HomeDie Horen1796 - Stück 6III. Szenen aus Shakespeare.

III. Szenen aus Shakespeare.

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Der Sturm.

Erster Aufzug.
Zweyter Auftritt.

Die bezauberte Insel, vor Prospero’s Zelle. Prospero und Miranda treten auf.

Miranda.
Wenn eure Kunst, mein liebster Vater, so
Die wilden Fluten toben hieß, so stillt sie.
Der Himmel, scheint es, würde Schwefel regnen,
Wenn nicht die See, die Stirn der Veste schlagend,
Das Feuer löschte. O ich litt mit ihnen,
Die ich so leiden sah: ein wackres Schiff,
Das ohne Zweifel edle Wesen trug,
In Stücke ganz zerschmettert! O der Schrey
Ging mir an’s Herz; die Armen! keine Rettung!
Wär’ ich ein mächt’ger Gott, ich hätte lieber
Die See versenket in der Erde Schooß,
Als so das gute Schiff verschlingen lassen,
Samt aller seiner Mannschaft.

Prospero.
Fasse dich!
Nichts mehr von Angst! Sag deinem weichen Herzen,
Es sey kein Leid geschehn!

Miranda.
Weh über sie!

Prospero.
Kein Leid. Ich thats aus Sorge nur für dich,
Für dich, du Theure, dich, geliebte Tochter,
Die, unbekannt mit sich, nicht weiß, woher
Ich stamm’, und daß ich viel was höhers bin
Als Prospero, Herr einer armen Zelle
Und dein nicht größ’rer Vater.

Miranda.
Mehr zu wissen
Kam nie mir in den Sinn.

Prospero.
Nun ist es Zeit
Dir mehr zu offenbaren. Hilf mir erst
Mit deiner Hand den Zaubermantel ab.

(Er legt den Mantel nieder.)

Da lieg nun, meine Kunst! Du, trockne dir
Die Augen, tröste dich. Das grause Schauspiel
Des Schiffbruchs, so dein innerstes Gefühl
Erschüttert hat, hab’ ich mit solcher Vorsicht
Durch meine Kunst so sicher angeordnet,
Daß keine Seel’ – daß keiner Kreatur
Im ganzen Schiff auch nur ein Haar gekrümmt ist,
Obwohl du schreyn sie hörtest, sinken sahst.
Komm, setze dich! Du mußt nun mehr erfahren.

Miranda.
Oft wolltet ihr mir sagen, was ich bin;
Doch brach’t ihr ab, ließt mich vergebens forschen
Und schlosset immer: wart! noch nicht!

Prospero.
Die Stund’ ist da,
Ja die Minute fodert dein Gehör.
Gehorche denn! merk auf! Entsinnst du dich
Der Zeit, eh wir in diese Zelle kamen?
Du kannst es, glaub’ ich, kaum: denn damahls warst du
Noch nicht drey Jahr’ alt.

Miranda.
Ja, ich kanns, mein Vater.

Prospero.
Schwebt dir von andern Häusern, andern Menschen
Noch etwas vor? Sag’ irgend mir ein Bild,
Das dir im Sinne blieb.

Miranda.
Es ist weit hin,
Und eher wie ein Traum, als wie Gewißheit,
Die mein Gedächtniß aussagt. Hatt’ ich nicht
Vier Frauen oder fünf zur Wartung einst?

Prospero.
Die hattest du, mein Kind, und mehr, doch sage,
Wie kömmt’s, daß dieß in deiner Seele lebt?
Was siehst du sonst im dunklen Hintergrunde
Der Zeit? Erinnerst du dir irgend was
Vor deiner Ankunft hier, so kannst du auch
Noch wissen, wie du kamst.

Miranda.
Doch weiß ichs nicht.

Prospero.
Zwölf Jahre sind es her, zwölf Jahr, Miranda,
Da war dein Vater Meilands Herzog, war
Ein mächt’ger Fürst.

Miranda.
Seyd ihr denn nicht mein Vater?

Prospero.
Ein Weib von Ehr’ und Zucht war deine Mutter,
Sie sagte mir, du seyst es, und dein Vater
War Meilands Herzog; du, sein einzig Kind,
Warst Erbin und Prinzessin.

Miranda.
Lieber Himmel,
Welch böser Streich, daß wir von dannen mußten,
Wie? oder war es glücklich?

