HomeDie Horen1797 - Stück 10IV. Herrn Gadso Coopmanns Varis. [Autor: G. Coopmans]

IV. Herrn Gadso Coopmanns Varis. [Autor: G. Coopmans]

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Aus dem Lateinischen übersezt.

Welche Ursach’ dem Menschengeschlecht die schrekliche Seuche,
Welcher Dinge Verkettung die scheußlich verheerende Krankheit,
Die nicht kannten der Vorzeit Jahrhunderte, habe erzeuget;
Welche Cur verscheuche das Uibel; und wer der Erfinder,
Heischet zu singen die Muse, Apollo begeistert die Arbeit.
Weigerte doch der Gott nicht ehedem seine Hilfe,
Wenn er wünschte Gesang zum Trost für Menschenbedrängniß.
Ja, so wird es vielleicht noch Enkel der Enkel vergnügen,
Sich der verderblichen Seuche, die uns jezt quält, zu erinnern,
Wenn beym Wechsel des Klima, im kreisenden Laufe der Zeiten,
Reiner, milder die Luft einhaucht der Erde Gefilde,
Und das spätre Jahrhundert den Namen der Seuche vertilget.
Wer du zugegen hier bist, sey günstiger Hörer dem Sänger,
Wenn er anzuschmiegen versucht den Tönen der Leyer
Das Geschäft des Arztes, der grausen Seuche Beschreibung.
Du aber, die du des Himmels Bewegungen und die Gestirne,
Kundig des Schiksals, spähst, des Olympos erhabene Burge,
Himmlische Muse, erzähl uns den Ursprung die Keime der Seuche,
Die uns unbekannt war, und heuriger Zeiten die Lüfte,
Wo sie wehen, vergiftet, wo unter den keichenden Rossen
Phöbos schwitzet die Erde, und wo sie Riphäischer Reif dekt;
Welches Mittel dagegen der Ärzte Schlauheit ersonnen,
Welche Hilfe, gehorsam der Gottheit, Erfahrung gewiesen.
Als Saturn das Heft der Weltregierung einst führte,
Rollte das goldene Säklum, von Griechischen Meistern besungen.
Reizende Treue und männliche Tugend und Bravheit des Herzens
Edles Feuer für Recht ertheilten damals Geseze,
Und verstanden sie tief in gelehrige Busen zu äzen.
Noch verscheuchte nicht Luxus, gehäufter Schäze Verheerer,
Noch nicht blinde Wollust und neidische Sorge den Nachttraum;
Noch nicht hatte Scheelsucht gefräßig und tödtende Feindschaft
Menschenherzen zerfleischet. Das glükliche Völkchen der Menschen
Führte makellos in ruhiger Stille sein Leben.
Keine Runzel durchfurchte die Stirn, kein silbernes Haupthaar
Kroch an den Schläfen hernieder; kein Kräfte zermalmendes Alter
Zeichnete noch die Jugend des Helden, die männliche Bildung.
Krankheit war noch nicht, noch keine herrschende Seuche,
Für verderbtere Zeiten behalten, führte der Luftraum.
Keine Keime von Pestverbreitenden Übeln durchschwommen
Jenes lichte von Zephyrn durchlauschte Gewölbe des Himmels.
Das war des bessern Alters und seligern Menschengeschlechtes,
Werth von Göttern beherrscht zu werden, glüklicher Zustand.
Offen lagen vor Augen die milden Geschenke der Götter,
Menschen bestimmt, der Natur, der grossen Schöpferinn, Gaben
Ausgespendet der Erde, ihr ganzer lachender Anblik.
Siehe, da lokten die Wonne des unverderbten Geschlechtes,
Örter mächtigern Zaubers noch als Thessaliens Sträucher,
Werk der schönen Natur, den Göttern geheiligte Pläze,
Schaaren von Satyrn herbei, von Waldbeherrschenden Göttern,
Von Sylvanen und Faunen und ländlichen Göttern und Nymphen.
Und wie allen Eine Gestalt war, Ein göttlicher Ursprung:
So beseelte auch Götter und Menschen Ein Liebesgefühl nur.
