HomeDie Horen1797 - Stück 12VI. Magelone und der Ritter von Maßilia. [L. Brachmann]

VI. Magelone und der Ritter von Maßilia. [L. Brachmann]

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Öfnet die Flügel der Pforten, damit sie dem Wandrer verkünden,
Daß er hier Obdach finde und ruhe nach irrendem Leben.
Denn es entflieht fürwahr das Vertraun und der Muth aus der Seele,
Wenn nun endlich der Pilger das Ziel des Weges erreichet,
Froh die Mauren erblickt, die Ruh und Erquickung verheißen,
Wenn voll Hofnung er naht, und findet verschlossen den Eingang,
Wenn er lange muß harren, bis findet sich endlich ein Diener,
Der die Thür ihm öfnet und freundlich willkommen ihn heißet.
Niemand soll es so finden, den diese Mauren empfangen.
Mir verkündet der Schall des lauten Geschützes, daß frühe
Schiffe gelandet im Hafen. Als ich erwachte, da eilt ich,
Auf den Söller des Thurms, und blickt in die glänzende Ferne.
Sah die funkelnden Wellen von früher Sonne bestralet.
Viele Schiffe gewahrt’ ich, viel Maste und Seegel, und wehen
Sah ich die farbigten Flaggen, die aus dem heiligen Lande
Bringen die Streiter zurück, die Ruhm und Sieg sich erfochten.
Eilet ihr Mädchen und sehet ob alles bereitet im Hause.
Breitet die glänzenden Decken auf weich gepolsterte Kissen.

Also sprach Magelone, die edelgebohrene Jungfrau,
Die, in heiliger Hülle verborgen, die Pilger verpfleget.
Kaum ist die Rede geendet, so nahen geschäftig zwey Jungfraun
Zu verkünden der schönen Gebieterin, daß sich dem Thore
Pilger nahen, sie steigt von ihren Frauen begleitet
Nieder die steinernen Stufen, verziert mit ehernem Laubwerk,
Die geflügelten Schritt’ nach dem räumigen Vorhof gerichtet.
Schon erwarten die Pilger die Hülfe mit sehnendem Herzen.
In der Mitte des Platzes da pranget künstlich ein Becken,
Von zwey Löwen getragen, gegossen aus glänzendem Erze.
Reichlich rauscht hier die Fülle des Wassers ins marmorne Becken,
Labung den Durstenden bietend, umringt von ermatteten Pilgern,
Die das Wasser des Quells begierig verlangen zu kosten
Statt der salzigen Fluten des Meers. Erstaunen ergreifet
Freudig die Menge, als nun sich huldvoll nahet die Jungfrau
Und mit lächlendem Blick. Es bewegt die Herzen der Männer
Ihre Schönheit, vor allen naht aus der Mitte sich Einer,
Nimmt die Rede, von Ansehn gewaltig und muthigen Blickes.
Aber mit sanftern Worten als seine Gestalt sie verkündet,
Naht er der lieblichen Jungfrau, zur Erde dreimal sich bückend,
Fasset die Hand ihr mit Demuth, den Saum des Kleides berührend,
Spricht: du Zierde der Frauen, auf deine Hülfe vertrauend
Nahen getrost wir, du wirst auch uns ergönnen die Pflege
Die schon manchen erquickte der dankbar im Herzen dich preiset
Alle bedürfen wir zwar der Ruh nach der Noth und dem Drangsal,
Aber des Trostes bedarf doch einer mehr als der andre,
Darum wende vor allen den Blick der Hülfe nach Jenem,
Den in der Ferne dort die sorglichen Hüter umgeben.
Sie bewachen ihn stets, daß er heimliche Flucht nicht versuche,
Denn das gequälte Gemüth verblendet wilde Verzweiflung.
Aber doppelt liegt mir am Herzen die Rettung des Armen,
Denn nicht gewöhnlich ist die Art wie ich jüngst ihn gefunden.
Kaum entronnen war ich der eignen Gefahr und dem Unglück,
Als ich hülflos ihn fand, das Leben wollt ihm entfliehen,
Hülfe fand er so gut, als ich sie vermochte zu geben,
Aber sein traurender Sinn hat stets mir mit Undank gelohnet.
Ihm ist verlohren der Glanz der alles belebenden Sonne,
Freudig sieht er nicht mehr die lieblich lachende Erde.
Dieser bedarf nicht allein der Stärkung des heilenden Arztes,
Auch der Worte bedarf er, des Friedebringenden Glaubens,
Deiner Pflege sey er darum vor allen empfohlen.