Prospero.
Beydes, Liebe.
Ein böser Streich verdrängt’ uns, wie du sagst,
Doch unser gutes Glück half uns hieher.

Miranda.
O wie das Herz mir blutet, wenn ich denke,
Wie viel Beschwer ich damahls euch gemacht,
Wovon ich nichts mehr weiß! Beliebts euch, weiter?

Prospero.
Antonio, mein Bruder und dein Oheim –
Ich bitte dich, gieb Achtung! – Daß ein Bruder
So treulos konnte seyn! Er, welchen ich
Nächst dir vor aller Welt am meisten liebte,
Und ihm des Landes Führung übertrug.
Es war der Herzogthümer Krone damahls
Und Prospero der Fürsten; dafür galt er
Der Würde nach, und in den freyen Künsten
Ganz ohne Gleichen. Da ich dieser mich
Allein befliß, ließ ich den Bruder walten,
Und wurde meinem Lande fremd, vertieft
Und wie verloren in geheimes Grübeln.
Dein falscher Oheim – aber merkst du auf?

Miranda.
Mit allen Sinnen, Vater.

Prospero.
So bald er ausgelernt, wie man Gesuche
Gewährt, wie abschlägt; wen man muß erhöhn,
Und wen als einen üpp’gen Schössling fällen;
So schuf er die Geschöpfe meiner Wahl
Von neuem, tauschte, modelte sie um.
Durch dieses Spiel mit Ämtern und Beamten
Stimmt’ er ein jedes Herz im Staat zur Weise,
Die seinem Ohr gefiel. Er war das Epheu nun,
Das meinen königlichen Stamm versteckt
Und ausgesogen meine Säfte hatte. –
Du merkst nicht auf.

Miranda.
Ich thu es, bester Vater.

Prospero.
Ich bitte dich, gieb Achtung. Daß ich so
Mein zeitlich Theil versäumte, ganz der stillen
Betrachtung mich ergab, und mein Gemüth
Durch das zu adeln suchte, dessen Werth,
Wenn es nicht so verborgen wär, die Schätzung
Der Menschen überstieg’; dieß, sag’ ich, weckte
In meinem falschen Bruder arge Lust;
Und mein Vertraun, glich einem guten Vater,
Erzeugte Tück’ in ihm, so ausgezeichnet,
In ihrer Art, als mein Vertrauen war,
Das keine Gränzen kannte. Er also,
Von dem Ertrage meiner Renten Herr,
Und allem sonst, was meiner Macht gebührte;
Wie einer, der durch öft’res Wiederhohlen
Der eignen Lüge sein Gedächtniß so
Zum Sünder macht, daß es für wahr sie hält:
Er glaubte nun, er sey der Herzog wirklich,
Weil er ihn ganz vertrat, und, mit dem Schmuck
Der Hoheit angethan, ein jedes Vorrecht übte.
Das nährte seinen Ehrgeiz – Hörst du auch?

Miranda.
Ein Tauber müßt’ auf die Geschichte horchen.

Prospero.
Um keinen Damm nun zwischen dieser Rolle
Und dem zu sehn, für welchen er sie spielte,
Wollt’ er durchaus der unumschränkte Herr
Von Meiland seyn. mich armen Mann – mein Büchersaal
War Herzogthums genug – mich hält er nun
Für weltliche Regierung ungeschickt,
Verbindet sich dem König von Neapel
Zu jährlichem Tribut und Huldigung, (so dürstet
Nach Herrschaft ihn!) will seinen Fürstenhut
Vor dessen Krone neigen, und das Land,
Ein freyes Herzogthum – ach, armes Meiland! –
Zu schnödem Dienst erniedrigen.

Miranda.
O Himmel!

Prospero.
Hör’, was er sich bedungen, und den Ausgang;
Dann sag mir, ob das wohl ein Bruder war?

Miranda.
Ich sündigte, wenn ich von eurer Mutter
Nicht würdig dächte; schlechte Söhne trug
Schon mancher edle Schooß.

