HomeDie Horen1797 - Stück 1II. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

II. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

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Fortsetzung.

(Catharine erreget ihm einen Proceß, aus dem er sich nur durch seine Gegenwart des Geistes und Kühnheit heraushilft. Nachdem er diese Geschichte erzählet, fährt er fort):

Wenn das feindselige Geschick, oder, um eigentlich zu reden, unser widriger Stern, sich einmal vornimmt, uns zu verfolgen, so fehlt es ihm niemals an neuen Arten und Weisen, uns zu quälen oder zu beschädigen. So dachte ich nun, mich von einem unübersehlichen Unheil befreyt zu haben, und hoffte, wenigstens einige Zeit, einer erwünschten Ruhe zu geniessen; aber ich hatte mich von jener grossen Gefahr noch nicht erholt, als mein feindseliger Stern mir zwey neue entgegenführte, denn in Zeit von drey Tagen begegneten mir zwey Fälle, in denen beyden mein Leben auf der Wagschale lag.

Es begab sich nämlich, daß ich nach Fontainebleau ging, um mit dem König zu sprechen, der mir einen Brief geschrieben hatte, in welchem sein Wille enthalten war: daß ich die Stempel aller Münzen seines Reiches arbeiten sollte; dabey lagen einige Zeichnungen, um mir einigermassen seine Gedanken verständlich zu machen, doch gab er mir die Erlaubniß, ganz nach meinem Gefallen zu thun. Darauf hatte ich denn neue Zeichnungen, nach meiner Einsicht und nach der Schönheit der Kunst gemacht.

Als ich nun nach Fontainebleau kam, sagte einer der Schatzmeister, die vom König den Befehl hatten, mir das nöthige zu geben, sogleich zu mir: Benvenuto! der Mahler Bologna hat vom König den Auftrag erhalten, euren grossen Coloß zu machen, und die sämtlichen schönen Aufträge, die der König für euch bestimmt hatte, sind alle aufgehoben und nun auf ihn gerichtet, das hat uns sehr übel geschienen, und es kommt uns vor, daß euer Italiäner sich sehr verwegen gegen euch beträgt, denn ihr hattet schon die Bestellung der Werke durch die Kraft eurer Modelle und eurer Bemühungen erhalten; nun nimmt sie euch dieser, allein durch die Kunst der Madam D’Estampes, weg, und ob es gleich schon mehrere Monate sind, daß er den Auftrag empfangen hat, so sieht man doch nicht, daß er irgend Anstalt zur Abreise machte. Ich verwunderte mich und sagte: wie ist es möglich, daß ich nie etwas davon erfahren habe? Darauf versetzte er mir: jener habe die Sache äuserst geheim gehalten, der König habe ihm die Arbeit nicht geben wollen, und nur allein durch die Emsigkeit der Madam D’Estampes sey es ihm gelungen.

Da ich nun vernahm, man habe mich auf solche Weise beleidigt, mir ein solches Unrecht angethan und mir eine Arbeit entzogen, die ich mir durch meine Bemühungen erworben hatte; so nahm ich mir vor, etwas Grosses von Bedeutung in den Waffen zu thun; ich ging sogleich den Bologna aufzusuchen und fand ihn in seinem Arbeitszimmer, er ließ mich hineinrufen und sagte mir mit so gewissen Lombardischen Manieren, was ich ihm gutes brächte? Darauf versetzte ich: etwas gutes und grosses. Sogleich befahl der Mann seinen Dienern, sie sollten zu trinken bringen und sagte: ehe wir von etwas sprechen, wollen wir zusammentrinken, denn es ist die französische Art so. Darauf versetzte ich: das was wir zu reden haben, bedarf nicht, daß man erst trinke, vielleicht läßt sichs hintendrein thun. Ich fing darauf an, mit ihm zu sprechen und sagte: jeder, der für einen rechtschaffenen Mann gehalten seyn will, beträgt sich auch auf die Weise rechtschaffener Leute. Thut er das Gegentheil, so verdient er den Nahmen nicht mehr. ich weiß, daß euch wohl bekannt war, daß der König mir den Coloß aufgetragen hatte, von dem man achtzehn Monate sprach, ohne daß weder ihr noch sonst jemand hervorgetreten wäre, um auch sein Wort dazu zu geben; deswegen unternahm ich es, dem König meine grossen Arbeiten vorzulegen, und da ihm meine Modelle gefielen, gab er mir das grosse Werk in die Arbeit, und soviele Monate habe ich nichts anders gehört; nur diesen Morgen vernahm ich, daß sie mir entzogen und euch aufgetragen seyn solle. Nun kann ich nicht zusehen, daß ihr mir eine Arbeit, die ich durch bewundernswürdige Bemühungen mir verschaft habe, mit euren eitlen Worten nur so entreissen sollt.

Darauf antwortete Bologna: o Benvenuto! jeder sucht auf alle mögliche Weise seine Sachen zu betreiben, und wenn der König so will, was habt ihr darein zu reden? Ihr würdet nur die Zeit wegwerfen, denn die Arbeit ist mir einmal aufgetragen, und sie ist mein.

Darauf versetzte ich: wisset, Meister Franz, daß ich viel zu sagen hätte, und euch mit vielen wahren und fürtrefflichen Gründen zum Bekenntniß bringen könnte, daß sich unter vernünftigen Geschöpfen, die Art, wie ihr euch betragt und sprecht, keineswegs geziemt; aber ich will mit kurzen Worten zum Punkt des Schlusses kommen! Öfnet die Ohren und versteht mich wohl, denn hier gilt es. Da wollte er vom Sitz aufstehen, denn er sah, daß ich feuerroth im Gesicht wurde und höchlich verändert war; ich sagte aber, es sey noch nicht Zeit aufzustehen, er solle sitzen bleiben und mich anhören; darauf fing ich an und sagte: Meister Franz, ihr wißt, daß das Werk zuerst mein war, und daß nach der Welt Weise niemand mehr etwas darüber zu reden hat. Nun aber sage ich euch, daß ich zufrieden bin, wenn ihr ein Modell macht, und ich will ausser dem meinigen noch ein anderes fertigen, dann wollen wir sie beyde zu unserm grossen König tragen, und wer auf diesem Wege den Ruhm davon trägt, am besten gearbeitet zu haben, der verdient alsdann, den Coloß zu übernehmen. Trifft es euch, so will ich das ganze Unrecht, das ihr mir angethan habt, vergessen und eure Hände segnen, die würdiger als die meinigen einer so großen Ehre sind, und so wollen wir bleiben und Freunde seyn, da wir auf andere Weise Feinde werden müßten. Gott beschützt immer die Vernünftigen, und er mag euch überzeugen, in welchen großen Irrthum ihr verfallen seyd, und daß das der rechte Weg ist, den ich angebe.

Da sagte Meister Franz: das Werk ist mein, und da es mir einmal aufgetragen ist, so will ich das Meinige nicht erst wieder in Fragen stellen. Darauf antwortete ich: Meister Franz! da ihr den guten Weg nicht gehen wollt, der gerecht und vernünftig ist, so will ich euch den andern zeigen, der wie der eure hässlich und missfällig aussieht, und ich sage euch: sobald ich auf irgend eine Weise vernehme, daß ihr von diesem meinen Werke nur wieder ein Wort sprecht, so schlage ich euch sogleich todt, wie einen Hund, und ob wir gleich weder in Rom, noch in Florenz, noch Neapel oder Bologna sind, und man hier auf eine ganz andere Weise lebt, so seyd doch überzeugt, wenn ich nur irgend höre, daß ihr davon mit dem König sprecht, so ermorde ich euch auf alle Weise. Denkt, welchen Weg ihr nehmen wollt, den ersten guten, den ich euch vorschlug, oder den letzten häßlichen, von dem ich euch sage.

Der Mann wußte nicht, was er sagen oder thun sollte, und ich hätte lieber gleich Wort gehalten, als daß ich noch viel Zeit hätte verstreichen lassen. Darauf sagte Bologna, nichts weiter als: wenn ich wie ein rechtschaffner Mann handle, so habe ich keine Furcht in der Welt; darauf versetzte ich: ihr habt wohl gesprochen, aber wenn ihr das Gegentheil thut, mögt ihr euch nur fürchten, denn alsdann betriffts euch.

Sogleich ging ich von ihm weg und zum König, da ich denn mit Ihro Majestät eine ganze Weile mich über das Geschäft der Münze stritt, worüber wir nicht sehr einig waren; denn seine Räthe, die sich gegenwärtig befanden, überredeten ihn, man müsse die Münze nach französischer Manier, wie bisher, schlagen, darauf antwortete ich: Seine Majestät hätten mich aus Italien kommen lassen, damit ich ihnen Werke machte, die gut aussähen, beföhlen Sie mir aber das Gegentheil, so würde ich niemals den Muth haben, sie zu machen. Und so wurde die Sache aufgeschoben, bis man noch einmal davon gesprochen hätte, und sogleich kehrte ich nach Paris zurück.

Kaum war ich abgestiegen, so kam eine von den guten Personen die Lust haben das Böse zu sehen, und sagte mir: Paul Micceri habe ein Haus für das Dirnchen Catharine und ihre Mutter gemiethet, er liege beständig bey ihr, und wenn er mit ihr spreche, sage er mit Verachtung: Benvenuto hat den Bock zum Gärtner gesetzt, er glaubt, daß man gar keinen Appetit habe. Wenn er noch immer so groß thut und denkt, ich fürchtete mich vor ihm, so habe ich diesen Dolch und Degen angesteckt, um zu zeigen, daß auch mein Stahl schneide. Ich bin Florentiner wie er, und die Micceres sind besser als seine Cellinis.