Aber es sagte dagegen mit sanfter Stimme die Jungfrau:
Trost für solche Gemüther kommt nicht allein nur von Menschen,
Wenn die Himmlischen nicht, auch gütige Hülfe verleihen.

Dürft ich dein schönes Gemüth mit herzlichem Mitleid erfüllen
Sagt ich dir gerne, wie ich den armen Pilger gefunden.
Gerne will ichs vernehmen, erwiedert mit Antheil die Jungfrau.

Wenn du ihn hättest erblickt! Entstellet fand ich ihn liegen
An dem Ufer, ihm quoll aus der welk geöfneten Wunde
Schwarzes Blut, der Arm lag schlaff am Gefäße des Schwerdtes,
Das mit der letzten Kraft er noch zu halten versuchte.
Unsere Noth gereicht ihm zum Glück. Wir steuerten fröhlich
Nach der heimischen Küste, getragen vom günstigen Winde,
Aber im hohen Meer ergriff uns das Toben des Sturmes,
Und wir wurden zurück nach Joppens Strande getrieben.
Wie ich Boden gefaßt, ich war geschwommen ans Ufer,
War in die Felsbucht geflüchtet, da sah ich den Leidenden liegen.
Du o Vater der Welten, so rief ich, hast mir das Leben
Neu geschenket, so will ich erhalten die fliehende Seele,
Wieder ins Leben sie rufen, und ist es anders beschlossen,
Soll ein christliches Grab die Gebeine würdig bewahren.
Seiner Sinne beraubt trug ich den Armen zum Schiff hin,
Seiner pflegt ich getreu, und erhielt durch Sorgfalt sein Leben,
Wieder kehret ihm nun die Kraft und der Muth in die Seele.
Als er nun aber vernahm, daß nach Maßilias Hafen
Steure das Schiff, da ergriff ihn auf einmal wilde Verzweiflung,
Bitter klagt er mich an, daß ich ihm gefristet das Leben,
Und versuchte mit List, der Hüter Wachsamkeit täuschend,
Sich vom Borde zu stürzen, mich schreckte der wüthende Vorsatz.

Aber sie eilet zu suchen den Armen, die trefliche Jungfrau,
Durch die Menge sich drängend, die um den Brunnen sich sammelt.
Denn es strömet hinzu des Volks neugierige Menge
Kunde zu höree vom Grab’ und von dem heiligen Lande.
Jeglicher möchte besitzen ein Bild und sichtliches Zeichen,
Glaubig strebet die Seele nach manchen beglükenden Gaben.
Gerne geben die Pilger, und weislich suchet auch mancher
Werth zu schaffen den Gaben durch Überredung und Künste,
Lächelnd im innersten Herzen der Menschen Wahn und Verblendung.
Aber sie weichen zurück als jene sich naht mit dem Pilger.

