HomeDie Horen1796 - Stück 10III. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

III. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

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Fortsetzung.

Als ich nun so im Pallast des Cardinal von Ferrara mich befand, gern von jedermann gesehen und noch weit mehr besucht als vorher, verwunderten sich alle, daß ich aus so unglaublichem Unglück, in welchem ich gelebt hatte, wieder gerettet sey. Indessen ich nun mich wieder erholte, machte es mir das gröste Vergnügen, meine Verse auszuarbeiten, dann um besser wieder zu Kräften zu kommen, nahm ich mir einst vor, wieder der freyen Luft zu geniessen, wozu mir mein guter Cardinal Freyheit und Pferde gab, und so ritt ich mit zwey römischen Jünglingen, deren einer von meiner Kunst war, der andere aber uns nur gern Gesellschaft leistete, von Rom weg und nach Tagliacozzo, meinen Lehrling Askanio zu besuchen. Ich fand ihn mit seinem Vater, Geschwistern und Stiefmutter, und ward zwey Tage von ihnen auf das freundlichste bewirthet. Ich kehrte darauf nach Rom zurück und nahm den Askanio mit mir, unterweges fingen wir an von der Kunst zu sprechen, dergestalt, daß ich die lebhafteste Begierde fühlte, wieder nach Rom zu kommen, um meine Arbeiten anzufangen. Nach meiner Rückkunft schickte ich mich auch sogleich dazu an, und fand ein silbernes Becken, das ich für den Cardinal angefangen hatte, ehe ich eingekerkert wurde, daran ließ ich obgedachten Paul arbeiten; ein schöner Pokal aber, den ich zugleich mit diesem Becken in Arbeit genommen hatte, war mir indessen, mit einer Menge anderer Sachen von Werth, gestohlen worden. Ich fing ihn nun wieder von vornen an, er war mit runden und halb erhabenen Figuren geziert, desgleichen hatte ich auch auf dem Becken runde Figuren und Fische von halberhabener Arbeit vorgestellt, so daß jeder, der es sahe, sich verwundern mußte, sowohl über die Gewalt des Geistes und der Erfindung, als über die Sorgfalt und Reinlichkeit, welche die jungen Leute bey diesen Werken anwendeten.

Der Cardinal kam wenigstens alle Tage zweymal mit Herrn Ludwig Alamanni und Herrn Gabriel Cesano, und man brachte einige Stunden vergnügt zu, ob ich gleich genug zu thun hatte. Er überhäufte mich mit neuen Werken und gab mir sein grosses Siegel zu stechen, welches die Grösse der Hand eines Knaben von zwölf Jahren hatte, darinn grub ich zwey Geschichten, einmal wie St. Johannes in der Wüsten predigte, und dann wie St. Ambrosius die Arianer verjagte, er war auf einem Pferde vorgestellt mit der Geisel in der Hand, von so kühner und guter Zeichnung, und so sauber gearbeitet, daß jedermann sagte, ich habe den grossen Lautitio übertroffen, der sich nur allein mit dieser Art Arbeiten abgab. Der Cardinal war stolz, sein Siegel mit den Siegeln der übrigen Cardinäle zu vergleichen, welche gedachter Meister fast alle gearbeitet hatte. So ward mir auch von dem Cardinal und den zwey obgedachten Herrn aufgetragen, ein Salzgefäß zu machen, es sollte aber sich von der gewöhnlichen Art entfernen. Herr Ludwig sagte, bey Gelegenheit dieses Salzfasses, viele verwundernswürdige Dinge, so wie auch Herr Gabriel Cesano die schönsten Gedanken über denselben Gegenstand vorbrachte; der Cardinal hörte gnädig zu, und, sehr zufrieden von den Zeichnungen, welche die beyden Herrn mit Worten gemacht hatten, sagte er zu mir: Benvenuto! die beyden Vorschläge gefallen mir so sehr, daß ich nicht weiß, von welchen ich mich trennen soll, deswegen magst du entscheiden, der du sie ins Werk zu setzen hast. Darauf sagte ich: Es ist bekannt, meine Herrn, von welcher grossen Bedeutung die Söhne der Könige und Kaiser sind, und in was für einem göttlichen Glanz sie erscheinen. Demohngeachtet, wenn ihr einen armen geringen Schäfer fragt, zu wem er mehr Liebe und Neigung empfinde, zu diesen Prinzen oder zu seinen eigenen Kindern? so wird er gewiß gestehn, daß er diese letztern vorziehe; so habe ich auch eine grosse Vorliebe für meine eigenen Geburten, die ich durch meine Kunst hervorbringe, daher was ich euch zuerst vorlegen werde, hochwürdigster Herr und Gönner, das wird ein Werk nach meiner eigenen Erfindung seyn; denn manche Sachen sind leicht zu sagen, die nachher, wenn sie ausgeführt werden, keinesweges gut lassen; und so wendete ich mich zu den beyden treflichen Männern und versetzte: ihr habt gesagt, und ich will thun. Darauf lächelte Herr Ludwig Alamanni und erwiederte, mit der grösten Anmuth, viele treffliche Worte zu meiner Gunst, und es stand ihm sehr wohl an, denn er war schön anzusehen, von Körper wohlgestaltet, und hatte eine gefällige Stimme; Herr Gabriel Cesano war gerade das Gegentheil, so hässlich und ungefällig, und nach seiner Gestalt sprach er auch. Herr Ludwig hatte mit Worten gezeichnet, daß ich Venus und Cupido vorstellen sollte, mit allerley Galanterien umher, und alles sehr schicklich, Herr Gabriel hatte angegeben, ich solle eine Amphitrite vorstellen mit Tritionen und mehrern Dingen, alle gut zu sagen, aber nicht zu machen. Ich nahm einen runden Untersatz, ohngefähr zwey Drittel einer Elle, und darauf, um zu zeigen, wie das Meer sich mit der Erde verbindet, machte ich zwey Figuren, einen guten Palm groß, die mit verschränkten Füssen gegen einander sassen, so wie man die Arme des Meers in die Erde hineinlaufen sieht, das Meer, als Mann gebildet, hielt ein reich gearbeitetes Schiff, welches Salz genug fassen konnte, darunter hatte ich 4 Seepferde angebracht und der Figur in die rechte Hand den Dreyzack gegeben; die Erde hatte ich weiblich gebildet, von so schöner Gestalt und so anmuthig, als ich nur wußte und konnte. Ich hatte neben sie einen reichen verzierten Tempel auf den Boden gestellt, der den Pfeffer enthalten sollte, sie lehnte sich mit einer Hand darauf und in der andern hielt sie das Horn des Überflusses, mit allen Schönheiten geziert, die ich nur in der Welt wußte; auf derselben Seite waren die schönsten Thiere vorgestellt, welche die Erde hervorbringt, und auf der andern, unterhalb der Figur des Meeres, hatte ich die besten Arten von Fischen und Muscheln angebracht, die nur in dem kleinen Raume statt finden konnten, übrigens machte ich an dem Oval ringsum die allerherrlichsten Zierrathen. Als nun darauf der Cardinal mit seinen zwey treflichen Begleitern kam, brachte ich das Modell von Wachs hervor, worüber sogleich Herr Gabriel Cesano mit grossem Lärm herfiel, und sagte: das Werk ist in zehen Menschen Leben nicht zu vollenden, und ihr wollet, hochwürdigster Herrr, es doch in Eurem Leben noch fertig sehen? Ihr werdet wohl vergebens darauf warten. Benvenuto will Euch von seinen Söhnen zeigen, nicht geben; wir haben doch wenigstens Dinge gesagt, die gemacht werden konnten, er zeigt Dinge, die man nicht machen kann. Darauf nahm Herr Ludwig Alamani meine Parthie, der Cardinal aber sagte, er wolle sich auf ein so grosses Unternehmen nicht einlassen, da versetzte ich: Hochwürdigster Herr! ich sage voll Zuversicht, daß ich das Werk für den zu endigen hoffe, der es bestellen wird, ihr sollt es alle noch hundertmal reicher als das Modell vor Augen sehen, und ich hoffe mit der Zeit noch mehr als das zu machen. Darauf versetzte der Cardinal mit einiger Lebhaftigkeit: wenn du es nicht für den König machst, zu dem ich dich führe, so glaube ich nicht, daß du es vor einen andern zu Stande bringst. Sogleich zeigte er mir den Brief, worinn der König in einem Absatze schrieb: er solle geschwind wieder kommen und Benvenuto mitbringen! Da hub ich die Hände gen Himmel und rief: o wann wird das Geschwinde doch kommen? der Cardinal sagte: ich sollte mich einrichten, und meine Sachen in Rom in Ordnung bringen, und zwar innerhalb zehen Tagen.