Der Schelm, der mir diese Nachricht brachte, sagte sie mir mit so großer Lebhaftigkeit, daß ich sogleich einen Fieberanfall verspürte. Ich sage Fieber nicht etwa gleichnißweise, es fuhr eine solche bestialische Passion in mich, daß ich daran hätte sterben können. Nun suchte ich ein Mittel dagegen, und ergriff sogleich die Gelegenheit dieser Sache einen Ausgang zu geben, nach der Art und Weise wie meine Leidenschaft es verlangte. Ich sagte meinem Ferraresischen Arbeiter, welcher Chioccia hieß, er solle mit mir kommen, und ich ließ mir von meinem Knechte das Pferd nachführen. Als ich aus Haus kam, wo dieser Unglückliche war, fand ich die Thüre angelehnt und ging hinein. Ich beobachtete ihn und sahe, daß er Degen und Dolche an der Seite hatte, und auf einem Kasten saß, er hatte den Arm um den Hals der Catharine, und ich horche nur kurze Zeit, als ich hörte, daß sie mit ihrer Mutter sich über meine Angelegenheiten lustig machte. Ich stieß die Thür auf, und zog zu gleicher Zeit den Degen und setzte ihm die Spitze an die Gurgel, ohne daß ich ihm Zeit gelassen hätte zu denken, daß er auch einen Degen an der Seite habe, dabey rief ich: schlechter Kerl empfehle dich Gott, denn du bist des Todes! Er rührte sich nicht, und sagte dreymal: o, meine Mutter hilf mir! Als ich nun, der ich die Absicht hatte ihn auf alle Weise zu ermorden, diese dummen Worte vernahm, ging die Hälfte meines Zorns vorüber. Indessen hatte ich meinem Chioccia gesagt, er solle weder das Mädchen noch die Mutter hinauslassen, denn wenn ich ihn einmal traf, so hätte ich es mit den beyden Menschern nicht besser gemacht. Ich hielt ihm beständig die Spitze an der Kehle und stach ihn manchmal ein wenig, und stieß immer fürchterliche Worte aus. Da ich nun sahe, daß er sich auch nicht im mindesten vertheidigte, so wußte ich nicht mehr, was ich machen sollte, und damit mein Überfall und meine Drohung doch etwas bedeuteten, so fiel mir ein, ihn wenigstens mit dem Mädchen zu verheirathen, und mich nachher an ihm zu rächen. Da sagte ich entschlossen: nimm den Ring, den du am Finger hast, schlechter Mensch! und verlobe dich mit ihr, damit ich mich nachher an dir rächen kann, wie du verdienst. Darauf sagte er sogleich: wenn ihr mich nur nicht ermorden wollt, so will ich gern alles thun. Darauf versetzte ich: stecke Catharinen den Ring an den Finger! dabey entfernte ich die Spitze des Degens ein wenig von seiner Kehle, damit er die Handlung desto bequemer verrichten könnte, und sich nicht fürchten sollte. So steckte er ihr den Ring an. Darauf sagte ich, das ist mir noch nicht genug, man muß zu zwey Notarien gehn, daß der Contract fest und gültig werde, darauf sagte ich zu Chioccia, er solle die Notarien hohlen, wendete mich sogleich zu dem Mädchen und der Mutter und sagte zu ihnen auf französisch: es werden Notarien und andere Zeugen kommen, die erste, die zu der Sache nur ein Wort spricht, ermorde ich auf der stelle! Ich ermorde euch alle drey; drum bedenkt euch und athmet nicht! und zu ihm sagte ich, auf Italiänisch: wenn du irgend etwas versetzest, auf das was ich vortragen werde, bey dem geringsten Worte das du sprichst, leere ich dir sogleich dein Eingeweide aus. Er aber antwortete: wenn ihr mich nur nicht umbringt, so will ich alles thun, was ihr nur wollt, und in nichts widersprechen. Darauf kamen die Notarien und Zeugen. Man machte einen gültigen und treflichen Contract; sogleich war Ärger und Wuth, die mich bey jener Erzählung überfallen hatten, vorbey, und das Fieber verließ mich. Ich bezahlte die Notarien und ging weg.

Den andern Tag kam Bologna expreß nach Paris, und ließ mich von Mattäus del Nasaro rufen. Als ich zu ihm ging, kam er mir entgegen, und bat mich, ich möchte ihn als ein Bruder halten, er wollte nicht mehr von gedachtem Werke reden, denn ich habe Recht.

Wenn ich nun bey einigen meiner Begebenheiten nicht bekennte, daß ich einsähe, übel gehandelt zu haben, so würden die andern, deren ich mich rühmen darf, nicht für wahr gehalten werden, daher will ich nur bekennen, daß es nicht recht war, mich auf eine so seltsame Weise an Paul Micceri zu rächen, wie ich erzählen werde, denn es war schon genug, daß ich ihn nöthigte, eine so vollendete Dirne zu heirathen. Nun ließ ich sie aber nachher um meine Rache zu vollenden, zu mir rufen, modellirte sie, gab ihr ein Frühstück und vergnügte mich mit ihr, nur um Paulen Verdruß zu machen, und dann, um mich auch an ihr zu rächen, jagte ich sie mit Tritten und Schlägen fort. Sie weinte und schwur, sie wolle nicht wiederkommen. Den andern Morgen früh hörte ich an der Thüre klopfen, es war Catharine, die mit freundlichem Gesicht zu mir sagte: Meister, ich bin gekommen, mit euch zu frühstücken. Ich sagte komm nur! dann gab ich ihr das Frühstück, modellirte sie, und ergötzte mich mit ihr, um mich an Paulen zu rächen, und das ging so viele Tage fort.

Indessen hatte ich die Stunden zu meinen Arbeiten eingetheilt, und hielt mich besonders an das Salzfaß, an welchem viele Leute arbeiten konnten; eine Bequemlichkeit, die ich nicht beym Jupiter hatte. Jenes war endlich vollkommen fertig, der König war wieder nach Paris gekommen, und ich brachte ihm das geendigte Salzfaß, das ich nach Angabe des Modells mit dem größten Fleiße ausgearbeitet hatte. Das Werk selbst, das man aus meiner Beschreibung schon kennt, hatte ich auf eine Base von schwarzem Ebenholze gesetzt, diese war von gehöriger Stärke und von einem Gurt umgeben, in den ich vier Figuren von Gold ausgetheilt hatte, die mehr als halb erhaben waren, sie stellten die Nacht und den Tag vor; auch die Morgenröthe war dabey; dann waren noch vier andre Figuren von derselben Größe angebracht, welche die vier Hauptwinde vorstellten, so sauber gearbeitet und emaillirt, als man sich nur denken kann. Da ich dieses Werk vor die Augen des Königs brachte, ließ er einen Ausruf der Verwunderung hören, und konnte nicht satt werden, das Werk anzusehen. Dann sagte er zu mir, ich möchte es wieder nach Hause tragen, er würde mir zu seiner Zeit befehlen, was ich damit machen solle. So trug ich es zurück, lud einige meiner lieben Freunde zusammen, und wir speißten in der größten Lust, was Salzfaß ward in die Mitte des Tisches gesetzt, und wir bedienten uns dessen zuerst. Dann fuhr ich fort am Jupiter von Silber zu arbeiten, und an dem großen Gefäß, das mit den artigsten Einfällen und mit vielen Figuren verziert war.

Ohngefähr um diese Zeit gab gedachter Bologna der Mahler dem Könige zu verstehen: es sey gut, wenn seine Majestät ihn nach Rom gehen ließe, und ihn daselbst durch Briefe dergestalt empfähle, daß er die schönsten vorzüglichen Alterthümer, den Laocoon, die Cleopatra, die Venus, den Commodus, die Zigeunerinn und den Apoll abgießen könnte. Und wirklich sind auch das die schönsten Stücke, die sich in Rom befinden. Dabey sagte er dem König daß, wenn seine Majestät diese herrlichen Werke würde gesehen haben, er alsdann über die bildenden Künste erst würde urtheilen können, denn alles was er von uns Neuen gesehen, sey sehr entfernt von der Art, die von den Alten beobachtet worden. Der König war zufrieden, und begünstigte ihn, wie er es wünschte. So ging die Bestie in’s Teufels Nahmen, und da er sich nicht traute in der Kunst mit mir zu wetteifern, so nahm er den lombardischen Ausweg, und wollte meine Werke erniedrigen, indem er die alten erhob; aber ob er gleich jene Werke vortreflich formen ließ, so entstand doch eine ganz andere Wirkung, als er sich eingebidlet hatte, wovon ich nachher an seinem Orte reden will.

