HomeDie Horen1797 - Stück 3III. Schreiben Herrn Müllers. [F. Müller]

III. Schreiben Herrn Müllers. [F. Müller]

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Mahlers in Rom über die Ankündigung des Herrn Fernow von der Ausstellung des Herrn Profeßor Carstens in Rom.

Amicus Plato, amicus Socrates, sed magis amica veritas.

Rom, den 16ten December 1796.

Sie ersuchen mich, Ihnen Nachricht von der Ausstellung zu ertheilen, welche Herr Carstens, ehmaliger Professor der Mahlerey in Berlin, im verflossenen Jahr von seinen Arbeiten hier gemacht hat. Sie verlangen dieß, besonders in Rücksicht auf die prunkvolle Anzeige, die Herr Fernow im deutschen Merkur davon gegeben, und zwar in einem Tone, der ihnen für alle Künstler in Rom, besonders Deutsche herabwürdigend zu seyn schien. Ich habe nun diese Ankündigung auch gelesen, und wundre mich gar nicht mehr, daß eine solche Erscheinung für Sie so auffallend war; auch wüßte ich selbst nicht zu entscheiden, wie ein vernünftiger Sachkundiger sogleich sich benehmen dürfte, ob er alles, was hier vorgetragen ist, für Ernst ansehen und zürnen, oder als Scherz betrachten und lächeln soll. Bequem würde ich mich freilich an letzteres halten, und also den Handle auf eignem Werthe beruhen lassen, fände ich mich nicht durch ihr freundschaftliches Gebot gebunden, mich deutlicher darüber herauszulassen.

Ehe ich aber meinen Fuß voransetze, wird nöthig seyn, daß ich hier einige Ideen entwickle, und zuvor klar zu machen suche, was ich mir unter einem vollkommen Kunstrichter denke, damit man gleich das Maaß sehe, wornach ich messe, wenn ich im Lupfe meiner jetzigen Untersuchungen an Stellen gerathe, wo ich mit dem Herrn Verfasser nothwendig nicht zufrieden seyn kann, und von der Wahrheit gedrungen, ihn auf so manche Wolke aufmerksam machen muß, die seine Urtheile in der Kunst schwer noch beschatten.

So wenig durch die bloße Psychologie ein tüchtiger Anatomiker (obgleich beides zur vollkommnen Kenntniß des Menschen gehöret) gebildet wird, eben so wenig darf der blosse Ästhetiker, wenn er auch in diesem Fache noch so erleuchtet sich zeigt, ohne hinlängliche Wissenschaft im praktischen der bildenden Künste, als Kenner, und weit weniger noch als Kunstrichter sich bestätigen. Die harmonische Vereinigung von Wissen und lebendiger Erkenntniß, von Zweck und Mittel, worinnen das geistige mit dem mechanischen, wie Leib und Seele beym Menschen, sich in der Kunst zum Leben knüpft, ist wie dem Künstler, gleichfalls dem Kenner nöthig, wenn die Bemerkungen, welche er aufstellt, anwendbar, und seine Entscheidungen sicher seyn sollen. Um so mehr aber soll er den praktischen Theil umspannen, weil hier die Kunst eigentlich ihren Sitz hat, ohne deren Zuthun auch die schönste Idee, unerweckt für Herz und Sinnen, ein leerer Traum bleibt. Diese Kenntnisse sind aber so leicht nicht zu erhaschen, als mancher wohl beym ersten Blick glaubt; mit grosser Überlegung und anhaltendem Fleiße müssen sie, mit der Reißfeder und dem Pinsel, in den besten Mustern gesucht, und der Natur abgelauscht werden. Kurz, der ächte Kenner, um so mehr der schreibende, muß selbst ein praktischer Künstler seyn; und nur um so schwerer werden seine Bemerkungen für die Wahrheit wägen, je mehr er selbst in der Kunst zu vollenden weiß. Nur auf diesem Wege kann er das Verständniß der Körper, nach Form und Farbe völlig erlangen, was in Betracht auf den Menschen so bedeutend ist, wodurch er in den Stand gesetzt wird, nach den Lagen und Bewegungen, das Schickliche wahrzunehmen, und dem Ausdrucke nach gewiss sichrer zu verstehn. Durch Sachkenntnisse bereichert, wird ihm die Annäherung oder Abweichung zur natürlichen Eigenheit im vorgestellten Gegenstande dann leicht auffallen, und um so gewisser darf er dann für jeden von der Kunst aufgestellten Charakter bey sich das Maaß finden, wornach er im Beurtheilen anschlägt, und solchergestalt das Ideal nicht im luftigen Sistemencalcul, sondern nach dem lebendigen Aufschluß inniger Erkenntniß berühret. Gleich dem edlen Künstler, der nur nach dem vortreflichsten Beyfalle ringet, wird auch er, bevor er entscheidet, sich die würdigsten Kenner jeder Zeiten, als Zeugen in die Seele rufen, und mit der Achtung, die er seiner Vernunft zuerkennet, den eignen Willen bändigen. Der Ausdruck, welchen er dann beym Urtheilen wählet, wird im Gehalt genau mit der Sache abgewogen seyn; und da zwischen seinem Verstande und Gefühl durch das Wissen alle belästigende Hindernisse weggeräumt sind, so können nur die reinsten Resultate aus seinen Bemerkungen hervorströmen, die durch ihre Wärme und Licht sogleich den Verstand aufhellen, und das Gefühl beseligen. Vertraut mit dem Vermögen der Kunst kann solch einem nie einfallen dem Künstler das abzufodern, was er nicht geben will, noch wird er die Vorstellungen nach einem Sistemen-Bette tirannisch recken oder verstümmeln wollen, sondern jeden Theil der Kunst, ohne Aufopferung des einen um des andern willen, auf gleiche Art würdigen. Ohne begünstigende noch niederdrückende Seitenblicke, ohne voreilige Bann- und Segenssprüche, stets das Augenmerk zur Wahrheit gerichtet, wird er beschieden doch männlich seine Meynung vortragen, und seine Entscheidungen werden durch innere Überzeugung belebt, als Herolde da stehn, die jedes entflammte Gefühl zum Schönen und Großen auffodern.

