HomeDie Horen1796 - Stück 9V. Die Dioskuren. [Theocritus]

V. Die Dioskuren. [Theocritus]

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Theokrits zweiundzwanzigste Idylle.

Preis den Söhnen der Leda und Zeus des Ägiserschüttrers,
Kastorn und Polydeukes, dem furchtbaren Kämpfer des Faustkampfs,
Halb die Arm’ umwunden empor mit Riemen der Stierhaut!
Nochmal Preis, und zum drittenmal Preis den männlichen Söhnen
Von des Thestios Tochter, den Zwillingen aus Lakedämon:
Welche die Menschen erretten vom schärfsten Rand der Entscheidung,
Auch die verwilderten Roß’ im blutigen Waffengetümmel,
Auch die Schiffe, die Troz aufgehenden Sternen des Himmels
Boten, und Troz den gesenkten, doch nur den Orkanen ein Spiel sind!
Jen’ izt hoch um das Steuer geschwollene Wogen erhebend,
Izt um den Schnabel empor, und woher anstürmet ein jeder,
Stürzen die Flut in den Raum, und schmettern die Wänd’ aus den Fugen,
Beide zugleich; und es hängt mit dem flatternden Segel das Tauwerk
Alles gewirrt und zerschellt; dicht strömt von dem Himmel der Regen,
Während die Nacht anschleicht; und es klatscht weitwühlend das Salzmeer,
Unter der Wind’ Anstoß und dem Schlag unermeßliches Hagels.
Dennoch entraft ihr beide dem Abgrund selber die Schiffe,
Samt dem schiffenden Volk, das gleich zu vergehen geahnet.
Schnell dann ruhen die Winde gesänftiget; freundliche Stille
Glättet die See, und die Wolken zerstreuen sich dorthin und dahin.
Hell ist der Bärinnen Glanz, und zwischen den Eselein schimmert
Dunkle die Kripp’, anzeigend die aufgeheiterte Meerfahrt.
O ihr beid’ Aushelfer den Sterblichen, beide geliebt ihr,
Mächtig zu Roß, in der Laut’, im Heldenkampf, im Gesange!
Soll ich zuerst Polydeukes verherrlichen, oder den Kastor?
Beid’ erhöhe mein Lied, doch zuerst Polydeukes besing’ ich.

Als sie nunmehr den stets sich begegnenden Felsen entflohn war,
Argo, den graulichen Schlund des schneienden Pontos durchschiffend;
Trug sie zum Bebrykervolk die edelen Söhne der Götter.
Jezo von jeglichem Bord zahlreich auf der einzigen Leiter
Stiegen die Männer herab aus dem jasonischen Schiffe;
Und da des tiefen Gestads windsicheren Wall sie betreten,
Breiteten alle sich Lager, und dreheten Feuergeräth um.
Kastor der Reisige nur, und der braune Genoß Polydeukes,
Irreten beid’ abwärts von den Freunden entfernt, in die Wildnis.
Bald im Gebirg’ anstaunend die vielfach wuchernde Waldung,
Sahn sie den lebenden Quell an der glatt austeigenden Felswand,
Dem stets lauteres Wasser entsprudelte; aber von unten
Schimmerten blank wie Krystall die Kieselchen, oder wie Silber,
Tief am Grund’; auch wuchsen umher hochstämmige Kiefern,
Pappelbäum’ und Platanen und hauptumsproßte Cypressen,
Blumen auch, liebliches Dufts, weichhaariger Bienen Ergözung,
Was nur in feuchte Gefild’ ausstreut der endende Frühling.

