HomeDie Horen1796 - Stück 5IV. Eine Nachahmung der ersten Satyre des Juvenal. [J. B. von Alxinger]

IV. Eine Nachahmung der ersten Satyre des Juvenal. [J. B. von Alxinger]

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Wie? soll ich hören stets und nie ein Wörtchen reden?
Soll immer ungestraft mir Blöden
Bald ein geschwätziger Pedant,
Dein Schuler, nicht doch! nur dein Affe, großer Kant,
Mit einem Wörterkram, dem Sinn und Ordnung fehlen,
Bald ein aus Midas Stamm entsprungner Recensent
Mit dummer Fertigkeit im Loben und im Schmählen,
Und bald ein reisender Student
Mit Schildrungen der fremden Höfe quälen?
Ist’s ausgemacht, daß ich es dulten muß,
Wenn so ein Kraftgenie ein Tragicomicus,
Der nur dem Dramenschnitt von Shakespeare’n sich erborget,
Im tollen Ritterstück mit Zweykampf, Sturm und Schlacht,
Empörung, Nothzucht, Mord bis eilf Uhr in die Nacht,
Parterr’ und Logen wohl versorget?
Ich kenne kaum mein eignes Haus so gut,
Als den Turnierplatz und die Schranken,
Befleckt von edler Kämpen Blut,
Die mausetodt dahin vor meinen Augen sanken;
Mir gelt das Ohr von Lehenspflicht,
Von Schimpf und Ernst, von Schiene, Schwert und Speere,
Auch weiß ich so Bescheid vom heimlichen Gericht,
Als ob ich selbst davon ein Oberschöppe wäre,
Zum Henker! Unser eins hat doch wohl ohne Ruhm
Zu melden, sein Gymnasium
Auch Tag für Tag besucht, und in der sechsten Schule
Pompejen klug gerathen, daß er nicht
Mit Cäsarn um die Herrschaft buhle.
Man hat, als Anwalt, vor Gericht
für Cimons tapfern Sohn, für Socrates gesprochen,
Und einen Cato ungehört,
Bloß weil der Mann sich selbst erstochen,
Zu des Professors Trost für eine Memm’ erklärt.
Drum kein Papier geschont! Die Menge der Poeten,
Die sich den Winter durch die Finger wurd scandiert,
Und dann zur Messe, wie die Kröten
Bey lauter Luft, frey in die Welt spatziert,
Verthät’ es ohne hin zu ganzen Alphabethen.

Doch daß ich jene Bahn, auf welcher Juvenal
Mit strenger Geißel ging, zu unsrer Thoren Qual
Nun auch betrat, darf niemand Wunder nehmen.
Mit jedem Tag vermehrt sich ihre Zahl
Und wächst ihr Übermuth; sie mögen nun einmal
Wenn nicht sich bessern, doch sich schämen.
Denn jagt ein junges Weib auf Englands edlem Roß,
Begleitet von der Buhler Troß
Frech durch des Praters laute Schatten
Und neckt das schöne stolze Thier
So ungescheut, als ihren Gatten.
Kommt schimmervoll und rasselnd hinter ihr
Ein prunkender Lakey, der sich in wenig Jahren
Zum Ritter oder Cavalier
Hinauf gewuchert hat, mit Vieren angefahren,
Wem jucken da zum bittern Strafgedicht
Die drey Autorenfinger nicht?
Weß Nachsicht ist so groß, und weß Geduld so eifern,
Daß er gelassen bleibt, wenn selbst in edlen Häusern
Ein frecher Bösewicht auf seinen Fürsten schimpft
Und Frankreichs Modegift in deutsche Seelen impft?
Indeß ein andrer Schurk’, ein arger Augendiener,
Nur Möncherey, nur Presszwang lobt
Und, widerspricht man ihm, so wild als Hoffmann tobt,
So laut als er nahnt: Da seht den Jacobiner!
Wie? Alle das geschäh, und ich, ich sähe zu
In träger oder feiger Ruh?
Verkröche mich wohl gar vor diesen tollen Schreyern
Und brauchte nur mein friedlich Saitenspiel,
Ein hohes Nahmensfest zu feyern,
Und einem Liebchen was von Mondschein, Treu, Gefühl
In Klinggedichten vorzuleyern?
Wer möchte nicht vielmehr auf öffentlichem Platz
Satyren mit dem Bleystift schreiben,
Sieht er den Schurken dort, der den gemeinen Schatz
Geplündert hat, so steif als einen Kegel bleiben,
Wenn alles um ihn her vor seinem Gold sich bückt,
Und … selbst den Hut, als wie zum Gruße rückt.
Ja willst du Etwas seyn, begeh nur ein Verbrechen,
Der Casematten werth. Man lobt die Redlichkeit
Und läßt sie betteln gehen; in dieser Lasterzeit
Kannst du durch Laster nur zu steigen dir versprechen.
Die bauen dir ein fürstlich Haus,
Durch das in bunter Pracht geschäftge Diener irren,
Die schmücken dir’s mit Japans Prunkgeschirren
Und Belgiens Tapeten aus.
Sich selber wissen sie mit Geld zu überdecken,
Und hinter Wappenschild’ und Titel zu verstecken.

