HomeDie Horen1797 - Stück 2I. Robert Guiscard. Herzog von Apulien und Calabrien. [Karl W. F. von Funck]

I. Robert Guiscard. Herzog von Apulien und Calabrien. [Karl W. F. von Funck]

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Fortsetzung.

Aber Robert, voll Zuversicht auf sein Glück, achtete nicht auf die Warnungen, welche er von allen Seiten erhielt. Durch die Freundschaft des ersten Prälaten in seinem Lande, und den mächtigen Einfluß der Casinensischen Mönche gesichert, war er kühn genug, abermals dem höchsten Oberhaupte der Kirche zu trotzen. Schon während der Belagerung von Salerno hatte er die Neutralität des Gebiets von Benevent, auf welches der Pabst gegründete Ansprüche zu haben glaubte, bey mehr als einer Gelegenheit verletzt, und war dafür mit dem Bann bedrohet worden. Weit entfernt, sich dadurch schrecken zu lassen, suchte er vielmehr sich an dem heiligen Vater durch einen Einfall in das mittlere Italien zu rächen. Seitdem er die Griechen über das Meer zurückgetrieben hatte, ließ er die Absicht, seine Eroberungen bis zu der Hauptstadt der Welt auszudehnen, nicht undeutlich merken. Richard von Aversa wurde sein Bundsgenosse, und die Väter zu Casino vergaßen ihrer Mönchspflicht, indem sie ihm auch zu diesem Zuge den Beystand ihrer Gebethe versprachen. Die beiden Fürsten drangen nun in der Campagne von Rom, und in der Mark Ankona vor, und der erzürnte Gregor sprach 1078 während der Fasten in einer versammelten Synode den Fluch über sie aus. Wirksamer zu seiner Rettung war aber das Hülfsheer, welches seine Freundin, die mächtige Mathilde gegen die Normannen abgesendet hatte. Robert heilt es doch nicht für rathsam, seine Truppen gegen die von dem Pabst geweihten Waffen der Tuscier zu führen, indeß in seinem Rücken die unzufriednen Großen nur auf den günstigen Augenblick warteten, das Volk gegen ihn zu empören. Er kehrte zurück und schloß plötzlich Benevent ein, dessen letzter longobardischer Fürst, Landolph VI, vor kurzem gestorben war.

Roberts Entfernung und die Schwierigkeiten der unternommen Belagerung begünstigten die Entwürfe der gegen ihn aufgebrachten Edlen; seine Politik, das Volk durch unaufhörliche Kriege zu beschäftigen, schien ihre Wirkung ganz verfehlt zu haben. Die Normannen waren nicht mehr die vorigen Abentheurer, denen das Schwerdt allein den Unterhalt gab, sie waren wohlhabende Grundbesitzer geworden, und wollten sich jetzt im ruhigen Genuß der Güter erfreuen, die sie und ihre Väter mit Blut und zahllosen Beschwerden so theuer erkauft hatten. Die Eroberung Siciliens war für sie von geringen Vortheilen gewesen, die Plünderung von Bari ihnen versagt worden, und der Seedienst, zu welchem der Herzog sie zu bewegen suchte, ließ sie neue Entwürfe ahnen, welche sie chimärisch nannten, und von denen, auch bey dem glücklichsten Erfolg, nicht sie, sondern Er allein Vortheil ziehen würde. Der herzogliche Titel wurde ihm von neuem zum Verbrechen gemacht und Robert dem Volke als ein Tyrann vorgespiegelt, der die alte, von den tapfern Eroberern Apuliens eingeführte Verfassung umgestürzt, und das Oberhaupt ihres Freistaats hinterlistig von seiner Stelle verdrängt hätte. Die Sanction des Pabstes, auf welche er allein seine Rechte gründete, war verwirkt, er hatte seinem Wohlthäter mit Undank gelohnt, und durch wiederholte Beleidigungen den Fluch der Kirche über sein Haupt gezogen. Drohend zog sich das Ungewitter zusammen, Richards Tod beförderte den Ausbruch; Jordan, sein Sohn, versöhnte sich mit der Kirche und entsetzte Benevent, indem er alle Maschinen Roberts bey einem glücklich gelungnen Überfall zerstöhrte.

Dies war das Signal zum allgemeinen Aufruhr. Überal loderte die Flamme der Rebellion, und der Seegen Gregors heiligte die Fahnen der Empörer. Abälard erschien, furchtbarer als jemals, an ihrer Spitze. Für seine Person nie besiegt, nur durch Roberts Ränke um den letzten Rest seines Erbtheils betrogen, machte das Opfer, welches er der Bruderliebe gebracht hatte, ihn dem Volke nur noch theurer. Graue Krieger, die unter Humphreds Anführung für die Freiheit gekämpft hatten, verließen den ruhigen Heerd, um die Rechte ihres gekränkten Lieblings zu verfechten. Auch die großmüthigen Handlungen des Herzogs wurden vergessen, die Barone, die bey früheren Empörungen seine Huld erfahren, viele, die seiner Freigebigkeit ihre Besitzungen zu danken hatten, selbst die von ihm mit Wohlthaten überhäuften Söhne seiner Brüder und Schwestern vereinigten sich mit den mächtigsten Städten zu seinem Verderben. In ganz Apulien waren die Bürger von Giovenazzo die Einzigen, die ihm eine unwandelbare Anhänglichkeit zeigten, ungeachtet sie ihre Kinder als Geissel in den Händen der Rebellen lasen, und eine schwere Belagerung aushalten mußten. Der größte Theil der übrigen wankte zwischen beiden Parteyen, und die festen Schlösser der Edlen schienen den Fortschritten Roberts von Benevent bis in das Herz der empörten Länder eine undurchdringliche Mauer entgegen zu setzen.

Nur durch beyspiellose Thätigkeit, nur durch eine kluge Berechnung seiner Kräfte, der Macht seiner Gegner und ihrer verschiednen Privat-Absichten, durch die Kenntniß ihres Charakters, und vorzüglich durch seine eben so schnellen als richtig abgemeßnen Bewegungen gelang es ihm, den Sturm zu beschwören, der ihn vernichten sollte.