Indessen hatte ich die Catharine völlig weggejagt, und der arme unglückliche Jüngling ging mit Gott von Paris weg. Nun wollte ich meine Nymphe Fontainebleau vollenden, die schon von Erz gegossen war, auch gedachte ich die zwey Siegesgöttinnen in den Ecken des Halbrundes gut auszuarbeiten, deßhalb nahm ich ein armes Mädchen zu mir, von ohngefähr fünfzehn Jahren, von Körper sehr schön gebaut, und ein wenig bräunlich. Sie war scheu in ihrem Wesen, von wenig Worten, schnell im Gange und von düsteren Blicken, ich nannte sie Scozzona, (die Gebändigte) ihr eigentlicher Nahme war Johanna. Nach diesem Mädchen endigte ich treflich meine Nymphe und die zwey gedachten Siegesgöttinnen. Sie kam als Jungfrau zu mir, und ich erhielt von ihr den siebzehnten Juni 1544, eine Tochter, und also in meinem vier und vierzigsten Jahre. Dieser gab ich den Nahmen Constanza, und Herr Guido Guidi, Medicus des Königs, mein bester Freund, hielt sie bey der Taufe; er war nach französischer Gewohnheit der einzige Gevatter und die beyden Gevatterinnen waren Frau Magdalena, Gattin Herrn Ludwigs Alamanni, Florentinischen Edelmanns und treflichen Dichters, mit der Gattin des Herrn Ricardo del Bene eines Florentinischen Bürgers und großen Kaufmanns, sie war aus einer vornehmen französischen Familie. Dieses war das erste Kind, das ich jemals hatte, so viel ich weiß. Der Mutter aber zahlte ich soviel Geld zur Mitgift aus, als eine Verwandte, der ich sie wiedergab, hinreichend fand, und ich hatte nachher kein weiteres Verhältniß mit ihr.

Ich war fleißig an meinen Arbeiten und hatte sie ziemlich weit gebracht, Jupiter war beynah geendigt, das Gefäß gleichfalls und die Thüre fing an ihre Schönheiten zu zeigen. Zu der Zeit kam der König nach Paris und zwar hatten wir das Jahr 1543 noch nicht zurückgelegt. Von meiner Tochter, die 1544 gebohren war, habe ich etwas zu früh gesprochen, werde nun aber um Erzählungen von wichtigern Dingen nicht zu unterbrechen, nicht wieder als an seinem Orte von ihr reden. Der König kam nach Paris, wie ich gesagt habe, und begab sich sogleich in mein Haus, und da er so schöne Werke vor sich fand, die vor solchen Augen, wie die seinigen waren, sehr gut bestehen konnten, war er damit so zufrieden, als nur jemand verlangen kann, der sich so viel Mühe giebt, als ich gethan hatte. Sogleich erinnerte er sich von selber, daß der Cardinal von Ferrara mir nichts von dem gegeben hatte, was mir doch versprochen war, und sagte murmelnd zu seinem Admiral: der Cardinal habe übel gethan, mir nichts zu geben, und er selbst denke die Sache wieder gut zu machen, denn er sähe wohl, ich sey ein Mann von wenig Worten, und ehe man sichs versehe, könnte ich einmal fortgehn. Ohne was weiter zu sagen, gingen sie nach Hause, und nach der Tafel sagte seine Majestät zum Cardinal: er solle im Nahmen seiner Majestät dem Schatzmeister der Ersparnisse sagen, daß er mir sobald als möglich siebentausend Goldgülden in drey oder vier Zahlungen einhändigte, so wie es ihm bequem sey, doch sollte er es nicht fehlen lassen. Ferner sagte der König, ich habe euch die Aufsicht über Benvenuto gegeben, und ihr habt mir ihn ganz vergessen. Der Cardinal versetzte: er wolle gerne alles thun, was seine Majestät befehle. Aber er ließ doch nachher, seiner bösen Natur nach, den guten Willen des Königs ohne Wirkung, denn indessen nahm der Krieg zu und es kam die Zeit, in welcher der Kaiser mit seinem grossen Heere gegen Paris zog. Der Kardinal sah wohl, daß in Frankreich großer Geldmangel war, und als er einmal mit Vorbedacht auf mich zu reden kam, sagte er zu seiner Majestät: Ich glaubte besser zu thun, wenn ich Benvenuto das Geld nicht auszahlen ließe, einmal weil man es gegenwärtig gar zu nöthig braucht, und dann, weil uns so eine große Summe Goldes den Verlust des Benvenuto zuziehen könnte, denn er möchte sich reich scheinen, und sich Güter in Italien kaufen, und dann hätte gelegentlich sein wunderlicher Kopf einen guten Ausweg gesehen, von hier zu scheiden. Wenn Ew. Majestät ihn bey sich fest behalten wollen, so geben Sie ihm lieber ein Besitzthum in ihrem Reiche. Der König ließ diese Gründe für gut gelten, weil er diesen Augenblick selbst Mangel an Baarschaft fühlte, demohngeachtet sah er ein, in seinem edelsten und wahrhaft königlichen Gemüthe, daß gedachter Cardinal in dieser Sache mehr aus eigenem Antrieb als aus Nothwendigkeit so gehandelt habe; denn wie hätte er denn die Nothdurft eines so großen Reiches voraussehen können? Und so blieb der König ins Geheim ganz anderer Gesinnung. Denn als er nach Paris zurückkam, besuchte er mich den andern Tag, ohne daß ich gegangen wäre, ihn einzuladen. Ich ging ihm entgegen, und führte ihn durch die Zimmer, wo sich verschiedene Arten von Arbeiten befanden. Ich fieng bey denen von Erz an, die er von solchem Werthe noch nicht gesehen hatte, dann zeigte ich ihm den silbernen Jupiter, beynah fertig, mit den schönsten Zierrathen, den er mehr bewunderte, als vielleicht jeder andere gethan hätte, denn es war ihm vor einigen Jahren ein sehr unangenehmer Fall begegnet. Er wollte nämlich dem Kaiser, der nach der Einnahme von Tunis durch Paris ging, ein Geschenk machen, das eines so großen Monarchen werth wäre, und er ließ einen Herkules von Silber treiben, von derselben Größe, wie ich den Jupiter gemacht hatte. Der König versicherte, daß dieser Herkules das hässlichste Werk gewesen sey, das er jemals gesehen habe, und das habe er auch den Leuten versichert, die sich für die größten Meister der Welt in dieser Profession ausgaben. Sie mußten gestehen, daß dieß alles sey, was sie in Silber machen könnten, und wollten demohngeachtet zweytausend Ducaten für ihre geringe Arbeit. Als nun der König meine Arbeit sah, und sie so sauber ausgeführt fand, als er kaum geglaubt hatte, entschied er mit Bedacht, und wollte, daß meine Arbeit am Jupiter auch zweytausend Scudi sollte geschätzt werden, und sagte: jenen gab ich keinen Gehalt, und da ich diesem schon jährlich tausend Scudi gebe, so kann er für diesen Preiß wohl zufrieden seyn. Dann führte ich ihn andere Werke von Silber und Gold zu sehen, und viele Modelle von neuen Erfindungen. Zuletzt da er weggehen wollte, deckte ich auf der Wiese meines Schlosses den großen Riesen auf, und gab dem König zu verstehen, daß das alles sey, was man in Metall machen könne. Darüber bezeugte der König größere Verwunderung, als bey keiner andern Sache, und wendete sich zum Admiral, welcher Herr Hannibal hieß, und sagte: nachdem der Cardinal nicht für ihn gesorgt hat, und er selbst faul im Fodern ist, so will ich, ohne weiters, daß man an ihn denken soll, denn für die Menschen, welche wenig verlangen, sprechen ihre Werke desto mehr. Deswegen gebt ihm die erste Abtey die aufgeht, bis zu zweytausend Scudi Einkünfte, und wenn es nicht auf einmal seyn kann, so gebt es ihm in zwey oder drey Pfründen. Denn das kann ihm einerley seyn.

Ich war gegenwärtig und hörte alles und dankte sogleich, als wenn ich die Wohlthat schon empfangen hätte, und sagte: daß wenn Seine Majestät mich also versorgten, so wollte ich ohne weitern Gehalt, Pension, oder Gabe für Seien Majestät so lange arbeiten, bis mich das Alter an meinen Bemühungen verhinderte und ich mein müdes Leben ruhig auswarten könnte, immer mit den Gedanken beschäftigt, einem so grossen König gedient zu haben. Auf diese Worte wendete sich der König freudig und mit grosser Lebhaftigkeit zu mir und sagte: dabey soll es bleiben, und wie er zufrieden weggieng, so ließ er mich auch zurück.

Madam D’Estampes erfuhr alles, was geschehen war, und ward nur giftiger gegen mich, indem sie bey sich selbst sagte: ich regiere gegenwärtig die Welt und ein kleiner Mensch dieser Art achtet mich nicht. Nun setzte sie sich recht in den Gang, um gegen mich zu arbeiten. Da kam ihr ein Mann zur Hand, der ein grosser Distillirer war, und ihr einige wohlriechende und wundersame Wasser übergab, welche die Haut glatt machten, dergleichen man sich niemals vorher in Frankreich bedient hatte; sie stellte ihn auch dem König vor, dem er einige abgezogene Wasser überreichte und diesem Herrn damit viel Vergnügen machte; in einem so günstigen Augenblik trieb sie den Mann an, vom König das Ballspiel zu begehren, das ich in meinem Schloß hatte, nebst einigen kleinen Zimmern, von denen sie sagte, daß ich mich derselben nicht bediene. Der gute König, der recht gut einsah, woher die Sache kam, antwortete nicht, Madam D’Estampes aber wußte nachher ihren Willen auf die Weise durchzusetzen, wie es den Weibern bey den Männern gelingt, und ihr Plan ging durch, denn sie benutzte eine verliebte Stimmung des Königs, der er manchmal unterworfen war, und Madam erhielt, was sie verlangte. Darauf kam gedachter Mann mit dem Schatzmeister Glorier, der sehr gut Italiänisch sprach, einem großen französischen Edelmann. Dieser fieng erst an mit mir zu scherzen, dann kam er auf die Sache und sagte: Im Nahmen des Königs setze ich diesen Mann in Besitz des Ballspiels und der kleinen Häuser die dazu gehören. Darauf versetzte ich: der heilige König ist Herr von allem, und alles kommt von ihm, deswegen könnt ihr frey hineintreten; da man aber auf diese gerichtliche Weise durch Notarien den Mann einsetzt, so sieht es mehr einem Betrug als einem königlichen Auftrag ähnlich, und ich versichre euch, daß ich anstatt mich beym Könige zu beklagen, mich selbst vertheidigen werde, wie Seine Majestät mir noch vor kurzem befohlen hat. Ich werde euch den Mann, den ihr mir hier hereinsetzt, zum Fenster hinauswerfen, wenn ich nicht ausdrücklichen Befehl von des Königs eigner Hand sehe.

