Reichstag zusammen zu rufen. Hier muste er die bittersten Vorwürfe anhören. Der Primas selbst überschritt hiebey die Gränzen der Mässigung, und sagte: „Die Nation hat Sie zum Könige gemacht; und Sie machen diese Nation unglücklich. Anstatt alles anzuwenden die Ukraine zu beruhigen, haben Sie dort alles noch mehr aufgebracht. Die Festungswerke von Kaminiec, dies Bollwerk des Reichs, haben Sie verfallen lassen. Sie haben Menschen an Ihrem Hofe und in Ihrem Cabinet, die das Interesse des Reichs dem ihrigen aufopfern. Es waren Landboten auf dem Wege, um Sie zu bitten diese öffentliche Pest zu entfernen, und Sie haben diese Abgeordneten selbst entfernt. Sie geben die Starosteyen auf eine constitutionswidrige Art weg – Welches Vertrauen können wir nun länger in Ihre Schwüre setzen! Sie haben solche verletzt; wir brechen auch die unsrigen nach Ihrem Beyspiel.“ Viele Senatoren sagten nun dem König ins Angesicht, daß er vom Throne steigen sollte.

Ein Zufall gab jedoch dem Monarchen neue Hofnung. Der als Thronfolger vorgeschlagene Herzog von Longueville verlohr im Kriege wider die Holländer sein Leben. Michael benutzte diesen Umstand; er verdankte gröstentheils seine Krone dem untern Adel, und diesen rief er nun zu seinem Beystand. Sofort entstand eine grosse Conföderation; an 100,000 dieser Edelleute versammleten sich in der Woywodschaft Lublin. Czarnecky wurde zum Conföderations-Marschal erwählt, auch mit sehr ausgedehnter Vollmacht versehn; und in seine Hände schwuren diese Conföderirten, den König zu vertheidigen. Alle Senatoren und Staatsbeamten wurden zur Vereinigung eingeladen, bey Strafe ihre Würden und Güter zu verlieren. Die Frist war kurz und die Bestürzung der Grossen ausserordentlich. Alle richteten die Augen auf Sobiesky, der seine Armee bey Lowitz versammlete. Diese Truppen machten eine Gegen-Conföderation, und schwuren bey dem Namen Gottes und Sobiesky, die Rechte und Freiheiten Pohlens zu vertheidigen, und einen jeden Soldaten, der sich nicht mit ihnen vereinigen würde, als einen Feind des Vaterlandes zu betrachten. Der Primas, der gröste Theil der Senatoren und Reichsbeamten, flüchteten nun in das Lager bey Lowitz, und schlugen hier gleichsam den Sitz der Republick auf, so wie in Roms Bürgerkriegen die Römischen Senatoren, um dem siegenden Cäsar auszuweichen, ihre Zuflucht ins Lager des Pompejus nahmen, und hier einen Senat bildeten.

In diesem höchst critischen Zustande war Pohlen, gerade in dem Anfange eines Bürgerkrieges, der schrecklich zu werden drohte, als die von ihrem Sultan Muhamed angeführten Türken, 150,000 Mann stark, wie eine Fluth einbrachen. Der unwürdige König dachte nicht daran, sein Reich gegen so mächtige Feinde zu vertheidigen, sondern beschäftigte sich bloß mit seinem Haß und seiner Rache. Alle gegen ihn feindlich gesinnten Grossen wurden ihrer Ämter und würden entsetzt, ihre Güter eingezogen, und die Anführer gerichtlich zum Tode verdammt. Dies letztere Looß traf auch Sobiesky und den Primas; da man aber sehr wenig Hofnung hatte, ihrer mit Gewalt habhaft zu werden, so wurden 20,000 Ducaten auf ihre Köpfe gesetzt. Die Nachricht davon setzte die Truppen in Wuth; sie schwuren auf gekreuzten Säbeln ihren Feldherrn zu rächen. Sobiesky antwortete: „Ich nehme euren Schwur an, aber erst lasst uns das Vaterland vertheidigen.“

Sein erster Schritt war, die Besatzung von Kaminiec ansehnlich zu verstärken, da ihm ein naher Angrif dieses wichtigen Orts wahrscheinlich dünkte; allein der Commandant, ein Anhänger des Königs, wollte die von einem Geächteten gesandte Verstärkung durchaus nicht annehmen. Sobiesky hatte nur 35,000 Mann, und mit diesen war er entschlossen, nach den Umständen zu agiren. Er hatte sich nicht geirrt; Muhamed rückte zuerst mit seiner ganzen Macht auf Kaminiec loß, das der Pohlnische Feldherr jetzt seinem Schicksal überlassen muste. Er sah mehr Wahrscheinlichkeit eines glücklichen Erfolgs, wenn er den 100,000 Tatarn entgegen gienge; diesen wegen ihres Verwüstungs-Systems furchtbaren Kriegern, die unter Anführung ihres Chans Selim Giray, eines durch Kenntnisse und Charakter ausgezeichneten Fürsten, den Türken gefolgt waren, sich in drey grosse Corps getheilt hatten, und so die südlichen Provinzen von Pohlen verheerten. Das Haupt-Corps commandirte der Chan selbst, die andern beyden seine Söhne Nuradin und Galga. Sobiesky stieß auf den erstern in der Woywodschaft Lublin, und erfocht einen glänzenden Sieg. Nuradin entkam mit genauer Noth, und rettete sich mit dem Rest seiner Truppen zu seinem Bruder, der in der Bestürzung so fort nach dem Dniester zu aufbrach, um sich mit seinem Vater zu vereinigen; allein Sobiesky kam ihm durch starke Märsche zuvor, griff ihn bey Minirow an, und erfocht einen vollkommenen Sieg. Er ließ nun seine Infanterie auf dem Schlachtfelde zurück, und verfolgte die Flüchtlinge allein mit seiner Cavallerie. Vergebens versuchten die Tatarn bey Drudeck und Komarne Stand zu halten; sie wurden in beyden Gefechten zurückgeschlagen, und rastloß verfolgt, und so gieng die Jagd über den Dniester, über die Flüsse Stry und Chewitz, biß die flüchtigen Tatarn zum Hauptlager des Cahns stiessen.