Ein Glück für ihn, vielleicht die Folge weiser Vorsicht war es, daß er sein Heer noch vor Benevent versammelt fand. Es hatte in seiner Abwesenheit eine Niederlage erlitten, seine Erscheinung belebte den Muth der Truppen wieder. So groß war sein persönliches Ansehn, und so mächtig die Furcht, vor dem einzelnen Mann, daß ganze Haufen, die im Begriff standen, sich zu entfernen, jetzt bey ihren Fahnen blieben, und ihm durch ihre Gegenwart den District ihrer Heimath bürgten. Er gieng sogleich mit ihnen über Melfi bis an den Bradano vor, ließ hier, in der Mitte zwischen den empörten Ländern, den größten Theil seiner Armee zurück, und eilte blos mit den leichtesten Geschwadern der Reuterey nach Consenza, welches er in fürchterlicher Gährung antraf. Seine unvermuthete Gegenwart schreckte die Partey der Rebellen, deren Anführer die Stadt verließen. Robert versicherte sich der Treue der Bürgerschaft, nahm eine Menge Fußvolk mit, und rückte mit den Truppen am Bradano vereinigt, ungesäumt gegen Bari, den Hauptsitz der Empörer vor. Ein Theil ihres Heers war mit der Belagerung von Giovenazzo beschäftigt, und der Herzog kam den zerstreuten Rebellen so plötzlich über den Hals, daß sie nicht Zeit hatten, ihre Macht auf Einen Punkt zu versammeln. Abälard rückte ihm jedoch mit den Truppen der Städte entgegen, aber es war ein Unglück für seine Partey, daß gerade der beste ihrer Feldherrn die schlechtesten Soldaten hatte. Aus Neid oder Eigensinn wollte jeder Baron seine Vasallen in Person, und nach seinem eignen Plan anführen, und machte dadurch die tapfersten Krieger unbrauchbar für die gemeine Sache. Die Miliz der Städte konnte dem Angrif der Normännischen Reuterey nicht widerstehn. Dennoch hielt Abälard durch eine kluge Anordnung lagen das Treffen im Gleichgewicht, bis er von einer Lanze verwundet vom Pferde sank. Bey dem Gerücht von seinem Tode ergriff das Heer die Flucht, und ob er gleich bald nachher wieder zu Pferde erschien, so konnte er doch die Weichenden nicht eher, als unter den Mauern von Bari sammlen.

Robert, mit diesem Erfolg zufrieden, ging nach Giovenazzo, den Einwohnern für ihre Treue zu danken. Er erließ ihnen auf immer die Hälfte des Tributs und beruhigte die Bürger über das Schicksal ihrer Kinder, indem er ihnen versicherte, daß der Befehlshaber des Schlosses, wo die Geisseln aufbewahrt wurden, bereits mit ihm in Unterhandlung stehe. Seinem Plane getreu, nur die Mächtigsten unter seinen Gegnern anzugreifen und durch Überraschung ihrer Vereinigung zuvor zu kommen, flog er, so schnell als das Gerücht seines Sieges von einer Küste zur andern. Die Flamme der brennenden Schlößer verkündete seinen Marsch durch die mittelländischen Gegenden, und der alles vergrößernde Ruf verbreitete Abälards Tod und den völligen Untergang der apulischen Rebellen. Zu Salerno stiegen die sicilianischen Hülfsvölker ans Land, der bestürzte Jordan wagte es nicht den Angrif des Überwinders abzuwarten, und bat durch eine Gesandtschaft um Frieden.

Von dieser Seite gesichert, wendete sich Robert wieder gegen die entfernten Provinzen, und bekämpfte die Empörer nur einzeln, und Schritt vor Schritt. Indem er jetzt nur langsam vordrang, ließ er ihnen Zeit, sich zu besinnen, und zeigte in der einen Hand Verzeihung, in der andern fürchterliche Rache. Durch Verstümlung, ewiges Gefängniß oder den Tod bestrafte er alle, die unter den Waffen gefangen wurden, die Reuigen aber behandelte er mit äuserster Schonung. Er sahe sich nur selten zur Strenge gezwungen; Abälards eigner Schwiegervater übergab Bari nach einer kurzen Gegenwehr, und dieser unglückliche Fürst rettete sich mit seinem Bruder und den vornehmsten unter seinen Anhängern nach Constantinopel. Mistrauen trennte die noch übrigen Häupter der Rebellion, sie eilten, einander durch freiwillige Unterwerfung zuvor zu kommen, und wenigstens durch das Verdienst der früheren Rückkehr einen Theil ihrer Besitzungen zu retten.

Kein Feind in Roberts Staaten durfte jetzt mehr das Haupt gegen ihn erheben, und er hoffte durch kräftige Masregeln, und indem er die Macht der Barone durch den Verlust ihrer festen Schlösser brach, sich auch in Zukunft gegen ähnliche Gefahren zu sichern. Bey der Vermählung seiner dritten Tochter Mathilde, mit dem Grafen Raymund von Barcellona und Provence wurden die verlangten Geschenke mit wetteifernder Bereitwilligkeit dargebracht. Entfernte Fürsten suchten seine Verwandschaft, die Gesandten der größten Monarchen warben um seine Gunst. Heirnich IV, der schon als Kind auf die Throne von Deutschland und Italien erhoben worden war, und den sein erbitterter Kampf mit dem Oberhaupt der Kirche so berühmt gemacht hat, trug ihm ein enges Freundschaftsbündniß an, und die Belehnung mit dem Gebieth von Termo in der anconitanischen Mark, welches Robert dem Pabst entrissen hatte, sollte das Siegel der neuen Verbindung seyn.

Gregor gerieth bey dieser Nachricht in die heftigste Bestürzung. In dem Moment, wo er im Begrif war, das stolze Gebäude, das er unter der Regierung seiner vier Vorgänger entworfen und aufgeführt hatte, zu vollenden, sah er sich auf dem Punct, die Früchte jahrelanger Arbeit durch einen unvorgesehnen Zufall zu verlieren. Zwey große Zwecke hatte er sich zum Ziel gesetzt, die Unabhängigkeit der Kirche von der weltlichen Macht zu gründen, und das Scepter des abendländischen Kaiserthums als ein Lehn der heiligen Stuhls zu vergeben oder zurückzunehmen. Beide zu erreichen wagte er Freiheit und Leben. Während der Minderjährigkeit Heinrichs waren große Fortschritte gethan worden, jetzt kam alles darauf an, das gewonnene Feld gegen den aufs äuserste gebrachten Gegner zu behaupten. Von den Baronen seiner Hauptstadt ins Gefängniß geworfen und persönlich gemishandelt, in Todesgefahr bey jedem Auflauf des Volks, schleuderte er Bann und Fluch gegen den König; von einer Kirchenversammlung in Deutschland abgesetzt, wagte er es unerschrocken, den mächtigen Heinrich seiner Kronen verlustig zu erklären. Umsonst vereinigten sich die Bischöffe Deutschlands und der Lombardey mit dem König wider einen Pabst, der mit unerbittlicher Strenge gegen die Simonie eiferte, und die Priester zur Ehelosigkeit zwang; Gregor fand in dem Ehrgeiz der deutschen Fürsten ein stets bereitwilliges Werkzeug zur Ausführung seiner kühnen Entwürfe, und die Freundschaft der Gräfin von Tuscien sicherte ihn gegen die Angriffe seiner lombardischen Feinde. Schon triumphirte der Pabst, denn Heinrich kämpfte in Deutschland mit dem Gegenkönig Rudolph von Schaben, und war nicht im Stande seine Anhänger in Italien zu unterstützen, aber Robert befand sich gleich ihm im Bann der Kirche, er hatte durch feindselige Unternehmungen die Rache Gregors gereizt, und Rebellion war in Apulien wie in Deutschland die Folge des päbstlichen Fluchs gewesen. Was war natürlicher, als daß die gemeinschaftliche Feindschaft eine enge Verbindung zwischen dem König und dem Herzog knüpfen mußte?