Dort hielt Mittagslager ein Mann, unbezwingbarer Stärke,
Graß von Gestalt, an den Ohren vom Kampf der Fäuste zerschmettert.
Hoch die gewaltige Brust und des Rückens Breite gewölbet
Trug er, mit eisernem Fleisch, dem gehämmerten Götterkoloß gleich.
Um die gediegenen Arm’ auch starreten unter den Schultern
Straf die Muskeln hervor, wie geründete Blöcke des Felsens,
Die der Gebirgsstrom wälzend in mächtigem Sturze geglättet.
Ganz dann über den Rücken und Nacken ihm hing ein grosses
Zottiges Löwenfell, mit den äussersten Klauen geknotet.
Ihn anredend begann der siegende Held Polydeukes:
Polydeukes.
Freude dir, Gast, wer auch immer! O nenne sie, deren das Land ist!
Amykos.
Freude mir, wie? Da Männer mir nahn, die ich nimmer geschauet?
Polydeukes.
Mut gefaßt! Nicht Frevler, noch Frevlersöhne bemerkst du.
Amykos.
Hab’ ich doch Mut! Nicht deiner bedurft’ ich, solches zu lernen.
Polydeukes.
Traum sehr wild, auf alles ein Eiferer, und ein Verhöhner.
Amykos.
Ganz so, wie du mich schaust! Doch nicht das Deine betret’ ich.
Komm, und mit gastlicher Gabe beschenkt, entwandere heimwärts.
Amykos.
Spare die gastliche Gabe; von mir ist keine bereit dir.
Polydeukes.
Guter, doch wohl zu trinken von diesem Wasser vergönnst du?
Amykos.
Lerne das, wenn dir der Durst die welkenden Lippen gedörret.
Polydeukes.
Sag’, ob Silber vielleicht, ob ein anderer Lohn dich gewinne.
Amykos.
Stehend dem einzelnen Mann als einzelner, hebe die Arme!
Polydeukes.
Gilt es den Faustkampf? gilts, Bein schlagen mit Bein, im Gesicht Troz?
Amykos.
Rasch mit der Faust dich gestrengt, und euerer Kunst nicht geschonet!
Polydeukes.
Wer denn, mit wem ich die Arme zugleich anschlag’ und die Riemen?
Amykos.
Nahe dir! Schaust du mich nicht? und Amykos heisset der Kämpfer.
Polydeukes.
Ist auch geordnet ein Preis, um den wir streben im Wettkampf?
Amykos.
Dein sei ich, du aber der meinige, werb’ ich der Obmann.
Polydeukes.
Purpurkämmiger Hähne ja nur sind solcherlei Streite.
Amykos.
Mögen wir nun Streithähnen vergleichbar, oder auch Löwen
Sein; doch treten wir nicht um anderen Preis in den Zweikampf.

Amykos sprachs, und blies in die tönende Windung der Muschel.
Schnell nun kamen daher in den schattigen Hain der Platanen,
Unter dem Hall der Muschel, die Bebryker, wallendes Haupthaars.
Eben so rief die Heroen, dem Strand zueilend, gesamt her
Vom magnesischen Schiffe der kampfausharrende Kastor.

Jene, nachdem sie die Händ’ in stärkende Binden der Stierhaut
Eingehüllt, die Gelenke mit langen Riemen umwickelnd,
Traten hervor in die Mitt’, und athmeten Mord und Vertilgung.
Viel ward jetzt von beiden mit heftiger Mühe geeifert,
Wer im Rücken gewänne das Licht der strahlenden Sonne.
Doch du besiegtest an Kunst von Gewaltigen, o Polydeukes;
Und ganz wurde von Stralen des Amykos Antliz erleuchtet.
Jener ergrimmt’ im Geist, und zorniger wandelt’ er vorwärts,
Zielend mit jeglicher Hand; doch es schlug das äusserste Kinn ihm
Tyndaros Sohn, wie er nahte. Da wütet’ er mehr denn zuvor noch.
Wild nun erregt’ er den Streit, mit Gewalt auffallend, und bog sich
Erdwärts vor. Laut schrieen die Bebryker: aber von dorther
Kräftigten auch die Heroen den tapferen Held Polydeukes,
Alle besorgt, ob etwa mit Überlast ihn bezwänge
In einpressender Klemme der Mann von Tityos Ansehn.
Aber der Sprössling des Zeus rechtsher sich wendend und linksher,
Schlug mit zerfleischender Händ’ Abwechselung; und in dem Anfall
Hemmt’ er das Ungeheuer; den Riesensohn des Poseidon.
Jener stand von Schlägen betäubt, und räusperte Blut aus,
Purpurnes; alle zugleich nun jauchzten empor die Heroen,
Rings die gräßlichen Beulen um Mund und Wangen erblickend;
Und ihm engte die Augen das aufgeschwollen Antliz.
Jezo verwirrt’ ihn der Herscher, mit nichtigen Streichen ihm drohend,
Ringsher; aber sobald er, wie ganz rathlos, ihn geschauet,
Schmettert’ er über der Nase die ballende Faust in die Brauen,
Daß bis zum Schädel die Stirn ihm entblößt ward, und der geschlagne
Rücklings hinab langhin durch grünende Kräuter sich streckte.
Wieder begann der erbitterte Kampf, als jener sich aufhub;
Und sie zerbläuten einander mit derb’ einhauenden Riemen.
Aber nur gegen die Brust, und abwärts, schwang er die Hände,
Nur an den Hals, der Bebrykerfürst; doch mit schändenden Streichen
Quetscht’ ihm das ganze Gesicht der unhemmbare Held Polydeukes.
Jenem schrumpfte das Fleisch vom strömenden Schweiß; und vermindert
Wurde das grosse Gewächs: allein stets vollere Glieder
Trug in dem Streit arbeitend der Held, und an Farbe verschönt noch.