Selim war betroffen, und trat gleich seinen Rückmarsch an; er fürchtete ein neues Treffen, das ihn in Gefahr setzte, die unermeßliche Beute zu verlieren, die sich in seinem Lager befand. Es waren Kostbarkeiten aller Art, Gold, Silber, Pelzwerke, Pferde, Schlachtvieh, und überdies 30,000 zu Sklaven gemachte Pohlen von jedem Stande, Alter und Geschlecht. Aber die Rettung eben dieser Beute war der Gegenstand des Sobiesky, der die feindliche Armee beständig verfolgte, biß er in einer Schlucht am Fuß der Carpathischen Gebürge einen sehr vortheilhaften Ort zum Angrif fand. Die Tatarn konnten sich hier nicht entwickeln, und erlitten eine schreckliche Niederlage; sie liessen 15,000 Todte auf dem Plaz, eine grosse Menge wurde zu Gefangenen gemacht, und ihre ganze zusammengeschlepte Beute gieng verlohren. Dies veranlasste eine sehr rührende Scene. Die 30,000 unglücklichen Pohlen, die als Sklaven der Tatarn, nie mehr gehoft hatten, die Ihrigen und ihr Vaterland wiederzusehn, und mit Ketten belastet, einem elenden Leben entgegen sahen, erhielten jetzt ihre Freiheit wieder. Im Taumel ihrer Freude fielen sie in grossen Schaaren zur Erde, um ihrem Erretter zu danken, der selbst auf die Knie fiel, und die Hände zum Dank gen Himmel streckte.

Sobiesky gieng nun mit seiner siegreichen Armee auf die Türken loß, die Kaminiec erobert hatten, und jetzt im Innern von Pohlen eindringen wollten. Muhamed hatte sich bey Budziac gelagert. Ihn hier anzugreifen war der Entwurf des Pohlnischen Feldherrn, allein der König Michael, der mit seinem Herr von Edelleuten in dieser critischen Zeit ganz unthätig gewesen war, fürchtete weniger die Eroberungen der Türken, als die Triumphe des Sobiesky, und schickte deshalb Abgeordnete ins Lager des Sultans, um von ihm den Frieden zu erflehn. Er wurde auch bewilligt; allein unter sehr harten Bedingungen, die Kiuperli vorschrieb. Pohlen entsagte durch diesen Friedens-Tractat dem Besitz von zwey grossen Provinzen, der Ukraine und Podolien, und verband sich zu einem jjährlichen Tribut von 22,000 Ducaten, mit dem Zusatz, daß dies Geld alle Jahr im November, vom Jahr 1673 an, durch einen Pohlnischen Gesandten an die Pforte geschickt werden sollte; und diesen schändlichen Tractat unterzeichnete der König gegen die Grundgesetze des Reichs, die bey Krieg und Frieden die Zustimmung der Nation verlangen. Muhamed und Kiuperli giengen nun nach Constantinopel zurück, nachdem sie 80,000 Mann im Lager bey Chozim zurück gelassen hatten.

Der König war jedoch für die Folgen des Bürgerkriegs besorgt, der jetzt wieder seinen Anfang nehmen sollte. Er schickte daher dem Feldherrn und der Armee Befehl zu, ihm einen neuen Eid zu leisten, unter dieser Bedingung wollte er alles vergessen, und den Geächteten ihre Güter und Würden wiedergeben. Sobiesky, dem alles anlag, seine Vortheile zu nutzen, und der Dictator Pohlens zu seyn, war jedoch dazu nicht geneigt; er wünschte das Blut seiner Landsleute zu schonen, und bewilligte daher das Ansinnen des Monarchen; allein er verlangte seiner Seits auch vom König einen neuen Eid, den aber Michael für eine Beleidigung hielt. Nur auf die Bitten seiner Gemahlin und auf die Ermahnungen des Pabstes Clemens X bequemte er sich, Sobiesky nach Warschau auf einen Friedens-Reichstag einzuladen. Diese Entfernung von der Armee schien seinen Freunden bedenklich; allein der Besieger der Tatarn kannte keine Furcht; er gieng nach Warschau, wo ihn der König mit verstellter Höflichkeit empfieng, die der Feldherr kalt erwiederte.

Der Reichstag zeigte große Scenen. Sobiesky führte keine persönlichen Beschwerden; desto nachdrücklicher aber waren seine Klagen in Gegenwart des Königs über die schändliche Staatsverwaltung und über den ehrlosen Friedenstractat. Er appellirte an die Republick, die ihn nicht unterzeichnet hatte, und erklärte ihn daher für nichtig. Viele Senatoren zitterten bey diesem Vorschlag; selbst die Feinde des Königs erschracken darüber, sprachen von der Macht des Sultans, von den 80,000 Feinden, die noch an den Gränzen stünden, von dem schlechten Zustande der Finanzen, und von der Wuth der Türken nach einem solchen Friedensbruch. Die mehr Entschlossenen sprachen von Aufschub, und von Maaßregeln zu Allianzen und Subsidien. Sobiesky erwiederte: „Wir haben noch Muth und Säbel. Laßt uns nicht warten, bis der Feind zu uns kommt. Wir müssen ihm entgegen gehen.“ Der Feldherr unterstüzte dies durch viele Gründe in einer vortreflichen Rede; er verlangte nur 60,000 Mann, um die Nation vom türkischen Joche zu befreyen, und bestand darauf, in dieser Noth den im Schloß von Cracau befindlichen Schatz zu benutzen, um so mehr, weil er sonst Muhamed in die Hände fallen dürfte. „Ihr wollt, sagte er, eine günstigere Gelegenheit, Allianzen und Subsidien abwarten; allein Unterhandlungen erfordern Zeit; das Künftige ist ungewiß, und nur das Gegenwärtige ist in unsrer Macht. Eure Vorfahren hätten den Tod der Sklaverey eines einzigen Jahres vorgezogen.“

Diese Rede und das grosse Ansehn des Redners in der Versammlung, riß alles mit sich fort; der Tractat von Budziac wurde für nichtig erklärt, und der Friede gebrochen. Die Minister und Günstlinge des Königs, die den Feldherrn tödlich haßten, setzen jezt ihrer Rache keine Gränzen mehr, da er alle ihre Maaßregeln vernichtete, und mit Schande bedeckte. Um diese Schmach von sich abzuwenden, machten sie einen verzweifelten Versuch. Es ward ihnen nicht schwer, unter den Landboten einen verwegenen Menschen zu finden, der gegen eine große Belohnung es auf sich nahm, öffentlich im Senat eine schändliche Rolle zu spielen. Loczinsky trat auf und sagte; er habe der Republick ein großes National-Verbrechen anzuzeigen, einen Verräther, der die Türken und Tatarn herbeygerufen, und Kaminiec für 1200,000 Gulden verkauft hätte; er selbst habe die mit diesem Geld beladenen Wagen gesehen, die den Weg nach Zloczow (einen Landsitz des Sobiesky) genommen, desgleichen sey er zufällig bey einem Officier im Dienst des Groß-Feldherrn, eines Wechsels ansichtig geworden, dessen Betrag aus Constantinopel, für einen Pohlnischen Magnaten erwartet wurde. Mit großem Leidwesen müste er daher den Kronfeldherrn Sobiesky der Verrätherey anklagen.