Gregors Politik und die Klugheit Roberts, der über die Gegenwart hinaussah, und die Folgen eines Schritts, der für immer entscheidend seyn konnte, genau erwogen hatte, täuschten die Erwartung des Königs. Der Pabst beschloß um jeden Preis die Vereinigung zweier Fürsten zu hindern, die durch ihre Macht und die Lage ihrer Besitzungen, nicht nur seine persönliche Sicherheit, sondern auch die Gewalt des römischen Stuhls in Gefahr bringen, und den Nachfolger des Apostels zu dem Range eines Bischoffs herabsetzen konnten. Einer von ihnen mußte gewonnen werden, und die Wahl wurde dem heiligen Vater nicht schwer. Er duldete die Mishandlungen seiner Barone, er konnte dem Herzog der Normannen, seinem Vasallen, eine Beleidigung verzeihen, aber dem Könige von Deutschland und Italien, dem gefürchteten Bewerber um die Kaiserkrone, durfte er keinen Fußbreit weichen.

Der Abt von Monte Casino, der schon seit einiger Zeit an einer Aussöhnung zwischen dem Pabst und dem Herzog gearbeitet hatte, bekam nun weitläufige Aufträge von dem heiligen Vater. Er übernahm es, die gefürchtete Verbindung zu hintertreiben, und Robert, so vortheilhaft ihm auch der Antrag des deutschen Königs schienen mußte, überzeugte sich doch, daß die Freundschaft Gregors für ihn von noch weit größerem Nutzen sey. Wie leicht konnte Heinrich, wenn es ihm gelungen war, die Macht des heiligen Stuhls zu unterdrücken, auf den Einfall gerathen, die alten, noch nicht verjährten Rechte des Kaiserthrons auf das untere Italien geltend zu machen? Und welche erwünschte Gelegenheit, das Joch des Herzogs abzuschütteln, würde dadurch nicht den Grossen der Normannen dargebothen werden? Alle Ansprüche Roberts gründeten sich auf das Geschenk der Päbste, mit ihnen mußten auch seine Rechte fallen. Und überhaupt fand er es auch bequemer, der Vasall eines Geistlichen, der keine vollziehende Gewalt besaß, als eine weltlichen Fürsten zu seyn, dem die Macht ganzer Königreiche zu Gebothe stand. Alle die Gründe unterstützten die Vorstellungen des Abtes, und der Antrag des deutschen Monarchen wurde mit einer höflichen Entschuldigung abgelehnt.

In diesen Verhältnissen konnte die Aussöhnung nicht anders als aufrichtig seyn, aber das Ansehn des römischen Stuhls mußte gedeckt, die ersten öffentlichen Schritte mußten von Roberts Seite gethan werden. Eine Reise des heiligen Vaters nach Benevent im Jahr 1080 gab zu einer Zusammenkunft Gelegenheit. In Acquino führte Desiderius den Herzog in das Zimmer des Pabstes, der seinen Fußfall nicht annahm, sondern ihn sogleich aufhob, umarmte, und neben sich sitzen ließ. Alle Umstehende traten aus Ehrfurcht zurück, und Robert hatte eine lange geheime Unterredung mit dem Nachfolger des Apostels. Gregor versprach ihm das Patriciat der Stadt Rom, und soll ihn sogar zu der Krone von Italien, die er dem verbannten Heinrich entreissen, und überhaupt von dem deutschen Königreich trennen wollte, Hofnung gemacht haben.

So bald die geheimen Artikel des Vertrags berichtigt waren, wurden die Anwesenden eingeladen, an der Unterredung Theil zu nehmen. Robert erhielt unbedingte Absolution, leistete dem Pabst den Huldigungseid, und versprach die festgesetzte Abgabe zu entrichten. Er blieb im Besitz des Fürstenthums Benevent, die Stadt behielt der römische Stuhl. Bey der feierlichen Belehnung wählte der kluge Gregor eine Formel, wodurch er über den Hauptpunkt des Streits hinglitt, ohne jedoch der Kirche ihre Rechte zu vergeben. Nachdem er die Provinzen genannt hatte, welche schon durch seine Vorfahren den Normannen zugesichert waren, setzte er hinzu: „In denen Ländern aber, welche du mit Unrecht besitzest, als in dem Fürstenthum Salerno, in Amalfi und einem Theil des Gebieths von Termo, dulde ich dich jetzt mit Ergebung, und im Vertrauen auf Gottes Allmacht und deine Rechtschaffenheit.“

Ungeachtet dieser festen Verbindung weigerte sich Robert dennoch mit dem deutschen König zu brechen, und behauptete auch im folgenden Jahre, da Heinrich seinen Gegner in Deutschland besiegt, und in Italien das Heer der Gräfin Mathilde geschlagen hatte, die strengste Neutralität. So wenig er sich durch die angebothne Freundschaft Heinrichs, der von Ravenna aus die Unterhandlungen erneuerte, und sogar eine Heirath zwischen seinem Sohn Conrad und einer der Töchter des Herzogs vorschlug, hinreißen ließ, so wenig waren die Entwürfe des Pabstes im Stande ihn zu blenden. Die Krone Italiens, welche der heilige Vater ihm versprochen hatte, konnte seinem Ehrgeiz schmeicheln, aber die Schlüsse Gregors schienen ihm nichts weniger als untrüglich. Wenn es ihm auch gelungen wäre, die Widersetzung der Italiener zu besiegen, so sah er doch voraus, daß er ihren Wankelmuth nur so lange, als kein neuer Bewerber sich ihm entgegenstellte, betrachteten die Deutschen die Krone Italiens als das Erbtheile ihre Könige, und die Römer sowohl als die Lombarden zogen die unsichere Herrschaft eines entfernten Oberhaupts der nachdrücklichen Regierung eines einheimischen Monarchen vor. Heinrich stand siegreich an den Grenzen des römischen Gebieths, und nichts widerlegte die kühnen Behauptungen des Pabstes deutlicher, als seine dringenden Bitten um Hülfe. Robert wußte, daß in Deutschland allein die furchtbare Macht des Königs gebrochen werden konnte, aber ihr in Italien Schranken zu setzen, durfte vielleicht bald nothwendig werden. Er beschloß, auf keinen Fall den Pabst ganz sinken zu lassen, für jetzt aber den Streit noch von ferne zu beobachten, und die Vortheile, die daraus für ihn erwachsen konnten, von der Zeit und den Umständen zu erwarten.