Als nun die Jungfrau stand vor dem Mann, der so vieles erduldet,
Da vermocht er nicht mehr zu hören die rufende Stimme.
Labend hatte der Schlummer auf ihm sich niedergesenket.
Halb verbarg er sein blaßes Gesicht im ruhenden Schoose
Eines Pilgers, bewegt erblickt ihn die suchende Jungfrau.
Ungestüm schlug ihr das Herz beim Anblick des schlafenden Fremdlings.
Ihre Frauen ruft sie, und giebt die klugen Befehle:
Geht und zeiget den Männern den Weg nach der Wohnung, sie mögen
Leise bedächtig ihn tragen, daß nicht der Schläfer erwache.
Könnt er Ruhe nun finden und Heilung des nagenden Kummers,
Wie Orest sie gefunden im heiligen Haine der Göttin!
Sorget ihr andern nun klug, daß Wein und Speise vor allen
Jene Pilger erquicke, die nicht bloß der Ruhe bedürfen.
Amiklea du gute, du kluge verständige Mutter,
Sorge, daß alles geschehe, bedächtig ist nicht die Jugend,
Denn gar manches entgeht dem leichten flüchtigen Sinne.

Schon ist alles bereitet, erwiedert verständig die Alte;
Aber du wollst auch sorgen allein nicht immer für andre,
Denn vor allen bedarfst du selbst der heilenden Ruhe.
Sprich was rührte dein Herz? so sah ich nie dich Geliebte.
Aber hastig ergreift bei der Hand sie die bebende Jungfrau.
Und sie giengen hinein, in die hohe geräumige Wohnung.
Nicht des Goldes Glanz erblickt man, noch künstliches Schnizwerk,
Hier, nur die Spuren der Hoheit und Einfalt ihrer Bewohner.

Ach ruft jene mit Seufzen, wie ist nun alles so anders!
Als ich Geliebte dich in vorigen Tagen geschmücket,
Dich mit reichen Gewanden umhüllte; mit köstlichen Steinen
Deine Locken durchflochten und mit weiß glänzenden Perlen,
Und du herfür nun tratest im Glanz wie die Göttin des Tages.
Wer mir damals hätte gesagt, daß solches Schicksal
Dich erwarte, daß härnes Gewand die zierlichen Glieder
Und die glänzenden Locken der Schleier würde bedecken!
Statt im Reiche des Vaters die willigen Völker zu lenken,
Mit dem verehrten Gemahl den Glanz und die Hoheit zu theilen,
Lebest du hier verkannt, und dienest selbst statt zu herrschen.
Horchest den Winken der Männer, die deine Wohnung betreten,
Ruhe zu fodern und Pflege, du selbst verbindest die Wunden,
Deine Hand reicht ihnen den Trank und mit christlicher Milde,
Übst du willig das schwere Gesetz der heiligen Lehre,
Die uns gebietet bei anderer Leiden uns selber vergessen.

Schweig o Mütterchen doch, versetzt erröthend die Jungfrau,
Klage das Schicksal nicht an, ich hab es ja selbst mir bereitet.
Kannst du zurück dich sehnen nach jenen vergangenen Stunden?
Gleich war ewig ihr Lauf und wechsellos die Erscheinung,
Wie der Höflinge glattes Gesicht. Die glänzenden Stirnen
Blieben immer dieselben, wenn ich betrat die Versammlung,
Freundlich lauschend ihr Blick, sie horchten jeglicher Rede,
Die vom Munde mir floß, mit herzlosleerer Bewundrung.
Findst du es neidenswerth, die blinde Menge zu lenken,
Welche zu oft verkennt des Herrschers edle Gesinnung,
Sucht er das Beste gleich, ihm widerstrebet mit Thorheit.
Könnte vergessen mein Herz, wie ich belohnte mit Undank
Jene Neigung, die mir der liebende Jüngling bewahret,
Nicht mehr gedächt ich dann des Glänzes, zu dem ich gebohren!
Ach wo weilet er jetzt, den ich mit Kaltsinn betrübte?
Mächtig aufs neu erwachte mir heut im Herzen die Sehnsucht,
As ich vernommen hatte des Pilgers Erzählung, die Schmerzen
Jenes Armen, erfüllt von diesen traurigen Bildern
Sah ich den Schlafenden liegen, und eine quälende Täuschung
Lieh ihm die ähnlichen Züge des langbeweinten Geliebten.