Nur ein Wahnsinniger konnte im Ernste eine solche Beschuldigung vorbringen, und nur Blödsinnige konnten sie glauben; sie war indeß hinreichend, die Feinde und Neider des Feldherrn in Bewegung zu setzen. Die Bestürzung war ausserordentlich und allgemein; nur Sobiesky zeigte keine. Er wandte sich an den König und an die ganze Versammlung mit folgenden Worten: „Wenn ich schuldig bin, so muß ich gestraft werden, und bin unwürdig mehr im Senat zu sitzen. Ich entferne mich also, und werde mein Hauß nicht verlassen, bis ich überwiesen, oder gerechtfertigt seyn werde.“

Diese kurze aber nachdrückliche Rede brachte die Senatoren zur Besonnenheit. Es muste selbst den Gleichgültigsten auffallen, daß derjenige nicht Kaminiec verkauft haben konnte, der so eifrig bemüht gewesen war, die Besatzung zu verstärken; daß der Mann, der die Tatarn so rastloß verfolgt, und ihr großes Heer fast aufgerieben hatte, sie nicht herbeygerufen haben konnte; und daß der Pohlnische Patriot, der jetzt die Vernichtung des Tractats mit Muhamed bewirkt hatte, nicht ein Freund dieses Sultans sey. Auch erhob sich die Majorität des Senats, die Entfernung des Sobiesky zu hindern, und ihn zu beschwören, diese Verläumdung zu verachten. Der König that Ehrenhalber ein Gleiches, und stieg deshalb vom Thron herab; allein Sobiesky war unerbittlich und entfernte sich mit dem Primas und allen seinen Freunden. Der Ankläger wurde auf der Stelle in Verhaft genommen, und die Untersuchung der Sache vier Senatoren und acht Landboten übertragen. Loczinsky konnte nicht das geringste beweisen, nicht einmahl durch Aufstellung falscher Zeugen; er widersprach sich beständig und erklärte endlich geradezu, daß die Beschuldigung ungegründet sey, und daß er durch große Versprechungen zu seiner Rolle vermocht worden wäre; er nannte auch einige Personen, die hohe Staatsämter bekleideten. Nun drohte der Proceß ernsthaft zu werden; allein der großmüthige Sobiesky schlug sich ins Mittel. Jezt begab er sich in den Senat, und bat dringend, da er nunmehr hinreichend gerechtfertigt wäre, alles weitere Verfahren einzustellen, das viele Familien unglücklich machen, und der öffentlichen Ruhe nachtheilig seyn könnte; hiezu fügte er die Bitte, seinen Ankläger zu begnadigen. Je mehr man den Werth dieser Handlung erkannte, je weniger war man geneigt, das Verlangen zu erfüllen, und Loczinsky wurde zum Tode verdammt. Die Hinrichtung hieng jetzt von dem Befehl des Großfeldherrn ab; und nun war das Leben des Missethäters gerettet; der sogar seine völlige Befreyung erhielt. Seine vornehmen Mitschuldigen entgiengen der Strafe, weil sich Sobiesky mit der Äusserung ihrer Reue begnügte.

Jezt war Pohlen am Scheidewege seines Schicksals. Es muste sich durch ausserordentliche Anstrengungen retten, oder untergehn. Man dachte daher in dieser Crisis auf nichts, als auf die Kriegsrüstung; und da man mit Anschaffung der Gelder anfangen muste, so wurden die in Cracau befindlichen National-Reichs-Kleinodien nach Warschau gebracht. Es waren kostbare in Gold gefasste Steine, die man in jener Krönungsstadt, seit Jahrhunderten aufbehalten hatte, und die jezt zur Errichtung der Armee aufgeopfert wurden. So gering waren jedoch damahls, trotz alles Luxus, die Kenntnisse und Cultur in Pohlen, daß man vor der Vertheilung dieser Edelsteine, Leute aus Wien, Breslau und Venedig kommen ließ, um den Werth der verschiednen Artickel zu bestimmen. Da diese Gelder zu den neuen Bedürfnissen nicht zureichten, so schritt man zu Kriegssteuern, die auch aus Furcht vor den Türken willig bezahlt wurden.

In Pohlen gieng durch die rastlose Thätigkeit des Sobiesky alles geschwinder, als in Lithauen, wo, zu seinem großen Leidwesen, der Aufbruch der Truppen bis zum September verzögert wurde. Der Sommer war vorüber, und jezt wollte man den Feldzug eröfnen. Zu diesem nachtheiligen Umstand kam noch ein andrer. Der König war auf das immer zunehmende Ansehn des Groß-Feldherrn eifersüchtiger als je, und beschloß, um dieses zu schwächen, sich selbst an die Spitze des Heeres zu stellen. Seine erste Handlung gleich nach seiner Ankunft ins Lager bey Lemberg zeigte schon die Geistesschwäche dieses Monarchen. Er hielt einen Kriegsrath, worinn er die Frage aufwarf: ob es rathsam sey, eine so furchtbare Macht als die Türken zu reitzen? Seine eignen Minister waren über diese jezt so unzeitige Äusserung erstaunt; auch nahm der zu seinen Günstlingen gehörige Großkanzler Olsowsky gleich das Wort, und sagte: „Wir sind über den Rubicon gegangen; jezt ist es nicht mehr Zeit, hinter uns zu sehen.“ Der Großfeldherr von Lithauen pac, der auf den Ruhm des Sobiesky nicht minder als der König eifersüchtig war, sagte ironisch: „Ich habe meine Truppen mit dem Nöthigen auf sieben Jahre versehn, und bedaure nur bey diesem Kreuzzuge, daß das wahre Kreuz Christi nicht mehr in Jerusalem ist.“ Sobiesky gab endlich der Berathschlagung eine andre Wendung, und sagte: „Ich erwartete ganz andre Gegenstände der Untersuchung. Wollen wir erst hier in unserm Conseil prüfen, was die versammelte Nation bereits entschieden hat? Nein! wir wollen nicht den Gehorsam vergessen, den wir der Republick schuldig sind. Alles ist angeordnet, nur bedarf es der Ausführung. Wir haben schon zu viel Zeit verlohren.“