Prospero.
Nun die Bedingung.
Der König, der mein alter Todfeind war,
Horcht gern auf das Begehren meines Bruders;
Und dieses war: für die belobten Punkte
Von Huldigung, von Zins, ich weiß nicht mehr wie viel,
Mich und die Meinen gleich vom Herzogthum
Zu bannen, und des schönen Meilands Lehen
Und Würden meinem Bruder zu verleihn.
Als darauf Antonio ein Herr Verräther
Geworden, öffnet’ er in einer Nacht,
Erkehren zu der That, die Thore Meilands;
Und in der Finsterniß und Stille rissen
Die Diener des Verraths mich hastig fort,
Und dich, ein weinend Kind.

Miranda.
Ach, welch ein Jammer!
Ich, der es unbewußt, wie ich geweint,
Will jetzt von neuem weinen; der Gedanke
Erpreßt mir Thränen.

Prospero.
Hör ein wenig weiter,
So komm’ ich auf die Sach’, um die uns jetzt
Zu thun ist: ohne sie wär die Geschichte
Sehr unnütz angebracht.

Miranda.
Warum erschlugen
Sie uns nicht gleich?

Prospero.
Ja, Mädchen! gut gefragt!
Was ich erzählet, heischt die Frage. Liebe,
Sie wagten nicht (so liebte mich mein Volk)
Der That solch blutig Siegel aufzudrücken,
Und übertünchten den verruchten Anschlag.
Sie rissen uns an eines Schiffleins Bord,
Dann in die See hinaus; da nahmen sie
Ein faul Geripp von Bord, ganz abgetakelt:
Kein Segel, Mast noch Tau: sogar die Ratzen hatten
Sich fortgemacht: so stossen sie uns aus,
Zu weinen ins Gebrüll der See, den winden
Zu seufzen, deren Mitleid, wiederseufzend,
Nur schonend Weh uns that.

Miranda.
Ach, welche Noth
Hab’ ich euch da gemacht!

Prospero.
O nein! du warst
Ein holder Engel, der mir Rettung bot.
Du lächeltest, beseelt mit Muth vom Himmel,
Wenn ich, die See mit salzen Tropfen tränkend,
Die Last mit Ächzen trug; und das verlieh
Mir festen Duldersinn, daß ich gefaßt
Auf jeden Unfall war.

Miranda.
Wie kamen wir an Land?

Prospero.
Durch Gottes Lenkung.
Wir hatten etwas Speis’ und frisches Wasser,
Das uns ein edler Neapolitaner,
Gonsalo, zur Vollführung dieses Plans
Ernannt, aus Milde gab, nebst reichen Kleidern,
Nebst Leinwand, Zeug und allerley Geräth,
Das uns gar viel genützt. Auch da er wußte
Ich liebe meine Bücher, stellt’ er mir
Mit freundlicher Gesinnung Schriften zu
Aus meiner Sammlung, die ich höher schätze
Als wie mein Herzogthum.

Miranda.
O könnt’ ich einst
Den Mann doch sehen!

Prospero.
Nun erheb’ ich mich.
Bleib ruhig, hör das Ende unsrer Seenoth.
Wir landeten auf diesem Eiland; hier
Hab’ ich, dein Meister, weiter dich gebracht,
Als andre Prinzen kommen, die mehr Muße
Für eitlen Zeitvertreib, und Lehrer haben,
Die minder eifrig sind.

Miranda.
Der Himmel lohn’ es euch.
Und nun, ich bitt’ euch, (denn er tobt noch stets
Mir im Gemüth) aus welchem Grunde habt
Ihr jetzt den Sturm erregt?

Prospero.
Noch dieses wisse.
Durch wunderbare Schickung hat das Glück,
Jetzt meine holde Freundin, meine Feinde
An diesen Strang gebracht; und meine Kunde
Der Zukunft lehrt mich, daß mein Zenith sich
Dem günstigsten Gestirn verknüpft: versäum’ ichs,
Und buhle jetzt um dessen Einfluß nicht,
So wird nachher mein Glücksstand nimmer grünen. –
Nun halt mit Fragen inne; du bist schläfrig!
Die Müdigkeit ist heilsam, gieb ihr nach.
Ich weiß, es bleibt dir keine Wahl. –

(Miranda schläft ein.)

Herbey,
Mein Diener! komm! Ich bin nunmehr bereit.
Mein Ariel, erscheine!

(Ariel tritt auf.)