Wie hat Kronions Sohn den verschlingenden Mann doch bezwungen?
Sag’, o Göttin; du weißt es: doch ich, ein Enträzeler andern,
Rede, wie du es begehrst, und deinem Sinn es genehm ist.

Jener, entbrannt von Eifer, ein grosses Werk zu vollenden,
Faßte nun auf mit der Linken die linke Hand Polydeukes,
Schräg’ hinweg aus der Stellung gebeugt; und in anderem Ansaz
Schwang er rechts von den Weichen daher den gewaltigen Faustschlag.
Und fast traf er verlezend den amykläischen König:
Doch der taucht’ in der Eile das Haupt; und die nervige Hand nun
Schmettert’ er links ihm unter den Schlaf, daß zur Schulter sie absank;
Aber sogleich schoß dunkeles Blut aus der gähnenden Schläfe.
Wieder zerschlug er den Mund, daß die häufigen Zähn’ ihm erklirrten;
Und stets hiziger dröschend verwüstet’ er jenem das Antliz,
Bis er umher ihm die Wangen zermalmete. Ganz nun zur Erde.
Lag er mit irrendem Geist, und erhob, entsagend dem Kampfe,
Beide die Hände zugleich, nachdem er dem Tode genaht war.
Nicht mishandeltest du, obsiegender, jezt den besiegten,
Kämpfer der Faust Polydeukes; doch schwur er den heiligen Eid dir,
Selbst aus dem Meer anrufend den mächtigen Vater Poseidon,
Nimmer hinfort vorsäzlich den Fremdlingen Böses zu schaffen.

Du bist jezt mir, o Herscher, gefeirt: dich, Kastor, besing’ ich,
Tyndaros Sohn, Gaultummler, mit Speer und ehernem Harnisch!

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Beide sie führten hinweg, die Zwillingssöhne Kronions,
Zwo, des Leukippos Töchter, als Raub. Zween aber von dorther
Folgeten, stürmendes Laufs, auch Brüder sie, Afareus Söhne,
Beide den Bräuten verlobt, der tapfere Idas und Lynkeus.
Aber nachdem sie erreicht des entschwundenen Afareus Grabmal;
Alle nunmehr von den Wagen entsprangen sie wider einander,
Schwer mit Lanzen gerüstet und hochgewölbeten Schilden.
Lynkeus redete jezt, laut unter dem Helm aufrufend:

Was doch begehrt ihr des Kampfs, Unselige? was an den Bräuten
Anderer übt ihr Gewalt, und entblößt in den Händen die Schwerter?
Hat denn euch Leukippos die blühenden Töchter verlobet?
Uns hier lange zuvor, uns ward die Vermählung mit Eidschwur!
Ihr dort, wider die Ordnung, in anderer Betten euch drängend,
Und in anderer Hab’, Hornvieh und mutige Mäuler,
Machtet den Mann abwendig, und stahlt mit Geschenken die Heirath.
Oftmals hab’ ich fürwahr vor das Antliz tretend euch beiden
Selber es angesagt, obgleich kein Redeverschwender:
Nicht also, ihr Theuren, geziemet es edleren Männern,
Gattinnen sich zu ersehn, die schon den Bräutigam fanden.
Groß ist Sparta jedoch, und groß die durchtrabete Elis,
Groß der Achaier Bezirk’, und Arkadia, wimmelnd von Heerden,
Argos und auch Messene, da rings des Sisyfos Meerland:
Wo Jungfrauen erblühn in der Obhut liebender Eltern,
Tausende, weder des Wuchses ermangelnde, noch des Verstandes.
Leicht ja könntet ihr dort euch Gattinnen wählen nach Willkühr.
Jünglingen biederer Art wird jeglicher willig ein Schwäher;
Und ihr raget hervor und allen heroischen Männern,
Ihr und die Väter gesamt, und das Muttergeschlecht bis zum Urstamm.
Auf denn, gewährt, o Freunde, daß wohl uns diese Vermählung
Endige; euch was andres erlesen wir alle vereinigt. –
Also redet’ ich oft; doch hinweg in die Wogen des Meeres
Trug es der wehende Hauch; nicht Freundlichkeit folgte den Worten.
Unsanft seid ihr gesinnt, Hartherzige! Aber auch jezt noch
Willfahrt uns; ihr seid ja verwandt uns beide vom Vater.
Doch verlangt euch die Seele nach Krieg, und sollen mit Blut wir,
Unsre gemeinsame Fehde zu endigen, färben die Lanzen;
Dann mag Idas, und dort mein tapferer Sipp Polydeukes,
Jezo die Händ’ abziehen vom traurigen Kampf der Entscheidung.
Wir nur, ich selbst und Kastor, wir nahn einander mit Kriegswut,
Jüngere beid’ an Geburt. Nicht lassen wir unseren Eltern
Allzu traurigen Gram; Ein Todter aus jeglichem Hause
Sei genug! Doch ihr andern erfreut dann alle Genossen,
Bräutigamme für Todte, und feirt mit den Mädchen die Hochzeit.
So dient kleineres Übel dem grossen Zwiste zur Heilung.

