HomeDie Horen1797 - Stück 10VIII. Des Lieblingsörtchens Wiedersehn. [Sophie Mereau]

VIII. Des Lieblingsörtchens Wiedersehn. [Sophie Mereau]

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(Man sehe Schillers Musenalmanach auf 1796.)

Was wallst du, Luft, so liebend mir entgegen?
Was rührt mein Innerstes mit zarter Hand,
Und führt den Geist auf unbekannten Wegen,
In der Erinnrung stilles Schattenland?

Ich folge still dem Pfad, der sich gewunden
Durch dichte Büsche drängt dem Wäldchen zu
Bad ist das Dörfchen hinter mir verschwunden,
Und alles athmet Einsamkeit und Ruh.

Hier, wo umscherzt vom fröhlichem Gefieder
Das Bächlein tanzt, sich still die Buche hebt,
Hier sink ich froh auf weichen Rasen nieder,
Von Bildern der Vergangenheit umschwebt.

Wer schaut sie jezt mit Lust, die grüne Fülle,
Wer leiht dem fröhlichen Gesang sein Ohr?
Einsam entfaltet sich der Blume zarte Hülle,
Und unbemerkt schießt hoch die Staud’ empor.

Verlassen murmelt sanft die Wiesenquelle,
Kein fühlend Herz lauschte ihr mit zartem Sinn,
Und ungesehen taucht sich die Libelle
Mit leisem Flug durch grüne Dämmrung hin.

Hier wo es, hier, wo einst in holden Träumen
Der Hore Flug mit sanfterm Hauch zerrann,
Wo sich die Phantasie in fernen Räumen,
Ein goldnes Zauberland mit Lust ersann.

Da wehte um das neue frische Leben
Der Zauberduft der Unerfahrenheit,
Ich sah die Gegenwart mir hold entschweben
Und in der Ferne lauter Seligkeit.

Verloren ist die Blüthe der Gefühle,
Der Täuschung buntes Zauberland verblich,
Der Menschheit schönes Bild floh im Gewühle,
Und, ach, die Götter selbst entfernten sich.

Erfahrung schuf mir neue Lust und Schmerzen,
Auf ihr Geheiß floh der geliebte Wahn.
Nur du, Natur – an dem verlassnen Herzen
Klang rein dein schöner Ton wie vormals an.

Wohl mir daß in des Lebens bunten Scenen
Nicht diese zarte Harmonie entwich!
Noch quillt für dich ein ewig reges Sehnen
Und dies Gefühl bleibt ewig jugendlich!

Du bist das Band, das beßre Seelen leitet,
Die zartbesaiteten! wenn sich das Glük,
Wenn Phantasie und Lust von ihnen scheidet
– Du rufst den Frieden in ihr Herz zurük.

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