Ariel.
Heil, grosser Weiser! Heil dir, mein Gebieter!
Ich komme, deinen Winken zu begegnen.
Sey’s Fliegen, Schwimmen, mich in Flammen tauchen,
Auf krausen Wolken schweben: schalten kann
Dein Machtgebot mit Ariel, und Allem
Was sein Vermögen leistet.

Prospero.
Hast du, Geist,
Genau den Sturm vollbracht, den ich dir auftrug.

Ariel.
Aufs Haar genau. Ich enterte das Schiff
Des Königs; jetzt am Schnabel vorn, im Bauch,
Auf dem Verdeck, in jeglicher Kajüte,
Flammt’ ich Entsetzen: bald zertheilt’ ich mich
Und brannt’ an vielen Stellen: auf dem Mast,
An Stang’ und Bogspriet flammt’ ich abgesondert,
Floss dann in eins. Zeus Blitze, die Verkünder
Des furchtbarn Donnerschlags, fliehn nicht so reissend
Dem Blick voraus; das Feuer, das Geknall
Des losgebrannten Schwefels schien den starken
Neptunus zu belagern; machte beben
Die kühnen Wogen, ja erschütterte
Den mächt’gen Dreyzack selbst.

Prospero.
Mein wackrer Geist! –
Wer war so fest, so standhaft, daß der Aufruhr
Ihm nicht den Sinn verwirrte?

Ariel.
Keine Seele,
Die nicht von Fieberwuth ergriffen ward,
Und Streiche der Verzweiflung spielte. Alle,
Bis auf die Schiffer, stürzten sich vom Schiff,
Das ganz in Glut stand, in der Fluten Schaum.
Der Sohn des Königs, Ferdinand, sein Haar
Emporgesträubt, wie Binsen, nicht wie Haar,
Sprang allererst, schrie: ledig ist die Hölle
Und alle Teufel hier!

Prospero.
Schön, lieber Geist!
Doch war dieß nah beym Strand?

Ariel.
Ganz nah, mein Meister.

Prospero.
Sind sie in Sicherheit?

Ariel.
Kein Haar gekränkt,
Kein Fleck an ihren Kleidern, die empor
Sie trugen; frischer glänzen sie vielmehr.
Wie du befahlst, zerstreut’ ich sie in Roten
Rings um die Insel her: den Sohn des Königs
Bracht’ ich allein ans Land. Da sitzt er nun
In einem unbesuchten Winkel, kühlt
Die Luft mit Seufzern, schlingt die Arme so
Trübselig in einander.

Prospero.
Sag, was thatest
Du mit dem Schiff des Königs, den Matrosen,
Und mit dem Rest der Flotte?

Ariel.
Sicher liegt
Des Königs Schiff in jener tiefen Bucht,
Wo du einmahl mich aufgerufen hast
Um Mitternacht, dir von den stets bestürmten
Bermudas Thau zu hohlen. Die Matrosen
Verließ ich, in den Raum des Schiffs gepackt,
Wo nebst der ausgestandnen Müh mein Zauber
Sie tief in Schlaf versenkt. Der Flotte Rest,
Die ich zerstreut, hat wieder sich vereint,
Und kehrt nun auf der Mittelländ’schen Welle
Voll Trauer heim nach Napel,
Im Glauben, daß des Königs Schiff gescheitert,
Und er sein hohes Leben eingebüßt.

Prospero.
Mein Auftrag, Ariel, ist ganz erfüllt;
Doch giebts noch mehr zu thun. Was ist die Zeit
Am Tage?

Ariel.
Mittag ist vorbey?

Prospero.
Zwey Stunden
Zum wenigsten. Die Zeit von hier bis sechs
Bedürfen wir zum kostbarsten Gebrauch.

Ariel.
Mehr Arbeit noch? Weil du mir Mühe giebst,
So muß ich dich an dein Versprechen mahnen,
Das du noch nicht erfüllt.

Prospero.
Nun? Übellaunig?
Was kannst du wohl verlangen?

Ariel.
Meine Freyheit.

Prospero.
Eh deine Zeit zu End’ ist? Schweig!

Ariel.
O bitte!
Bedenk, mein Dienst war aller Ehren werth,
Ich log dir nie was vor, versah dir nichts,
Und murrt’ und schmollte niemahls. Du versprachst mir
Erlassung eines vollen Jahrs.

Prospero.
Vergiß’st du
Von welcher Qual ich dich befreyte?

Ariel.
Nein.