Als die Zeit der Abreise herbeykam, schenkte er mir ein schönes und gutes Pferd, das Tornon hieß, weil der Cardinal dieses Nahmens es ihm geschenkt hatte, auch Paul und Askanio, meine Schüler, wurden mit Pferden versehen. Der Cardinal theilte seinen Hof, der sehr groß war; den einen edleren Theil nahm er mit sich auf dem Weg nach der Romagna, um die Madonna von Loretto zu besuchen, und alsdenn nach Ferrara, in sein Haus zu gehen; den andern Theil schickte er gegen Florenz, das war der gröste, und dabey seine schönste Reiterey. Er sagte mir, wenn ich auf der Reise sicher seyn wollte, so sollte ich sie mit ihm zurücklegen, wo nicht, so könnte ich in Lebensgefahr gerathen. Ich gab mein Wort, daß ich mit ihm gehen wollte; aber weil alles geschehen muß, was im Himmel beschlossen ist, so gefiel es Gott, daß mir meine arme leibliche Schwester in den Sinn kam, die so viele Betrübniß über mein grosses Übel gehabt hatte, auch erinnerte ich mich meiner Nichten, die in Viterbo Nonnen waren, die eine Äbtissin, die andere Schaffnerinn, so daß sie die reiche Abtey gleichsam beherrschten. Sie hatten auch um meinetwillen so viele schwere Leiden erduldet, und für mich so viel gebetet, daß ich für gewiss glaubte, meine Befreyung habe ich der Frömmigkeit dieser guten Mädchen zu verdanken. Da ich das alles bedachte, beschloß ich nach Florenz zu gehen, und statt daß ich auf diesem Wege, so wie auf dem andern, mit den Leuten des Cardinals, die Reise hätte umsonst machen können, so gefiel es mir noch besser, für mich und in anderer Gesellschaft zu gehen. Den heiligen Montag reisten wir zu drey von Rom ab, und in Monterosi traf ich Meister Cherubin einen treflichen Juwelier, meinen sehr guten Freund, und glaubte, weil ich öffentlich gesagt hatte, ich würde mit dem Cardinal gehen, keiner meiner Feinde würde mir weiter aufgepaßt haben; und doch hätte es mir bey Monterosi übel bekommen können, denn man hatte vor uns einen Haufen wohlbewafneter Leute hergeschickt, mir was Unangenehmes zu erzeigen, und indeß wir bey Tische saßen hatten jene, nachdem sie vernommen, daß ich nicht im Gefolge des Cardinals reiste, alle Anstalt gemacht mich zu beschädigen. Da wollte Gott, daß das Gefolge so eben ankam, und ich zog mit ihm fröhlich und gesund nach Viterbo. Da hatte ich nun keine Gefahr mehr zu befürchten und ritte manchmal mehrere Meilen voraus, und die treflichsten unter dieser Truppe bezeugten mir viele Achtung.

Als ich nun so, durch Gottes Gnade, gesund und wohl nach Viterbo kam, empfingen meine Nichten mich mit den grösen Liebkosungen, so wie das ganze Kloster; dann reiste ich wieder mit meiner Gesellschaft weg, und wir hielten uns bald vor bald hinter dem Gefolge, so daß wir am grünen Donnerstage um zwey und zwanzig, nur ohngefähr eine Post von Siena entfernt waren. Da fand ich einige Pferde, die eben von gedachter Stadt gekommen waren, und der Postillion wartete auf irgend einen Fremden, der für ein geringes Geld darauf nach Siena zurückritte. Da stieg ich von meinem Pferde Tornon, legte mein Kissen und meine Steigbügel auf die gedachte Poststute, gab dem Knechte einen Julier, ließ meinen jungen Leuten mein Pferd, die es mir nachführen sollten, und machte mich auf den Weg, um eine halbe Stunde früher nach Siena zu kommen, sowohl weil ich einen Freund besuchen, als auch weil ich einige Geschäfte verrichten wollte. Und zwar kam ich geschwind genug, doch ritt ich keinesweges postmäßig. Ich fand eine gute Herberge in Siena, besprach Zimmer für fünf Personen und schickte das Pferd nach der Post, die vor dem Thor zu Comollia angelegt war; ich hatte aber vergessen, mein Kissen und meine Steigbügel herunterzunehmen. Wir brachten den Abend sehr lustig zu. Charfreytag Morgens erinnerte ich mich meines Pferdezeuges und als ich darnach schickte, wollte der Postmeister es nicht wieder herausgeben, weil ich seine Stute zu schanden geritten hätte. Die Boten gingen oft hin und her, und er versicherte beständig: daß er die Sachen nicht wieder herausgeben wolle, mit vielen beleidigenden und unerträglichen Worten. Da sagte der Wirth, wo ich wohnte, ihr kommt noch gut weg, wenn er euch nichts schlimmeres anthut, als daß er Kissen und Steigbügel behält, denn einen solchen bestialischen Mann hat es noch nicht in unserer Stadt gegeben und er hat zwey Söhne bey sich, die tapfersten Leute und als Soldaten noch weit bestialischer als er, drum kauft nur wieder, was ihr bedürft, und reutet eurer Wege, ohne euch weiter mit ihm einzulassen. Ich kaufte ein paar Steigbügel und dachte mein Kissen durch gute Worte wieder zu erlangen, und weil ich sehr gut beritten und mit einem Panzerhemd und Armschienen bewaffnet war, auch eine trefliche Büchse auf dem Sattel hatte, erregten die grossen Bestialitäten, die der tolle Mensch mir hatte sagen lassen, in mir nicht die geringste Furcht; auch waren meine jungen Leute gewöhnt Panzerhemde und Ärmel zu tragen und auf meinen römischen Burschen hatte ich ein besonderes Vertrauen, denn ich wußte, daß er, so lange wir in Rom waren, die Waffenstücke nicht abgelegt hatte. Auch Askanio, ohngeachtet seiner Jugend, trug dergleichen, und da es Charfreytag war, dachte ich die Tollheit der Tollen sollte doch auch ein wenig feyern.