Wenn nun ein Biedermann all diese Gräuel sieht,
Verhindert ihn die Wuth nicht selbst am süssen Schlafe,
Und ruft Gerechtigkeit nicht laut ihm zu: O strafe
Die Schurken wenigstens durch ein gewaltig Lied!
Er fasst die Feder dann und schreibt, gut oder übel,
Gleichviel! wenn nicht Genie, treibt ihn doch Unmuth an;
Der reimt aus ihm heraus, der verselt wie er kann,
So allenfalls, wie ich pfleg’ oder Liebel.
Was seit der Sündflut her der tolle Mensch beginnt,
Worauf er hoffet oder sinnt,
Wovor er sich entsetzt, warum er ängstlich bethet,
Das alles ist ein Teig, den meine Muse knetet.
Sie thut dann Attisch Salz, so viel gerad’ im Haus
Vorräthig ist, daran und bäckt Satyren draus.
Mit Recht! denn nie war noch dem unvernünftigen Thiere,
das der Vernunft sich rühmt, so nöthig die Satyre.
Nie herrschte noch mit fürchterlicher Macht
Tyrannischer der böse Dämon Pracht.
Die jungen Crösus, die ihm dienen,
Schafft er in kurzer Zeit zu lauter Irus um,
Und die Penelopen zu Phrynen,
Ja schenket selbst die Ältern blind und stumm.
Denn welche Mutter schickt den reichen Freund spatzieren,
Der ihrer Tochter Putz bestreitet – und den ihren?
Nie war zu Fuße gehen so schimpflich; siehe! kaum
Ein Krämer wagt es mehr; rasch rollt’s an Feyertagen
Den Graben auf und ab, und winzig ist der Raum
Für jene, die ihr Ich selbst in die Kirche tragen.
Du, der du Wien besuchest, wandle dicht,
Dicht an den Häusern hin, o Fremdling, willst du nicht
Gerädert seyn von unbezahlten Wagen!
Ja unbezahlt! Vorüber ist die Zeit
Wo der Entlehnende mit dummer Ehrlichkeit
An seiner Schulden Tilgung dachte.
Seit mancher schlaue Dieb zu seiner Sicherheit
In ein System die Bankerottkunst brachte,
Ist seine ganze Schuld bezahlen unerhört.
Wer seinen Gläubigern erklärt,
Er wolle, wenn sie nicht den Unweg Rechtens wählen,
Genügsam nur des Darlehns Hälfte stehlen,
Wird schon von ihnen selbst als Biedermann geehrt.
So ist die Crida denn von allen Handlungszweigen
Der nützlichste; man wiederhohlet sie,
Und zu der feinen Industrie
Muß die Fallitenordnung schweigen.
Kein Schuldner geht mehr durch; mag durchgehn, der ihm lieh!
Er bleibt und handelt fort, trotz Fries und Compagnie.

So tief sind wir gesunken; o der Schande!
Wir Ausgearteten, in deren edlem Lande
Einst Biedersinn zu Hause war.
Mit offner Stirn, mit unfrisiertem Haar,
Im langen Camisol, im unbeschnittnen Kleide
Und stumpfen Schuhen zog er bürgerlich einher,
Doch galt ein Wort von ihm, ein trauter Handschlag mehr,
Als bey der Enkelwelt Verschreibungen und Eide.
Auf denn, mein rächendes Gedicht!
Selbst die Gerechtigkeit macht Strenge dir zur Pflicht,
Bebt Alle jetzt, die ihr die Tugend hasset,
Und ohne Scheu ihr blühend Reich verheert!
Die Muse schloß mit ihr den engsten Bund, und fasset
Mit starker Hand das Juvenalsche Schwert.
Zwar wird sie, edel noch als Feindinn, die Personen,
Doch Laster nicht, und Thorheit nicht verschonen.

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