Prospero.
Du thusts, und denkest Wunder, was es sey,
Zu waden in der salzen Tiefe Schlamm,
Zu rennen auf dem scharfen Wind des Nordens,
Im Schooß der Erde Dienste zu verrichten,
Wenn sie vom Froste starrt.

Ariel.
Fürwahr nicht, Herr.

Prospero.
Du lügst, boshaftes Ding! Vergassest du
Die Hexe Sycorax, die Neid und Alter
Gekrümmt wie einen Reif? Vergassest du?

Ariel.
Nein, Herr.

Prospero.
Ja, sag’ ich! Sprich: wo war sie her?

Ariel.
Aus Algier, Herr.

Prospero.
Ha, so? Ich muß dir Einmahl
In jedem Mond vorhalten, was du warst:
Denn du vergiß’st es. Die verruchte Hexe,
Die Sycorax, ward für unzähl’ge Frevel
Und Zaubereyn, wovon zu hören schon
Den Menschen graut, aus Algier, wie du weißt,
Verbannt: Sie liessen ihr, um Eines willen,
Das sie gethan, das Leben noch. Nicht wahr?

Ariel.
Ja, Herr.

Prospero.
Die Unholdin ward schwanger hergebracht,
Hier liessen sie die Schiffer. Du, mein Sklav,
(So nennst du selbst dich) warst ihr Diener damahls.
Allein da du, ein allzuzarter Geist
Ihr schnödes fleischliches Geheiß zu thun,
Dich ihrem grossen Werk entzogst, verschloß sie
Mit ihrer stärkern Diener Hülfe dich,
In ihrem unerbittlich wildem Zorn,
In einer Fichte Spalt; ein Dutzend Jahre
Hielt diese Kluft dich peinlich eingeklemmt.
Sie starb in dieser Zeit und ließ dich da,
Wo dein Gestöhn in Einem fort erscholl,
Wie Mühlenräder klappern. Damahls ward
Von keiner menschlichen Gestalt dieß Eiland
Geschmückt, bis auf ein scheckig Wechselbalg,
Den Sohn, den sie hier warf.

Ariel.
Ja, Caliban ihr Sohn.

Prospero.
So sag’ ich, dummes Ding! Der Caliban,
Der jetzt mir dienen muß. Du weißt am besten
In welcher Marter ich dich fand. Dein Stöhnen
Durchdrang der niegezähmten Bären Brust,
Und machte Wölfe heulen; für Verdammte
War diese Qual gemacht, die Sycorax
Nicht wieder lösen konnte: meine Kunst,
Als ich hieher kam und dich hörte, hieß
Die Fichte gähnen und befreyte dich.

Ariel.
Geliebter, habe Dank!

Prospero.
Murrst du noch mehr,
So spalt’ ich einen Eichbaum, nagle dich
In seinen knot’gen Eingeweiden fest,
Bis du zwölf Winter durchgeheult.

Ariel.
Verzeih!
Gern, Meister, will ich auf Befehle lauschen
Und artig spüken.

Prospero.
Thu’s, und in zwey Tagen
Entlaß’ ich dich.

Ariel.
Das sprach mein edler Meister.
Was soll ich thun? o sag’, was soll ich thun?

Prospero.
Geh, nimm die Bildung einer Meeresnymphe,
Nur dein und mein Gesicht erkenne dich.
Sonst allen Augen mach dich unsichtbar.
Nimm die Gestalt, und komm verwandelt wieder.
Geh! fort! mit Eil! (Ariel ab.)
(Zu Miranda.) Erwache, liebes Herz!
Erwache! du hast wohl geruht. Erwache!

Miranda.
Das Wunderbare der Erzählung machte
Mir Müdigkeit.

Prospero.
Verjage sie! Wir wollen
Zu meinem Sklaven Caliban, der nie
Uns freundlich Antwort giebt.

Miranda.
Er ist ein Bösewicht,
Ich mag nicht gern ihn sehn.

Prospero.
Doch wie’s nun steht,
Ist er uns nöthig: denn er macht uns Feuer,
Holt unser Holz, verrichtet mancherley
Das Nutzen bringt. He, Sklave! Caliban!
Du Erdklos! sprich!

(Caliban drinnen.)

S ist Holz genug im Hause.