So kamen wir auf die gedachte Post Camollia, und ich erkannte den Mann gleich, an den Wahrzeichen, die man mir gegeben hatte, denn er war am linken Auge blind; da ließ ich meine zwey jungen Leute und die andere Gesellschaft hinter mir, ritt auf ihn loß, und sagte ganz gelassen: Postmeister! wenn ich euch versich’re, daß ich euer Pferd nicht zu schanden geritten habe, warum wollt ihr mir Kissen und Steigbügel, die doch mein sind, nicht wieder geben? Darauf antwortete er mir wirklich auf die tolle bestialische Weise, wie man mir vorher hinterbracht hatte, worauf ich versetzte: wie, seyd ihr nicht ein Christ? und wollt am heiligen Freytage euch und mir ein solches Ärgerniß geben. Er versetzte: daß er sich weder um den heiligen Freytag noch um des Teufelsfreytag bekümmere, und wenn ich nicht gleich mich wegmachte, so wolle er mich mit einem Spiese, den er indessen ergriffen hatte, zusammt mit meinem Schießgewehr zu Boden schlagen. Auf diese heftigen Worte kam ein alter Sinesischer Edelmann herbey, der eben von einer Andacht, wie man sie an selbigem Tage zu halten pflegt, zurückkam; er hatte von weitem recht deutlich meine Gründe vernommen, und trat herzhaft herbey, gedachten Postmeister zu tadeln, indem er meine Parthey nahm, er schalt auch auf die beyden Söhne, daß sie nicht nach ihrer Schuldigkeit die Fremden bedienten, vielmehr durch ihre Schwüre und gotteslästerliche Reden der Stadt Siena Schande brächten. Die beyden Söhne sagten nichts, schüttelten den Kopf und gingen ins Haus, der rasende Vater aber, der auf die Worte des Ehrenmannes noch giftiger geworden war, fällte unter schimpflichen Flüchen seinen Spies und schwur, daß er mich gewiss ermorden wolle. Als ich diese bestialische Resolution bemerkte, ließ ich ihn die Mündung meines Gewehrs in etwas sehen, um ihn einigermasen zurückzuhalten, er fiel mir aber nur desto rasender auf den Leib. Nun hatte ich die Büchse noch nicht gerade auf ihn gerichtet, wie ich doch zur Verwahrung und Vertheidigung meiner Person hätte thun können, sondern die Mündung war noch in der Höhe, als das Gewehr von selbst losging, die Kugel traf den Bogen des Thors, schlug zurück, und traf den Mann gerade in den Hals, so daß er todt zur Erden fiel. Seine Söhne liefen schnell herbey, der eine mit einem Rechen, der andere mit der Partisane des Vaters, und fielen über meine jungen Leute her. Der mit dem Spiesse griff meinen Paul, den Römer, auf der linken Seite an, der andere machte sich an einen Mailänder, der närrisch aussah und nicht etwa sich aus der Sache zog, denn er hätte nur sagen dürfen, ich gehe ihm nichts an, vielmehr vertheidigte er sich gegen die Spitze jenes Spiesses, mit einem Stöckchen, das er in der Hand hatte, und konnte denn freylich damit nicht besser pariren, als daß ihn sein Gegner am Ende ein wenig an den Mund traf.

Herr Cherubin war als Geistlicher gekleidet, denn ob er gleich ein treflicher Goldschmid war, so hatte er doch viele Pfründen von dem Papste mit guten Einkünften erhalten. Askanio, gut bewaffnet, gab kein Zeichen von sich, als wenn er fliehen wollte, und so wurden die beyden nicht angerührt. Ich hatte dem Pferde die Sporen gegeben, und, indem es geschwind galloppirte, mein Gewehr wieder geladen. Ich kehrte darauf wüthend zurück und dachte erst aus dem Spasse Ernst zu machen; denn ich fürchtete, meine Knaben möchten erschlagen seyn, und da wollte ich auch mein Leben wagen. Ich war nicht weit zurückgeritten, als ich ihnen begegnete. Da fragte ich, ob ihnen ein Leids wiederfahren wäre? und Askanio sagte: Paul sey tödlich mit einem Spiesse verwundet. Darauf versetzte ich: Paul, mein Sohn, so ist der Spieß durch das Panzerhemd gedrungen? Er sagte, ich habe es in den Mantelsack gethan! Da antwortete ich: wohl erst diesen Morgen? so trägt man also die Panzerhemde in Rom, um sich vor den Damen sehen zu lassen! und an gefährlichen Orten, wo man sie eigentlich brauchte, hat man sie im Mantelsack. Alles Übel, was dir wiederfährt, geschieht dir recht und du bist schuld, daß ich auch hier umkommen werde, und indem ich so sprach, ritt ich immer rasch wieder zurück. Darauf baten Askanio und er mich um Gottes Willen, ich möchte sie und mich erretten, denn wir gingen gewiß in den Tod. Zu gleicher Zeit begegnete ich Herrn Cherubin und dem verwundeten Mayländer, jener schalt mich aus, daß ich so grimmig sey, denn niemand sey beschädigt, Pauls Wunde sey nicht tief, der alte Postmeister sey todt auf der Erde geblieben, und die Söhne nebst andern Leuten seyen dergestalt in Bereitschaft, daß sie uns sicher alle in Stücken hauen würden; er bat mich, daß ich das Glück, das uns beym ersten Angriffe gerettet hätte, nicht wieder versuchen möchte, denn es könnte uns diesmal verlassen. Darauf versetzt’ ich, da ihr zufrieden seyd, so will ich mich auch beruhigen, und, indem ich mich zu Paul und Askanio wendete, fuhr ich fort: gebt euren Pferden die Sporen und laßt uns ohne weitern Aufenthalt nach Staggia galoppiren und da werden wir sicher seyn. Darauf sagte der Mayländer: der Henker hole die Sünden! das Übel da begegnet mir nur, weil ich gestern ein wenig Fleischsuppe gegessen habe, da ich nichts anders zu Mittage hatte. Darüber musten wir, ohngeachtet der grossen Noth, in der wir uns befanden, laut lachen, denn die Bestie hatte gar zu dummes Zeug vorgebracht; wir setzten uns darauf in Galopp und liessen Herrn Cherubin und den Mayländer nach ihrer Bequemlichkeit langsam nachreiten.

Indessen waren die Söhne des Todten zu dem Herzog von Melfi gelaufen, und hatten ihn um einige leichte Reiterey gebeten, um uns zu erreichen und zu fahen. Der Herzog, als er erfuhr, daß wir dem Cardinal von Ferrara angehörten, wollte weder Pferde noch Erlaubniß geben. Indessen kamen wir nach Staggia in Sicherheit, ich rief einen Arzt, so gut man ihn daselbst haben konnte und ließ ihn Paulen besichtigen, da sich denn fand, daß es nur eine Hautwunde war, die nichts zu sagen hatte, und wir bestellten das Essen. Indessen erschien Meister Cherubin und der närrische Mayländer, der nur immer sagte: hole der Henker alle Händel! Er betrübte sich, daß er excommunicirt sey, weil er diesen heiligen Morgen seinen Rosenkranz nicht hätte beten können. Der Mann war erstaunend garstig und hatte von Natur ein sehr grosses Maul, und durch die Wunde war es ihm ehr als drey Finger gewachsen, da nahm sich erst seine wunderliche Mayländische Sprache, die abgeschmackten Redensarten und die dummen Worte, die er hervorbrachte, recht närrisch aus, und gaben uns so viel Gelegenheit zu lachen, daß wir, anstatt uns über den Vorfall zu beklagen, uns bey jedem seiner Worte lustig machten. Nun wollte der Arzt ihm das Maul zunähen, und da derselbe schon drey Stiche gethan hatte, sagte der Patient: er möchte inne halten, denn es wäre ihm ungelegen, wenn er aus Bösem ihm etwa das Maul ganz zunähte. Darauf nahm er einen Löffel und verlangte gerade so viel sollte er offen lassen, daß der Löffel durchkönnte, und er lebendig zu den Seinigen käme. Bey diesen Worten, die er mit allerley wunderlichen Bewegungen des Kopfs begleitete, ging erst das Lachen recht los, und so kamen wir mit der grösten Lust nach Florenz. Wir steigen beym Hause meiner armen Schwester ab, die uns sowohl als ihr Mann aufs beste empfing, und bewirthete. Herr Cherubin und der Mayländer gingen ihren Geschäften nach, wir aber blieben vier Tage in Florenz, in welchen Paul geheilt wurde. Dabey war es die sonderbarste Sache, daß wir, so oft vom Mayländer gesprochen wurde, in eine ausgelassene Lustigkeit verfielen, so wie uns das Andenken des Unfalls, der uns begegnet war, äusserst rührte, so daß wir mehr als Einmal zugleich lachen und weinen mußten.

