HomeDie Horen1796 - Stück 10I. Theon und Theano. [L. G. Kosegarten]

I. Theon und Theano. [L. G. Kosegarten]

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Theano.
O Theon, seit ein Gott mir dich gegeben,
Verwallt mir zephyrleicht das süsse Leben.
Es blüht um mich ein Unschuldparadies.
Sanft ist mein Schlaf, und mein Erwachen süß.

Theon.
Geliebte, seit sich unsre Seelen fanden,
Und schnell und tief und innig sich verstanden;
Seit dem, du Trefliche, gemahnt es mich,
Als wohnt’ in mir ein andres bessres Ich.

Es funkelt mir in unbewölkter Klarheit
Des Geistes Angelstern, der Stern der Wahrheit.
Es lächelt mir der Seele holde Braut,
Die wesentliche Schönheit, lieb und traut.

Des Kampfes satt, des langen Haders müde,
Schließt mit dem Triebe der Gedanke Friede;
Die Pflicht umarmt die Neigung. Schwesterlich
Schlingt um die Tugend’ die Entzückung sich.

Als trotz’ in mir der Götter ewge Jugend,
Fühl’ ich mir Kraft zu jeder That und Tugend.
Als schwellte mein Gebein Heroenmark,
Frohlock’ ich, löwenkühn und riesenstark.

Hinweggeschwemmt sind aus dem selgen Herzen
Des Grolles und des Unmuths dumpfe Schmerzen.
Was sonst den Geist zu bitterm Haß empört,
Dünkt mich des Mitleids, nicht des Hasses werth.

Elysium dünkt mich die Welt voll Mängel;
Des Staubes Sohn ein eingeleibter Engel;
Mein Wirkungskrays ein Freudenparadies,
Mein Schlaf ambrosisch, mein Erwachen süß.

Theano.
Ja, bester Theon, seit ich dich gefunden,
Hat sich in mir dem gröbern Stoff’ entwunden
Das bessre Selbst, das mir im Busen lebt,
Und himmelan in deinen Armen strebt.

Wie Nebel seh’ ichs meinem Blick’ entwallen;
Wie Schuppen fühl’ ich mirs vom Auge fallen;
Ein neuer Sinn ist in mir aufgethan,
Ein Sinn, wie nur Geweihte ihn empfahn.

Ich hör’ entzückt das Wahre mit dem Schönen
In süsser Symphonie zusammen tönen;
Der Töne Wirbel trägt den Geist empor;
Der Sphären Liede lauscht das trunkne Ohr.

Und schweb’ ich wieder aus der hohen Ferne
Zurück zum lieben mütterlichen Sterne –
O wie verklärt erscheint mir die Natur!
Arkadisch funkelt die smaragdne Flur.

Ein magisch Licht versilbert Berg und Fläche.
Verständlich, dünkt mich, flüstern Büsch’ und Bäche.
Die Lerche wirbelt sphärischen Gesang.
Im Wonnerausch schweb’ ich die Flur entlang.

Und selig, wer der Seligen begegnet!
Ich geb’ und nehm’. Ich segn’ und bin gesegnet.
Ich gebe doppelt wieder dem, der gibt,
Und liebe dreyfach wieder, was mich liebt.

Theon.
O du, mein Stolz, mein Ruhm, und meine Haabe,
O du des Himmels lezte beste Gabe,
Du gabst mir alles, Beste, was mir fehlt,
Du nahmst mir alles, Engel, was mich quält.

Wie volle Gnüge ward dem Nimmersatten
Durch dich gewährt! Wie ward dem Sehnsuchtmatten
Der Labekelch durch dich so voll geschenkt,
Der mit Ambrosia und Nektar tränkt!

Mich täuscht nicht mehr des Ruhmes Irrlichtschimmer;
Der Hochgelahrtheit Dunst berauscht mich nimmer;
Dein Blik, dein Nik, dein Handdruk und dein Kuß
Sind Sporns und Danks genug dem Genius.

Um feuriger zu dir zurükzuflüchten,
Verlaß’ ich dich, zu üben schöne Pflichten.
Um sie zu üben mit verjüngter Lust
Flieg’ ich aus ihrem Arm an deine Brust.

So sanft verwallt, so spiegelklar und eben
An deinem Busen mir das süsse Leben.
Die Hore schlüpft dahin im leichten Tanz,
Und reicht uns fliehend ihren Blumenkranz.

Theano.
O Theon, du, mein Glück und meine Habe,
O du des Himmels lezte beste Gabe,
O du, mein zweytes und mein bessres Ich,
Was hätt’ ich, und was wär’ ich ohne Dich.

O Theon, Theon! wenn ich dich verlöhre!
Vergib, Geliebter, der besorgten Zähre!
Zu selig bin ich, um mich recht zu freun!
Ach dürfen Staubgebohrne selig seyn?

Theon.
Umarme mich, Geliebte! Liebe, Liebe
Regiert des grossen Alles Kunstgetriebe;
Und jenseit jener Wolken wohnt ein Geist,
Den unsre Lieb’ und unsre Wonne preißt.

Umarme mich, Theano! Gott der Liebe
Genehmiget die tugendhaften Triebe,
Sey ruhig, Beste! Unsre Wonne preißt,
Und unsre Liebe freut den guten Geist.

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