Nicht vergessen werd ich des Tages, spricht Amiklea,
Als ich zuletzt erblickt Maßilias treflichsten Ritter
Unter den Myrthen gieng ich, der duftigen Kühle mich freuend,
Schon gehüllt in den Mantel der Nacht war das Meer und die Erde
Und der Spitze Vesuvs entstiegen die glänzenden Funken
Durch die Finsterniß leuchtend, von fernher tönte der Jubel
Froh versammelten Volks in deines Vaters Pallaste.
Du erhöhtest die Freude des Königs. Da hört ich auf einmal
Eines Mannes nahenden Tritt und ich sahe den Ritter.
Traurig neigt’ er das Haupt, und mit düstrer Schwermut erfüllet
Sprach er mit klagenden Worten, wie du ihn bitter gekränket.
Lange bestreb ich mich schon, schon viele Monde versucht’ ich
Zu gewinnen das Herz der unerbittlichen Jungfrau,
Macht’ es durch Blicke ihr kund, denn nie erlaubte sie Worte.
Heut da jegliches Herz die rauschende Freude belebte,
Da die Tochter des Königs im Kreise lieblicher Frauen
Gleich der Göttinn der Liebe mit himmlischem Reize geschmücket,
Saß, die Blicke voll Huld auf die horchende Menge gesenket,
Muth und Hofnung entbrannte mir da im innersten Herzen.
Eines Sängers Gesang, der aus der goldenen Harfe
Liebliche Töne lockt’, erhob mir die Seele gewaltig.
Kühner wagt’ ich zu nahn, denn keiner behorchte die Rede,
Und mit glühenden Worten gestand ich ihr, wie sich die Liebe
Mächtig im Herzen mir rege und fleht’ um des Wunsches Erhörung.
Aber entflohen war plötzlich aus ihren Blicken die Freude,
Und die heitere Stirn verfinsterte zürnender Unmuth,
Mich verschmäht’ sie mit Hohn, der ihre Liebe begehrte.
Länger nun trag ich nicht die Schmach und die bittre Verachtung,
Nicht an dieser Küste mehr trift mich der kommende Morgen,
Schon bereit sind im Hafen die Schiffe, dem trüglichen Meere
Will ich mein Gut vertrauen, auch Gallien seh ich nicht wieder,
Nicht die liebenden Eltern, sie harren vergebens der Heimkehr.
Lebe du wohl Amiklea, denn du nicht hasts ihr gerathen,
Daß sie mit kränkendem Hohn die herzliche Liebe vergelte.

Fest an das klopfende Herz nun drückt er die zitternden Hände,
Und verschwunden war er, noch eh ich die Antwort gefunden.
Gerne gesteh ich dir nun, mit heimlicher Freude vernahm ich
Wie du ängstlich mich bald nach dem schönen Ritter befragtest,
Der auf einmal verschwunden, und da entdeckt’ ich dir alles,
Mahlte dir seinen Kummer, und zieh der Schuld dich mit Härte,
Solches Herz zu verachten und in Verzweiflung zu stürzen.
Doch es reute mich bald als ich sah dein schmerzliches Leiden,
Und den nagenden Gram der still verzehrenden Sehnsucht,
Denn der Friede verschwand aus deinen lachenden Augen,
Deine Schönheit erblich, und es welkte die Blume der Jugend.

Als du endlich, ermüdet vom traurigen Leben des Hofes,
Mir gebotest, zu fliehen mit dir nach Galliens Küste,
Dort ein Leben zu führen in Buß und heiliger Andacht,
Und durch Werke der Demut, der frommen christlichen Pflege,
Deine Schuld zu versöhnen am tiefgekränkten Geliebten,
Nicht lang zögert’ ich da und erwählte, treu dir zu dienen,
Denn es bindet an dich mich früh Gewohnheit und Liebe.
Deiner Mutter schon lebt ich, ihr folgt ich nach Napels Gefilden,
Auch so folgt’ ich jetzt dir, und hätten es anders die Götter
Mögen lenken, ich wäre gefolgt dir mit dem Gemahle
Hieher ins gallische Land, und du hättest die Völker beherrschet,
Statt in Verborgenheit hier die Werke der Demut zu üben.
Laß nicht den Wunsch dich befremden, denn gerne herrschet das Alter,
Wenn der Jahre Gewalt uns die Macht der Schönheit entwendet.