Jünglingen glühten Nymphen, für Mädchen dagegen die Faunen;
Lachende Tage des Zaubers durchkost man in Liebe und Scherzen.
Nymphen führen gemischt mit Göttern oft fröhliche Reihen,
Oder erheben des Himmels Bewohner in hehren Gesängen.
Öfters sah man Schaaren von Jünglingen Hände in Händen
Singen in Reih’n und oft gemischt unter zärtliche Mädchen
Rühren die Leyer, und dann sich lagern im wallenden Grase.
Aber nicht lange währte dies herrliche Loos ungestöret
Unserm seligen Völkchen, und Unglük droht das Geschik ihm.
So groß ist der Unbestand in den Dingen der Menschen,
Daß Ein Tag das Werk oft von langen Jahrhunderten aufreibt!
Was der Welt zuwegegebracht das tödtliche Übel,
Was der Ursprung war der neu verhängeten Seuche,
Will ich nun erzählen und was verschmähte Gestalt kann.
Unter der edlen Jugend von Aller Liebe verfolget,
Welche Asiens Boden erzeugt, die Nabathäischen Staaten
Nährten, befand sich ein Schäfer vor allen andern der Schönste.
Für ihn, ausgeschmükt und Frühlingsblüthe der Jugend,
Glühten liebliche Nymphen und schöngegürtete Mädchen:
Amaryllis hatte allein den Jüngling gefesselt;
Festgeschlungene Liebe, in frühern Jahren geknüpfet,
Hatte Amaryllis und Lycidas Beide verbunden.
Unter den Chören der Nymphen befand sich damals auch Varis,
Halb nur Nymphe, die Mutter entweihte, so hieß es, das Eh’bett,
Und gebahr sie unreif, dazu unter widrigen Zeichen.
Diese nahm ins Auge den Jüngling, wie er herumstreift
Durch die Wiesen und treibt schneeweisse Schafe und Ziegen,
Oder trillert ein Liedchen der ländlichen Schöne zu Ehren.
Sie entglüht, ihr Busen fängt still verzehrende Flammen,
Und in Kurzem zernagt die Gluth das Mark der Gebeine.
Varis so oft sie den Jüngling erblikt mit grünendem Ibitsch
Weiden die Heerde, oder zusammenholen die Ziegen,
Wenn sie wild durch den Wald sich verstreun, verfolgt die den Jüngling,
Jungfraun ziemender Schaam vergessend, und sucht zu entflammen
Seine Gluth, indem sie zu reden also beginnet:
„Lycidas, oh, mir theurer als diese mir theuern zwei Augen,
„Warum, ach du Geliebter, verziehst du mir Liebe zu gönnen?
„Gluth für dich zerquält mich, ich schäme mich nicht, es zu sagen,
„Schöner Jüngling, verziehe nicht länger, und reich’ mir die Rechte.
„Schönheit ward mir verliehn, zu gefallen, von Mädchen beneidet,
„Oft der Seufzer von Göttern und Menschen würdig gefunden.
„Auch führt Hymens Herze dich nicht zum verächtlichen Brautbett.
„Denn ein Gott ist mein Vater und Königsblutes die Mutter,
„Ewiges Licht harrt meiner und keinen Parzen gehorch’ ich.
Also redet kosend die Nymphe an den Geliebten.
Amaryllis, aber von deiner Liebe bezaubert
Steht dein Lycidas, wie der Fels im Meere den Schlägen
Tobender Wogen unerschütterlich trozt, den Gefahren,
Und verschmäht den Reiz der dargebotenen Freuden.
Als nun lange genug sich Varis getäuscht sieht und merket,
Daß mit eiteler Hoffnung der sehnende Busen sich speiset,
Seufzet tief hervor aus schweigendem Herzen die Arme,
Und bricht endlich die Miene des Zorns durch folgende Worte:
„So kannst du verschmähen, Barbar, die Liebe der Nymphe
„Ungestraft geschehe das nicht, ha! büsse den Steifsinn!
Kein Verzug, zum Tartarus strekt sie wüthend die Arme:
„Leb’ er denn, leb’ er denn, schreyt sie, der Frevler, aber es sterbe
„Hin seine Schönheit, er fühl’ es, verschmähet zu haben mich, Göttinn.