Hierauf zogen wir nach Ferrara und fanden unsern Cardinal daselbst, der alle unsre Abentheuer gehört hatte, sich darüber beschwerte und sagte: ich bitte nur Gott um die Gnade, daß ich dich lebendig zu dem Könige bringe, wie ich es ihm versprochen habe. Er weiß mir darauf einen seiner Palläste in Ferrara, den angenehmsten Aufenthalt, an, der Ort heiß Belfiore, nahe an der Stadtmauer, und ich mußte mich daselbst zur Arbeit einrichten. Dann machte er Anstalt, ohne mich nach Frankreich zu gehen, und als er sahe, daß ich darüber sehr verdrießlich war, sagte er: Benvenuto! alles was ich thue, geschieht zu deinem Besten, denn ehe ich dich aus Italien wegnehme, will ich erst gewiß seyn, was in Frankreich mit dir werden wird; indessen arbeite recht fleissig am Becken und am Becher, und ich befehle meinem Cassier, daß er dir geben soll, was du nöthig hast. Nun verreiste er, und ich blieb höchst missvergnügt zurück. Oft kam mir die Lust an, in Gottes Nahmen davon zu gehen, denn nur der Gedanke, daß er mich aus den Händen des Papstes befreyt hatte, konnte mich zurückhalten, übrigens war sein gegenwärtiges Betragen zu meinem grossen Verdruß und Schaden, deßwegen hüllte ich mich in Dankbarkeit, suchte mich zur Geduld zu gewöhnen, und den Ausgang der Sache abzuwarten. Ich arbeitete fleissig mit meinen jungen Leuten, und Becher und Becken näherten sich immer mehr der Vollendung.

Unsere Wohnung, so schön sie war, hatte ungesunde Luft, und da es gegen den Sommer ging, wurden wir alle ein wenig krank. Um uns zu erholen, gingen wir in dem Garten spatzieren, der zu unserer Wohnung gehörte und sehr groß war; man hatte fast eine Meile Landes dabey als Wildniß gelassen, wo sich unzählige Pfauen aufhielten und daselbst im Freyen nisteten; da machte ich meine Büchse zurechte, und bediente mich eines Pulvers, das keinen Lärm machte, dann passte ich den jungen Pfauen auf und schoß alle zwey Tage einen. So nährten wir uns reichlich, und fanden die Speise so gesund, daß unsere Krankheiten sich gleich verlohren, wir arbeiteten noch einige Monate freudig fort, und hielten uns immer zu den beyden Gefässen, als an eine Arbeit, die viel Zeit kostete.

Der Herzog von Ferrara hatte so eben mit dem Papst Paul einige alte Streitigkeiten verglichen, die schon lange über Modena und andere Städte dauerten. Das Recht war auf der Seite der Kirche, und der Herzog erkaufte den Frieden mit schwerem Gelde. Ich glaube, er gab mehr als dreymal hundert tausend Kammerducaten dafür. Nun hatte der Herzog einen alten Schatzmeister, einen Zögling seines Herrn Vaters, der Hieronymus Gigliolo hieß, dieser konnte das Unglück nicht ertragen, daß so grosses Geld zum Papst gehen sollte, er lief und schrie durch die Strassen: Herzog Alfons der Vater hätte mir diesem Gelde eher Rom weggenommen, als daß es der Papst gesehen hätte, und er würde auf keine Weise zahlen. Endlich als ihn der Herzog dennoch zwang, ward der Alte an einem Durchfall so heftig krank, daß er fast gestorben wäre.

Zu der Zeit ließ mich der Herzog rufen und verlangte, daß ich sein Bildniß machen sollte. Ich arbeitete es auf einer runden Schiefertafel, so groß wie ein mäßiger Teller, und ihm gefiel meine Arbeit, so wie meine Unterhaltung sehr wohl, deßwegen er mir auch öfters vier bis fünf Stunden saß, und mich manchmal Abends zur Tafel behielt. In Zeit von acht Tagen war ich mit dem Kopfe fertig, dann befahl er mir die Rückseite zu machen, wo eine Frau als Friede, mit der Fackel in der Hand, Trophäen verbrannte. Ich machte diese Figur in freudiger Stellung mit dem feinsten Gewande und der grösten Anmuth, und unter ihr stellte ich die Wuth vor, traurig und schmerzlich, und mit vielen Ketten gebunden. Diese Arbeit machte ich mit grosser Sorgfalt und sie brachte mir viel Ehre, denn der Herzog konnte mir nicht ausdrucken, wie zufrieden er sey, als er mir die Umschrift sowohl um den Kopf als um die Rückseite zustellte. Auf dieser stand Pretiosa in conspectu Domini (Kostbar vor den Augen des Herrn) und wirklich war ihm der Friede theuer genug zu stehen gekommen.

Zu der Zeit, als ich daran arbeitete, hatte mir der Cardinal geschrieben, ich solle mich bereit halten, denn der König habe nach mir gefragt, und er, der Cardinal, habe seinen Leuten geschrieben, alles mit mir in Ordnung zu bringen. Ich ließ mein Becken und meinen Pokal einpacken, denn der Herzog hatte ihn schon gesehen. Damals besorgte die Geschäfte des Cardinals ein Edelmann von Ferrara, der Herr Albert Bendidio hieß, dieser Mann war zwölf Jahre wegen einer Unpäßlichkeit zu Hause geblieben, erschickte eines Tages mit grosser Eile zu mir, und ließ mir sagen, ich sollte geschwinde aufsitzen und nach Frankreich Post reiten, um dem König aufzuwarten, der nach mir mit grossem Verlangen gefragt habe und glaube, daß ich schon in Frankreich sey. Der Cardinal, sich zu entschuldigen, habe gesagt: ich sey, in einer seiner Abteyen zu Lion ein wenig krank geblieben, er wolle aber sorgen, daß ich Seiner Majestät bald aufwartete; deßwegen sey es nun nöthig, daß ich Post nehme. Herr Albert war ein sehr redlicher Mann, aber dabey sehr stolz, und seine Krankheit machte ihn gar unerträglich. Als er mir nun sagte, daß ich mich geschwind fertig machen und Post nehmen sollte, so antwortete ich: Meine Arbeit mache sich nicht auf der Post, und wenn ich hinzugehen hätte, so wollte ich den Weg in bequemen Tagereisen zurücklegen, auch Askanio und Paul, meine Cameraden und Arbeiter, mitnehmen, die ich schon von Rom gebracht habe, und dabey verlangte ich noch einen Diener zu Pferd, der mir aufwartete, und Geld, soviel nöthig wäre. Der alte kranke Mann antwortete mir mit stolzen Worten: auf die Art und nicht anders reis’ten die Söhne des Herzogs. Ich antwortete ihm: die Söhne meiner Kunst reis’ten nun einmal so; wie aber die Söhne eines Herzogs zu reisen pflegten, wüßte ich nicht, denn ich sey nie einer gewesen. Auf alle Weise würde ich nun nicht hingehen. Da mir nun der Cardinal sein Wort nicht gehalten hatte, und ich noch gar solche unartige Reden hören sollte, so entschloß ich mich, mit den Ferraresern nichts weiter zu thun zu haben, wendete ihm den Rücken und ging brummend fort, indem er nicht nachließ, harte und unanständige Reden zu führen. Ich ging nun dem Herzog die geendigte Medaille zu bringen und er begegnete mir mit den ehrenvollsten Liebkosungen, und hatte Herrn Hieronymus Gigliolo befohlen, er solle mir einen Ring von mehr als zweyhundert Scudi kaufen und ihn Frashino seinem Cämmerer geben, der ihn mir bringen sollte. Und so geschah es auch, noch denselben Abend um 1 Uhr kam Frashino und überreichte mir einen Ring, mit einem Diamanten, der viel Schein hatte, und sagte von Seiten des Herzogs diese Worte: mit diesem Edelstein solle die einzig kunstreiche Hand geziert werden, die so treflich zum Andenken Seiner Excellenz gearbeitet habe. Als es Tag ward, betrachtete ich den Ring und fand einen flachen Stein, von ohngefähr zehen Scudi an Werth, und es war mir ungelegen, daß die herrlichen Worte, die mir der Herzog hatte sagen lassen, mit so einer geringen Belohnung sollten verbunden seyn, da der Herzog doch glauben könnte, er habe mich vollkommen zufrieden gestellt. Auch dachte ich wohl, daß der Streich von dem Schelmen, dem Schatzmeister, herkomme, und gab den Ring daher einem Freunde, mit Nahmen Bernhard Salitti, der ihn dem Cämmerer wieder geben sollte, es möchte kosten was es wolle, und das Geschäft wurde treflich ausgerichtet. Da kam Frashino eilig zu mir, in grosser Bewegung und sagte: wenn der Herzog wissen sollte, daß ich ein Geschenk zurückschicke, das er mir so gnädig zugedacht habe, so möchte er es sehr übel nehmen und es dürfte mich gereuen. Darauf antwortete ich, dieser Ring sey ohngefähr zehen Scudi werth, und meine Arbeit könnte wohl auf zweyhundert Scudi geschätzt werden, mir sey blos an einem Zeichen seiner Gnade gelegen, und er möchte mir nur einen von denen Krebsringen schicken, wie sie aus England kommen, und wovon einer ohngefähr einen Paul werth ist, den wollte ich mein ganzes Leben zum Andenken Seiner Excellenz tragen, und mich dabey jener ehrenvollen Worte erinnern, und dann würde ich mich für meine Arbeit hinlänglich belohnt fühlen, an Statt daß jetzt der geringe Werth des Edelsteins meine Arbeit erniedrige. Diese Worte missfielen dem Herzog so sehr, daß er den Schatzmeister rufen ließ, und ihn mehr als jemals ausschalt, mir ließ er bey Strafe seiner Ungnade befehlen, nicht aus Ferrara ohne seine Erlaubniß zu gehen, dem Schatzmeister aber befahl er, für mich einen Diamanten aufzusuchen, der gegen dreyhundert Scudi werth wäre. Aber der alte Geitzhals fand einen aus, den er höchstens für sechzig bezahlt hatte, und machte den Herzog glauben, daß er weit über zweyhundert zu stehen komme.