Also redte, viel gesprächig die Alte, gedenkend
Voriger Zeiten, und rührte das Herz der treflichen Jungfrau.
Aber sie faßt sich bald und spricht, dem Schmerze gebietend:
Neu erwachet ist mir durch deine Rede der Kummer
Und der schlummernde Gram, doch heilsam ist es dem Herzen,
Denn den Schmerz verbergen befreit nicht die leidende Seele,
Leichter lößt sich im Trost die lang verborgene Trauer,
Wenn das Herz sich entlastet am treuen Busen des Freundes.
Aber nicht weislich ists, daß wir, eigener Schmerzen gedenkend,
Jenem Armen die Hilfe verzögern, die ihm so Noth thut.
Geh Amiklea und sieh, ob er schläft noch oder erwacht ist,
Nimm auch die Schaale dort, die weiße, zierlich gebildet,
Fülle mit Feigen sie reichlich und mit der purpurnen Traube,
Streu auch Blumen darauf, balsamische, lieblich gefärbet,
Daß er beim ersten Erwachen der schönen Gaben ich freue,
Welche die nährende Erde zur Lust dem Menschen bereitet.
Mischen will ich indeß den stärkenden Trank ihm zur Labung,
Und dir selbst nachfolgen. Und gerne gehorcht ihr die Alte,
Schleicht zum Gemache behend, und öfnet leise die Thüre,
Sorgend, daß sie den Schlaf des leidenden Mannes nicht scheuche.
Seitwärts steht sie und schaut und kann das Auge nicht wenden,
Den die Züge, obwohl der entstellende Gram sie verdunkelt,
Rühren tief ihr das Herz, dem Blicke fremd nicht erscheinend.
Edel sind sie, ein hohes Gemüth verkündet die Bildung,
Nicht das Pilgergewand kann die hohe Gestalt ihr verbergen.

Aber als er die Augen nun öfnet nach ruhigem Schlummer,
Amiklea den Blick erspäht, das Lächeln des Mundes,
Zweifelt nicht mehr ihr Herz, und freudig erkennt sie den Ritter
Von Maßilia, ihn, den lange sie traurend vermisset.
Aber klüglich bezwingt sie die ungeduldige Sehnsucht,
Und noch will sie verbergen der Jungfrau, was sie gesehen,
Fürchtend, es möchte zu mächtig die Freude das Herz ihr bewegen.
Auch der Ritter, er soll nicht wissen, wer ihm die Hülfe
Sendet, denn mit Bedacht will erst sie des Mannes Gesinnung
Still erforschen, ob nicht der wankende Sinn sich verändert.

Aber wunderbar wird das Herz des Pilgers beweget,
Als nun die Thüre sich öfnet und Magelone hereintritt.
Freundlich spricht sie zu ihm und hebet seegnend die Hände.
Sey o Fremdling, dir Ruh in diesen Mauren gegönnet.
Wenn die Himmlischen mir des Herzens Verlangen erhören,
Preisen will ich dann laut die Macht, die hieher dich geführet.