Seine Absichten waren auf einen andern Gegenstand gerichtet, die Eroberung des morgenländischen Kaiserthums schien seinem Ehrgeiz ein erhabneres Ziel als der unsichre, von den Deutschen bestrittne Besitz der Krone Italiens. Die byzantinischen Monarchen beherrschten nur noch einen kleinen Theil von den Reichen Justinians, aber auch in diesem gesunknen Zustande übertraf das griechische Kaiserthum an Ausdehnung und Volksmenge die mächtigsten Staaten Europas. Vor dem Schwerdt der Ungläubigen hatten sich aus den verlohrnen Ländern die reichsten Einwohnern mit ihren schätzen, ihren Künsten und Gewerben nach dem Mittelpunkte des Reichs gerettet, ein betriebsames Volk bewohnte die Provinzen von Thracien, Macedonien und Griechenland, die asiatische Küste des schwarzen und ägeischen Meeres, und die zahlreichen Inseln des Archipelagus, alle Vortheile des Bodens, des Clima’s und der Lage vereinigten sich den Wohlstand dieser Länder zu erhöhen, und die ungeheure, noch nie eroberte Kaiserstadt beherrschte noch immer den Handel der drey Welttheile.

Unermeßliche Summen flossen jährlich in die kaiserliche Schatzkammer, und die unumschränkte Gewalt des Monarchen setzte ihn in den Stand, alle Hülfsquellen des Staats zu dem dringendsten Bedürfniß anzuwenden. Die Mauern von Constantinopel allein umschlossen eine zahlreichere Mannschaft, als die Normannen bey der äusersten Anstrengung in allen ihren Provinzen aufbringen konnten, und die Unternehmung, ein so mächtiges Reich mit den geringen Mitteln, die dem Herzog zu Geboth standen, umstürzen zu wollen, schien auf den ersten Anblick abentheuerlich, ja beinahe unmöglich. Aber Robert ließ sich durch den Schein nicht abschrecken, er hatte seine Kräfte und den Widerstand, den er zu finden erwarten konnte, genau berechnet, und hielt sich des glänzendsten Erfolgs versichert. Auf die Schwäche einer fehlerhaften Staatsverfassung, auf den schlechten Zustand der griechischen Kriegsheere, und auf den entnervten Charakter eines tief gesunknen Volks gründete er seine Hofnungen. Keine Provinz des byzantinischen Reichs hatte sich gegen die verheerenden Einfälle der Barbaren schützen können, und die Hauptstadt selbst war gewohnt, einen feindlichen Angriff lieber durch Geld abzukaufen, als ihm die Tapferkeit ihrer Bürger entgegen zu setzen. Die Leichtigkeit, womit die Griechen ihre Schätze erwarben, und die Gewisheit, daß die Summen, womit sie ihre Sicherheit bezahlten, durch die mannichfachen Kanäle des Handels ihnen in kurzem wieder zuströmen mußten, machten sie verschwenderisch mit ihren Reichthümern, aber karg mit ihrer Person. Sie scheuten den Tod mehr als Schande, Beschwerden mehr als Sclaverey. Längst hatte die Weichlichkeit eines üppigen Volks sich beynahe ganz dem Kriegsdienst entzogen, die Vertheidigung der Grenzen, der Hauptstadt und des Monarchen selbst war Fremdlingen anvertraut, die stets bereit standen, ihr erkauftes Schwerdt für den bessern Bezahler zu ziehn. Die Spiele des Circus und die Zänkereien der Priester waren die leidenschaftliche Beschäftigung der Bürger von Constantinopel geworden; ein Volk, das ruhig seine besten Fürsten von nichtswürdigen Usurpatoren verdrängen sah, und es nicht wagte, einen Schatten von Freiheit gegen das drückendste Joch blutdürstiger Tyrannen zu behaupten, kämpfte im wüthenden Tumult um den Vorzug seiner Lieblinge auf der Rennbahn, oder die verschiedne Auslegung einer dunkeln Schriftstelle, und unbekümmert, welchem entfernten Oberhaupt ihre Satrapen gehorchten, folgten die sclavischen Provinzen geduldig dem Beispiel der Hauptstadt, oder den Gebothen eines nahen Befehlshabers.

Alle Kraft war aus dem Charakter des Volks und aus der Verwaltung des Staats gewichen; den Schein der Hoheit darzustellen, war die große Kunst der Regierung. Der Despot selbst, an dessen Willkühr Glück und Leben von Millionen hieng, gehorchte als ein Sclav dem Ceremoniel seines eignen Pallastes, und zitterte bey der Lästerung eines Priesters, die seine Rechtglaubigkeit zweifelhaft machte, bey der geringsten Unzufriedenheit seiner ausländischen Leibwachen, oder der Nachricht von dem verdächtigen Betragen eines entfernten Statthalters. Mönche, Weiber und Verschnittne theilten die Würden des Staats und der Armeen aus, und die Intriguen des Pallastes hoben Verbrecher auf den Thron und stießen Monarchen in’s Kloster. Selbst den bessern unter den Kaisern blieb unter dem gedoppelten Zwang des Glaubens und der Etiquette, und im gefährlichen Kampf mit den Verschörungen der Höflinge und den Facitonen der Hauptstadt weder Zeit noch Macht übrig, die Mängel des Staats zu verbessern oder den eindringenden Feinden sich entgegen zu stellen.

Fürchterlicher als jemals zerrütteten die vereinten Übel des innern Verderbens und auswärtiger Anfälle das griechische Kaiserthum, nach dem Abgang der männlichen Nachkommen Basils des Macedoniers. Die kurzen Regierungen des ersten Komnenes und Romanus Digoenes waren vorübergehende Sonnenblicke, welche die Laster einer Reihe unwürdiger Regenten nur noch auffallender machten. Verachtet von seinen Unterthanen beschäftigte sich Michael Dukas mit den Spitzfündigkeiten sophistischer Untersuchungen in den Schulen des Psallus, unterdeß der Kornwucher seiner Günstlinge ihm einen schimpflichen Beinamen zuzog, und der Thron eines türkischen Sultans zu Nicäa die Majestät der Nachfolger Constantins höhnte. Michael wurde durch die Rebellion der Anführer seiner Heere des Purpurs beraubt, aber Nicephorus Botaniates hielt das Scepter in eben so schwachen Händen als sein Vorgänger, und die Provinzen auf beiden Seiten des Bosphorus, an der Donau und im Innern Griechenlands seufzten unter den verheerenden Einfällen des Scythen und Türken, und unter den Zerrüttungen eines unglücklichen Krieges gegen vier empörte Feldherren.