Indessen hatte Herr Albert sich eines bessern besonnen und hatte mir alles gegeben, was ich nur verlangte, und ich wäre gleich des Tages von Ferrara weggegangen, wenn nicht der geschäftige Cämmerer mit Herrn Albert ausgemacht hätte, daß er mir keine Pferde geben solle.

Schon hatte ich mein Maulthier mit vielen Geräthschaften beladen, und auch Becken und Kelch für den Cardinal eingepackt. Da kam nun eben ein Ferraresischer Edelmann zu uns, der Herr Alfonso de Trotti hieß, er war alt und sehr angenehm, dabey leibte er die Künste ausserordentlich, war aber einer von denen Personen, die schwer zu befriedigen sind, und wenn sie, zufälligerweise, sich auf etwas werfen, das ihnen gefällt, so mahlen sie sichs nachher so treflich in ihrem Gehirn aus, daß sie niemals glauben, wieder so etwas herrliches sehen zu können. Als er hereintrat, sagte Herr Albert zu ihm: es ist mir lieb, daß ihr zu spät kommt, denn schon sind Becken und Becher eingepackt, die wir dem Cardinal nach Frankreich schicken. Herr Alfonso antwortete, daß ihm nichts daran gelegen sey, und schickte einen Diener fort, der ein Gefäß von weisser Erde, wie man sie in Faenza macht, das sehr sauber gearbeitet wäre, herbey holen sollte. Indessen sagte Herr Alfonso, ich will euch sagen, warum ich mich nicht kümmere, mehr Gefässe zu sehen, denn es ist mir einmal ein antikes silbernes zu Gesichte gekommen, so schön und wunderbar, daß der menschliche Geist so was herrliches sich nicht vorstellen kann. Ein treflicher Edelmann besaß es, der nach Rom wegen einiger Geschäfte gegangen war, man zeigte ihm heimlich das alte Gefäß, und er bestach mit grossem Gelde den, der es besaß, und so brachte er es hierher, hielt es aber geheim, damit der Herzog nichts davon erfahren sollte, denn der Besitzer wär in grosser Furcht, es zu verlieren.

Indeß Herr Alfonso seine langen Mährchen erzählte, gab er auf mich nicht acht, den er kannte mich nicht. Indessen kam das herrliche Modell und ward mit grossem Prahlen und Prangen aufgesetzt. Kaum hatt’ ich es angesehen, als ich mich zu Herrn Albert kehrte, und sagte: wie glücklich bin ich, so was gesehen zu haben! Herr Alfonso fing an zu schimpfen und sagte: wer bist denn du? du weißt nicht, was du sagst. Darauf versetzte ich: höret mich an, es wird sich zeigen, wer von uns beyden besser weiß, was er sagt. Dann wendete ich mich zu Herrn Albert, einem sehr ernsthaften und geistreichen Mann und sagte: dieses Modell ist von einem silbernen Becher genommen, der so und soviel wog, den ich zu der und der Zeit, jenem Marktschreier, Meister Jacob, Chirurgus von Carpi machte, der nach Rom kam, sechs Monate daselbst bleib, und mit seiner Salbe manche Dutzend Herrn und arme Edelleute beschmierte, von denen er mehrere tausend Ducaten zog. Da arbeitete ich ihm dieses Gefäß und noch ein anderes, verschieden von diesem, er hat mir beyde schlecht bezahlt, und noch sind in Rom die Unglücklichen, die er gesalbt und elend gemacht hat; mir aber gereicht es zur grossen Ehre, daß meine Werke bey euch reichen Leuten so einen grossen Nahmen haben. Aber ich versichre euch, seit der Zeit habe ich mir noch Mühe gegeben, etwas zu lernen, so daß ich denke, daß Gefäß, das ich nach Frankreich bringe, soll ganz anders des Königs und des Cardinals werth seyn, als dieser Becher eures Medicasters. Als ich mich so herausgelassen hatte, wollte Herr Alfonso für Verlangen nach meiner neuen Arbeit schier vergehen, ich aber bestand darauf, sie nicht sehen zu lassen. Als wir uns eine Weile gestritten hatten, sagte er: er wolle zum Herzog gehen, und Seine Excellenz werde ihm schon dazu verhelfen. Darauf versetzte Herr Albert, der, wie ich schon gesagt habe, der stolzeste Mann war, Herr Alfonso, eh’ ihr von hier weggeht, sollt ihr die Arbeit sehen, ohne dazu die Gunst des Herzogs zu bedürfen. Da ging ich weg und ließ Paul und Askanio zurück, um ihm die Gefässe zu zeigen; die jungen Leute erzählten mir nachher, daß man die grösten Sachen zu meinem Lobe gesagt hätte. Nun wollte Herr Alfonso, daß ich sein Hausgenosse werden sollte, und eben deswegen schienen mirs tausend Jahre, bis ich von Ferrara weg und ihm aus den Augen kam. Was ich gutes und nützliches an diesem Orte genossen hatte, war ich dem Umgang des Cardinals Salivati und des Cardinals von Ravenna schuldig, auch hatte ich Bekanntschaft mit einigen geschickten Tonkünstlern gemacht und mit niemand sonst; denn die Ferrareser sind die geitzigsten Leute, und was andern gehört, gefällt ihnen gar zu wohl, sie suchen es auf alle Weise zu erhaschen, und so sind sie alle. Um zwey und zwanzig kam Frashino, überreichte mir den Ring von ohngefähr sechzig Scudi, und sagte mit kurzen Worten: ich möchte den zum Andenken Seiner Excellenz tragen. Ich antwortete: das will ich, und setzte sogleich den Fuß in den Steigbügel und ritt, in Gottes Nahmen, fort. Er hinterbrachte meine Worte und mein Betragen dem Herzog, der sehr erzürnt war, und grosse Lust hatte, mich zurück holen zu lassen.

Ich ritt den Abend wohl noch zehen Meilen, immer im Trott, und war sehr froh, den andern Tag aus dem Ferraresischen zu seyn, denn ausser den jungen Pfauen, die ich gegessen und mich dadurch curirt hatte, war mir dort nichts gutes geworden. Wir nahmen den Weg durchs Monsanesische und berührten die Stadt Mailand nicht, aus obgedachter Ursache, und so kamen wir glücklich und gesund nach Lion, Paul, Askanio und ein Diener, alle vier auf guten Pferden. In Lion erwarteten wir einige Tage das Maulthier, worauf unser Gepäck und die Gefässe waren, und wohnten in einer Abtey des Cardinals. Als unsere Sachen ankamen, packten wir sie sorgfältig um und zogen nach Paris, wir hatten auf dem Weg einige Händel, aber nicht von grosser Bedeutung.