Da ging der Schatzmeister murmelnd und drohend hinweg, ich blieb und that desgleichen, denn ich wollte vorerst nichts weiter unternehmen. Sodann ging ich zu den Notarien, die diesen Mann in Besitz gesetzt hatten; sie waren meine guten Freunde, und sagten: es sey eine Ceremonie die wohl auf Befehl des Königs geschehen sey, aber nicht viel bedeuten wolle, denn wenn ich ein wenig widerstanden hätte, so wäre der Mann gar nicht in Besitz gekommen, es seyen dieses Handlungen und Gewohnheiten des Gerichtshofs, wobey das Ansehen des Königs gar nicht zur Sprache komme, und wenn ich ihn aus dem Besitz werfen könne, wie er hineingekommen sey, so wäre es wohl gethan, und würde weiter keine Folgen haben.

Mir war dieser Wink hinreichend und ich nahm den andern Tag die Waffen zur Hand, und ob es mir gleich ein wenig sauer wurde, so hatte ich doch meinen Spaß dran, denn ich that alle Tage einmal einen Angriff mit Steinen, Piken und Flinten, und ob ich gleich ohne Kugeln schoß, so setzte ich sie doch in solches Schrecken, daß niemand mehr kommen wollte, ihm beyzustehn. Da ich nun eines Tags seine Parthei fand, drang ich ins Haus mit Gewalt, verjagte ihn und warf alles heraus, was er hereingebracht hatte; dann ging ich zum Könige und sagte, ich hätte alles nach dem Befehl Seiner Majestät gethan, und mich gegen diejenigen gewehrt, die mich an seinen Diensten verhindern wollten. Der König lachte und ließ mir neue Briefe ausfertigen, daß man mich nicht weiter belästigen sollte. Indessen endigte ich, mit grosser Sorgfalt, den schönen Jupiter von Silber mit seiner verguldeten Base, die ich auf einen hölzernen Untersatz gestellt hatte, der wenig zu sehen war, und in denselben hatte ich vier hölzerne Kügelchen gefügt, die über die Hälfte in ihren Vertiefungen verborgen waren, und alles war so gut eingerichtet, daß ein kleines Kind sehr leicht nach allen Seiten die gedachte Statue des Jupiters bewegen konnte. Da ich sie nun auf meine Weise zu rechte gemacht hatte, brachte ich sie nach Fontainebleau, wo der König war. Zu der Zeit hatte Bologna die gedachten Statuen von Rom zurückgebracht und sie mit grosser Sorgfalt in Erz giessen lassen; ich wußte nichts davon, theils, weil er die Sache geheim betrieben hatte, theils, weil Fontainebleau über vierzig Miglien von Paris entfernt ist, daher ich nichts von der Sache erfuhr. Als ich beym König anfragen ließ, wo er den Jupiter zu sehen verlange? war Madam D’Estampes gegenwärtig und sagte: es sey kein geschikterer Ort, um ihn aufzustellen, als in seiner schönen Gallerie. Das war, wie wir in Toskana sagen würden, eine Loge, oder vielmehr ein Gang, denn wir nennen Loge die Zimmer, die von einer Seite offen sind. Es war aber dieses Zimmer mehr als hundert Schritte lang und ausserordentlich reich verzieret, mit Mahlereien von der Hand des vortrefflichen Rosso, eines unserer Florentiner; unter den Gemählden war viele Arbeit von Bildhauer Kunst angebracht, einige rund, einige halb erhaben; er konnte ohngefähr zwölf Schritte breit seyn. In dieser Gallerie hatte Bologna alle die gedachten Arbeiten von Erz, die sehr gut vollendet waren, in bester Ordnung aufgestellt, jede auf ihrem Piedestal, und es waren, wie ich schon oben sagte, die besten Arbeiten der Alten in Rom. In gedachtes Zimmer brachte ich meinen Jupiter, und als ich diese grosse Vorbereitung sah, und erkannte, daß sie mit Fleiß gemacht sey, dachte ich bey mir selbst, das ist als wenn man durch die Piken laufen müßte, nun helfe mir Gott. Ich stellte die Statue an ihren Ort und so viel ich vermochte aufs beste zu recht und erwartete die Ankunft des grossen Königs. Jupiter hatte in seiner rechten Hand den Blitz in der Stellung, als wenn er ihn schleudern wollte. In die linke hatte ich ihm die Welt gegeben, und hatte zwischen die Flamme des Blitzes mit vieler Geschicklichkeit ein Stück weisse Kerze angebracht. Nur hatte Madam D’Estampes den König bis zur einbrechenden Nacht aufgehalten, um mir eins von den beyden Übeln zuzufügen, entweder daß er gar nicht käme, oder daß mein Werk in der Nacht sich wenig besser ausnehmen sollte. Wie aber Gott denjenigen beysteht, welche an ihn glauben, so geschah das Gegentheil ganz. Denn als es Nacht wurde, zündete ich die Kerze an, die Jupiter in der Hand hielt, und weil sie etwas über den Kopf erhaben stand, fielen die Lichter von oben und gaben der Statue ein schöneres Ansehen, als sie bey Tage nicht würde gehabt haben. Nun kam der König mit seiner Madam D’Estampes, mit dem Dauphin seinem Sohn, der gegenwärtig König ist, auch war die Dauphine, der König von Navarra und Madam Margaretha, seine Tochter dabey, nebst vielen grossen Herren, die von Madam D’Estampes unterrichtet waren, gegen mich zu sprechen.

Als ich den König hereintreten sah, ließ ich durch meinen Gesellen Askanio ganz sachte den schönen Jupiter vorwärts bewegen und weil die Statue gut und natürlich gemacht war, und ich selbst in die Art, wie sie bey der Bewegung schwankte, einige Kunst gelegt hatte, so schien sie lebendig zu seyn. Die Gesellschaft ließ jene antike Statuen hinter sich und betrachtete zuerst mein Werk mit vielem Vergnügen, sogleich sagte der König: das ist eine schönere Arbeit, als jemals ein Mensch gesehen hat, und ich, der ich mich doch an dergleichen Dinge vergnüge und sie verstehe, hätte mir sie nicht den hundertsten Theil so gut vorgestellt. Die Herren, die gegen mich sprechen sollten, waren umgewendet und konnte das Werk nicht genug loben, Madam D’Estampes sagte aber auf eine kühne Weise: es scheint, als wenn ihr nur zu loben hättet! seht ihr nicht, wie viel schöner alle Figuren von Erz hier stehen? in welchen die wahre Kraft dieser Kunst besteht, und nicht in solchen modernen Aufschneidereyen. Darauf machte der König eine Bewegung und die andern zugleich, und warf eine Blick auf gedachte Figuren, die aber, weil die Lichter tiefer stunden, sich nicht gut ausnahmen. Darauf sagte der König: wer diesen Mann heruntersetzen wollte, hat ihn sehr begünstigt, denn eben bey diesen herrlichen Figuren sieht und erkennt man, daß die seinige viel schöner und wundersamer ist, und man muß den Benvenuto sehr in Ehren halten, da seine Arbeiten nicht allein den alten gleich sind, sondern sie noch übertreffen. Madam D’Estampes sagte: wenn man von diesem Werke sprechen wollte, so müßte man es bey Tage sehen, weil es alsdann nicht eintausend Theil so schön als bey Nacht erscheinen würde, auch müsse man betrachten, daß ich der Figur einen Schleyer umgeworfen habe, um ihre Fehler zu verbergen.

Es war das ein sehr feiner Schleyer, den ich mit vieler Anmuth dem Jupiter umgelegt hatte, damit er majestätischer aussehen sollte. Ich faßte ihn darauf an, indem ich ihn von unten aufhub, die schönen Zeugungsglieder entdeckte, und indem ich ein wenig Verdruß zeigte, ihn ganz zerriß. Nun dachte sie, ich habe ihr das zum Verdruß gethan, der König aber merkte meinen Ärger, und daß ich von der Leidenschaft hingerissen anfangen wollte zu reden. Da sagte der weise König in seiner Sprache diese verständigen Worte: Benvenuto, ich schneide dir das Wort im Munde ab, und du sollst tausendmal mehr Belohnung erhalten, als du erwarten kannst. Da ich nicht reden konnte, machte ich die leidenschaftlichsten Bewegungen und sie brummte immer auf eine verdrießliche Weise. Da ging der König, geschwinder als er sonst gethan hätte weg, und sagte laut, um mir Muth zu machen, daß er aus Italien den vollkommensten Mann gezogen habe, der jemals zu solchen Künsten gebohren worden sey.