Der König musterte nun die Truppen, und war sehr freundlich gegen sie; allein diese Höflichkeit eines allgemein gehaßten Fürsten fiel auf einen unfruchtbaren Boden; die Armee erwiederte sie nicht; auch erhielt er noch andre Zeichen ihrer Verachtung. Dies wirkte auf ihn so sehr, daß er mit einem Todesschweiß bedeckt hinsank, und die Musterung nicht endigen konnte. Er wurde nach Lemberg gebracht, und nun war die Armee von ihm befreyt, die sich gleich in Bewegung sezte.

Nach einem Marsch von sechs Wochen langte Sobiesky an den Ufern des Dniesters an. Die Truppen aber, die bisher zufrieden gewesen waren, fiengen jezt an zu murren, da der Winter sich zeigte, die Lebensmittel seltener, und die Wege schwierige wurden. In der That war die Erschlaffung des Muths nicht ohne Grund. Man hatte bey zunehmendem Mangel angeschwollene große Flüsse, ungeheure Wälder, und die Carpathischen Gebirge zu passiren, um sodann erst, nach allen glücklich überstandenen Schwierigkeiten, mächtige Heere aufzusuchen. Die bey der Armee befindlichen Anhänger des Hofes, verbunden mit den vornehmen Niedern des Sobiesky, unterhielten diese Unzufriedenheit. Es wurde ein Kriegsrath verlangt, und hierin schlug man den Rückzug vor. Der Feldherr both alle seine Beredsamkeit auf, den Ober- und Unter-Befehlshabern seiner Armee die Schande eines solchen Marsches und die Folgen zu schildern. Er sagte, schon wäre der Aga unterwegs, um den Tribut vom König zu fordern, und ihm den Caftan zu bringen, der die vornehmen Sklaven der Pforte bezeichnet; für Lebensmittel hätte er gesorgt, und noch wäre nicht die ganze Macht des Sultans in Bewegung; nur 80,000 Mann stünden bey Choczim, und diese müste man besiegen. „Wenn, sagte er, am Ende seiner Rede, die Officiere mich verlassen, so schmeichle ich mir doch, daß die Soldaten, mit denen ich so oft unsre Feinde überwunden, mir folgen werden.“ Der Lithauische Feldherr Pac machte hierauf mit seinen Truppen Anstalten zum Rückmarsch; nur durch die eifrigsten Vorstellungen gelang es Sobiesky, den Marsch zu verhinder. Der Übergang über den Dniester wurde nun beschlossen. Ein andrer Geist bemächtigte sich der Truppen; sie konnten jezt nicht geschwind genug über den Fluß kommen, und wollten herüber schwimmen. Mehrere verlohren bey dem Versuch das Leben, und nur mit Mühe konnte man sie solange zurückhalten, bis eine Brücke von Fahrzeugen vollendet war.

Der Marsch gieng nun über den Fluß und durch die schrecklichen Wälder der Bucowina. Hier stieß die Armee auf einen Abgeordneten des Sultans, dessen Gesandschaft die grosse Verschiedenheit der politischen Künste jener Zeit in Vergleichung mit der unsrigen auffallend zeigt. So lange auch die Pohlen mit ihrer Kriegsrüstung gezögert hatten, und so ernsthaft auch die Anstalten dazu in dem ganzen Umfang des Reichs gewesen waren, so wußte man dennoch nichts von diesem Bruch in Constantinopel, und ahnete ihn hier so wenig, daß man diesen Abgeordneten mit voller Zuversicht nach Warschau schickte, um die erste Zahlung des Tributs einzufordern. Sobiesky ließ ihn seine Reise fortsezten, marschirte längs dem Pruth, und traf endlich (am 9ten November 1673) bey Choczim ein, wo sein Vater bereits ein Siegsdenkmahl hinterlassen hatte. Hier befanden sich zur Deckung der Gränzen 80,000 Türken unter Anführung des Seraskiers Hussein, in einem stark verschanzten Lager; es waren gröstentheils kriegserfahrne Truppen, die auch Candia erobert hatten. Die ganze umliegende Gegend war erschöpft worden, um Überfluß ins türkische Lager zu bringen; daher die Pohlnische Armee nichts fand, und an allem Mangel litt. Dieser Umstand der Entfernung von allen Hülfsquellen bey einer Niederlage, die Ungleichheit der Zahl, bey den entgegengesezten Heeren, und die Bestandtheile des Pohlnischen, bey welchem die im Kriege gedienten Soldaten nicht in grosser Menge waren; alles dies veranlasste jezt an den Gränzen des Ziels, schreckliche Besorgnisse. Man hielt wenig Stunden nach der Ankunft der Armee noch in der Nacht Kriegsrath, worin der Feldherr Pac es eine Verwegenheit nannte, die ganze Macht der Republick ihrem gewissen Untergange auszusetzen. Er fügte die Erklärung hinzu, daß er bey Anbruch des Tages mit seinen Lithauern zurückmarschiren würde. Sobiesky bewiß seinem wankelmüthigen Collegen, daß jezt ein Rückzug im Angesicht des Feindes viel gefährlicher, als ein Angriff wäre, der jezt durchaus erfolgen müste; auch sollte dieser bloß mit den Pohlen, ohne Pacs Beystand geschehen, nur bäte er ihn so lange noch zu bleiben, um Zuschauer der grossen Scene zu seyn. Diese bestimmte Erklärung wirkte; Pacs Ehrgeitz wurde wieder rege; er blieb, und sogleich wurden alle Anstalten zur Schlacht gemacht.