Den Hof des Königs fanden wir zu Fontainebleau, wir meldeten uns beym Cardinal, der uns sogleich Quartier anweisen ließ, und diesen Abend befanden wir uns recht wohl. Den andern Tag erschien der Karren, und da wir nun unsere Sachen hatten, sagte es der Cardinal dem König, der uns sogleich sehen wollte. Ich ging zu Seiner Majestät mit dem Pokal und Becher, als ich vor ihn kam, küßte ich ihm das Knie, und er hub mich gnädig auf. Indessen dankte ich Seiner Majestät, daß er mich aus dem Kerker befreyt habe, und sagte, es sey eigentlich die Pflicht eines so guten und einzigen Fürsten, nützliche Menschen zu befreyen und zu beschützen, besonders wenn sie unschuldig seyen, wie ich; solche Wohlthaten seyn in den Büchern Gottes oben an geschrieben, vor allem andern, was man in der Welt thun und wirken könne. Der gute König hörte mich an, bis ich geendigt, und meine Dankbarkeit mit wenigen Worten, die seiner werth waren, ausgedrückt hatte. Darauf nahm er Gefäß und Becken und sagte: wahrhaftig ich glaube nicht, daß die Alten jemals eine so schöne Art zu arbeiten gesehen haben, denn ich erinnere mich wohl vieler guten Sachen, die mir vor Augen gekommen sind, und auch dessen, was die besten neuern Meister gemacht haben, aber ich habe niemals ein Werk gesehen, das mich so höchlich bewegt hätte, als dieses. Diese Worte sagte der König auf französisch, zum Cardinal von Ferrara, mit noch grössern Ausdrücken als dieses. Dann wendete er sich zu mir, sprach mich italienisch an und sagte: Benvenuto! bringt eure Zeit einige Tage fröhlich zu, dann wollen wir euch alle Bequemlichkeit geben, irgend ein schönes Werk zu verfertigen. Der Cardinal von Ferrara bemerkte wohl das grosse Vergnügen des Königs über meine Ankunft, und daß Seine Majestät sich aus meinen wenigen Arbeiten schon überzeugt hatte, von mir seyen noch weit grössere Dinge zu erwarten, die er denn auch auszuführen Lust hatte.

Indessen mußten wir dem Hofe folgen, und es war eine rechte Qual. Denn es schleppt sich hinter dem König beständig ein Zug von zwölftausend Pferden her, und das ist das geringste, denn wenn in Friedenszeiten der Hof ganz beysammen ist, so sind es achtzehntausend Mann, und darunter mehr als zwölftausend Berittene. Nun kamen wir manchmal an Orte, wo kaum zwey Häuser waren, und man schlug, nach Art der Zigeuner, Hüten von Leinwand auf, und hatte oft gar viel zu leiden. Ich bat den Cardinal, er möchte den König bewegen, daß er mich zu arbeiten wegschickte; ich erhielt aber zur Antwort: das beste in einem solchen Falle sey, wenn der König selbst meiner gedächte, ich sollte mich manchmal sehen lassen, wenn Seine Majestät speißte. Das that ich denn eines Mittags, der König rief mich, und sprach italienisch mit mir und sagte: er habe im Sinne grosse Werke durch mich arbeiten zu lassen, er wolle mir bald befehlen, wo ich meine Werkstatt aufzuschlagen hätte, auch wolle er mich mit allem, was ich bedürfe, versorgen, dann sprach er noch manches von angenehmen und verschiedenen Dingen. Der Cardinal von Ferrara war gegenwärtig, denn er speiße fast beständig Mittags an der kleinen Tafel des Königs, und da er alle die Reden vernommen, sprach er, als der König aufgestanden war, zu meinen Gunsten, wie man mir hernach wieder erzählte, und sagte: heilige Majestät! dieser Benvenuto hat grosse Lust zu arbeiten, und man könnte es fast eine Sünde nennen, wenn man einen solchen Künstler Zeit verlieren läßt. Der König versetzte: er habe wohl gesprochen, und solle nur mit mir ausmachen, was ich für meinen Unterhalt verlange? Noch denselben Abend nach Tische ließ mich der Cardinal rufen und sagte mir, im Nahmen des Königs: Seine Majestät sey entschlossen, mir nunmehr Arbeit zu geben, er wolle aber zuerst meine Besoldung bestimmt wissen. Der Cardinal fuhr fort: ich dächte, wenn euch der König des Jahrs dreyhundert Scudi Besoldung giebt, so könnt ihr recht gut auskommen, und dann sag ich euch, überlaßt mir nur die Sorge, denn alle Tage kommt Gelegenheit in diesem grossen Reiche, etwas gutes zu stiften, und ich will euch immer treflich helfen. Darauf antwortete ich: als Sie mich in Ferrara liessen, Hochwürdigster Herr! versprachet ihr mir, ohne daß ich es verlangte, mich niemals aus Italien nach Frankreich zu berufen, wenn nicht Art und Weise, wie ich mich bey dem König stehen solle, schon bestimmt wäre. Anstatt mich nun hievon zu benachrichtigen, schicktet ihr besondern Befehl, ich solle auf der Post kommen, als wenn eine solche Kunst sich postmäßig behandeln liesse; hättet ihr mir damals was von dreyhundert Scudi sagen lassen, wie ich jetzt hören muß, so hätte ich mich nicht vom Platze bewegt, nicht für sechshundert! Aber ich gedenke dabey, daß Gott Ew. Hochwürden als Werkzeug einer so grossen Wohlthat gebraucht hat, als meine Befreyung aus dem Kerker war, und ich versichere Ew. Hochwürden, daß wenn ihr mir auch das gröste Übel zufügtet, so würde doch dadurch nicht der tausendste Theil des grossen Guten aufgewogen werden, das ich durch Dieselben erhalten habe. Ich bin von ganzem Herzen dankbar, nehme meinen Urlaub, und wo ich auch seyn werde, will ich, so lange ich lebe, Gott für Euch bitten. Darauf war der Cardinal zornig und sagte: gehe hin, wohin du willst, den mit Gewalt kann man niemanden wohl thun. Darauf sagten gewisse Hofleute, so einige von den Semmelschindern: der dünkt sich auch recht viel zu seyn, da er dreyhundert Ducaten Einkünfte verschmäht. Die verständigen und braven dagegen sagten: der König wird nie seines Gleichen wieder finden und unser Cardinal will ihn erhandeln, als wenn es eine Last Holz wäre. Das war Herr Ludwig Alamanni, jener, der zu Rom den Gedanken über das Modell des Salzfasses vortrug. Er war ein sehr gefälliger Mann und äuserst liebevoll gegen alle Leute von Talenten. Man erzählte mir, daß er es vor vielen andern Herrn und Hofleuten gesagt hatte. Das begab sich in Dauphiné in einem Schlosse, dessen Nahmen ich mich nicht mehr erinnere, wo man diesen Abend eingekehrt war.

Ich verließ den Cardinal und begab mich in meine Wohnung, denn wir waren immer etwas entfernt von dem Hofe einquartiert, dießmal mogt’ es etwa drey Miglien betragen. Ich ritt in Gesellschaft eines Mannes, des Secretair beym Cardinal, und der gleichfalls daselbst einquartiert war. Er hörte auf dem ganzen Wege nicht auf, mit unerträglicher Neugierde zu fragen: was ich denn anfangen wollte, wenn ich nun zurückginge? und was ich denn allenfalls für eine Besoldung verlangt hätte? Ich war halb zornig, halb traurig, und voll Verdruß, daß man mich nach Frankreich gelockt hatte, um mir nun dreyhundert Scudi des Jahrs anzubieten, daher antwortete ich nichts, und wiederholte nur immer, ich wisse schon alles.