Hört’s Rhamnusia, und es durchzittert Schauder den Jüngling.
Neu bricht an das Licht nun, da des goldenen Alters
Jugend jährlich Opfer bereitet, beim fliehenden Steinbok,
Den erhabenen Göttern. Schon tragen Nymphen in Körben
Reiche Gaben des Frühlings, Violen und Rosen;
Schon erheben Chöre von Jünglingen, schon, die Lust Aller,
Mädchen mit Lachen und süssem Getändel die Auen durchhüfend,
Der Allerseligen Lob und hoch erhabene Thaten,
Als das melodische Lied regierend, führend die Chöre,
Unter den Jauchzenden auftanzt Lycidas, schöner als jemals,
Aber auf einmal schreyt: Ich Armer! blind wüthende Schmerzen
Seine Glieder verzehren. Die Chöre stehen und starren
An den Schreyenden. Nie empfundener Schauder ergreift ihn,
Und ein plözliches Beben durchzittert ihm Mark und Gebeine.
Traurig verläßt er die Opfer der Götter, verläßt die Genossen,
Sucht, von schleichender Starrsucht bedrükt, die häußliche Wohnung.
wie er aber an Geiste erschlafft und träge am Körper
Sucht gehoffte Ruh’, sucht süß erquikenden Schlummer:
So flieht sanfte Ruh’, das Licht der Augen trotz Morpheus,
Oder, besiegt der Schlaf zu Zeiten das winkende Auge,
So wird aufgeschrekt durch Spukphantome der Arme.
Keine Ceres vergnügt ihn, keine Gaben Lyäus,
Einst so angenehm ihm; der Magen empöret sich weigernd.
Aufgedunsen schreket das Antliz, die Zunge verlieret
Ihre Feuchtigkeit? Durst dörrt aus den trokenen Gaumen;
Weit umher verbreitet der Hauch hin häßliche Dünste;
Ekel erfolgt der Mund verwirkt genommene Speisen.
Unaufhörlich zerfoltern nun nagende Schmerzen die Glieder;
Reissende Fiebergluth zerfleischt ihm quälend das Innre;
Ungewöhnlicher glänzt das Aug’ ihm, die innere Hize
Zeigt eine Röthe ihm ah, wie wenn das heilige Feuer
Uns die Glieder ergreift; Angst ist im Gefolge der Übel.
Endlich fangen nach und nach an Zeichen des Übels
Sichtbarlich hervor aus allen Gliedern zu brechen.
Denn so bald sich legt der Schmerz, das schrekliche Fieber,
Und von eiteler Hoffnung getäuscht der Arme schon Trost sieht,
Wird der ganze Leib mit Fleken gleichsam besäet,
Wie wenn etwa der Floh mit beissigem Zahne die Haut nekt,
Und das dünne Gewebe, ohne zu schaden, verwundet.
Lange währt es nicht, so hebt sich die Menge der Fleken,
Und es zeigt sich eingedrükt in der Mitte ein Pötchen.
Diese angefüllt mit garstigem, schmuzigen Eiter
Schwellen an wie strozen auf sonnigten Hügeln die Trauben.
Heftig schwellen auf dem Armen so Antliz als Hände,
Und der ganze Leib starrt ihm vom scheußlichen Gifte.
Jetzt zergehn die Beulchen, und blutiger Eiter besudelt
Nun die ganze Schwärung; von Strömen schmuzigen Speichels
Trieft der Mund; und doch ist noch nicht vorhanden die Endschaft
Dieser scheußlichen Krankheit, noch nicht die Endschaft der Übel.
Denn indem sich Blut und Eiter nunmehr vermischen,
So verzehret, o des Armen! ein wüthendes Fieber
Schon zum zweiten Male die ganz entspannten Gebeine,
Oder dirngt gefrässig das Gift gar tief in das Inn’re,
Hält sich da verborgen, zernagt unmerklich die Knochen;
Und, wie schreklich! Grässlich entstellende Beulen vernichten
Jene schöne Miene, den Glanz der Augen, die Wangen.