Der Angriff des Lagers zeigte den Prospect eines schrecklichen Blutbades. Um dies zu vermindern, wünschte Sobiesky die Türken auf die Ebne zu locken; sie blieben aber unbeweglich in ihren Verschanzungen. An der Seite derselben befand sich ein abgesondertes Lager von 8000 Mann Moldauer und Wallacher, unter Anführung ihrer Fürsten. Diese, von dem Seraskier Hussein gröblich gemißhandelt, gaben blos der Rache Gehör, und giegen im Angesicht der erschrockenen Türken mit allen ihren Truppen zu den Pohlen über. Die Witterung war sehr kalt, und es fiel ein gewaltiger Schnee. Beide Heere standen ganz nahe an einander, und blieben doch trotz der Kälte den ganzen Tag und die folgende Nacht unterm Gewehr.

Die an einen milden Himmel gewohnten Türken litten bey dieser Wachtordnung weit mehr von der Kälte, als die Pohlen; sie überliessen sich dem Schlummer, und sehr deutlich wurde man bey anbrechendem Tage die in ihrem Lager herrschende Ruhe gewahr. „Dies ist der Augenblick, den ich erwartet habe,“ sagte Sobiesky, und sogleich gab er Befehl zum Angriff. Da die Truppen etwas zögerten, rief er sein Dragoner-Regiment, das er selbst zum Kriege abgerichtet hatte, ließ es absitzen, stellte sich selbst an die Spitze, und so erstieg er eine Verschanzung. Dies Beispiel belebte die Infanterie, die sogleich herbeistürzte, und von allen Seiten auch in die Verschanzungen drang, während daß der Palatin Jablonowsky mit der Cavallerie das türkische Lager umgieng, und sich von hinten zu auch den Eingang bahnte. Die betäubten Feinde thaten nur geringen Widerstand, biß die unbehutsamen Pohlen ihn selbst erzeugten. Sie scheiterten an der Klippe, deren Vermeidung in der Stunde des Siegs, das grosse Criterium der militärischen Disciplin ist. Das türkische Lager strozte von Beute und Reichthümern; die Habsucht ungeordneter Soldaten kennt bey einem solchen Anblick keine Geduld, und so wurde es geplündert. Die Türken benuzten diese kostbare Zeit sich zu sammlen, und nun war es nicht schwer, die auf die Sicherheit ihrer Beute bedachten Pohlen zurückzutreiben. Die Ordnung wurde bey ihnen jedoch wieder hergestellt, und endlich der Sieg für die Pohlen völlig entschieden.

Gleich im Anfange der Schlacht war Sobiesky bedacht, die Niederlage der Feinde so vollkommen als möglich zu machen; er wollte ihnen den Rückzug abschneiden, und ließ daher durch ein Corps die Brücke über den Dniester besetzen. Die dahin fliehenden Türken kamen nun in der grösten Unordnung zurück; allein nicht durch Verzweiflung getrieben; sie suchten bloß sich zu retten. Nur ein Felsenweg war dazu übrig, wo sich jezt Reiter und Fußsoldaten von einer beträchtlichen Höhe herabstürzten; andere flüchteten nach dem Fort zu, wo man sie aber auch nicht aufnehmen wollte. Ein Theil der Cavallerie warf sich in den Fluß, da dann viele in den Flutehn ihren Tod fanden. Auch einige tausend Mann von der Pohlnischen Reiterey stürzten sich in den Dniester, um den fliehenden Feind zu verfolgen, der keine andre Sicherheit vor sich sah, als unter den Mauern von Kaminiec. Hier erst sammlete sie der schwer verwundete Seraskier, der auch glücklich entkommen war. Die Pohlen machten eine unermeßliche Beute; von den Türken blieben 26,000 auf dem Schlachtfelde, und 10,000 wurden von den Fluthen verschlungen.

Der sonst so edelgesinnte Sobiesky begieng nun eine barbarische That, die die Erinnerung an die Manen seiner hingeopferten Verwandten erzeugte. Er hatte geschworen, ihr Rächer zu seyn. Am Ende eines feyerlichen Hochamts, das im Prachtzelte des türkischen Heerführers gehalten wurde, ließ er eine Anzahl Gefangener niederhauen, unter denen sich mehrere vornehme Bassen befanden; auch sandte er Befehle in die umliegende Gegend, bey Todesstrafe keinem Entflohenen einen Zufluchtsort zu gestatten. Die mit Reichthümern und Kriegsvorräthen angefüllte Festung Choczim, worin sich viele Griechen, Armenier und Juden befanden, wurde nun aufgefordert; mit der Drohung, bei einem Widerstande alles niederzusäbeln. Ein gefangener Bassa begleitete diese Botschaft. Die Türken verlangten zu capituliren, und forderten einen freyen Abzug nach Kaiminiec mit vierzig beladenen Wagen. Der Basse überbrachte diese Bedingungen zitternd dem Sobiesky, und beschwur ihn mit thränenden Augen an den Unbestand des Kriegsglücks zu denken. Der Pohlnische Feldherr glaube seine Rache befriedigt zu haben, und bewilligte alles.

Der König lag in dieser Zeit immer noch krank in Lemberg. Seine Krankheit wurde bald sehr gefährlich; die Ärzte hatten keine Hofnung mehr, und die Günstlinge waren in Verzweiflung; sie fürchteten nach dem Tode des Köngis mehr den strengen Sobiesky, als die Türken, von deren Schicksal sie noch nichts wußten. In dieser Lage der Dinge kam der mit allen Ereignissen unbekannte, zum Tribut fordern Abgeordnete des Groß-Sultans in Lemberg an. Der Monarch war nicht im Stande Audienz zu geben, die jeodch der alle Vorstellungen verachtende Türke mit grossem Stolz durchaus verlangte. Er bestand darauf vor das Bette des Königs gelassen zu werden, um ihm persönlich den Brief des Großsultans und ein Kistgen zu übergeben. Die Minister waren in der grösten Verlegenheit; sie fürchteten nicht sowohl den Inhalt, als die im Vasallen-Styl geordnete Form des Briefes, und den im Kistgen muthmaßlich liegenden Caftan, als das Zeichen der Knechtschaft. Man war überzeugt, daß eine solche Audienz den Tod des Königs beschleunigen, und ei Pohlnische Nation mit Schande bedecken würde. Es blieben nun gegen den Aga allein höfische Waffen übrig: Verstellung, Vorspiegelung von kostbaren Geschenken, und grosse Schmeicheleyen; und diese Waffen wurden auch mit Erfolg gebraucht, um Zeit zu gewinnen. Der Türke glaubte immer noch den König in der Besserung, als er seinen Tod erfuhr.