Als ich in das Quartier kam, fand ich Paul und Askanio, die auf mich warteten, sie sahen, daß ich sehr verstöhrt war, und da sie mich kannten, fragten sie, was ich habe? Die armen Jünglinge waren ganz ausser sich, deßwegen sagte ich zu ihnen: Morgen früh will ich euch so viel Geld geben, daß ihr reichlich wieder nach Hause kommen könnt, denn ich habe das wichtigste Geschäft vor, zu dem ich euch nicht mitnehmen kann, ich hatte es lange schon im Sinne, und ihr braucht es nicht zu wissen. Neben unserer Kammer wohnte gedachter Secretair, und es ist möglich, daß er meine Gesinnung und meinen festen Entschluß dem Cardinal gemeldet habe, ob ich es gleich nicht vor gewiss sagen kann.

Keinen Augenblick schlief ich die ganze Nacht, und es schienen mir tausend Jahre, bis es Tag wurde, um den Entschluß auszuführen, den ich gefaßt hatte. Als der Tag graute, ließ ich die Pferde besorgen und setzte mich schnell in Ordnung. Ich schenkte den jungen Leuten alle Sachen, die ich mitgebracht hatte, und mehr als funfzig Goldgülden, eben so viel behielt ich für mich und überdieß den Diamanten, den mir der Herzog geschenkt hatte. Ich nahm nur zwey Hemden mit, und einen schlechten Reitrock, den ich auf dem Leibe hatte. Nun konnte ich mich aber von den jungen Leuten nicht losmachen, die ein für allemal mit mir kommen wollten, daher schalt ich sie aus und sagte: der eine hat schon einen Bart und dem andern fängt er an zu wachsen, ihr habt von mir diese arme Kunst gelernt, so gut als ich sie euch zeigen konnte, und so seyd ihr am heutigen Tag die ersten Gesellen von Italien. Schämt euch doch, daß ihr nicht aus dem Kinderwägelchen herauswollt! sollt es denn euch immer fortschleppen? das ist schimpflich, und wenn ich euch gar ohne Geld gehen liesse, was würdet ihr sagen? geht mir aus dem Gesichte! Gott segne euch tausendmal und so lebt wohl! Ich wendete mein Pferd um und verließ sie weinend. Ich nahm den schönsten Weg durch einen Wald und achte mich diesen Tag wenigstens vierzig Miglien zu entfernen. Ich wollte an den unbekanntesten Ort gehen, den ich mir nur ausdenken konnte. Indem ich ohngefähr einen Weg von zwey Miglien zurücklegte, hatte ich mir fest vorgenommen, mich an keinem Orte aufzuhalten, wo ich bekannt wäre, und wollte auch nichts weiter arbeiten, als einen Christus, von drey Ellen, wobey ich mich der unendlichen Schönheit zu nähern hoffte, welche er mir selbst gezeigt hatte. So war ich völlig entschlossen, nach dem heiligen Grabe zu gehen, und dachte schon so weit zu seyn, daß mich niemand mehr einholen könnte. Auf einmal hörte ich Pferde hinter mir, und ich war nicht ohne Sorge, denn in jenen Gegenden schwärmten gewisse Haufen herum, die man Abentheurer nennt, und die gar gern auf der Strasse rauben und morden, und ob man gleich alle Tage genug von ihnen aufhängt, so scheint es doch, als wenn sie sich nicht darum bekümmern. Da sie mir näher kamen, fand ich, daß es ein Abgeordneter des Königs sey, der den Askanio bey sich hatte, er sagte zu mir: im Nahmen des Königs befehle ich euch zu ihm zu kommen. Ich antwortete, du kommst vom Cardinal Ferrara, und deßwegen werde ich dir nicht folgen! Der Mann sagte: wen ich ihm nicht gutwillig folgen wolle, so habe er die Macht, seinen Leuten zu befehlen, mich als einen Gefangenen zu binden. Nun bat mich Askanio, was er konnte, und erinnerte mich, daß der König, wenn er jemanden ins Gefängniß setzte, sich wenigstens fünf Jahre besänne, bis er ihn wieder losliesse. Das Wort Gefängniß erschreckt mich dergestalt, denn ich dachte an mein römisches Unglück, daß ich geschwind das Pferd dahin wendete, wohin der abgeordnete des Königs es verlangte, der immer auf französisch murmelte, und auf der ganzen Reise nicht einen Augenblick still war, bis er mich nach Hofe gebracht hatte. Bald trotzte er mir, bald sagte er dieses, bald jenes, so daß ich die Welt hätte verläugnen mögen.

Als wir zu dem Quartier des Königs kamen, gingen wir bey der Wohnung des Cardinals vorbey, dieser stand unter der Thüre, und sagte: unser allerchristlicher König hat aus eigner Bewegung euch dieselbe Besoldung ausgesetzt, die er Leonard da Vinci, dem Mahler, gab, nämlich siebenhundert Scudi des Jahrs, daneben bezahlt er euch alle Arbeit, die ihr machen werdet, und zum Antritt schenkt er euch fünfhundert Goldgülden, die euch ausgezahlt werden sollen, ehe ihr von hier weggeht. Darauf antwortete ich: das sind Anerbieten eines so grossen Königs würdig. Als der Abgeordnete, der mich nicht gekannt hatte, diese grossen Anerbieten von Seiten des Königs hörte, bat er mich tausendmal um Vergebung. Paul und Askanio sagten: Gott hat uns geholfen in ein so ehrenvolles Wägelchen wieder zurückzukommen. Den andern Tag ging ich dem König zu danken und er befahl mir, daß ich zwölf Modelle, zu silbernen Statuen, machen sollte, die als zwölf Leuchter um seinen Tisch dienen sollten; er wollte sechs Götter und sechs Göttinnen vorgestellt haben, grade so hoch wie er selbst, und er war beynahe drey Ellen groß. Als er mir diesen Auftrag gegeben hatte, wendete er sich zum Schatzmeister der Ersparnisse und fragte, ob man ihm befohlen habe, daß er mir fünfhundert Goldgülden zahlen solle? Dieser antwortete darauf: es sey nicht geschehen! Das empfand der König sehr übel, denn er hatte dem Cardinal aufgetragen, dem Schatzmeister seinen Willen zu sagen. Ferner befahl er mir, ich solle nach Paris gehen und mir eine Wohnung aussuchen, die zu solchen Arbeiten bequem wäre, und ich sollte sie haben. Da nahm ich meine fünfhundert Goldgülden und ging nach Paris, in ein Quartier des Cardinal von Ferrara, woselbst ich, im Nahmen Gottes, zu arbeiten anfing, und vier Modelle, jedes von einem Fuß, verfertigte, sie stellten Jupiter und Juno, Apoll und Vulkan vor. Indessen kam der König nach Paris, und ich eilte ihm aufzuwarten, nahm meine Modelle mit mir, auch die jungen Leute, Askanio und Paul. Der König war zufrieden, und befahl mir, ich sollte ihm zuerst den Jupiter von Silber machen, von obengedachter Höhe, dann stellte ich Seiner Majestät die beyden Jünglinge vor und sagte, ich habe sie zum Dienste Seiner Majestät mit mir gebracht, denn da ich mir sie auferzogen hätte, so würden sie mir wohl mehr Dienste leisten, als die, die ich in Paris finden könnte; darauf sagte der König, ich sollte beyden eine Besoldung auswerfen, die hinreichend wäre, sie erhalten zu können. Ich sagte, daß hundert Goldgülden für jeden genug sey, auch habe ich einen Ort gefunden, der mir zu einer Werkstatt höchst tauglich schiene. Das Gebäude gehörte Seiner Majestät eigen und hieß Klein Nello, der König hatte es dem Prevost von Paris eingegeben, der sich aber dessen nicht bediente, und so konnte mirs der König ja wohl einräumen, da ich es zu seinem Dienst bedurfte. Darauf antwortete der König: das Haus ist mein und ich weiß recht gut, daß der, dem ich es gegeben habe, dasselbe nicht bewohnt, noch gebraucht, deswegen sollt ihr euch dessen, zu unserer Arbeit, bedienen. Darauf befahl er einem seiner Officiere, er solle mich in das gedachte Nello einführen, dieser weigerte sich einen Augenblick und sagte: er könne das nicht thun. Da antwortete der König zornig, er wolle die Dinge vergeben, wie es ihm gefiele, jener bediene sich dessen nicht, und ich sey ein nützlicher Mann, der für ihn arbeite, er wolle von keinem weitern Widerspruch hören. Da versetzte der Officier, es werde wohl nöthig seyn, ein bischen Gewalt zu brauchen, darauf antwortete der König: jetzt geht, und wenn kleine Gewalt nicht hilft, so gebraucht grosse! Eilig führte der Mann mich zu dem Gebäude, und es war Gewalt nöthig, um mich in Besitz zu setzen, dann sagte er mir, ich sollte nun wohl sorgen, daß ich drin nicht todt geschlagen werde.