Prospero.
Ich sage, komm heraus! Es giebt was anders
Für dich zu thun. Schildkröte, komm heraus!

(Ariel erscheint in der Gestalt einer Wassernymphe.)

Ah, schönes Luftbild! Schmucker Ariel,
Hör’ insgeheim! (Flüstert ihm ins Ohr.)

Ariel.
Mein Fürst, es soll geschen. (ab.)

Prospero.
Du schnöder Sklave, den der Teufel selbst
Mit deiner Rabenmutter zeugt’! Heraus!

(Caliban kömmt.)

So gift’ger Thau, als meine Mutter je
Von faulem Moor mit Rabenfedern strich,
Fall’ auf euch beyd’! Euch blas’ ein hitz’ger Süd
Den ganzen Leib voll Ausschlag!

Prospero.
Dafür reißt es,
Verlaß dich drauf, zu Nacht dir in den Gliedern;
Den Odem hemmt dir Seitenstechen; Igel
So lang die öde Nacht es zulässt, sollen
An dir den Kitzel büssen; zwicken solls
So dicht wie Zell’ an Zell’ im Honigwaben dich,
Und ärger jeder Biß als Bienenstacheln.

Caliban.
Ich muß zu Mittag essen. Dieses Eiland,
Das du mir nimmst, ist mein von Sycorax,
Von meiner Mutter. Wie du erstlich kamst,
Da streicheltest du mich, und thatest lieb,
Gabst Wasser mir mit Beeren drin, und lehrtest
Mich nahmen für das groß’ und kleine Licht
Des Tages und der Nacht; da liebt’ ich dich
Und wies dir alles, was die Insel trägt:
Salzbrunnen, Quellen, furchtbar Land und dürres.
Verflucht, daß ich es that! Behex’ euch aller Plunder
Der Sycorax, Kreuzspinnen, Käfer, Kröten!
Denn ich allein bin euer dienend Volk,
Mein eigner König selbst; und sperrt mich hier
In diesen harten Felsen, und verwehrt
Den Rest des Eilands mir.

Prospero.
Verworfner Lügner!
Der Schläge nur, nicht Güte fühlt! Ich pflegte,
Koth, der du bist! dich menschlich; ließ dich wohnen
In meiner eignen Zell’, bis zu getrachtet
Der Ehre meines Kinds Gewalt zu thun.

Caliban.
Hoho! Ich wollt’ es wär geschehn. Du kamst
Mir nur zuvor, ich hätte sonst die Insel
Mit Calibans bevölkert.

Prospero.
Schnöder Sklav,
In welchem keine Spur des Guten haftet,
Zu allem Bösen fähig! Ich erbarmte
Mich deiner, gab mir Müh zum Sprechen dich
Zu bringen, lehrte dich in jeder Stunde
Dieß oder jenes. Da du, Wilder, selbst
Nicht wusstest was du wolltest, sondern nur
Höchst viehisch kollertest, versah ich dich
Mit Worten, deine Meynung kund zu thun.
Doch deiner wilden Art, obwohl du lerntest,
Hing etwas an, das edlere Naturen
Nicht um sich leiden konnten. Darum wardst du
Verdienter Weis’ in diesen Fels gesperrt,
Da du noch mehr verdient als ein Gefängniß.

Caliban.
Ihr lehrtet Sprache mich, und mein Gewinn
Ist, daß ich weiß zu fluchen. Friesel plag’ euch
Für euren Unterricht!

Prospero.
Fort, Hexenbrut!
Schaff Holz herbey! Sey hurtig, rath’ ich dir,
Um mehr noch abzuthun. Du ziehst Gesichter, Unhold?
Wenn du versäumst, wenn du mit Unlust thust
Was ich befehle, foltr’ ich dich mit Gichtern,
Und rüttle dir die Knochen. Brüllen sollst du,
Daß Bestien erzittern vor dem Lerm.

Caliban.
Nein, bitte! laß! (Für sich.) Ich muß gehorchen.
So stark ist seine Kunst, sie zähmte wohl
Selbst meiner Mutter Gott, den Setebos,
Und legt’ ein Joch ihm auf.

Prospero.
So, Sklave! Fort!

