HomeDie Horen1797 - Stück 10VI. Stanzen an Amalien. [K. L. M. Müller]

VI. Stanzen an Amalien. [K. L. M. Müller]

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Bei Übersendung des Damenkalenders von Lafontaine etc. auf 1798.

Schön ist es, wenn des Geistes zarte Hülle
Ein zierliches Gewand mit Schmuk umschließt
Wenn über jedes feine Glied die stille
Gewalt der Schönheit ihren Zauber gießt
Und aus des innern Lebens reger Fülle
Der Jugend Blume frisch und duftend sprießt;
Wenn von dem Lilienweissen Angesichte
Des Lebens Morgen strahlt im Rosenlichte.

In Lust verloren steh’ ich vor dem Bilde
Dem Meisterstük der schaffenden Natur,
Voll hoher Freude fühl’ ich’s: Hier enthüllte
Am schönsten sich der ewgen Liebe Spur,
Ihn, der mit tausend Reiz die Erd’ erfüllte
Den milden Schöpfer ehr’ ich denkend nur;
Doch nie kann sich mein Herz dem Bild’ ergeben
Erblik’ ich nicht der schönen Seele Leben.

Wenn nicht Empfindung aus des Auges Bliken
Wie sanfter Sonnenschein im Frühling strahlt,
Der edlen Liebe freudiges Entzüken
Sich nicht im Lächeln ihres Mundes mahlt;
Nicht Schaam und Unschuld diese Jugend schmüken
Der Sinnen Lust das Herz mit Reu bezahlt.
Was wer denn der Menschheit schönre Triebe?
Die Schönheit rührt, der Anmuth giebt man Liebe.

Drum nimm von mir zum frohen Angedenken
Das wie dein Auge so dein Herz erfreut,
Gewählt vor tausend schimmernden Geschenken,
Dem bunten Flitterflaat der Eitelkeit,
Dies Büchlein, das verbannet aus den schränken
Der Tiefgelehrten sich dem Puztisch weiht.
Du fühlst der Grazien Huld, die unser Leben
Zum Himmel machen, jedes Blatt umschweben.

Du liesest, und der Liebe mildes Feuer
Entstrahlt des Auges sanftgesenkten Blik.
Die Wange glüht, dein Busen hebt sich freyer,
Der Sinne niedre Lust weicht fern zurük;
Wie auf der Nacht des Mondes Silberschleyer
Schwebt Himmelsglanz auf jeden Erdenglük,
Und schöner, als dein Puz beim Freudenmahle
Schmükt dich dein Geist mit seiner Hoheit Strahle.

Und nie erlischt im freudigen Gemüthe
Das Hochgefühl der längstgenoßnen Lust,
Die edlen Bilder reiner Lieb’ und Güte
Erfüllen mit der Tugend Muth die Brust
Auch da zu wandeln, wo kein Blümchen blühte
Der schönsten Herzen Neigung dir bewußt.
Die Thörin selbst, die gern mit Schönheit prahlet
Fühlt daß dein Reiz den ihren überstrahlet.

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