Ich ließ den Jupiter daselbst und da ich Morgens weggehen wollte, ließ er mir tausend Goldgülden auszahlen, zum Theil war es meine Besoldung, zum Theil Rechnung, weil ich von dem Meinigen ausgelegt hatte. Ich nahm das Geld, ging munter und vergnügt nach Paris, sogleich ergötzte ich mich in meinem Hause und ließ nach Tische meine Kleider herbeybringen, die von dem feinsten Pelzwerk waren, so wie von dem feinsten Tuche, davon macht eich allen meinen Arbeitern ein Geschenk, indem ich jedem nach seinem Verdienste gab, sogar den Mägden und den Stallburschen und sprach ihnen allen Muth ein, mir mit gutem Willen zu helfen. Ich arbeitete nun auch wieder mit vollkommener Lebhaftigkeit, und hatte zum Entzweck, mit grossen Nachdenken und aller Sorgfalt, die Statue des Mars zu endigen, deren Modell ich von Holz und mit Eisen wohl befestigt gemacht hatte. Der Überzug war eine Kruste von Gyps, ohngefähr ein Achttheil einer Elle stark und fleissig gearbeitet, dann hatte ich veranstaltet, gedachte Figur in vielen Stücken auszuarbeiten, und sie zuletzt mit Schwalbenschwänzen zu verbinden, wie es die Kunst fodert, und wie ich sehr leicht thun konnte.

Nun will ich doch auch an diesem Orte ein Abentheuer erzählen, das bey Gelegenheit dieses grossen Werkes vorfiel, und das wirklich lachenswerth ist. Ich hatte allen, die in meinen Diensten waren, verboten, daß sie mir keine Mädchen ins Kastell bringen sollten, und ich war zugleich sehr wachsam, daß es nicht geschähe. Nun war Askanio in ein ausserordentlich schönes Mädchen verliebt und sie in ihn, sie floh deshalb von ihrer Mutter und kam eines Nachts, um Askanio aufzusuchen, wollte aber nicht wieder weg, und er wußte nicht, wohin er sie verbergen sollte. Zuletzt als ein erfinderischer Kopf versteckte er sie in die Figur des Mars und richtete ihr im Kopfe des Bildnisses eine Schlafstelle zu, wo sie sich lange aufhielt und des Nachts manchmal von ihm ganz stille abgeholt wurde. Nun war der Kopf beynahe vollendet, und ich ließ ihn aus einiger Eitelkeit aufgedeckt, so daß ihn wegen der Höhe, worauf er stand, ein grosser Theil von Paris sehen konnte. Nun stiegen die Nachbarn auf die Dächer und auf die Art sahen ihn viele Menschen, und da man in Paris sich mit der Meinung trug, daß von Alters her in meinem Schloß ein Geist umgehe, den sie Bovo hiessen, ob ich gleich niemals das geringste davon gespürt habe; so erhielt das Mährchen durch diesen Zufall eine neue Kraft, denn das Mädchen, die im Kopfe wohnte, mußte sich doch manchmal regen und weil die Augen sehr groß waren, so konnte man die Bewegung von etwas Lebendigem gar wohl bemerken, daher sagte das dumme Volk, der Geist sey schon in die Figur gefahren und bewege ihr Augen und Mund, als wenn sie reden wolle, selbst einige klügere Zuschauer hatten die Sache genau betrachtet, konnten das Leuchten der Augen nicht begreifen, und versicherten, es müßte ein Geist darhinter stecken, sie wußten aber nicht, daß wirklich ein guter Geist darinn war, und ein guter Leib dazu.

Indessen befleissigte ich mich mein schönes Thor aus allen den schon beschriebenen Theilen zusammenzustellen, und überlasse den Chronikenschreibern dasjenige zu erzählen, was im allgemeinen damals vorging, da der Kaiser mit seinem grossen Heere angezogen kam und der König sich mit aller Macht bewaffnete. In der Zeit verlangte er meinen Rath, wie er Paris aufs geschwindeste befestigen könnte? Er kam eigends deshalb in mein Haus und führte mich um die ganze Stadt, und da er vernahm, mit welcher guten Einsicht ich von einer so schnellen Befestigung sprach, gab er mir ausdrücklichen Auftrag, das, was ich gesagt hatte, auf das schnellste zu vollbringen. Er gebot seinem Admiral, jedermann zu befehlen, daß man mir, bey seiner Ungnade, in allem gehorchen sollte. Der Admiral, der durch die Gunst der Madam D’Estampes und nicht durch sein Verdienst zu dieser Stelle gelangt war, hatte wenig Kopf, und hieß eigentlich Herr Hannibal, die Franzosen sprechen aber den Nahmen anders aus, so daß er in ihrer Sprache fast klingt, als wollte man Esel und Ochs sagen, wie sie ihn denn auch gewöhnlich nannten. Diese Bestie erzählte Madam D’Estampes alles, da befahl sie ihm, er solle eilig den Hieronimus Belarmato rufen lasen, dieser war ein Ingenieur von Siena und wohnte etwas mehr als eine Tagereise von Paris. Er kam sogleich und fing auf dem längsten Wege an die Stadt zu befestigen, daher zog ich mich aus dem Unternehmen, und wenn der Kaiser damals mit seinem Heere angeruckt wäre, so hätte er Paris mit grosser Leichtigkeit erobert. Auch sagte man, daß in dem Vertrag der damals geschlossen wurde, Madam D’Estampes, die sich mehr als jemand darein mischte, den König verrathen und blos gestellt habe; doch mag ich hiervon nicht mehr sagen, denn es gehört nicht zu meiner Sache.

Ich arbeitete immerfort an der ehernen Thüre, an dem grossen Gefässe und ein paar andern von mittlerer Gattung, die ich aus meinem eignen Silber gemacht hatte. Als die größte Gefahr vorbey war, kam der gute König nach Paris zurück, um ein wenig auszuruhen, und hatte das verwünschte Weib bey sich, die gleichsam zum Verderben der Welt gebohren war, und ich kann mir wirklich etwas darauf einbilden, daß sie sich als meine Todfeindinn bewieß. Als sie einst mit dem König über meine Angelegenheiten zu sprechen kam, sagte sie so viel Übels von mir, daß der gute Mann, um ihr gefällig zu seyn, zu schwören anfing: er wolle sich nicht weiter um mich bekümmern, als wenn er mich niemals gekannt hätte. Diese Worte sagte mir eilig ein Page des Cardinals von Ferrara, der Villa hieß, und mir versicherte: er habe sie selbst aus dem Munde des Königs vernommen. Darüber erzürnte ich mich so sehr, daß ich alle meine Eisen und Arbeiten durcheinander warf und Anstalt machte mit Gott wegzugehen. Ich suchte sogleich den König auf und kam nach der Tafel in ein Zimmer, wo Seine Majestät sich mit wenig Personen befanden, als er mich hereinkommen sah und ich die gehörige Verbeugung, die man einem König schuldig ist, gemacht hatte, nickte er mit fröhlichem Gesichte mir sogleich zu, da faßte ich wieder einige Hofnung und näherte mich langsam, weil er gewisse Arbeiten von meiner Profession besah. Als man nun eine Zeitlang darüber gesprochen hatte, fragte er, ob ich ihm zu Hause etwas schönes zu zeigen hätte und wann ich wünschte, daß er käme? Darauf versetzte ich: wann es ihm auch gefällig sey, könne ich ihm jederzeit manches vorzeigen. Darauf sagte er, ich solle nach Hause gehen, weil er gleich kommen wolle. Ich ging und erwartete den guten König, der von Madam D’Estampes erst Urlaub zu nehmen gegangen war. Sie wollte wissen, wohin er gehe? und sagte, daß sie ihn heute nicht begleiten könne, bat ihn auch, daß er aus Gefälligkeit heute nicht ohne sie ausgehen möchte. Sie mußte ein paar Mal ansetzen, um den König von seinem Vorhaben abzubringen, der denn auch diesen Tag nicht in mein Haus kam, Tags darauf kehrte ich zur selbigen Stunde zum König zurück, der denn sogleich, als er mich sah, schwur, daß er mich besuchen wolle. Da er nun aber auch diesmal nach seiner Gewohnheit von Madam D’Estampes sich zu beurlauben ging, und sie ihn mit aller ihrer Gewalt nicht abhalten konnte, sagte sie, mit ihrer giftigen Zunge, so viel Übels von mir, als man nur von einem Manne sagen könnte, der ein Todfeind dieser würdigen Krone wäre. Darauf versetzte der gute König: er wolle nur zu mir gehen, mich dergestalt auszuschelten, daß ich erschrecken sollte. Und als er ihr dieses zugesichert hatte, kam er in mein Haus, wo ich ihn in gewisse untere Zimmer führte, in welchen ich das grosse Thor zusammengesetzt hatte, worüber der König zu erstaunte, daß er die Gelegenheit nicht fand, mich auszuschelten, wie er es versprochen hatte. Doch wollte er den Augenblick nicht ganz vorbey lassen und fing an: es ist doch eine wunderbare Sache, Benvenuto! daß ihr andern, so geschickt ihr seyn, nicht einsehen wollt, daß ihr eure Talente nicht durch euch selbst zeigen könnt, sondern daß ihr euch nur groß beweist bey Gelegenheiten, die wir euch geben, daher solltet ihr ein wenig gehorsamer seyn, nicht so stolz und eigenliebig. Ich erinnere mich euch befohlen zu haben, daß ihr mir zwölf Statuen von Silber machen solltet, und das war mein ganzes Verlangen, und wolltet ihr aber noch Gefässe, Köpfe und Thore verfertigen, und ich sehe, zu meinem Verdruß, daß ihr das, was ich wünsche, hintan setzt, und nur nach eurem Willen handelt; denkt ihr aber so fortzufahren, so will ich euch zeigen, wie mein Gebrauch ist, wenn ich verlange, daß man nach meinem Willen handeln soll. Indessen sag ich euch, befolget was man euch gesagt hat, denn wenn ihr auf euren Einfällen beharren wollt, so werdet ihr mit dem Kopf gegen die Mauer rennen.