(Caliban ab. Ferdinand erscheint im Hintergrunde, Ariel spielt und singt unsichtbar.
Ariels Lied.
Geister, kommt auf diesen Strand!
Fügt Hand in Hand!
Wenn ihr küssend euch verneigt,
(Die See nun schweigt)
Hüpft behände dort und hier,
Liebe Geister, singt mit mir!
Horch! Horch!

Chor. (zerstreute Stimmen). Wau! wau!
Es bellt der Hund:
Chor. Wau! wau!
Horch! horch!
Der Hahn thut seine Wache kund,
Er kräht: Kikiriki!

Ferdinand.
Wo ist wohl die Musik? Auf Erden? in der Luft?
Sie spielt nicht mehr; gewiß, sie richtet sich
Nach einem Gott der Insel. Wie ich saß
Am Hügel, meines Vaters Schiffbruch weinend,
Da schlich sie bey mir über die Gewässer,
Und lindert ihre Wuth und meinen Jammer
Mit süsser Melodie; ich folgt’ ihr dann,
Sie zog vielmehr mich nach: nun ist sie fort.
Da hebt sie wieder an.

Ariels Lied.
Tief in Meeresgrund gefallen,
Liegt dein Vater wohl bewahrt.
Sein Gebein wird zu Korallen,
Jedes Aug ’ne Perle zart.
Alles wird an ihm erhalten,
Muß sich köstlich umgestalten.
Nymphen läuten stündlich ihm
Todtenglöcklein: Bim! bim! bim!

Chor. Bim! bim! bim!

Ferdinand.
Das Liedchen spricht von meinem todten Vater.
Dieß ist kein sterblich Thun; der Ton gehört
Der Erde nicht: jetzt hör’ ich droben ihn.

Prospero.
Zieh deiner Augen zarten Vorhang auf,
Und sag, was siehst du dort?

Miranda.
Was ist’s? ein Geist?
O Himmel, wie’s umher blickt! Glaubt mir, Vater,
Eine feine Bildung hats, doch ’s ist ein Geist.

Prospero.
Nein, Kind, es ißt und trinkt, hat solche Sinne,
Wie wir, ganz so. Der Knabe, den du siehst,
War bey dem Schiffbruch, und entstellt’ ihn Gram,
Der Schönheit Wurm, nicht etwas, möchtest du
Ihn wohlgebildet nennen. Er verlohr
Die Schiffsgefährten, und, sie aufzufinden,
Schweift er umher.

Miranda.
Ich möcht’ ein göttlich Wesen
Ihn nennen, denn ich sah in der Natur
Nie so was edles.

Prospero beyseite.
Wie ich sehe, geht’s
Nach meines Herzens Wunsch. (Zu Ariel.) Geist, lieber Geist!
Dafür entlaß’ ich in zwey Tagen dich.

Ferdinand.
Gewiß die Göttin, welcher die Musik
Zu Ehren spielt. – Vergönnet meinem Wunsch
Zu wissen, ob ihr auf der Insel wohnt?
Geruht mich anzuweisen, wie ich hier
Mich muß betragen; meiner Bitten erste,
Zuletzt gesagt, ist diese: schönes Wunder!
Seyd ihr ein Mädchen oder nicht?

Miranda.
Kein Wunder,
Doch sicherlich ein Mädchen.

Ferdinand.
Meine Sprache! Himmel!
Ich bin der Höchste derer, die sie reden,
Wär’ ich, wo man sie spricht.

Prospero.
Der Höchste? wie?
Was wärst du, wenn der König von Neapel
Dich hörte?

Ferdinand.
Was ich jetzo bin, ein Wesen,
Erstaunt, daß du von Napels König sprichst.
Er hört mich, und das ist’s, warum ich weine;
Ich bin es selbst, und sah mit diesen Augen,
Die stets seitdem geflutet, wie der König,
Mein Vater, unterging.

Miranda.
O Jammer!

Ferdinand.
Ja,
Samt allen seinen Rittern; auch der Herzog
Von Meiland und sein guter Sohn.

Prospero.
Der Herzog
Und seine beßre Tochter könnten dich
Zu Schanden machen, wär’ es Zeit dazu. –

(Bey Seite zu Ariel.)

Beym ersten Anblick tauschten sie die Augen. –
Mein zarter Ariel, für diesen Dienst
Entlaß’ ich dich.– (Zu Ferdinand.) Ein Wort, mein Herr! ich fürchte
Ihr habt euch selbst herabgesetzt: Ein Wort!