In wie fern der Herr Ankündiger sich diesem hier aufgestellten Muster nähere, wird beym weiteren Fortgange aus seiner Schrift für uns deutlicher erhellen. Ich beriete mich indessen, ihm hier weniger Schritt für Schritt zu folgen, als nur an denjenigen Stellen zu begegnen, welche Gelegenheit darbiethen, die Vorstellungsweise seines Freundes und Lehrers näher zu entwickeln, um desto genauer den Grad von Verwandschaft auszuspühren, welche er zwischen dem Geiste desselben mit denen von Mich. Angelo und Rafael geknüpft hat. Da jene neue, angekündigte Kunst-Epoche, die Ihrer Imagination bisher so viel zu schaffen machte, und für so manchen, der Ihnen lieb ist, bereits die Aussicht verbauet hat, blos hierauf gegründet steht, so können wir derselben Dauer zugleich desto sichrer beleuchten. Eine schlichte Auseinandersetzung von den Äusserungen und der Natur der Bild-Kräfte (Phantasie) der zwey erhabensten Genien, welche die Wage dienen, die Wirkungen, welche wir bey dieser Ausstellung bemerken werden, zu wägen, und ihren Gehalt darnach zu bestimmen. Leihen Sie mir auf wenige Augenblicke ein geneigtes Ohr.