Diesen Zeitpunkt wählte Robert, das wankende Kaiserthum anzugreifen, seine Zurüstungen waren vollendet, und Michaels Fall, mit welchem auch Konstantin, der Tochtermann des Herzogs, vom Thron stürzte, gab ihm den Vorwand zum Kriege. Die Beute der Rebellen hatte seinen Schatz bereichert, und er wendete zwey volle Jahre an, seine Landmacht und seine Flotte in einen furchtbaren Zustand zu setzen. Ungeheure Vorräthe von Proviant und andern Kriegsbedürfnissen wurden auf die Lastschiffe geladen, und die völlig fertigen Belagerungsmaschinen durften nur zusammengesetzt werden, um sogleich zum Gebrauch fähig zu seyn. Aus den Häfen des adriatischen, des ionischen und sicilischen Meeres giengen neugebaute Galeeren hervor, bey Otranto warf eine ragusanische Hülfsflotte die Anker, und die zahllosen Seegel der flachen Fahrzeuge bedeckten den Meerbusen von Tarent.

Aber vergebens bemühte sich Robert, durch Freigebigkeit und große Verheißungen den Normannen Lust zu dieser Unternehmung zu machen. Der Besitz des schönsten Landes in Italien schien ihre Wünsche befriedigt zu haben, es bedurfte eines noch nicht erfundnen Sporns, sie ohne Widerwillen aus ihren blühenden Planzungen zu treiben. Eine kleine Anzahl vom Geist der Eroberung angefeuerter Jünglinge ausgenommen, folgten die Übrigen ihm halb gezwungen in ein fernes, durch Meere von ihnen getrenntes Land. Sein Vorsatz wurde dadurch nicht erschüttert; überzeugt, daß die, welche jetzt ungern auszogen, an dem griechischen Ufer doch tapfer fechten würden, eilte er zur Ausführung. Von ungefähr, oder auf seine Veranstaltung erschien zu Salerno ein Mönch, der sich für den in ein Kloster gestoßnen Kaiser Michael ausgab. Er wurde in öffentlicher Versammlung gehört, und flehte mit Thränen und Seufzern um Schutz und um Rache an seinem Verfolgern. Bey dem Vater der Prinzessin Helena, die sein Unglück theilte, glaubte er seine Absicht am sichersten zu erreichen, und er hätte keinen glücklichern Zeitpunkt wählen können, als den, wo sein Rächer schon im Begriff war, ihm zu Hülfe zu eilen. Zwar wollten verschiedne Normannen, die ehemals an Michaels Hofe gewesen waren, seine Züge in dem Mönch nicht wieder erkennen, aber die Art, wie Robert ihn empfieng, legte jedermann Stillschwiegen auf. Mit dem Purpur bekleidet bewohnte er die schönsten Zimmer des Herzoglichen Pallastes, und man bediente ihn mit aller der Ehrfurcht, die allein das Schicksal des erhabnen Flüchtlings erleichtern konnte. Mit einem Pomp, den Robert selbst in seinen Feldzügen nie gekannt hatte, wurde er nach Otranto geführt, und überall dem staunenden Volke gezeigt.

Ein Gesandter gieng voraus, um seine Wiedereinsetzung auf den constantinopolitanischen Thron zu fodern. Er fand das Scepter schon nicht mehr in der Hand, die es dem unglücklichen Michael entrissen hatte. Durch die Klugheit und Tapferkeit seines ersten Feldherrn war Nicephorus Botaniates dem Verderben entrissen worden, womit ihm die Empörung mächtiger Nebenbuhler drohete, aber Undank und die Misgunst der Höflinge machten den Beschützer des Throns zum Rebellen. Alexius Komnenes behielt nur zwischen dem Untergang oder der Krone die Wahl; er hatte seine Hauptstadt erobert, seien Festungen und Provinzen mußte er den Misvergnügten entreißen, um sie gegen Türken und Normannen zu behaupten. Glücklichere Umstände konnten Roberts Unternehmung nicht begünstigen. Er eilte, die letzten Masregeln zu nehmen, und für die Ruhe seiner Staaten während einer langen Abwesenheit zu sorgen. Zu Otranto stellte er Rogern, den erstgebohrnen Sohn seiner zweiten Gemahlin Gaita, dem Volke und den versammleten Baronen, als seinen Nachfolger in der Regierung und ihren Regenten während des Feldzuges vor. Politik noch mehr, als Nachgiebigkeit gegen seine Gemahlin, bewog ihn, den jüngern Bruder dem Ältern, den Sohn der Longobardischen Prinzessin dem Sohne Alveradens vorzuziehen. Die Liebe der Eingebohrnen sollte das Scepter eines von mütterlicher Seite aus ihrem edelsten Blut abstammenden Fürsten unterstützen. Der heldenmüthige Bohemund konnte gleich seinem Vater sich ein Erbtheil erkämpfen, und war vielleicht grade jetzt im Begriff, sich eine Krone zu erwerben.

Er gieng mit funfzehn Galeeren voraus, die Küste von Albanien und der Insel Corfu zu untersuchen, und einen Platz zur Landung zu bestimmen. Weder Truppen, noch Kriegsschiffe widersetzten sich ihm, das erschrockne Landvolk unterwarf sich, oder floh bey seiner Annäherung. Er nahm Butrinto ein, Corfu that keinen Widerstand, und Robert konnte sein Heer in voller Sicherheit übersetzen. Hundert und funfzig flache Fahrzeuge trugen jedes zweyhundert Mann, Robert selbst fuhr an der Spitze von dreizehnhundert normännischen Rittern über, und führte, gleich den übrigen sein Pferd am Zügel. Der kriegerische Pomp des Übergangs, die Menge der Fahrzeuge, die bey hellem Wetter auf dem Meer hinglitten, und die stolze Begleitung der Galeeren gaben das prächtigste Schauspiel. Hingerissen von Enthusiasmus stieß das Heer ein Freudengeschrey am feindlichen Ufer aus. Vergessen waren alle Sorgen der Heimath, Heldengefühl belebte jede Brust, und Robert zog die glücklichste Vorbedeutung aus der allgemeinen Freude der Krieger.

Ihre ersten Fortschritte waren eine Kette von Eroberungen; Aulon öfnete dem Sieger die Thore, die ganze Seeküste erkannte seine Gesetze, nur Durazzo allein schien seinem raschen Gange ein Hinderniß entgegensetzen zu wollen. Alexius, der diesen Ort mit Recht als den Schlüssel seiner westlichen Provinzen betrachtete, hatte das Einzige, was ihm in der Verwirrung seiner Angelegenheiten möglich war, gethan, indem er einen erfahrnen Feldherrn, Georg Palaeolog, als Befehlshaber dahin abschickte. Die ihm anvertraute Stadt einem verdächtigen Kommandanten zu entreißen, ohne Geld und ohne Truppen den Angriffen der Feinde zu widerstehn, war der schwere Auftrag, den Georg glücklich ausführte. Die Mauern wurden in der Geschwindigkeit ausgebessert, die Bürger übernahmen selbst die Vertheidigung, und in einer hartnäkigen Gegenwehr bewiesen sie, daß der Muth der alten Epiroten auf ihre späten Nachkommen fortgeerbt war.