So lag hingestrekt durch diese schrekliche Seuche
Lycidas nun, wehklagt, beschwöret winselnd die Götter,
Beide mit scheußlichen Beulen bedekte Hände gen Himmel,
Durch den Tod ihm doch die schweren Martern zu enden.
Nach und nach verkocht doch endlich die nagende Hize.
Es vertroknet die Schwärung und dörrt zu schwärzlichten Krusten.
Nun versucht zu verlassen der Arme sein schmuziges Lager,
Und das beflekte Gewand mit reiner Kleidung zu wechseln.
Aber wie ers versucht, so hindern die Rechte des Übels.
Wohin er ziehn mag, folgt das Gewand, entsezlich zu sehen!
Oder klebt am verwundeten Leibe und läßt sich nicht trennen.
Erst wie alles gedörret zersprenget die häßliche Kruste,
Und beziehn sich wie von neuem die hagern Gebeine.
Wie wenn dort die Schlange, mit bösen Kräutern gemästet,
Wechselt die Haut und gänzend in neuer Jugend hervorgeht.
Darauf geht er, es wankt sein Schritt noch, wieder ins Freye,
Ungewohnt schon der Luft. Wie ist der Schäfer verändert,
Der vor Kurzem schöner fast war als Phöbos Apollo,
Nun so scheußlich entstellt! Denn bleiche Hagerkeit schändet
Sein Gesicht, es schänden noch mehr die scheußlichen Narben,
Eingebüßt Ein Auge, die Nase von Wunden zerfressen.
Ach, just hatte Opfer des Danks die schöne Geliebte
Auf der Götter Altären gebracht für Lycidas Rettung,
Als sich plözlich ihr Schäfer, den matten Körper kaum schleppend,
Mitten im Felde ihr zeiget. Das schöne Mädchen entsezt sich,
Dreimal fährt sie zurük, beginnet wankend zu zweifeln,
Endlich muß sie in ihm den Vielgeliebten erkennen.
Schauder erregt sein Anblik; aber vom plözlichen Schreken
Schöpft die Arme nun selbst das Gift der grausen Verheerung.
Heftige Gluth betäubt zu bald das erhizte Haupt nur,
Glanz verrathen die Augen, die gelblichröthend erscheinen,
Grauser Schmerz durchwühlt die Glieder, und glühendes Fieber
Dörrt das Eingeweide; es zeigen sich sparsame Fleken;
Geisteskräfte ergehen, es schwindet die Kraft der Gebeine.
Jählings führt sie der Tod schon an des Schattenreichs Schwelle;
Denn es verschwindet die Hize und Frost durchschauert die Glieder;
keine Stärke ist übrig, herauszutreiben die Krankheit.
Vor dem Morgen dörrt schon ab die häßliche Blatter.
Troken ist anzufühlen die Haut; die edleren Theile
Reibt schon auf das Gift, verkündet das Nähern des Todes.
Kaum noch röthet Phöbos zum achten Male den Osten,
Als schon jede Brustwehr des Lebens hoffnungslos wankte.
Kraftlos, niedergebeugt erlag Amaryllis, die Arme,
Ihrem Geschik und haucht in den wehenden Äther die Seele.
Hört! es klagen die nahen Gebirge, es klagen die Ufer,
Alle Göttinnen der Haine beklagen sie, ländliche Mädchen;
Klagend beweint das herbe Geschik die männliche Jugend;
Seufzen hört man das Chor der Satyrn, seufzen die Faunen.
Varis einzig ergözt sich des herrlichen Sieges der Rache,
Einzig Varis frohlokt, von der das würgende Übel
Nach der Zeit beim Volke den Namen Varos davon trug.
Denn mit grösserer Wuth noch trifft dies Übel das Landvolk;
Und ein ganzes Volk wird Beute des scheußlichen Todes.
Muthlos schleicht ein Theil vom grausen Gifte ergriffen,
Durch das Übel erschöpft, mit siechem Körper am Stabe
Scheußlich entstellt durch Beulen seht dort im Lenze der Jugend
Jenen andern nichts mehr, als Trost den Moder erwarten.