Miranda.
Warum so hart mein Vater spricht? Dieß ist
Der dritte Mann, den ich gesehn, der erste
Für den ich seufzte. Ach, gewönne Mitleid,
Wie mich, den Vater!

Ferdinand.
Seyd ihr unvermählt,
Und euer Herz noch frey, so mach’ ich euch
Zur Königin von Napel.

Prospero.
Still, Herr! Noch ein Wort! –
(Für sich.) Sie sind einander hingegeben, doch
Ich muß den schnellen Handel schwierig machen,
Damit der leichte Sieg nicht das Gewicht
Des Sieges mindre. – Noch ein Wort! Ich sag’ dir,
Begleite mich! Du schleichst auf dieser Insel
Dich ein wie ein Spion, mir, ihrem Herrn,
Sie abzunehmen.

Ferdinand.
Nein, bey meiner Ehre!

Miranda.
Nichts Böses kann in solchem Tempel wohnen.
Hat ein so schönes Haus der böse Geist,
So werden gute Wesen sich bemühn
Bey ihm zu wohnen.

Prospero.
Folge mir! – Du, sprich
Nicht mehr für ihn, ’s ist ein Verräther. – Komm,
Ich will dir Hals und Fuß zusammen ketten;
Seewasser sey dein Trank; zur Speise geb’ ich
Dir Wurzeln, Muscheln aus dem Bach, und Hülsen,
Worin die Eichel wächst. Komm, folge!

Ferdinand.
Nein!
Ich will die Schmach nicht dulden, bis mein Feind
Mich überwältigt. (Zieht den Degen.)

Miranda.
O mein lieber Vater,
Versucht ihr nicht zu rasch! Er ist ja sanft
Und nicht gefährlich.

Prospero.
Seht mir, will das Ey
Die Henne meistern? – Steck den Degen ein!
Du drohst, doch wagst du keinen Streich, Verräther:
So drückt dir Schuld auf dem Gewissen. Komm
Von deinem Posten! Sieh, ich kann dich hier
Mit diesem Stab’ entwaffnen, daß die Wehr
Dir aus den Händen fällt.

Miranda.
Ich bitt’ euch, Vater!

Prospero.
Fort! häng’ dich nicht an meine Kleider!

Miranda.
Gnade!
Ich sage gut für ihn.

Prospero.
Kein Wort mehr! Schweig!
Ich müßte sonst dich schelten, wo nicht hassen.
Wortführerin für einen Schurken? Wie?
Du denkst, es sey sonst niemand so gestaltet,
Weil du nur ihn und Caliban gesehn.
Du thörigt Mädchen! Mit den meisten Männern
Verglichen, ist er nur ein Caliban,
Sie Engel gegen ihn.

Miranda.
So hat in Demuth
Mein Herz gewählt: denn einen schönern Mann
Zu sehn, begehrt es nicht.

Prospero zu Ferdinand.
Gehorche mir!
Komm! deine Sehnen sind aufs neu im Stande
Der Kindheit, ihrer Kraft beraubt.

Ferdinand.
Das sind sie.
Gefesselt sind mir, wie in einem Traum,
Die Lebensgeister. Meines Vaters Tod,
Die Schwäche, die ich fühle, den Verlust
Von allen Freunden, dieses Mannes Drohn
Von dem ich unterjocht bin, trüg’ ich leicht
Dürft’ ich nur Einmahl Tags aus meinem Kerker
Dieß Mädchen sehn! Mag Freyheit alle Winkel
Der Erde sonst gebrauchen: Raum genug
Hab’ ich in solchem Kerker.

Prospero.
Komm! – (Für sich.) Es wirkt.
(Zu Ariel.) Gut ausgerichtet, lieber Ariel!
Begleite mich! Vernimm, was sonst zu thun!

(Flüstert ihm ins Ohr.)

Miranda.
Beruhigt euch! Mein Vater, Herr, ist besser
Gesinnt als wie er spricht; was er euch that,
Ist seine Sitte nicht.

Prospero laut zu Ariel.
Du sollst so frey
Wie Wind’ auf Bergen seyn: doch thu auch Wort für Wort,
Was ich dir aufgetragen.

Ariel.
Jede Sylbe.

Prospero. Komm, folge! – Sprich du nicht für ihn. (Alle ab.)