Robert eilte, sie einzuschließen. Der Marsch in einem durchschnittnen Lande würde das Gepäck und die schweren Maschinen zu lange aufgehalten haben, die See war ruhig, und bey dem heitersten Wetter seegelte die Flotte an der Küste hin. Schon hatte sie die Hälfte der Fahrt zurückgelegt, als plötzlich ein in dieser Jahrszeit ungewöhnlicher Sturm sich erhob. In einem Augenblick waren die Schiffe zerstreut. Eine Menge der belasteten Fahrzeuge versank im ofnen Meere, die glücklichern scheiterten am Gestade. Mit Mühe entgieng die Galeere des Herzogs dem Schiffbruch. Der Wuth des tobenden Wetters ausgesetzt, stand er auf einem Vorgebirge, und sah mit bitterm Schmerz den Verwüstungen des Orkanes zu. Die Trümmern der ungeheuern Zurüstung schwammen auf dem Meere, die schäumenden Wellen spielten mit Leichnamen von Menschen und Pferden, du mit der Arbeit mehrerer Jahre. Alle seine Maschinen waren vernichtet, seine Vorräthe versunken oder unbrauchbar geworden, und ein großer Theil der Mannschaft hatte den Tod in dem furchtbaren Elemente gefunden.

Sieben Tage brachte er zu, die Überbleibsel aus dem Schiffbruch und die Geretteten zu sammlen. Den Muth der Niedergeschlagnen wieder zu beleben, war seine erste Sorge; seinen Verlust zu ersetzen, mußte Bohemund nach Italien übergehn. Neue Fahrzeuge wurden in den apulischen Häfen erbauet, und die beschädigten ausgebessert. Die verschlagnen Galeeren kehrten in den Hafen von Aulon zurück, und wurden durch später angekommne aus Dalmatien und Sicilien verstärkt; frische Truppen stießen zu dem Heere, das jetzt sich tiefer ins Land zog, um den schädlichen Ausdünstungen der Leichen am Ufer zu entgehn.

Es rückte nun ohne Verzug vor Durazzo, und Robert ließ die Bürger auffodern sich ihrem rechtmäßigen Monarchen zu unterwerfen. Unter Pauken und TrompetenSchall und von singenden Chören umgeben, zeigte sich der Mönch an den Mauern, aber der Spott der Einwohner trieb ihn zurück. Besser glückte der Betrug bey dem geängsteten Landvolk, das unbekümmert, ob Michael der wahre Kaiser sey, oder nicht, begierig sich seinem Schutz unterwarf. Georg Palaeolog sandte Eilboten an den Kaiser, den Entsatz zu beschleunigen, und ihn zu überzeugen, daß die Absicht der Feinde nicht blos auf einen räuberischen Streifzug, sondern auf die wirkliche Eroberung des Landes gerichtet sey. Alexius war von Allem entblößt; ohne Geld und ohne Truppen mußte er in seiner Entschlossenheit, und in einer klugen Anwendung der ungebrauchten Kräften des Staats die Mittel zur Rettung suchen. Ehe er noch die Krone auf seinem Haupt befestigt hatte, wagte er es, die Schätze der Kirchen zur Besoldung des Heeres anzuwenden, das sein thätiger Geist beinahe aus dem Nichts hervorrief. Mit den Venetianern unterhandelte er um Schiffe, mit den Türken um Hülfsvölker. Die ersteren ließen sich lange erwarten, aber Eifersucht auf die neue Seemacht der Normannen, und reiche Geschenke des Kaisers, überzeugten die Republik von der Nothwendigkeit ihrem entfernten Schutzherrn beyzustehn, und in kurzer Zeit erschien ihre Flotte an der epirotischen Küste.

Bohemund seegelte ihr kühn entgegen, und der Erfolg des ersten Tages hob den sinkenden Muth seiner Normannen, die in den glücklichen Wohnsitzen Apuliens ihr altes Handwerk der Freibeuterey lange vergessen hatten. Aber die Beherrscher des adriatischen Meeres ließen sich durch einen kleinen Verlust nicht niederschlagen. Sie lagen die Nacht in Schlachtordnung vor Anker, und erneuerten am folgenden Tage den Angrif. Ihre vorspringenden Flügel droheten die Flotte Bohemunds zu umzingeln, die höhere Bauart ihrer Schiffe, war dem Wurf des Geschützes günstig, und von ihren hervorragenden Castelen prallten die Spieße der Gegner ohne Wirkung ab. Schwere, von der Höhe herabgeworfene Klötze, zertrümmerten Bohemunds Schiffe, seine Galeere borst mitten entzwey, und er stürzte von einem dichten Pfeilhagel überschüttet ins Meer. schwimmend rettete er sich auf ein andres Schiff, den Kampf zu erneuern, aber seine erschroknen Bundsgenossen ruderten dem Ufer zu, viele ihrer Galeeren wurden eine Beute der Sieger, und Robert, der zu gleicher Zeit einen Ausfall der Besatzung zu bekämpfen hatte, mußte einen Theil seiner Landmacht an das Gestade vorrücken lassen, um mit dem Geschütz die andringenden Venetianer zurückzutreiben. Eine dicke Rauchwolke, die plötzlich in seinem Rücken aufstieg, verkündigte ihm neues Unglück. Paläolog hatte seine Abwesenheit benutzt, um das Lager anzugreifen, das zurückgebliebne Fußvolk nahm die Flucht, und nur mit der größten Anstrengung konnte ein Theil des Gepäcks und der noch unvollendeten Maschinen gerettet werden.

Schlag auf Schlag folgte jetzt ein Unfall dem andern. Mit der Herrschaft des Meers kehrten auch die eroberten Inseln unter den Gehorsam des Kaisers zurück, die Venetianischen Schiffe bewachten die Küsten, und weder Verstärkung an Mannschaft noch Lebensmitteln konnten aus Italien herüber gebracht werden. Mit beiden wurden die belagerte Stadt reichlich versehen, und Paläolog wagte es jetzt mit glücklichem Erfolg, den Belagerern auch die Zufuhre auf dem festen Lande abzuschneiden. Hunger wüthete in Roberts Lager, eine tödliche Seuche war die unmittelbare Folge davon, und in der kurzen Zeit von drey Monathen wurden fünfhundert Ritter und über zehntausend Gemeine von dem fürchterlichen Übel hingeraft.

