HomeDie Horen1797 - Stück 12VII. Hymnos an Dionysos. [übersetzt von F. A. Eschen]

VII. Hymnos an Dionysos. [übersetzt von F. A. Eschen]

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Aus dem Griechischen

Vom Dionysos, dem Sohn der gepriesenen Semele, will ich
Singen anjetzt, wie er stand an des öden Meeres Gestade,
Auf vorspringender Höhe, von Ansehn gleichend dem Jüngling
Blühendes Alters: es flattert’ umher des dunkelen Haupthaars
Schönes Geringel; ein Mantel umgab die mächtigen Schultern,
Purpurgefärbt. Da nahten in schöngebordetem Schiffe
Plözlich auf finsteren Fluten heran raubsuchende Männer
Aus Tyrrhenischem Volke, geführt von bösem Verhängnis.
Jenen erblickten sie nun, und sie winkten sich, und an das Ufer
Sprangen sie, schnell ihn ergreifend, und brachten erfreut in das Schiff ihn:
Denn aus dem Göttergeschlechte der Könige, wähnten sie alle,
Sey er entsprossen, und wollten mit drückenden Banden ihn fesseln.
Doch ihn hemmte kein Band, und es sanken die weidenen Schlingen
Ferne von Händen und Füßen herab: dann setzt’ er sich nieder,
Lächelnd aus blauen Augen. Es schauete solches der Steurer,
Und den Gefährten sofort zurufend, redet’ er also:

Traun! einen mächtigen Gott, Unselige, jetzo ergreifend
Fesselt ihr! Nimmer ja trägt das schöngebauete Schiff ihn.
Zeus selbst, oder Apollon, der Führer des silbernen Bogens,
Oder Poseidon ist er: denn nicht den sterblichen Menschen
Gleichet er, sondern den Göttern, die hoch den Olympos bewohnen.
Aber wohlan ihn sofort auf die dunkeln Feste des Landes
Bringen wir! und nicht faßt mit den Händen ihn, daß er nicht zürnend
Feindlichtobende Wind’ euch erreg’ und wirbelnde Stürme.

Also sprach er: da schalt ihn mit heftigen Worten der Führer:
Elender, achte des Windes und spann’ in dem Schiffe das Segel,
Nehmend ein jegliches Seil: ihm werden die Männer schon aufsehn.
Bis nach Agyptos, so hoff’ ich, gelanget er, oder nach Kypros,
Oder zu Hyperboreern und weiter noch. Mag er indeßen
Uns hernennen die Freund’ und jegliches seiner Besitzung,
Und sein Geschwister dazu: denn ein Gott hat uns ihn verliehn.

Solches gesagt, erhob er den Mast und das Segel des Schiffes;
Und nun schwellte das Segel im Winde sich, und sie umspannten
Jegliches Seil. Da erschienen mit einmal Dinge zum Staunen:
Denn Wein strömte zuerst durch das schnelle dunkele Schiff hin,
Sprudelnd, ein köstlicher Trank, ein duftender, und es erhob sich
Rings der ambrosische Duft, und das Schiffsvolk sah es mit Staunen.
Aber es breitete schnell bis zum äußersten Segel ein Weinstock
Hier und dort sein Gerank’: es hingen in drängender Fülle
Trauben herab, und es schlang um den Mast sich ein dunkeler Epheu
Mit aufbrechenden Blüthen und lieblichen Dolden der Früchte:
Kränze besaß von den Rudern ein jegliches. Jen’, es erblickend,
Hießen sofort den Mededes, den Steuernden, daß er zum Lande
Lenke das Schiff. Doch es drohte, zum Löwen verwandelt, der Gott selbst,
Fürchterlich, hoch auf dem Schiff’, und er brüllete laut: in der Mitte
Stand, zum Gebilde geschaffen, mit zottigem Nacken die Bärin,
Sich mit Begier aufrichtend: der Löwe vom öbersten Borde
Blickte mit düsterem Auge. Da flüchteten, fürchtend, sich jene
Hinten ins Schiff um den Steurer, dem kluge Gesinnung zu Theil ward.
Angstvoll standen sie dort. Doch es stürzt’ auf den Führer sich jener
Plötzlich, und packt’ ihn sofort: die anderen, meidend das Unheil,
Sprangen zugleich, da sie jenen ersahn, in die heilige Meeflut,
Schnell in Delfine verwandelt. Den Steurenden aber voll Mitleid
Hielt er, und gab ihm jegliches Glück, und er redete also:

Traue mir, edeler Lenker, du meinem Herzen geliebter!
Sieh’, ich bin Dionysos, der Brausende, welchen die Mutter
Semele, Kadmos Tochter, gebahr in der Liebe Kronions.

Heil dir Semelens Kind, der lieblichen! Nimmer gebührt es,
Daß man den holden Gesang anheb’ und dein nicht gedenke.

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