Indessen er also sprach, waren die Herren aufmerksam, und da sie sahen, daß er den Kopf schüttelte, die Augbraunen runzelte, bald mit dem einen, bald dem andern Arm bewegte, zitterten sie alle meinetwegen vor Furcht. Ich hatte mir aber vorgenommen, mir nicht im mindesten zu fürchten, und als er, nach seinem Versprechen, den Verweiß hergesagt hatte, beugte ich ein Knie zur Erde, küßte ihm das Kleid auf dem Knie und sagte: heilige Majestät, ich bejahe, daß alles wahr ist, was ihr sagt, das Einzige nur darf ich versichern, daß mein Herz beständig, Tag und Nacht, mit allen Lebensgeistern angespannt gewesen ist, Ihnen zu gehorchen und zu dienen. Sollte Ew. Majestät schienen, daß ich gegen diese meine Absicht etwas gefehlt hätte, so ist das nicht Benvenuto gewesen, sondern ein ungünstiges Geschick, das mich hat unwürdig machen wollen, dem bewundernswerthesten Prinzen zu dienen, den je die Erde gesehn hat; indessen bitte ich Sie mir zu verzeihen, denn Ew. Majestät gaben mir nur Silber zu Einer Statue, und da ich keines von mir selbst habe, konnte ich nicht mehr als diese machen. Von dem wenigen Metalle, das von gedachter Figur mir übrig blieb, verfertigte ich dieses Gefäß, um Ew. Majestät die schöne Manier der Alten zu zeigen, und vielleicht war es das erste von dieser Art, das Sie je gesehen hatten. Was das Salzfaß betrift, so scheint mir, wenn ich mich recht erinnere, daß es Ew. Majestät von selbst verlangten, bey Gelegenheit, daß Sie ein ähnliches Gefäß gesehen hätten, darauf zeigte ich auf Ihren Befehl das Modell vor, das ich schon aus Italien mitbrachte, und Sie liessen mir sogleich tausend Goldgülden zahlen, damit ich die Arbeit ungesäumt anfangen könnte. Sie waren zufrieden mit der Arbeit, und besonders erinnere ich mich, daß Sie mir dankten, als ich sie fertig überbrachte. Was das Thor betrift, scheint mir, daß Ew. Majestät deshalb gelegentlich Herrn von Villeroi, Ihrem Secretair, Befehl ertheilten, welcher denen Herrn von Marmagna und von Apa auftrug, die Arbeit bey mir zu betreiben, und mir in allem beyzustehn. Ohne diese Beyhülfe wäre ich nicht vorwärts gekommen, denn ich hätte die Französischen Erden, die ich nicht kannte, unmöglich durchprobiren können. Ferner würde ich diese grossen Köpfe nicht gegossen haben, wenn ich nicht hätte versuchen wollen, wie mir auch eine solche Arbeit gelänge? Die Piedestale habe ich gemacht, weil ich überzeugt war, daß sie nöthig seyen, um den Figuren ein Ansehen zu geben, und so habe ich in allem, was ich that, geglaubt, das beste zu thun, und mich niemals vom Willen Ew. Majestät zu entfernen. Es ist wahr, daß ich den grossen Coloß, bis zur Stufe auf der er sich befindet, ganz aus meinem Beutel gemacht habe, und ich dachte, daß ich als ein so kleiner Künstler in Diensten eines so grossen Königs zu Eurem und meinem Ruhm eine Statue machen müßte, dergleichen die Alten niemals gehabt haben. Nun aber seh ich, daß es Gott nicht gefällt, mich eines solchen Dienstes werth zu achten, und bitte Ew. Majestät, statt der ehrenvollen Belohnung, die Sie meinen Arbeiten bestimmt hatten, mir nur ein wenig Gnade zu gönnen, und mir einen gnädigen Urlaub zu ertheilen, denn ich werde sogleich, wenn Sie mir es erlauben, verreisen, und auf meiner Rückkehr nach Italien immer Gott danken für die glücklichen Stunden, die ich in Ihrem Dienste zugebracht habe.

Darauf faßte mich der König an, hub mich mit großer Anmuth auf und sagte: ich sollte mit Zufriedenheit für ihn arbeiten; was ich gemacht hätte, wäre gut und ihm angenehm. Dann wendete er sich zu den Herrn und sagte: gewiß, wenn das Paradies Thore haben sollte, so würden sie nicht schöner seyn als dieses. Da ich sah, daß er diese Worte mit Lebhaftigkeit aussprach, die ganz zu meinen Gunsten waren, dankte ich ihm aufs neue mit größter Ehrfurcht; aber weil bey mir der Verdruß noch nicht vorbey war, so wiederholte ich die Bitte um meine Entlassung. Da der König sahe, daß ich seine außerordentlichen Liebkosungen nicht zu schätzen wußte, befahl er mir mit starker und fürchterlicher Stimme: ich sollte kein Wort weiter reden, sonst würde es mich gereuen! Dann setzte er hinzu, er wolle mich in Gold ersticken, und mir Urlaub geben. Da die Arbeiten, die er befohlen, noch nicht angefangen wären, so sey er mit allem zufrieden, was ich aus eignem Triebe mache. Ich solle weiter keinen Verdruß mit ihm haben, denn er kenne mich, und ich solle mich nun auch bemühen ihn kennen zu lernen, wie es die Pflicht fodere. Ich sagte: daß ich Gott und seiner Majestät für alles dankbar sey, bat ihn darauf, er möchte kommen, die große Figur zu sehen, und wie weit ich damit gelangt sey. Ich führte ihn dahin, und, als ich sie aufdecken ließ, war er darüber aufs äuserste verwundert, und befahl einem seiner Secretaire, er sollte mir sogleich alles Geld wiedergeben, was ich von dem meinigen ausgelegt hatte, die Summe möchte seyn, welche sie wollte, genug, wenn ich sie mit meiner Hand quittirte. Dann ging er weg und sagte: Adieu mon ami! Ein Ausdruck, dessen sich sonst ein König nicht bedient.

Als er nach seinem Pallaste zurückkam, erzählte er die so wundersam demüthigen und so äuserst stolzen Worte, die ich gegen ihn gebraucht hatte, und die ihm sehr aufgefallen waren, in Gegenwart der Madam D’Estampes, und des Herrn Sanct Paul, eines großen Barons von Frankreich. Dieser hatte sonst für meinen großen Freund gelten wollen, und wirklich diesmal zeigte er es treflich auf französische Weise; den als der König sich weiltäufig über den Kardinal von Ferrara beschwerte, dem er mich in Aufsicht gegeben, der sich aber weiter nicht um mich bekümmert hatte, so daß ich beynahe durch seine Schuld aus dem Königreiche gegangen wäre, fügte S. Majestät hinzu: Er wolle mir nun wirklich einen andern Aufseher geben, der mich besser kenne, denn er möge nicht wieder in Gefahr kommen, mich zu verlieren. Darauf bot sich Herr von Sanct Paul gleich an und sagte zum König: er solle mich in seine Gewahrsam geben, und er wolle es schon so einrichten, daß ich nicht Ursache haben solle, mich aus dem Königreiche zu entfernen. Darauf versetzte der König: er sey es wohl zufrieden, wenn ihm Sanct Paul sagen wolle, wie er es einzurichten gedenke, um mich fest zu halten? Madam, die gegenwärtig war, zeigte sich äuserst verdrießlich, und Sanct Paul machte Umstände dem König seine Gedanken zu sagen; aber Seine Majestät fragte aufs neue und jener, Madam D’Estampes zu gefallen, versetzte: ich würde ihn aufhängen lassen, und auf die Weise könntet ihr ihn nicht aus dem Königreiche verlieren. Darauf erhub Madam D’Estampes ein großes Gelächter und sagte, das verdiene ich wohl. Darauf lachte der König zur Gesellschaft mit, und sagte, er sey wohl zufrieden, daß St. Paul mich aufhängen lasse, wenn er ihm nur erst einen andern meines gleichen schaffte, und ob ich es gleich nicht verdient habe, so gebe er ihm doch unter dieser Bedingung die völlige Erlaubniß. Auf diese Weise ging der Tag vorbey, und ich blieb frisch und gesund, dafür Gott gelobt und geprießen sey.