Lynkeus sprachs; nicht aber vereitelte solches ein Dämon.
Beide nun legten zur Erde das Kriegsgeräth von den Schultern,
Die an Geburt vorragten. Hervor dann wandelte Lynkeus,
Schwingend den mächtigen Speer am äussersten Rande des Schildes.
Also regt’ auch Kastor des Schafts hellzitternde Spize
Ungestüm; und beiden entwallt’ ein mähniger Helmbusch.
Sie zuerst mit den Lanzen beschäftiget zielten sie beide
Mann auf Mann, ob etwa entblößt den Leib sie erblickten.
Aber vorn an den Spizen, bevor sie einen beschädigt,
Brachen die Speer’, in die Schilde, die ungeheuren, geheftet.
Jezo die Schwerter zugleich aus den Scheiden gezuckt auf einander,
Drohten sie wieder den Tod; und rastlos tobte der Zweikampf.
Häufig des Schilds Umfang und die buschige Kuppel des Helms traf
Kastor, häufig auch traf der scharf anschauende Lynkeus
Jenem den Schild, und erreichte den purpurnen Busch mit der Spize.
Ihm nun stümmelte vorn an dem linken Kniee die Hand ab,
Welche die Kling’ aufschwang, mit dem linken Fuß sich entziehend,
Kastor; da stürzte das Schwert dem Verwundeten; schnell dann enteilt’ er
Fliehend zum Mal des Vaters, alwo der tapfere Idas
Hingelehnt anstaunte den Kampf der befreundeten Männer.
Aber es flog nachrennend mit breitem Schwert, und durchstieß ganz
Tyndaros Sohn durch Weichen und Nabel ihn: drinnen zerwühlte
Alles Geweide das Erz; und es sank vornickend zur Erde,
Lynkeus; plözlich umzog schwerlastender Schlaf ihm die Wimpern.
Nicht auch den anderen Sohn, nicht ihn an dem Heerde des Vaters
Schauete Laokoossa, der Hochzeit frohen Vollender.
Siehe die ragende Seule des afareischen Grabes
Faßt’ und zerrüttete schnell mit der Hand der Messenier Idas,
Drohete dann auf den Mörder des leiblichen Bruders zu werfen.
Doch dem wehrete Zeus: aus den Händen ihm schlug er des Marmors
Kunstgebild’, und ihn selbst in der Donnerflamme verbrannt’ er.
So sind nicht die Söhne des Tyndaros leicht zu bekämpfen.
Selbst vermögen sie viel, und sie schuf ein vermögender Vater!

Heil euch, die Leda gebahr! o segnet doch unsere Lieder
Stets mit edelm Ruhm! Hold waren ja immer den Sängern
Tyndaros Söhn’, auch Helene hold, und die anderen Helden,
Die einst Troja verödet, zu ahnden die Schmach Menelaos.
Preis euch, Walter, und Herlichkeit gab der Sänger von Chios,
Feirend des Priamos Stadt im Gesang’, und die Schiffe Achaias,
Auch die ilischen Kämpf’, und der Feldschlacht Thurm, den Achilleus.
Euch nun bring’ auch ich Liebkosungen tönender Musen;
Wie mir jene verleihn, und wie mein Haus sie gewöhret,
Bring’ ich sie dar: die gefälligste Gab’ ist Göttern Gesang doch.

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