Ich ging hinein und nahm sogleich Diener an, kaufte verschiedene Spiesse und lebte verschiedene Tage mit größtem Verdruß, denn mein Gegner war ein französischer Edelmann, und die übrigen Edelleute waren alle meine Feinde und insultirten mich auf alle Weise, so daß es mir unerträglich schien. Hier muß ich noch bemerken, daß, als ich in Ihro Majestät Dienste ging, man 1540 schrieb, und ich also eben vierzig Jahr alt wurde. Nun ging ich, diese Beleidigung und meinen Verdruß dem König zu klagen, und bat ihn, er möchte mich an einem andern Orte einrichten lassen. Darauf sagte der König: wer seyd ihr? und wie heißt ihr? Ich war äuserst erschrocken, denn ich wußte nicht, was der König meyne, und als ich so still war, wiederholte er seine Frage; darauf versetzte ich: daß ich Benvenuto hiesse. Da sagte der König: seyd ihr der Benvenuto, von dem ich gehört habe, so handelt nach eurer Weise, und ich gebe euch völlige Erlaubniß! Ich versetzte darauf: daß mir allein seine Gnade hinreichend sey, übrigens kenne ich keine Gefahr. Der König lächelte ein wenig und sagte: so geht nur! an meiner Gnade soll es euch niemals fehlen. Sogleich befahl er einem seiner Secretaire, welcher Villeroi hieß, er solle mich mit allem versehen und meine Bedürfnisse vollkommen einrichten lassen. Dieser Mann war ein grosser Freund vom Prevost von Paris, der zuerst das Kleine Nello besessen hatte, dieses Gebäude war in dreyeckiger Form an die Mauren der Stadt angelehnt, eigentlich ein altes Schloß von guter Grösse, man hielt aber keine Wache daselbst. Herr von Villeroi rieht mir, ich solle mich ja nach einem andern Platz umsehen und diesen seinem alten Besitzer überlassen, denn es sey ein sehr mächtiger Mann, und er werde mich gewiss todtschlagen lassen. Darauf sagte ich: ich sey aus Italien nach Frankreich gegangen, bloß um diesem wundersamen König zu dienen, und was das Todtschlagen betreffe, so wisse ich recht gut, daß ich sterben müsse, ein bischen früher oder später, daran wäre nichts gelegen. Dieser Villeroi war ein Mann von grossem Geiste, bewundernswerth in allen seinen Dingen, und sehr reich, nun war nichts in der Welt, was er mir nicht zum Verdruß gethan hätte, aber er ließ sich nichts merken, es war ein ernsthafter Mann von schönem Anblick und sprach langsam. Die Besorgung meiner Sache trug er einem andern Edelmann auf, welcher Herr von Marmagna hieß, und Schatzmeister von Languedoc war; das erste, was dieser that, war, daß er die besten Zimmer des Gebäudes für sich selbst einrichten ließ, da sagte ich ihm: der König habe mir diesen Ort zu seinem Dienste gegeben, und ich wolle nicht, daß jemand ausser mir und den Meinigen hier seine Wohnung haben sollte. Dieser stolze, kühne und heftige Mann sagte zu mir: er wolle thun, was ihm beliebte, ich renne nur mit dem Kopf gegen die Mauer, wenn ich ihm widerstehen wolle, er habe Befehl von Villeroi, das thun zu dürfen. Dagegen versetzte ich: habe ich doch den Auftrag vom König, und ich weiß wohl, daß weder ihr noch Villeroi so etwas unternehmen sollt. Hierauf sagte mir der stolze Mann, in seiner französischen Sprache, viele häßliche Worte, worauf ich denn in der meinigen versetzte, daß er lüge. Erzürnt griff er nach seinem kleinen Dolch und ich legte Hand an meinen großen Dolch, den ich immer an der Seite, zu meiner Vertheidigung, trug, und sagte zu ihm: bist du kühn genug zu ziehen, so stech’ ich dich auf der Stelle todt. Er hatte zwey Diener mit sich und meine zwey Gesellen standen dabey. Marmagna schien einen Augenblick unentschlossen, aber geneigter zum Bösen und sagte murmelnd: das werde ich nie ertragen. Ich befürchtete das schlimmste und sagte entschlossen zu Paul und Askanio: sobald ihr seht, daß ich meinen Dolch ziehe, so werft euch gleich über die Diener her, und erschlagt sie, wenn ihr könnt, dieser soll gewiss zuerst fallen, und dann wollen wir uns mit Gott davon machen. Marmagna vernahm diesen Entschluß und war zufrieden, nur lebendig vom Platze zu kommen. diese ganze Begebenheit schrieb ich mit etwas gelinderen Ausdrücken an den Cardinal, der sie augenblicklich dem König erzählte, Seine Majestät war verdrießlich, und gab einem andern, der Vicomte D’Orbec hieß, die Aufsicht über mich; dieser Mann sorgte mit der grösten Gefälligkeit für alle meine Bedürfnisse.

Da ich nun Haus und Werkstatt vollkommen eingerichtet hatte, so daß ich meine Arbeit bequem einrichten konnte, und dabey sehr ehrenvoll wohnte, arbeitete ich sogleich an den drey Modellen in der Grösse, wie die Statuen von Silber werden sollten, und zwar stellten sie Jupiter, Vulkan und Mars vor, ich machte sie von Erde, inwendig sehr wohl mit eisernen Stäben verwahrt. Als ich fertig war, ging ich zum König, der mir, wenn ich mich recht erinnere, dreyhundert Pfund Silber geben ließ, damit ich die Arbeit anfangen könnte. Indessen ich nun alles dazu vorbreitete, ward das Gefäß und das ovale Becken fertig, die mir verschiedene Monate wegnahmen, als sie vollendet waren, ließ ich sie trefflich vergolden, und man konnte wohl sagen, daß es die schönste Arbeit sey, die man je in Frankreich gesehen hatte. Sogleich trug ich sie zum Cardinal von Ferrara, der mir über die Masen dankte, hernach aber ohne mich zum König ging, und demselben damit ein Geschenk machte. Der König hielt sie sehr werth, und lobte mich übermäßiger, als jemals ein Mensch meiner Art gelobt worden ist, und machte dem Cardinal ein Gegengeschenk mit einer Abtey, die siebentausend Scudi Einkünfte hatte, und ließ die Absicht merken, mir auch etwas zu verehren, woran ihn der Cardinal verhinderte und sagte: Seine Majestät verfahre zu geschwind, denn ich habe für ihn ja noch keine Arbeit vollendet. Da versetzte der freygebigste König, mehr als jemals entschlossen: ich will ihm eben Lust und Muth zu seiner Arbeit machen. Da schämte sich der Cardinal und sagte: ich bitte, laßt mich gewähren, denn sobald ich die Abtey in Besitz genommen habe, will ich ihm eine Pension von wenigstens dreyhundert Scudi aussetzen. Davon ist mir aber nie etwas geworden, und es wäre zu weitläufig alle Teufeleyen dieses Cardinals zu erzählen, besonders da ich wichtigere Dinge vor mir habe.

(Die Fortsetzung folgt.)

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