In dieser Zeit hatte der König den Krieg mit dem Kayser gestillt, aber nicht den mit den Engelländern, so daß uns diese Teufel gewaltig zu schaffen machten. Nun hatte der König ganz was anders als Vergnügen im Kopfe, und befahl Peter Strozzi, er solle einige Galeeren in die englischen Meere führen, das eine große und schwere Sache war. Dieser Herr war als Soldat einzig in seiner Zeit und auch eben so einzig unglücklich. Nun waren verschiedene Monate vergangen, daß ich weder Geld erhalten hatte, noch Befehl zu arbeiten, so daß ich alle meine Gesellen fortschickte, außer den zwey Italiänern, die ich an den beyden Gefäßen von meinem Silber arbeiten ließ, denn sie verstunden sich nicht auf die Arbeit in Erz. Als sie die Gefäße geendigt hatten, ging ich damit nach einer Stadt, die der Königin von Navarra gehörte, sie hieß Argentana, und liegt viele Tagereisen von Paris. Als ich daselbst ankam, fand ich den König krank, und als der Cardinal von Ferrara zu ihm sagte, daß ich angekommen sey, antwortete der König nichts, daher mußte ich viele Tage an gedachtem Orte mit vieler Beschwerlichkeit aushalten, und gewiss ich bin nicht leicht verdrießlicher gewesen. Doch ließ ich mich endlich einmal des Abends vor dem König sehen, und zeigte ihm die beyden Gefäße, die ihm außerordentlich gefielen. Als ich ihn so wohl aufgelegt sah, bat ich ihn, er möchte so gnädig seyn und mir einen Spatzierritt nach Italien erlauben, ich wollte sieben Monate Besoldung, die ich noch zu erheben hätte, zurücklassen, die mir seine Majestät, wenn ich zurückkehrte, möchten bezahlen lassen. Ich bäte um diese Gnade, weil es jetzt Zeit zu kriegen und nicht zu bildhauen sey, auch habe seine Majestät Bologna dem Mahler ein gleiches erlaubt, und ich bäte nur mir dieselbe Gnade zu erzeigen. Indessen ich diese Worte sprach, betrachtete der König mit der größten Aufmerksamkeit die beyden Gefäße, und traf mich manchmal mit einem seiner fürchterlichen Blicke; ich aber fuhr fort ihn zu bitten, so gut ich wußte und konnte. Auf einmal sah ich ihn erzürnt, er stand auf und sagte mir auf Italiänisch: Benvenuto! ihr seyd ein großer Thor! bringt diese Gefäße nach Paris, denn ich will sie verguldet haben. Weiter erhielt ich keine Antwort und er ging weg. Ich näherte mich dem Cardinal von Ferrara und bat ihn, da er mir so viel gutes erzeigt habe, indem er mich aus den Kerkern von Rom befreyet, und mich so viele andere Wohlthaten genießen lassen; so möchte er mir auch dazu verhelfen, daß ich nach Italien gehen könnte. Der Cardinal versicherte, daß er alles in der Welt thun wollte, um mir gefällig zu seyn, ich sollte ihm nur die Sorge überlassen, und könne nur ganz frey hingehen, er wolle schon die Sache mit dem König ausmachen. Darauf versetzte ich, da seine Majestät ihm die Aufsicht über mich anvertraut habe; so würde ich verreisen, sobald er mir Urlaub gäbe, jedoch auf den geringsten Wink seiner Hochwürden wiederkommen. Der Cardinal sagte darauf, ich solle nur nach Paris gehen, und daselbst acht Tage blieben, in der Zeit hoffe er Urlaub vom König zu erhalten. Wäre seine Majestät es ja nicht zufrieden, so wolle er mich gleich davon benachrichtigen, wenn er aber weiter nichts schriebe, so könnte ich nur frey meines Weges gehen.

Auf diese Worte des Kardinals ging ich nach Paris, und ließ zwey tüchtige Kasten zu meinen silbernen Gefäßen machen. Als nun zwanzig Tage vorbey waren, machte ich Anstalt und lud die beyden Gefäße auf ein Maulthier, das mir bis Lion der Bischoff von Pavia borgte, dem ich aufs neue die Wohnung in meinem Kastell gegeben hatte, und so machte ich mich auf mit Herrn Hippolitus Gonzaga, der in dem Dienste des Königs stund und zugleich vom Grafen Galeotto von Mirandola unterhalten wurde. In der Gesellschaft waren noch einige Edelleute des Grafen und Leonard Tedaldi, ein Florentiner. Ich überließ meinen Gesellen die Sorge für mein Kastell und alle meine Sachen, worunter sich einige Gefäße bestanden, welche sie endigen sollten. Auch meine Mobilien waren von großem Werthe, denn ich hatte mich sehr ehrenvoll eingerichtet, was ich zurückließ mochte wohl fünfzehnhundert Scudi werth seyn. Da sagte ich zu Askanio, er solle sich erinnern, wie viel Wohlthaten er von mir erhalten habe, bis jetzt sey er ein Knabe ohne Kopf gewesen, es sey nun Zeit sich als ein Mann zu zeigen, ich wolle ihm alle meine Sachen in Verwahrung geben, und meine Ehre zugleich, und wenn die Bestien, die Franzosen, sich nur irgend etwas gegen mich vermessen sollten, so hätte er mir gleich Nachricht zu geben, denn ich möchte seyn, wo ich wollte, so würde ich mit Post auf der Stelle zurückkommen, sowohl wegen der großen Verbindlichkeit gegen den König, als wegen meiner eignen Ehre.

Askanio sagte darauf, unter verstellten, schelmischen Thränen: Ich kannte nie einen bessern Vater, als euch, und alles, was ein guter Sohn thun soll, will ich immer gegen euch thun. So wurden wir einig, und ich verreiste mit einem Diener und einem kleinen französischen Knaben. Nach Verlauf eines halben Tages kamen einige Schatzmeister auf mein Schloß, die nicht eben meine Freunde waren, und dieses nichtswürdige Volk sagte sogleich zu Herrn Guido und dem Bischoff von Pavia, sie sollten schnell nach den Gefäßen des Königs schicken, wo nicht, so würden sie es selbst thun, und mir nicht wenig Verdruß machen. Der Bischoff und Herr Guido hatten mehr Furcht als nöthig war, und schickten mir den Verräther Askanio mit der Post nach, der gegen Mitternacht ankam. Ich schlief nicht, sondern lag in traurigen Gedanken. Wem lasse ich, sagte ich zu mir selbst, meine Sachen und mein Kastell? o! welch ein Geschick ist das, das mich zu dieser Reise zwingt! Wahrscheinlich ist der Cardinal mit Madam D’Estampes einverstanden, die nichts mehr wünscht, als daß ich die Gnade des guten Königs verliere. Indessen ich so mit mir selbst uneins war, hörte ich die Stimme des Askanio, stand sogleich vom Bett auf und fragte ihn, ob er gute oder traurige Nachrichten bringe? Gute Nachrichten! sagte der Schelm, nur müßt ihr die Gefäße zurückschicken, denn die schelmischen Schatzmeister schreyen und laufen, so daß der Bischoff und Herr Guido euch sagen lassen, ihre möchtet die Gefäße auf alle Weise zurückschicken. Übrigens habt keine Sorge und genießt glücklich diese Reise. Sogleich gab ich ihm die Gefäße zurück, die ich mit anderm Silber, und was ich sonst bey mir hatte, in die Abtey des Cardinals zu Lion bringen wollte. Denn ob sie mir gleich nachsagten, es sey meine Absicht gewesen, sie nach Italien zu schaffen, so weiß doch jeder, daß man weder Geld noch Gold und Silber, ohne ausdrückliche Erlaubniß aus dem Reiche führen kann; wie hätte ich zwey solche Gefäße, die mit ihren Kisten ein Maulthier einnahmen, unbemerkt durchdringen wollen? Wahr ist’s, sie waren schön, und von großem Werthe, und ich vermuthete mir den Tod des Königs, den ich sehr krank zurückgelassen hatte, und ich glaubte bey einem solchen Ereigniß nichts verlieren zu können, was in den Händen des Kardinals wäre.

Genug ich schickte das Maulthier, mit den Gefäßen und andern bedeutenden Dingen zurück, und setzt den andern Morgen mit gedachter Gesellschaft meinen Weg fort, und zwar unter beständigen Seufzen und Weinen. Doch stärkte ich mich einigemal mit Gebet und sagte: Gott! dir ist die Wahrheit bekannt, und du weißt, daß meine Reise allein zur Absicht hat, sechs armen unglücklichen Jungfrauen ein Almosen zu bringen, so auch ihrer Mutter meiner leiblichen Schwester, zwar haben sie noch ihren Vater, er ist aber so alt, und verdient nichts in seiner Kunst, und so könnten sie leicht auf üble Wege gerathen. Da ich nun dieses gute Werk thue, so hoffe ich Rath und Hülfe von deiner göttlichen Majestät. Auf diese Weise stärkte und tröstete ich mich, indem ich vorwärts ging.