Leichen liegen auf Leichen gethürmt; entrinnet auch Einer
Dieser Alles umher verwüstenden Pest, so entstalten
Grässliche Rechte der Seuche die schönsten Züge der Bildung.
Seit der Zeit schlich denn durch jene Leere des Himmels
Allgemach das Gift und lieh den Fluthen des Windes
Diese abscheulich Pest, die keiner Küsten nun schonet.
Doch verheert der Dämon nicht allenthalben beständig;
Sondern öfters, so wolltens die Himmlischen, läßt seine Wuth nach;
Es erneut sich der Himmel, es wehen reinere Lüfte.
Bald erschallt der Ruf der neuverwüstenden Seuche
Überall, geflügelt ist Fama, durchschauert den Erdkreis,
Nur zu bald erfüllt die Völker Trauer und Schreken.
Selbst der Heroen Geschlecht durch solche Schreken betäubet,
Flieht die Länder der Erd’, entsagt verbrüderten Menschen.
Kundig noch des Übels zu wenig, suchte man Anfangs
Lange vergeblich, und Zweifel und Schwanken entzweit die Gemüther.
Endlich wächst dem Übel zur Seite die sorgende Hilfe.
Lange Erfahrung lehrt der Kräuter Kräfte, die Heilart.
Drum erzähl’ ich weiter von nun an die Ordnung des Lebens,
Und die heilende Cur, und was die Menschen erfunden,
Durch der Götter Gnade, die Seuche in Schranken zu weisen,
Oder abzuwenden den Tod einflössenden Hauch selbst.
Weil zuerst des Körpers Natur unendlich verschieden,
So ist wohl zu bemerken, daß grössere Hoffnung zur Cur ist,
Wo sanft, weich die Haut, mit Rosenfarbe gemischt ist,
Wo aufschwellen die Adern vom rosenfarbenem Blute.
Auch erträgt das Alter der Blüthe und wallender Jugend,
Nicht zu sehr durch Liebe und Gaben des Bachus geschwächet,
Auch das sanfte Geschlecht der Krankheit Gefahren am besten.
Aber schwerer ist sie, und stärker drohen Gefahren,
Wo das Blut sich langsam bewegt, so hizig die Galle,
Wo die Kraft durch Luxus geschwächt, und dürre die Haut ist.
Aber ihr vornehmlich der himmelsgöttinn Geliebte,
Sorgsam zärtliche Mütter, in glüklich gesegneten Ehen,
Habt, wenn euch beengt das Herz die kostbare Bürde,
Zu vermeiden die Pest, ach, flieht, ach, schonet dann Euer,
Eures herrlichen Pfandes; die Seuche droht Euch Verderben.
Insbesondre ist dienlich, wenn Jemand die Krankheit verspüret,
Und gequälet werden von wüthenden Schmerzen die Glieder,
Falls der Körper reich an Lebenssafte und Blute,
Ihm die Hepatica oder die Mediana zu öffnen,
Und das durch die Seuche verdorbene Blut zu vermindern.
Uiberdies hat man zu begegnen des Körpers Verhärtung,
Und durch Säffte der Krankheit Gewalt allmählich zu brechen.
Daher sey dir vor allen Rhabarberwurzel empfohlen,
Zarte Sennesblätter, wie auch die Körner des Rhamnus,
Beyde Alöearten, die dunkelfarbne Talapa,
Oder auch der Scammonie heilsam wirkende Säffte.
Willlst du leichtere Mittel, so nimm zur Reinigung Manna,
Cassien und Tamarinden, nächst machen anderen Kräutern.
Hiermit hast du wohl zu verbinden die reichen Geschenke,
Die der Erde Schoos gebieret, gelblichen Schwefel,
Die verschiedenen Arten von Spießglas, chemisch bereitet,
Jenes zwischen Brüchen von Bergen hinfliessende Silber,
Reg’ und beweglich und reich an mannigfatigem Nuzen.
Unterdessen erfodert Diät die grösseste Sorge.