Ist es Traum, ruft jener, der meine Sinne betrüget?
Soll ich Worte des Trostes noch hören aus weiblichem Munde,
Ehe mich Armen umfängt das stille Dunkel des Grabes?
Friede hat nie mir gegönnt des Weibes Sinn und Gemüthsart,
Aller Kummer und Sorge, die mir geworden im Leben,
Kam von deinem Geschlecht, verzeih den Ausbruch des Kummers.
Meine Rede wird nicht verständlich seyn dir o Jungfrau,
Denn mit willigem Sinn erfüllen das schwere Gelübde,
Hülfreich zu seyn dem Armen, ihm seine Schmerzen zu heilen,
Wessen heiliger Sinn sich dieses Loos hat gewählet,
Nein der verschuldete nie der Härte drückenden Vorwurf.
Dir entflossen die Tage im stillen Geschäfte des Wohltuns,
Niemahls sank dir die Sonn, nie fand dich ein ruhiger Schlummer,
Ohne daß du die Hülfe dem leidenden hättest bereitet.
Könnte jegliches Weib sich dieses Trostes erfreuen,
Nimmer hätt ich gefühlt die schweren Lasten des Lebens.
Ach es dachte mein Herz mit Lust der schönen Bestimmung,
Die das Leben uns bietet, im Arm der Geliebten und Kinder,
Anmuthsvoll wie sie selbst, mich zu freuen im heimischen Lande,
Und mit männlichem Arm zu bewahren die Rechte des Herrschers,
Die ein tapferes Volk mir über sich willig vertrauet,
Statt daß ich jetzt nur mühsam das eigene Leben erkämpfte.
Muthig war ich im Kampfe, doch hat die traurende Seele
Nie sich erfreuet des Kampfes, seitdem die Leiden der Liebe
Um das blutende Herz den düstren Schleyer geworfen,
Nun erstorben ist mir die Freude, sie kehret nicht wieder.
Könnte sie je es vernehmen, wie mich gestürzet ihr Kaltsinn
Tief in Schmerzen und Drangsal, und nie zu tilgenden Kummer,
Menschlich wäre sie nicht, es schlüge kein Herz ihr im Busen,
Fühlte Mitleid sie nicht, die mich so trostlos verstossen.

Tragen konnt ichs nicht mehr, wie sie mir lohnte mit Undank.
Napels Hafen verließ ich, den falschen Fluten vertrauend
Leben und Schicksal, den Vater floh ich, die liebende Mutter,
Floh nach Asiens Küsten, verborgen im Pilgergewande.
In den Syrischen Wüsten, auf Libanons felsigtem Gipfel
Hoft ich Ruhe zu finden, und wollte vergessen mein Schicksal,
Eitel war mein Bestreben, sie blieb mein höchster Gedanke.
Ja mit Undank selbst belohnt ich unschuldige Liebe,
Die ein weibliches Herz mir in treuer Seele bewahrte.
Rühmen darf sich ein Mann nicht dessen, doch heilige Jungfrau
Du sollst wissen, wie ich dem schönsten willig entsagte
Was uns bereitet das Schicksal, ein froh unschuldiges Leben.