Als wir uns etwa eine Tagereise von Lion befanden, es war etwa zwey Stunden vor Sonnenuntergang, that es, bey ganz klarem Himmel, einige trockne Donnerschläge, ich war ohngefähr einen Schuß einer Armbrust weit vor meinen Gesellen hergeritten, nach den Donnern machte es am Himmel einen so grossen und fürchterlichen Lärm, daß ich dachte, das jüngste Gericht sey nahe, als ich ein wenig stille hielt, fielen Schloßen, ohne ein Tropfen Wasser, ohngefähr in der Größe der Bohnen, die mir sehr wehe thaten, als sie auf mich fielen. Nach und nach wurden sie größer wie Armbrustkugeln, und da mein Pferd sehr scheu ward, so wendete ich es um, und ritt mit großer Hast, bis ich wieder zu meiner Gesellschaft kam, die um sich zu schützen in einem Fichtenwalde gehalten hatte. Die Schloßen wurden immer größer, und endlich wie dicke Zitronen. Ich sang ein Miserere, und indessen ich mich andächtig zu Gott wendete, schlug der Hagel einen sehr starken Ast der Fichte herunter, wo ich mich in Sicherheit glaubte. Mein Pferd wurde auf den Kopf getroffen, so daß es beynah zur Erde gefallen wäre, mich streifte ein solches Stück und hätte mich todtgeschlagen, wenn es mich völlig getroffen hätte. Auch der gute Leonard Tedaldi empfing einen Schlag, so daß er, wie ich auf den Knien lag, vor sich hin mit den Händen auf die Erde fiel. Da begriff ich wohl, daß der Ast weder mich noch andere mehr beschützen könne, und daß nebst dem Miserere man auch thätig seyn müsse. Ich fing daher an, mir die Kleider über den Kopf zu ziehn, und sagte zu Leonarden, der immer nur Jesus! Jesus! schrie: Gott werde ihm helfen, wenn er sich selbst hälfe, und ich hatte mehr Noth ihn, als mich zu retten.

Als das Wetter eine Zeitlang gedauert hatte, hörte es auf, und wir, die wir alle zerstoßen waren, setzten uns so gut es gehen wollte, zu Pferde, und als wir nach unsern Quartieren ritten, und einander die Wunden und Beulen zeigten, fanden wir, eine Meile vorwärts, ein viel größeres Unheil, als das was wir erdultet hatten, so daß es unmöglich scheint, es zu beschrieben. Denn alle Bäume waren zerschmettert, alle Thiere erschlagen, so viel es nur angetroffen hatte. Auch Schäfer waren todt geblieben, und wir fanden genug solches Hagels, den man nicht mit zwey Händen umspannt hätte. Da sahen wir, wie wohlfeil wir noch davon gekommen waren, und daß unser Gebet und unsere Miserere wirksamer gewesen war, als alles was wir zu unserer Rettung hätten thun können; so dankten wir Gott und kamen nach Lion. Nachdem wir uns daselbst acht Tage ausgeruht und sehr vergnügt hatten, reisten wir weiter, und kamen glücklich über die Berge, daselbst kaufte ich ein Pferd, weil die meinigen von dem Gepäcke gedrückt waren.

Nachdem wir uns eine Tagereise in Italien befanden, holte uns Graf Galeotto von Mirandola ein, der mit Post vorbey fuhr, und da er bey uns stille hielt, mir sagte: ich habe unrecht gehabt, wegzugehen, ich solle nun nicht weiter reisen, denn wenn ich schnell zurückkehrte, würden meine Sachen besser stehen als jemals, bliebe ich aber länger weg, so gäbe ich meinen Feinden freyes Feld, und alle Gelegenheit mir Übels zu thun, käme ich aber sogleich wieder, so würde ich ihnen den Weg verrennen, den sie zu meinem Schaden einschlagen wollten; diejenigen, auf die ich das gröste Vertrauen setzte, seyen eben die, die mich betrögen. Weiter wollte er mir nichts sage, ob er gleich sehr gut wußte, daß der Cardinal von Ferrara mit den beyden Schelmen eins war, denen ich meine Sachen in Verwahrung gegeben hatte; doch bestand er darauf, daß ich auf alle Weise wieder zurückkehren sollte. Dann fuhr er weiter, und ich gedachte demohngeachtet mit meiner Gesellschaft vorwärts zu gehen. Ich fühlte bey mir aber eine solche Beklemmung des Herzens, und wünschte entweder schnell nach Florenz zu kommen, oder nach Frankreich zurückzukehren, und weil ich diese Unschlüssigkeit nicht länger ertragen konnte, wollte ich Post nehmen, um nur desto geschwinder in Florenz zu seyn. Auf der ersten Station ward ich nicht einig, doch nahm ich mir fest vor, nach Florenz zu gehen, und dort das Übel abzuwarten. Ich verließ die Gesellschaft des Herrn Hippolito Gonzaga, der seinen Weg nach Mirandola genommen hatte, und wandte mich auf Parma und Piazenza.

Als ich an den letzten Ort kam, begegnete ich auf einer Straße dem Herzog Peter Ludwig Farnese, der mich scharf ansah und erkannte, und da ich wohl wußte, daß er allein Schuld an dem Übel war, das ich am Kastel Sanct Angelo zu Rom ausgestanden hatte, fühlte ich eine gewaltige Bewegung als ich ihn sah; da ich aber kein ander Mittel wußte, ihm aus den Händen zu kommen, so entschloß ich mich, ihn zu besuchen, und kam eben als man das Essen weggenommen hatte, und die Personen aus dem Hause Landi bey ihm waren, die ihn nachher umbrachten.

Da ich zu seiner Excellenz kam, machte mir der Mann die unmäßigsten Liebkosungen, die sich nur denken lassen, und kam von selbst auf den Umstand, indem er zu denen sagte, die gegenwärtig waren, ich habe lange Zeit in Rom gefangen gesessen. Darauf wendete er sich zu mir und sagte: mein Benvenuto, das Übel, das euch begegnet ist, thut mir sehr leid, ich wußte, daß ihr unschuldig war’t, aber ich konnte euch nicht helfen, denn mein Vater that es einigen eurer Feinde zu gefallen, die ihm zu verstehen gaben, als wenn ihr übel von ihm gesprochen hättet. Ich weiß es ganz gewiss, daß man die Unwahrheit von euch sagte, und mir thut euer Unglück äuserst leid. Er wiederholte mit andern Ausdrücken eben diese Erklärung sehr oft, und es sah fast aus, als wenn er mich um Verzeihung bäte. Dann fragte er nach allen Werken, die ich für den allerchristlichsten König gemacht hatte, hörte meiner Erzählung aufmerksam zu, und war überhaupt so gefällig, als nur möglich. Sodann fragte er mich, ob ich ihm dienen wolle? Ich antwortete ihm: daß ich nicht mit Ehren die großen Werke, die ich vor den König angefangen hätte, könnte unvollendet lassen, wären sie aber fertig, so würde ich jeden großen Herrn verlassen nur um seiner Exzellenz zu dienen.

Nun erkennt man wohl bey dieser Gelegenheit, daß die große Kraft Gottes jene Menschen niemals ungestraft läßt, welche, stark und mächtig, die Unschuldigen ungerecht behandeln. Dieser Mann bat mich gleichsam um Verzeihung, in Gegenwart von denen, die mich kurz darauf, so wie viele andere, die von ihm gelitten hatten, auf das vollkommenste rächten. Und so mag kein Herr, so groß er auch sey, über die Gerechtigkeit Gottes spotten, wie einige thun, die ich kenne, und die mich so schändlich verletzt haben, wie ich an seinem Orte sagen werde. Alles dieses schriebe ich nicht aus weltlicher Eitelkeit, sondern um Gott zu danken, der mich aus so großen Nöthen erlößt hat. Auch bey allem, was mir täglich übels begegnet, beklage ich mich gegen ihn, rufe zu ihm als zu meinem Beschützer, und empfehle mich ihm. Ich helfe mir selbst, so viel ich kann, wenn man mich aber zu sehr unterdrücken will, und meine schwachen Kräfte nicht mehr hinreichen, zeigt sich sogleich die große Kraft Gottes, welche unerwartet diejenigen überfällt, die andere unrechtmäßig verletzen, und das große und ehrenvolle Amt, das ihnen Gott gegeben hat, mit weniger Sorgfalt verwalten.

Ich kehrte zum Wirthshause zurück, und fand, daß gedachter Herzog mir schöne und ehrenvolle Geschenke an Essen und Trinken gesandt hatte, ich genoß die Speisen mit Vergnügen, dann setzte ich mich zu Pferde und ritt nach Florenz zu. Als ich daselbst anlangte, fand ich meine Schwester mit sechs Töchtern, die älteste mannbar, und die jüngste noch bey der Amme. Ich fand auch meinen Schwager, der wegen den verschiedenen Vorfällen der Stadt nicht mehr an seiner Kunst arbeitete. Mehr als ein Jahr vorher hatte ich ihnen Edelsteine und französische Kleinode für mehr als zweytausend Dukaten an werth geschickt, und ich hatte ohngefähr für tausend Scudi mitgebracht. Da fand ich denn, daß ob ich ihnen gleich vier Goldgülden des Monats gab, sie noch großes Geld aus meinen Geschenken nahmen, die sie täglich verkauften. Mein Schwager war so ein rechtschaffner Mann, daß, da das Geld, das ich ihm zu seinem Unterhalt schickte, nicht hinreichte, er lieber alles versetzte, und sich von den Interessen aufzehren ließ, als daß er das angegriffen hätte, was nicht für ihn bestimmt war, daran erkannt eich den rechtschaffenen Mann, und ich fühlte ein großes Verlangen, ihm mehr gutes zu thun. Auch nahm ich mir vor, ehe ich aus Florenz ging, für alle seine Töchter zu sorgen.

(Die Fortsezung folgt.)

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