HomeDie Horen1797 - Stück 12V. Die Herbstnacht. [L. Brachmann]

V. Die Herbstnacht. [L. Brachmann]

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Du süßer Schwermuthstiller Aufenthalt
Dein Schweigen weht mir ernste Wonne zu,
Vom leichten Dämmerflor der Nacht umwallt,
Empfange mich in deinem Arm, o Ruh!

Die Blumen sind verschwunden vom Gefild;
Jetzt beut nicht mehr der Birken hangend Haar
Vom lauen West durchsäuselt kühl und mild
Dem Wanderer ein holdes Dunkel dar.

Mit dürren Blättern liegt der Grund bestreut;
Der Buche dämmerndes Gewölbe sank,
Ein stilles Denkmal der Vergänglichkeit,
Neigt sich ihr Stamm vom wilden Felsenhang.

Wo sonst die Heerde fröhlich läutend ging,
Liegt Nebel auf der braungestreiften Au;
Der Strauch der hier so schön vom Ufer hing,
Schwimmt jetzt entwurzelt auf der Fluten Blau.

Fern über jener dunkeln Fichtenhöh
Schwebt Sirius verklärt und feierlich,
Erröthend spiegelt im beschilften See
Der Halbmond unter lichten Wolken sich.

Der Wind hat sich gelegt, und fern und nah
Herrscht heilges Schweigen über die Natur,
So hingerissen, so gegeistert sah
Dich deine Freundin nie, o holde Flur.

Mein Geist ist ernst und schweigend wie der Hain,
Der dort in lieblichen Helldunkel ruht,
Mein Herz ist still wie diese Nacht, und rein
Wie diese klare mondbeglänzte Flut.

Er ist verstummt der Ruf der Leidenschaft,
Mein Busen schlägt von edlerm Feuer warm,
Ich fühle deines Daseins Götterkraft,
Und sink o Tugend sanft in dienen Arm.

Wer kennt das Land das, nur dem Glück geweiht,
In einer ew’gen Frühlingsblüte steht?
Wo nie der Schleier der Vergangenheit
Um Leichenstein und Todtenurne weht.

Ich kenn’ es nicht! doch kenn ich jene Macht,
Die himmlisch mild den Schmerz der Seele stillt!
Und die mit sanftem Schleier wie die Nacht
Den hangen Blick des Sterblichen verhüllt.

In ihrer himmlischen Umarmung schien
Der Tod, o Sokrates, ein Engel dir!
Du sahst den Tod, du konntest ihm entfliehn,
O Regulus, und folgtest muthig ihr.

Wer nennt sie alle, die sich ihr geweiht,
Die Helden, deren Herz für sie nur schlug,
Die sie erhaben über Grab und Zeit
In Mnemosinens lichten Tempel trug!

Nur sie beseelt die Reitze der Natur
Mit einem Zauber dem Olymp entwandt
Und selbst Elysiums verklärte Flur
Ist nur durch sie der Ruhe Vaterland.

Sie lehrt uns unerschüttert wie der Thurm
Am Meer, dem Strom der Leiden widerstehn,
Uns ruhig kämpfen mit des Schicksals Sturm,
Und überwunden lächelnd untergehn.

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