Lange war ich geirrt, durch Arabiens Wüsten ermattet,
Viele Tage lang trug ich die sengenden Strahlen der Sonne.
Rings mit Palmen umschattet erblickt’ ich am Ende des Weges
Endlich ein Obdach, vergebens strebt’ ich, das Ziel zu erreichen,
Aber es schwanden die Kräfte, ermattet sank ich zu Boden.
Als ich wieder erwacht, fand ich mich in freundlicher Hütte.
Mir zur Seite sah ich ein Mädchen, die brennende Wange
Kühlt’ sie mit Rosen, und hatte mir leis die Hände gefasset.
Hohe Unschuld im Blick, mir schien sie der himmlischen Eine.
Jetzt auch naht’ sich ihr Vater, mit ihm ihr männlicher Bruder.
Beide hatte erbarmt mein hülfloser Zustand, sie eilten,
Von dem Flehen des Mädchens noch mehr bewegt, mir zu Hülfe.
Ihre freundliche Rege gab Trost dem wunden Gemüthe.
In der stillen Natur beim Anschaun der glücklichen Menschen,
Sah ich die Sonne sich heben, und ruhig am Abend versinken,
Jeglichen Morgen erneute sich wieder die Liebe des Lebens,
Wenn ich den Hügel erstiegen und nun des glänzenden Nilstroms
Lauf erblickt, der durch Auen sich wand und blühende Felder.
Aus dem gewäßerten Boden entstiegen liebliche Früchte,
Und es prangen die Felder mit üppigen Kräutern und Pflanzen.
Aber mir ward nicht der Ruhe Loos, auch im glückchen Orte
Blieb der Friede mir nicht, aufs neue zu Stürmen erwachend
Fühlt’ ich wieder mein Herz, sobald ich errathen die Neigung,
Welche das Mädchen hegte in schuldlos kindlicher Seele.
Nicht das Mitleid bewog sie, es waren andre Gefühle.
Unruhvoll sah ich oft, wie sie nur meiner gedachte,
Mir zu wählen die schönsten, die besten Früchte des Gartens.
Mit den lieblichsten Blumen bestreute sie immer mein Lager,
Nicht für den Vater sich mehr, noch den liebenden Bruder bemühend,
Die sie zärtlich geehrt, eh ich der Hütte genahet.
Freuen kann es den Mann, wenn er sieht das Streben des Weibes
Ihm gefällig zu seyn, und selbst die Sorge verzeiht er
Ihn zu fesseln durch künstlichen Reiz, doch heftig ergreifts ihn,
Wenn die Liebe sich regt in schuldlos kindlicher Seele.
Aber ich wankte nicht und fest die Treue bewahrend,
Dich ich der Harten gelobt, die mich so bitter gekränket,
Floh ich zur Wüste zurück, sobald ich des Herzens Bewegung
Überraschte, das sich den zarten Gefühlen dahingab,
Die die Seele bewegten des schön unschuldigen Mädchens.
Lange nun irrt ich umher, da ergriffen mich syrische Räuber,
Wollten ergrimmt mich tödten, getäuscht in der Hofnung des Raubes.
Lange vermochte der Arm nicht zu widerstehen der Menge,
Als ich von Wunden erschöpft schon dahin sank, fasste mich einer,
Menschlicher als die andern, der meiner Noth sich erbarmte,
Trug mit nervigtem Arm mich in die Felsbucht am Meere,
Wo er mich hilflos verließ, die Rache scheuend der andern.
Endlich sendeten mir erbarmend die himmlischen Mächte
Einen Wanderer zu, der aufs neu zum Leben mich weckte.
Nach dem Schiffe ward ich gebracht, wir verliessen die Küste,
Aber mir ahnete nicht, wohin der irrende Lauf gieng,
Bis der verwunderte Blick die heimischen Auen erkannte.
Fremd nun blick ich ins Leben, wie in die Wohnung der Schatten,
Ach es öfnet sich mir kein Thor, nicht liebende Arme
Schließen ans klopfende Herz den wiederkehrenden Flüchtling.

Aber den hüllenden Schleier reißt Magelone vom Haupte
Und vom Scheitel rollen die lieblich glänzenden Locken.
Nicht mehr fremd ist dem Ritter die herrliche Bildung der Jungfrau,
An sein Herz hinsinkend verhüllt sie das göttliche Antlitz.
Nieder kniet sie und spricht: O laß Vergebung mich flehen,
Hier will ich liegen im Staub, bis dein Mund mir Vergebung verkündet.
Was du alles erduldet um mich! Ach zu kurz ist das Leben
Solche Schuld zu versöhnen und solche Schmerzen zu heilen.
Aber ans schlagende Herz drückt sie der Ritter, und Freude
Röthet die bleiche Wange, verschwunden ist ihm die Erinnrung
Alles vorigen Leidens, und als ihm die Sprache zurückkehrt,
Ruft er weinend: Ach nichts sind gegen solches entzücken
Jahre voll Leiden, sie gleichen dem ängstlichen nächtlichem Träume,
Den der heitere Stral des goldnen Morgens verscheuchet.

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