Sobiesky benutzte indeß seine grossen Kriegsvortheile. Er erfuhr, daß die Pforte ihrer Armee bey Choczim 10,000 Mann zu Hülfe geschickt hatte, die auch über die Donau gegangen waren, und sich näherten. Der Pohlnische Feldherr nahm bloß einige tausend Mann Cavallerie, ohne alle Bagage, und eilte den Feinden entgegen, diese aber hatten jetzt keine Lust sich mit den Pohlen zu schlagen durch die Nachricht von der Niederlage bey Choczim erschreckt, hatten sie bereits schleunig ihren Rückmarsch angetreten. Sobiesky konnte sie nicht mehr erreichen; sein Endzweck war jedoch erfüllt, und auch diese Feinde waren aus Pohlen vertrieben.

Die Abwesenheit des Feldherrn von seiner Armee hatte nur zwölf Tage gedauert; diese kurze Zeit war aber hinreichend gewesen, grosse Unordnung zu erzeugen. Der durch den Neid gegen seinen Collegen gefolterte Pac wollte die Nachricht von dessen neuen Lorbeern nicht abwarten; er hatte sich daher mit seinen Lithauern entfernt, und war im vollen Marsch nach Hause. Dies unwürdige Betragen und die Verminderung von beynahe der Hälfte der Pohlnsichen Armee vernichtete jedoch nicht die Plane des Sobiesky. Er wollte seine Vortheile nun allein mit den Pohlen verfolgen, die ihm ganz ergeben waren, und davon so viele Beweise gegeben hatten. Diese Zuneigung aber stritt jezt mit ihrer Habsucht; sie waren fur ihre Beute besorgt, und wünschtrn solche in Sicherheit zu bringen; hiezu kam die rauhe Jahreszeit im December. Vielleicht aber wäre es dennoch dem Feldherrn gelungen, sie zu seinem Zweck zu vermögen, allein die so eben im Lager eingetroffene Nachricht von dem Tode des Königs, gab einen treflichen Vorwand zum Rückmarsch. Alle verlangten ihn nun; nur Sobiesky, obwohl ihm das königliche Wahlgeschäft gar nicht gleichgültig seyn konnte, wollte sich nicht bequemen, die errungenen Vortheile ungenuzt zu lassen. Er opferte seinen Ehrgeitz, der ihm eine Krone im Prospect zeigte, ganz dem Patriotismus auf. Sein Entwurf war diesen Winter die Türken vollends aus der Ukraine zu vertreiben, und Kaminiec zu erobern. Er stellte der Armee vor, daß ihre Gegenwart zur Königswahl noch nicht vonnöthen sey, da diese erst im Frühling vor sich gehen könnnte. Schon wankten die Truppen, und der Feldherr rüstete sich zum Vorrücken, als er vom Primas als Interims-Regenten des Reichs den Befehl erhielt, mit der Armee zurückzumarschieren. Dieser Befehl, der nach der Staatsverfassung Gehorsam erheischte, entschied den Rückmarsch, aber auch das Schicksal der Moldauer und Wallacher, die dadurch den durch ihre Verrätherey aufs höchste erbitterten Türken Preiß gegeben wurden. Sobiesky fühlte diese ihre schreckliche Lage, allein sein Wille war jetzt beschränkt; er ließ jedoch zu ihrem Schuz 8000 Mann zurück, die aber die Rache der Türken nicht lange abzuwenden vermochten. Nach diesem glorreichen Feldzuge, der einen mächtigen Feind sehr schwächte, den schändlichen Kron-Tribut annullirte, grosse Provinzen von fernerer Verheerung rettete, Pohlen von dem bereits auferlegten türkischen Joche befreyte, kam Sobiesky nach Lemberg, wo er als der Retter seines Vaterlandes mit ausserodentlichen ehrenbezeugungne aufgenommen wurde.

Seine Feinde und Neider fürchteten, daß die Nation im Taumel ihrer Dankbarkeit ihn zum Könige wählen könnte. Besonders besorgte dies der Lithauische Feldherr Pac und sein Bruder der Großkanzler; mehr aber als alle die Königin, die immer noch Vermählungs-Absichten hatte, und deren Herz durch königlichen Stolz und Liebe gefoltert war. Um daher die gefürchtete Wahl nachdrücklich zu hindern, begieng man eine für Pohlen schimpfliche Handlung. Die Lithauer, an deren Spitze die Bürder Pac standen, schlossen gleich bey Eröfnung des Reichstags, einen jeden Piasten von der Wahl aus. Sie sagten: „Die Republick hat neuerlich unter der Regierung eines Piasten so viel gelitten; wir müssen daher nothwendig einen Ausländer zum König haben.“ Die Pohlen wollten jedoch von dieser Ausschliessung nichts hören; die Lithauer aber bestanden auf diesem Punkt, und droheten einen Eingebohrnen nicht als König anzuerkennen. Sie wurden ruhig, da sie sahen, daß Sobiesky keine Ansprüche auf die Krone machte, und auch keinen Schritt that, der eine solche geheime Absicht vermuthen ließ.