Bey allen diesen Widerwärtigkeiten blieb Robert allein unerschüttert, das allgemeine Elend kränkte ihn, ohne ihn zu beugen. Er gieng in den Gezelten umher, tröstete die Leidenden, suchte den Muth der Gesunden wieder aufzurichten, und theilte seinen sparsamen Vorrath mit den Kranken. Die Arbeiten der Belagerung wurden mit unermüdetem Eifer fortgesetzt. Den Winter über verschanzte sich der Rest des vor kurzem so furchtbaren Heeres in der Entfernung eines Pfeilschusses von der Stadt, und neue Maschinen giengen unter den Händen der fleißigen Werkleute hervor. Ein ungeheurer Thurm, groß genug, um fünfhundert Krieger zu fassen, stand endlich auf Walzen im Gleichgewicht. Langsam wurde er gegen die Mauer hingeschoben, und eine ausgesuchte Schaar erwartete das Zeichen, aus der Fallthür hervorzubrechen. Aber in jeder Art der Kunstfertigkeit, waren die Griechen den Normannen überlegen; Paläolog hatte den Bau des Thurms von ferne betrachtet, ein schweres, mit eisen beschlagnes Balkenstück lag auf seiner größten Steinschleuder bereit. In dem Augenblick, wo die Fallthür niedersank, schmetterte der abgeschossne Balken sie in Trümmern, und ehe noch der Schaden verbessert werden konnte, loderte das hölzerne Gebäude, mit künstlichem Feuer überschüttet, in die Höhe.

Ein letzter Versuch, sich die Herrschaft des Meeres oder wenigstens freye Gemeinschaft mit Italien wieder zu erkämpfen, fiel eben so unglücklich aus. Die Venetianer vernichteten Roberts Flotte; keine Mannschaft, keine Lebensmittel, nicht einmahl Nachricht konnte aus der Heimath herüberkommen, Hunger und Kranheit wütheten unter den Belagerern fort, und das Gerücht von der Annäherung des Kaisers, an der Spitze eines unzählbaren Heeres, schlug den Muth der durch so manchen Unfall geschwächten Normannen völlig nieder.

Schon die Namen der Völker, welche unter Alexius Fahnen sich versammelt hatten, verbreiteten Schrecken und Verzweiflung. Es waren nicht blos weichliche Griechen, sondern die tapfersten Völker des Nordens, die in der Mitte dieses durch den Ruf unendlich vergrößerten Heeres fochten. Die Leibwachen der Varangier und Scandinavier, der fabelhaften Nationen der baltischen Küste, deren Andenkens ich in den Sagen und Volksliedern der Normannen erhalten hatte, machten den Kern der kaiserlichen Kriegsmacht aus. Dänen und Britten, von dem Schwerdte der nordischen Eroberer aus ihren entfernten Wohnsizen vertrieben, erschienen hier, an den Brüdern ihrer Überwinder die Schmach des Vaterlands zu rächen; gleiches Unrecht und neuere Beleidigungen hatten mit ihnen die Ausgewanderten aus Roberts Staaten verbunden. Die rauhen Bewohner Bulgariens waren durch ihre fanatische Tapferkeit, und eine hartnäkige Geduld in den härtesten Beschwerden berühmt, und die, durch ihre Pfeile den gedrängten Haufen so furchtbare türkische Reuterey, schwärmte auf allen Seiten um die Armee des Kaisers. Mehr durch persönlichen Muth, und die Pracht ihres Aufzuges, als durch kriegerische Talente zeichnete sich die Jugend des Hofes aus, und die Veteranen, die in Asien gegen die Türken gefochten hatten, vergrößerten die fürchterliche Macht, welche in steter Schlachtordnung durch die ebnen Macedoniens heraufzog.

Alexius hatte seine Masregeln so gut genommen, daß der Ruf von seiner Annäherung ihm nur um wenige Tage vorausflog, und ehe die Normannen sich noch von dem ersten Schrecken erholt hatten, erschienen die türkischen Reuter schon auf dem nahen Gebirge.

Der Herzog verbarg dem versammleten Kriegsrath keinesweges die Größe der drohenden Gefahr. Ein gefangner Anführer leichter Truppen, der sich zu weit gewagt hatte, gab eine genaue Nachricht von der Stärke des Feindes, die sich ohne alle Übertreibung doch auf 70,000 Mann belief. „Ihr wißt nun alles“, setzte Robert hinzu, „es bleibt uns keine Wahl, wir müssen sterben oder siegen. Einigkeit und strenger Gehorsam allein können uns retten. Um den Feigen auch den Gedanken der Flucht zu benehmen, ist mein Rath, wir verbrennen unser befestigtes Lager, unser Gepäck und unsre Schiffe. Der Sieg giebt uns alles wieder, wo nicht, so überhebt uns der Tod aller Bedürfnisse. Den Feind wollen wir hier auf dieser Stelle erwarten.

Die kalte Größe dieser Rede that ihre Wirkung. In der dringenden Gefahr verstummte jede Regung der Misgunst, eine allgemeine Beistimmung huldigte der Überlegenheit des Herzogs, und die Flamme der brennenden Schiffe verkündigte den edelmüthigen Entschluß der Helden.

Der Schimmer zahlloser Wachtfeuer erfreuete in der Nacht die belagerte Stadt, mit der Hofnung ihrer nahen Befreiung, und ließ die Normannen die Ausdehnung des feindlichen Lagers beurtheilen. Alexius hatte den Befehlshaber von Durazzo zu sich berufen, und gleichfalls Kriegsrath gehalten. Paläologus war der Meinung, mit dieser überlegnen Armee, die ein fruchtbares Land hinter sich hatte, die Pässe des Gebirges besetzt zu halten, mit der Flotte alle Zufuhr über das Meer abzuschneiden, und durch Hunger und unaufhörliche Angriffe der leichten Reuterey, den Feind aufzureiben. Mehrere der erfahrensten Feldherren unterstützten diesen Rath, aber der Unwillen der Prinzen und Edlen von Alexius Hofe überstimmte sie. Die kühne Jugend forderte dringend die Schlacht, und überzeugte den Kaiser, daß es schimpflich sey, sie auch nur Einen Tag zu verschieben.