Festliche Mahle vermeide, die drükend beschweren den Magen,
Harte Keulen der Schafe und wohlbehagenden Schinken,
Fleisch mit Salze gewürzt wie auch im Rauche gedörret
Fette Enten darfst du nicht essen, noch weniger Gänse,
Keinen im knotigen Nez gefangenen Hirsch, keinen Hasen.
Mässige Kost nährt am besten, die lieblichen Kräuter des Gartens
Schmüken die Tafel am besten, die reichen lachenden Gaben,
Die aus geschwängertem Horne Autumnus Rechte uns spendet.
Sanfte Endyvien müssen nicht fehlen, auch Sellery sey da.
Er ist leicht, auch Malven sind gut, und zarte Salade,
Süsse Kirschen pflüke dir nur und liebliche Erdbeern,
Wie auch Maulbeern und die purpurfarbene Traube.
Aber vermeide des fröhlichen Weingotts schäumenden Becher,
Angenehme Gewürze, die reizen die Säffte des Lebens.
Wenig nahrhaft sey dein Getränk, wohl sey es verdünnet.
Wenn das grause Fieber darauf dein Innres durchwühlet,
Fleken zeichnen die Haut, die Blattern nun sich erheben,
Müsse Salpeter begegnen der Fäulniß, und häufiges Trinken
Dämpfen die Hize, der Trank mit Säure reichlich vermischet.
Quälen Schmerzen das Haupt und fühlt die Brust sich beenget,
So ziehn verordnete Bäder das quälende Übel nach unten;
Und bereiteter Mohnsafft ladet erquikenden Schlaf ein.
Unterdessen vermeidet der Kranke so Hize als Kälte,
Liebt nicht zu sehr das Bett, flieht übermäßige Wärme;
Hierdurch nährt sich das Übel und nimmt der Krankheit Gefahr zu.
Hat denn endlich die Wuth der Krankheit den Gipfel erstiegen,
Und bereitet Gefahr der Eiter mit Blute vermischet,
Daß das gehäufte Gift zerfressen möge das Innre:
Dann dient zu erleichtern den Leib auch Wasser zu trinken,
Und von dem flüssigen Eiter durch Säure den Körper zu säubern.
Sorgt man zulezt für Würde der Bildung, sorgt man für Schönheit,
So erwärmt man Milch, damit die Haut zu erweichen;
Oder gebraucht das Messer, so schwinden die giftigen Beulen,
Und der Eiter muß flüssig geworden vom Körper abtriefen
Und das Gift sich in die leichten Lüfte verlieren.
Oft versuchten die Menschen, hiedurch zu heben die Seuche;
Aber der Ausgang täuschte mit leerer Hoffnung die Armen:
Unbesieglich blieb und unabläßig das Übel.
Darauf soll denn einst, nach vielen Leichen der Seinen,
Jemand so um Hilfe die Götter angefleht haben:
„Götter, die ihr nach weisen Gesezen beherrschet die Erde,
„Rührt Euch meine Ehrfurcht und horcht ihr den Wünschen der Menschen,
„O, so nehmt uns die Pest, und gewährt uns von Vielen doch Einen,
„Einen nur von mehrern, den Kleinsten erflehn wir von Vielen.“
Schont, so fallen vor Euren Altären zahllose Opfer,
Dampft von Euren Altären empor Panchäischer Weihrauch.
Nicht vergeblich sind die Wünsche. Der Wolkenerreger
Hört sie, und erwiedert mit gnädigem Ausspruche also:
„Wenn der veredelte Baum dort fremde Säffte erzeuget,
„Siehst du denn nicht die Frucht verläugnen die herberen Säffte,
„Und die wilde Natur mit der neuerbuhlten vertauschen?
„Anders weicht auch nicht der Schrenkeseuche Verheerung.“
So der Gott uns schüttet zum glüklichen Zeichen das Haupthaar.
Jener froh des Gehörten, nimmt dankbar an die Bedeutung,
Und erhebt Lobpreisend mit folgenden Worten die Gottheit:
„O, was du immer erheischest, ich folge, du, mildeste Gottheit,
„Ist für die Übel der Welt die zuverlässigste Heilung.“
Und kaum röthet Aurore mit neuem Lichte den Himmel,
Als mit zitternder Hand auf beiden Armen dem Sohne
Ein paar Wündchen selber der Vater rizet, und einimpft
Jenes Gift und Eiter, mit rosigtem Blute vermenget.