Pohlen war nun abermahls das Augenmerk aller Europäischen Fürsten, die nach Kronen trachteten. Selbst mächtige Monarchen, die nicht hoffen konnten, ein so grosses Reich zu einer Provinz zu machen, nahmen wenigstens Theil an der Wahl, um solche nach ihrem Staats-Interesse, oder nach Hofgunst zu lenken. Noch nie waren hier so viel Kron-Candidaten aufgetreten, als diesmahl. Der mit dem Besitz einer Krone verbundene Zauber, wirkte nahe und ferne mit hinreissender Macht, und warf auf Pohlen einen sonderbaren Glanz. Die Bittenden legten ihren Fürstenstolz ab; sie scheuten keine Demüthigungen, und bewafneten ihre Gemüther gegen verächtliche Abweisungen, die immer mit dieser Kronbewerbung verbunden waren. Ohne die kleinen zu rechnen, meldeten sich nicht weniger als zehn auswärtige Prinzen, alle aus grossen regierenden Häusern. Es waren: der Prinz von Savoyen; der Herzog von Modena; Abasse der Fürst von Siebenbrügen; der Prinz George von Dännemark, der nachher Gemahl der Königin Anna von England wurde; der Prinz Carl von Lothringen, der schon einmahl in Pohlen sein Kronglück versucht hatte, und der Fürst Wilhelm von Neuburg, nachheriger Churfürst von der Pfalz, dessen Vater bey der letzten Wahl auch nicht glücklich gewesen war. Hiezu kamen noch: Don Juan von Österreich, ein natürlicher Sohn des Königs Philipp IV von Spanien; der Sohn des Czars von Rußland; Wilhelm von Nassau, nachheriger König von Großbritannien, und Carl Emil, der Churprinz von Brandenburg. Die drey erstern hatten aus Mangel an Anhang nur sehr geringe Hofnung zur Krone; und in Betreff des letztern, blieb es bloß bey einem Versuch, da sein Vater die Bedingung äusserte, daß sein Sohn als König bey der protestantischen Religion verbleiben sollte. Die Intriguen hatten nun ein freyes Feld; den Goldgierigen Magnaten wurden Summen gegeben, den Ehrgeitzigen Ämter und Würden angetragen, den patriotischgesinnten Landesvortheile, und den besorgten Hülfe und Schuz gegen die Türken versprochen.

Der Wetteifer bey diesem Kronhandel, wo einer den andern überboth, war ausserordentlich, und zeigte dem Philosophen ein ungewohnliches Schauspiel. Wenn man kein Gold anwenden wollte oder konnte, so war man desto verschwenderischer mit Worten und ausschweiffenden Versprechungen, die auch, selbst bey dem besten Willen nicht gehalten werden konnten. Der Prinz von Savoyen ließ es nicht bey Privat-Geschenken bewenden, sondern erboth sich zwey Millionen Pohlnischer Gulden in die Kriegs-Casse zu zahlen, und 5000 Mann auf eigne Kosten biß zu Ende des Türkenkriegs zu unterhalten; auch wollte er alle seine In Frankreich und Savoyen liegend Güter verkaufen, und das Geld zum Besten der Republick anwenden. Der vom Römischen Stuhle unterstützte, und mit mächtigen Häusern verwandte Herzog von Modena, sparte sein Geld und versprach dagegen Allianzen. Der Prinz von Dännemark versprach auch Geldsummen zu den Bedürfnissen des Staats und ein Offensiv-Bündniß mit Dännemark, desgleichen Handelsvortheile, die Pohlen jedoch nicht im Stande war zu benutzen, und die bey den stolzen Magnaten das schlechteste aller Argumente waren. Der Fürst von Siebenbürgen erbot sich funfzehn Millionen Gulden in den National-Schaz zu zahlen, 15,000 Mann auf eigne Kosten biß zum Frieden zu unterhalten, und sein Fürstenthum mit Pohlen zu verbinden. Der Prinz von Lothrignen versprach 5000 Mann gegen die Türken zu halten, eine Garde von fünfhundert Pohlnischen Edelleuten zu errichten, eine Ritter-Academie zur Erziehung hundert adelicher Jünglinge zu stiften, zwey Festungen anzulegen, neun Monat lang die Pohlnische Armee zu besolden, und wenn er zum Besitz seiner Herzogthümer Lothringen und Bar gelangte, die Hälfte der Einkünfte dieser Länder bloß der Republick zu widmen. Hiezu kam noch für ihn die dringende Verwendung des Kaysers, dessen Hülfe man gegen die Pforte so nöthig brauchte. Der Grund dieser Verwendung war das Versprechen des Prinzen sich mit der verwittweten Königin Eleonora, der Schwester Leopolds, zu vermählen, die daher auch für ihn eine starke Parthey angeworben hatte.

Der Prinz von Neuburg war von allen diesen Kron-Candidaten der freygebigste in Versprechungen. Er verband sich, die Armee ein ganzes Jahr zu besolden, die sämmtlichen Einkünfte des ihm von seinem Vater überlassenen Herzogthums Jülich für Pohlen zu verwenden, und auf eigne Kosten 20,000 Schweden nebst 6000 Preussen gegen die Türken ins Feld zu stellen.

Nur allein die beyden lezten Kronbewerber konnten sich mit Hofnungen schmeicheln; denn die Anhänger aller andern waren ganz unbeträchtlich. Der Primas, der Lithauische Groß-Feldherr Pac, so wie überhaupt die meisten Magnaten waren für den Prinzen von Lothringen; dagegen aber alle Feinde der vorigen Regierung, unterstüzt von dem französischen Hofe und dem untern Adel, sich für den Prinzen von Neuburg erklärten. Ganz Pohlen war gleichsam zwischen beyden Partheyen getheilt, und es schien nichts gewisser, als daß einer von ihnen König werden würde.

Aller Augen waren nun auf Sobiesky gerichtet, weil seine Stimme allein auf dieser Waage den Ausschlag zu geben vermochte. Niemand konnte errathen, zu welcher Parthey er sich schlagen würde, und an seine Wahl dachte man gar nicht. Ein Mann seiner Größe, nicht gewohnt dem Beispiel andrer zu folgen, sondern selbst Muster zu seyn, und stillschweigend seinen eignen Weg zu gehen, hatte sich von allen Factionen abgesondert gehalten. Man erstaunte, als er sich jezt gegen beide Prinzen erklärte; er zeigte die Nothwendigkeit, daß die Republick in ihrer jetzigen Lage durchaus einen Helden zum Oberhaupt haben müste, und schlug daher den schon ehmals verworfenen Prinzen von Conde zum König vor. Es war vielleicht ein politischer Fechterstreich, um die Wähler zu theilen, und die Augen der Nation auf sich zu ziehen.

Man schrie gegen diesen Antrag, und sparte keine Verläumdungen, den großen Conde herabzuwürdigen. Die Partheyen erhizten sich; ein Bürgerkrieg war zu besorgen. Die Pohlnische Armee stimmte ganz mit ihrem Feldherrn überein, dagegen die Lithauer den Brüdern Pac blindlings folgen. Diese ehrgeitzigen Männer wollten ihre Truppen mit der in Schlesien befindlichen Armee des Prinzen von Lothringen vereinigen, und ihn, troz dem Widerstand des Pohlnischen Heeres mit Gewalt auf den Thron setzen.