Robert, der sich bey dem Abbrechen der Brücken, und um den Rücken des Heers gegen die Ausfälle der Belagerten zu decken, verweilt hatte, befand sich mitten in dem engen Paß, als ein Theil des zersprengten Fußvolks sich auf die noch im Durchzug begrifne Reuterey warf. Durch die Kraft der von beiden Seiten Andringenden, wurde der Hohlweg verstopft, und die bereits durchgegangnen Reuter begannen der Übermacht des Feindes zu weichen. In diesen fürchterlichen Augenblicken mußte er sich mit dem Schwerdt durch seine eignen Leute Luft machen, aber der Moment, wo er endlich an der Spitze seiner Reuterey erschien, entschied auch das Schicksal des Tages. „Wohin wollt ihr fliehen,“ rief er mit donnernder Stimme, „zieht ihr die Knechtschaft dem Tode vor?“ Schnell ordnete er die Reihen, und seine achthundert Ritter, die jetzt Raum bekamen, sich auszubreiten, rannten mit eingelegter Lanze gegen den Feind. Die Varangier und die glänzende Schaar des constantinopolitanischen Adels, die sich zu weit von der Hauptmacht entfernt hatten, wurden in ihrer entblößten Seite angegriffen, und auf die Türken gestürzt. Alexius verzweifelte an der Tapferkeit seiner Griechen; sobald er die Niederlage der Leibwachen sahe, ergrif er selbst die Flucht, er bahnte sich, obgleich verwundet, mit dem Schwerdte den Weg durch einen Haufen Normannen, und entkam nach Cychnidus, dem heutigen Achrida. Fünf bis sechstausend Mann von seinem Heere lagen auf dem Platze, auf Roberts Seite traf das Schwerdt nur die Feigen, von den Rittern waren nicht mehr als dreißig geblieben. Der Tod des Mönchs, der den Kaiser Michael vorstellte, brachte nicht die geringste Veränderung hervor; der Sieg der Normannen war zu wichtig, der Übergang von dem hofnugnslosesten Zustande zu der Erfüllung ihrer kühnsten Wünsche zu rasch, ihr Glück zu vollkommen, als daß sie nun hätten still stehen können. Mit der kostbaren Beute des griechischen Lagers, entschädigten sie sich reichlich für den Verlust ihres Gepäcks, und Robert zählte eine Menge eroberter Fahnen, und das kaiserliche Zelt unter seinen Trophäen.

Die umliegende Gegend stand ihm nun offen, Zufuhr kam im Überfluß in sein Lager, aber Durrazzo widerstand noch, sein Heer war bis auf ein Drittheil geschmolzen, und die späte Jahrszeit schien wenig Raum zu neuen Unternehmungen vor dem Winter zu lassen. Dem ungeachtet rückte der Herzog sogleich wieder vor die Stadt, und ließ Erdhütten bauen, um seine Truppen gegen die Kälte zu schützen. Zu seinem Hauptquartier wurde ein Hügel mit Verschanzungen befestigt, welche noch lange den Namen: Guiscards Schloß, geführt haben.

Er sagte die nahe Eroberung von Durrazzo mit einer Zuversicht voraus, welche vermuthen ließ, daß er auf geheime Hülfsmittel rechnen zu können glaubte. Ein Theil der Bürger, der in der Schlacht den Ausfall gethan hatte, war von der Stadt abgeschnitten worden, und hatte sich mit dem flüchtigen Heere zurückziehen müssen. Einen noch unersetzlichern Verlust aber hatte sie durch die Entfernung des tapfern Paläolog erlitten. Ein Venetianer übernahm an seiner Stelle die Vertheidigung des Schlosses, und ein epirotischer Edler wurde Befehlshaber der Bürger. Eifersucht und Uneinigkeit waren die Folge der getrennten Gewalt. Nach einem fehlgeschlagnen Versuch, seinen Nebenbuhler aus der Stadt zu verdrängen, gab Dominicus, der Anführer der Venetianer, den Vorschlägen des Herzogs Gehör. Die Aussicht, eine Nichte Roberts, mit fürstlicher Aussteuer zur Gemahlin zu bekommen, siegte über seine Treue, und die Masregeln der Verrätherey wurden schnell verabredet. In einer finstern Nacht führte der Unterhändler, ein Überläufer aus Bari, den Herzog an den bestimmten Ort, dicht unter den Mauern der Stadt. Einige Consentiner, durch die Schnelligkeit ihrer Füsse berühmt, und wenige Ritter waren seine ganze Begleitung, aber zu ihrem Schrecken fanden sie keins der abgeredeten Zeichen. Voll Wuth wollten die Ritter den Unterhändler ermorden, und selbst Robert glaubte sich verrathen, denn sein Heer war in zu weiter Entfernung gefolgt, um den Vorausgegangnen, die jetzt in der Gewalt eines Unbekannten waren, zu Hülfe kommen zu können. In dieser Verlegenheit bittet der Barenser den Herzog, ihn allein in die Stadt gehen zu lassen, und verspricht, sichre Nachricht zu bringen; aber alle Ritter widersetzten sich, weil das Leben des Verräthers, den sie jetzt ganz gewiss einer doppelten Treulosigkeit schuldig hielten, ihre einzige Sicherheit ist. Robert allein bleibt kalt: „ich bin nicht hergekommen, um vergebens wieder zurückzukehren,“ sagt er, und entlässt den Überläufer. Noch beinahe eine Stunde verstreicht in peinlicher Ungewißheit, endlich rollen die Strickleitern von den Mauern herab, der Barenser steigt herunter, und bleibt als Geißel zurück. Nur mit Mühe war es ihm gelungen, nachdem man ihn schon als einen Bekannten eingelassen hatte, ohne Aufsehn bis vor den Befehlshaber zu kommen, der den Herzog früher erwartet hatte, und, da Niemand erschien, eingeschlafen war. Robert erstieg nun schnell die Mauern, und bemächtigte sich eines Thors, dessen Wache der Venetianer gewonnen hatte. Das herannahende Fußvolk wurde in der Stille eingelassen, und unter dem Klang der Trompeten, und dem Geschrey: Guiscard, Guiscard ist da! brachen die Normannen in die Stadt.

Die erschroknen Bürger griffen zu den Waffen, ohne zu wissen, wer Freund oder Feind sey, weil sie einen Theil der Venetianer auf Roberts Seite sahen. Doch sobald es Tag wurde, und sie ihre Gegner unterschieden konnten, begann ein hartnäkiger Kampf. In der Eil aufgeworfne Gräben sonderten die Mauer von den Strassen, und erst am dritten Tage, und nachdem die venetianische Flotte den Hafen verlassen hatte, wurde Robert Meister der Stadt.

Er war nun im Besitz der ganzen Provinz, die See stand ihm offen, alle Inseln erkannten seine Herrschaft. In einem siegreichen Fluge durchstreifte er Macedonien, und überal unterwarfen sich die Städte einem Eroberer, der die Überwundnen mit Milde behandelte, und sie im Besitz ihres Eigenthums schützte. In der Stadt Castoria wurden dreyhundert Varangier nach einer schwachen Gegenwehr seine Gefangnen; Eilbothen waren auf flüchtigen Schiffen nach Italien gegangen, die Entfernung der Venetianer zu verkündigen, und den Abgang der Hülfsvölker zu beschleunigen, welche in dem Hafen von Thessalonich zu ihm stoßen sollten. Diese Stadt, die einzige, die ihn hätte aufhalten können, zitterte bey der Annäherung des Siegers; sie war bereit sich nach dem Beispiel ihrer Schwestern zu unterwerfen, und Robert hatte nun bis an die Mauern von Byzanz, kein Hinderniß mehr vor sich.

(Die Fortsezung folgt.)

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