Kaum hat sich das Todenthaltende Gift der Gorgone
In die zarten Adern geschlichen, zum Blut sich gemischet,
So verbirgt sichs und scheint nun nichts weiter zu drohen.
So glimmt dort im Busche, wenn Phöbos des grimmigen Löwen
Fell erwärmt, wie könnt es nicht schaden, ein dürftiges Fünkchen,
Und erregt doch bald darauf das tobendste Wüthen.
Denn kaum hat Matute den achten Schatten vertrieben,
Siehe, so wird mit Fleken gemerkt der Knabe, und sparsam
Brechen Poken hervor. Bald geht er genesen ins Freye.
Wie erstaunet der Vater doch über den Ausgang! Die Sage
Von dieser Wohlthat des Himmels, der neugeschaffenen Hilfe,
Wird in Kurzem berühmt bey allen Völkern der Erde.
Aber doch ist je zuweilen so heftig das Übel,
Daß selbst göttliche Kunst des erwünschten Zieles verfehlet.
Hier befiehlst du, o Muse, den herbesten Schmerz zu erneuren.
Angestekt war die Luft, und diese klägliche Seuche,
Tükischer als jemals sich eine den sterblichen Menschen
Aus den stygischen Fluthen erhoben, hatte schon lange
Frießlands Städte durchraset und jährlich von neuen gewüthet.
Libitine, umschwärmend die ruhigen Wiegen der Kleinen,
Hatte im schuldlosen Blute die gräßlichen Fäuste gebadet,
Und den Lebensfaden des zarten Säuglings zerrissen.
Süsse Knaben waren erblasst und reizende Mädchen,
Ein Loos hatte Alle betroffen, den Greis und den Jüngling,
Und sie fortgerafft zu des Erebus traurigen Strömen.
Zitternd brach sich die Stimme der Väter in schluchzendes Weinen,
Die die häßliche Seuche der kleinen Geliebten beraubte.
Mütter sah man umschliessen die kalten Gebeine der Söhne,
Und das entseelte Antliz der Kinder mit Thränen benezen.
Auch mir war von den Göttern ein süsses Mädel verliehen,
Einzig die Hoffnung des Hauses, alleinige Hoffnung der Meinen,
Glüklicher Ehe Geschenk, mir theurer als je eine seyn wird,
Jemals herzen wird der Arm des zärtlichen Vaters.
Lieblich hatte bey ihrer Geburt gelächelt Lucine,
Und der Grazien reizendes Chor, die milde Dione,
Hatte aus edlerem Stoff die schönen Glieder gebauet.
Durch das Schrekengewühl des menschlichen Elends betroffen,
Und durch viele gelungne Versuche beherzet, impf’ ich
Ach, ich Armer, der Vater, dem zarten Kinde das Gift ein,
Bin – nicht glüklich, das Kind, das ich der Pest zu entreissen,
Ach, der bekannten Kunst nur gar zu sicher vertraute,
Wirft die heftigste Wuth der Krankheit, mir schaudert’s zu sagen,
Ach, das liebe Kind mir auf die schaurigste Bahre.
So lagst du, die Eine von Vielen, o süssestes Mädchen,
Ach, so wollt’s der Parzen Gebot, erstarrt auf der Bahre.
Und ich, Vater, der Andre so oft dem Tode entrissen,
Sehe nun dich zum Raube ihm werden, du stöhnest und – scheidest.
Dennoch lob’ und preis’ ich die Götter, die Wohlthat des Himmels,
Über fremdes Heil erfreut, Heil wünschend dem Erdball.
Aber, Theil meines Ich, noch jüngst meine einzige Wonne,
Dir, Johanna, mein Kind, jetzt in der Himmlischen Chören,
Werd’ ich stets mit Thränen der Klage, mit klagenden Liedern,
Folgen, und stille Thränen bey deinem Rasen verweinen,
Bis der lezte der Tage auch mir die Augen verschliesset,
Und vereint unsre Asche in Einer Urne vermischet.

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