Der patriotische Sobiesky verabscheute einen Bürgerkrieg. In allem seinen Gegnern überlegen, versuchte er eine neue List. Er erboth sich seine Stimme dem Prinzen von Neuburg zu geben, dabey aber schlug er als Bedingung, und als Vereinigungsmittel aller Partheyen vor, daß die Königin ihre Hand zum Besten der Republick diesem Prinzen reichen sollte. Dies wurde nun der Königin durch Abgeordnete des Senats vorgetragen; allein ihre von der Liebe dictirte Antwort ließ keinen Raum für Hofnungen dieser Art übrig; auch blieben die vornehmsten Magnaten ihrer ersten Wahl getreu.

Nie schien die Ruhe Pohlens entfernter; nie war sie näher. Der Zufall lößte den Knoten auf einmahl. Ein jählinger Tod überraschte den Primas Czartorisky bey einem Festin. Die große Gewalt dieses Interims-Regenten, die Macht und Reichthümer seiner Familie, sein Genie und seine ausserordentlichen Talente, alles verbunden hatten ihn zu einem furchtbaren Gegner des Sobiesky gemacht. Er war die Seele der Parthey von Lothringen gewesen, und mit seinem Tode war aller Zusammenhang der Maaßregeln bey derselben vernichtet. Jezt stritten im Senat, so wie im Landboten-Saal, die Anhänger von Lothringen, von Neuburg und von Conde miteinander um die Wette, und die Unordnung war allgemein.

In dieser Lage trat der Woywode von Rußland Jablonowsky auf; ein Mann, der sich auf den Reichstagen durch Klugheit, so wie im Kriege als General ausgezeichnet hatte, und überdies durch seine Geburt und Reichthümer in grossem Ansehn stand. Er zeigte in einer schönen Rede das Unschickliche, einen Ausländer aufzusuchen, der weder die Sprache der Pohlen, noch ihre Gesetze, noch ihre Freiheit, noch ihre Sitten und Gebräuche kenne; dabey bezog er sich auf das Bedürfniß der Republick, in ihrer jetzigen äussern Lage, einen Helden zu krönen, und auf die Leichtigkeit der Wahl, die durch erhabene Verdienste so auffallend bezeichnet würde. Der Redner sagte: „Der Held ist unter euern Augen. Er hat sich selbst vergessen; sollten wir daher an ihn nicht denken? Alles spricht für ihn. Er ist unter euch gebohren; eure Grundsätze sind die seinigen; er hat euch im Senat und auf den Reichstagen durch seine Einsichten geleitet; er hat euch so oft zum Siege geführt. Er hat diese Krone unterstüzt, und wird sie auch mit Würde tragen. Ihr seyd zu nichts mehr gegen die Königin Eleonora verpflichtet, da sie den von euch vorgeschlagenen Gemahl verworfen hat; aber die Verpflichtung gegen euer Vaterland bleibt, dessen Wohlfahrt mit Sobiesky verbunden ist.“

Diese Rede that eine erstaunliche Wirkung. Eine Menge der anwesenden Woywoden, Landboten und andrer, zogen sogleich ihre Säbel und schrien: „Es lebe Sobiesky. Wir wollen alle sterben, oder er soll unser König seyn!“ Diese lärmende Zustimmung wurde unter den Pohlen bald allgemein; nur die Lithauer wollten daran keinen Antheil nehmen; auch verliessen die Brüder Pac mit allen ihren Anhängern, sofort die Versammlung, um gegen eine Wahl zu protestiren, die nicht einmüthig geschehen war. Keiner der fremden Gesandten war mit dieser Wahl zufrieden, die von den Höfen nicht geahnet wurde, und wovon auch in ihren Instructionen nichts stand; am wenigsten war es der französische Gesandte Fourbin, der Repräsentant des stolzen Ludwig XIV, der damahls das bis in unsern Tagen fortgesetzte System des Hofes von Versailles gründete, sich in die Angelegenheiten aller Staaten zu mischen; daher auch der Minister gegen die Gemahlin des Sobiesky geradezu äusserte, daß sein Monarch mit der Wahl unzufrieden seyn würde. Diese Dame aber antwortete: „Zufrieden oder nicht; eine Krone schlägt man nicht aus!“

Die Brüder Pac versuchten alle Mittel zur Widersetzung. Es entstanden unruhige Bewegungen, die die ganze Nacht durch dauerten. Die Entscheidung aber blieb nicht lange aus. Die Lithauer hatten Zeit, ihre Schwäche, und die Häupter ihre Gefahr bey einer fortdauernden Widersetzung zu berechnen; ein Widerstand, der dennoch die Krönung ihres Feindes nicht hindern würde. Schon am folgenden Tage erklärten sie ihre Zustimmung, und gaben solche bald darauf feyerlich auf dem Wahlfelde, und nun war Sobiesky der einmüthig erwählte König der Pohlen, und Großherzog der Lithauer.

Diese große Volkshandlung geschah am 21sten May 1674. Sie war für die Nation die ehrenvollste dieser Art, aber auch die lezte freye Wahl in den Jahrbüchern der Pohlen. Es war ein glänzender Triumph erhabener Verdienste und Tugenden; denn dies allein waren die Ansprüche des Sobiesky, der nicht durch große Monarchen zur Krone empfohlen, nicht durch auswärtige Armeen unterstüzt, wohl aber von mächtigen Neidern umringt war, der sich nicht herabließ, selbst um die Krone zu bitten, sondern ohne Intriguen und Goldausspendungen, bloß seine Dienste fürs Vaterland reden ließ. Die Geschichte liefert genug Beyspiele von Männern, die nicht zum Herrschen gebohren, durch ihr Genie, durch ihren Muth, und durch die Größe ihrer Talente, sich auf den Thron schwangen, und ihre Mitbürger unterjochten; aber der Beyspiele sind sehr wenige, wo sie wie hier, die Wahl einer stolzen, sehr zahlreichen Nation, bey der Austheilung ihrer Krone, ohne allen Einfluß von innen und aussen, geradezu auf den Würdigsten fiel.

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