HomeDie Horen1797 - Stück 10VII. Lied für unsre Zeiten. [E. v. d. Recke]

VII. Lied für unsre Zeiten. [E. v. d. Recke]

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Auf diesem Erdenrund zerstreut
Lebt hie und da ein Weiser,
Der sich des kurzen Daseyns freut,
Als Bettler oder Kaiser!
Schaft er das Gute um sich her,
So wird sein Ende ihm nicht schwer.

Der Herrscher der nach Weisheit strebt,
Beglüket Millionen!
Der Arme den die Tugend hebt,
Wird froh in Hütten wohnen.
Ihm giebt ein kleiner enger Kreiß,
Den schönsten Lohn für Müh’ und Schweiß.

Des Herschers Weisheit schüzt das Land,
Bei drohenden Gefahren:
Im Herzen trägt er jeden Stand,
Wird jeden so bewahren,
Daß nie ein Stand den andern drükt;
Wer dafür sorgt, der macht beglükt!

Den weisen Arbeitsmann erfreut,
Sein Tagewerk ins Kleine.
Wann seine Sorge sich erneut,
Dann fühlt er tief das Eine.
„Des Herrschers Stand ist wahrlich schwer,
„Drum wünsch’ ich ihn mir nimmermehr!“

Doch bleibt noch ein gar weites Feld
Vom Arbeitsmann zum Kaiser!
Und auf dem Tummelplaz der Welt
Schreit die Vernunft sich heisser.
Da herrscht ein böser Geist mit Wuth,
Er giebt den Menschen schwarzes Blut.

Der Geist der Eigensucht zerreißt
Fast alle Liebesbande!
Die Herzen werden wie beeist,
Das Glük entflieht dem Lande,
Wo dieser Geist sein Wesen treibt,
Da wird der Staat gar bald entleibt.

Ihr Herrscher, traut dem Höfling nicht,
Der die Vernunft verschreiet!
Sie führt den Menschen sanft zur Pflicht,
Der ihr sein Leben weyhet.
Nur böses Herz, und schwacher Sinn,
Fliehn diese Menschentrösterinn.

Sophisterey, Despotengeist,
Das sind der Völker Plagen.
Vernunft ist’s die zurecht uns weist,
Wenn jene Menschen plagen.
Kein Epiktet, und kein Sokrat,
Zerrüttete noch je den Staat.

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