Jedes aus der Phantasie entsprungene Werk führt, schon vom frühen Ursprunge an, das Signal unbezweifelter Überzeugung bey sich. Der Eindruck, den es daher sogleich macht, ist, daß es von allem übrigen uns ablößt, und unsere Aufmerksamkeit an sich zu fesseln Gewalt hat. Mit Erstaunen werden wir vorzüglich dieß bey den Hervorbringungen Michael Angelos gewahr, der darum auch seit Jahrhunderten allgemein unter die ersten Original-Genien gezählt wurde. Die Äusserungen seiner Phantasie zeugen, daß erstlich sein Geist mit nöthigem Kenntniß und Wissens-Reichthume versehen war, worinnen der Gegenstand, welcher beym Wirken seine Bild-Kraft interessierte, nach jedem Umfange deutlich abgemessen, und leicht greifbar für ihn da war: zweitens, von einer Strenge, den Gegenstand von allem, was nicht nothwendig in ihm ist, abzutrennen, und drittens: vom Eigensinne, nicht so sehr den natürlichen Anlockungen nach der Kunst an ihm Gehör zu geben, als vielmehr ihn nach einem vorher festgesetzten Plane zu drehn. Diese drey Hauptzüge, welche wir überall bey ihm gewahr werden, sind mit dem Stolze sich selbst Form und Maaß zu seyn, der Grund, daß seine Schöpfung keinen andern Charakter tragen konnte. Die Urbilder (Ideen) mußten in der Vereinigung solcher Kräfte, von keinem Seitenblicke gestöhrt, sich gleich in der Seele stark formen, und da zum sichtbaren Ausbilden kein Element widerstrebte, so durften die äussern Gestalten, die seine Kunst aufbauete, den innern um so mehr gleichen, und bey der Vollendung um desto eigenwilliger dastehn. Vermöge erstberührter Strenge, sein wollen allem aufzuprägen, konnten diese nothwendig weniger die Spuren von individueller, als allgemeiner Wahrheit an sich tragen, und mußten daher, im Ganzen wie im Einzelnen, bequem oder unbequem für den Ausdruck in der Handlung, sich nach einem gewaltigen Zuge seines Willens beugen. Darum hüllte er seine Kunst so gerne in das Gewand des Ernstes, das seinen Geschmack begünstigte, und nur selten, wenn ein milder, der Schönheit geneigter Nebenblick sich beym Entstehn seiner Ideen einmischte und deren Heftigkeit zähmte, sehen wir ihn sich der Grazie nähern, die für seine Seele kein Fremdling war, deren Umgang in der Kunst er nur seinem Lieblingshange aufopferte. Zum Rohen, Sonderbaren, Fremden konnte sein Flug fern aus unserm Antheile sich verlieren, aber das Gewicht seiner eignen Masse läßt ihn für unsre Achtung nicht sinken, sondern wie die Bewegungen grosser Naturprodukte bleibt er auch da, wo er weniger unsern Beyfall gewinnt, durch sich selbst noch respektabel. Auf solch eine schwere, in eigner Bewegung getriebene Kraft, konnte ein fremder Anstoß keinen, oder doch nur geringen Eindruck hervorbringen, er mußte daher gleich einem Cometen, in seinem Laufe eigen seyn und blieben. Kühn hätte er, wie Dante vom Virgil, sich Nachahmer von einem andern nennen können, niemand der seine Werke betrachtet, würde sich davon überzeugen. Dieß bestätigt auch die weibliche Gruppe, die man bey der Geschichte der Judith in der Decke der sixtinischen Capelle sieht, welche von einem antiken geschnittnen Steine entlehnt ist, den Michael Angelo auf einem Ringe beständig am Finger trug. Keinem hat bisher auch nur geahnet, sie als einen Zoll verlegener Einbildungskraft ansehn zu wollen, vielmehr soll man sie (will man ihr Daseyn nicht gerade blosser Künstlerlauen zuschreiben) als ein Hochachtungszeichen betrachten, womit dieser grosse Mann jenen unbekannten beehren wollen, und so, dem edlen Triumphator gleich, der einem tapfern Waffenbruder auf seinem Wagen den Sitz erlaubt, durch Verherrlichung fremder Würde seine eigne Glorie noch vergrössert.

Verschieden von diesem Riesengeiste, obgleich an Stärke nicht geringer sind die Äusserungen, welche wir an Rafaels Bildkraft wahrnehmen; denn ob wir gleich hier eben sowohl wie bey jenem bemerken, daß sein Geist für die Nothdurft, mit Kenntnissen und Geschmack hinlänglich gesichert war, so sondert doch dieselbe darinnen sich gleich stark ab, daß sie ihrem Gegenstande alles zuläßt und beybehalt, was ihm wohl ansteht und nach seiner Lage schicklich ist. Endlich daß sie auf die natürlichen Anlockungen für die Kunst auch mehr und mit Liebe Rücksicht nimmt. Durch diese Neigungen wurde sein Geist, wie der von Michael Angelo auf das idealisch, hier auf das wirkliche Leben gezogen, um so die Natur (welches bey jenem seltner geschah) in interessanten Augenblicken gleichsam über der That ertappen zu können. Bereichert durch solchen Vorrath konnten die Vorstellungen wohl inniger und bräutlich geschmückt aus seiner Phantasie kommen; die um so gewisser ihre Absicht erreichten, weil hier dem Verstande und Gefühl gleich willkommen die verschönerte Wahrheit begegnete. Daher rührt es, daß seine Zusammensetzungen, so weit auch der Innhalt ausser dem gewöhnlichen Gesichtskreise hergeholt ist, sogleich für uns einheimisch werden und unser Gefühl willig nach sicher orientiren (was beym Mich. Angelo weniger der Fall ist) ja wir glauben bey der Betrachtung eines Gegenstandes, der von allen Seiten mit so viel Innigkeit auf uns zugreift, nicht mehr an etwas äusserm, sondern an den Vorstellungen der eignen Seele uns zu weiden.

Daß auf solch eine Bildkraft die Wirkungen andrer weit leichter Eindruck erregen mußten, wird jedem sogleich begreiflich, und bestätigt auch die Erfahrung ganz. Allein da Rafael mit feinem Kunstsinne und nach Schicklichkeit wählte, so konnte er auch in fremden Gärten nur die wohlriechendsten Blumen brechen, und diese durch eignen Geschmack verschönernd, für unsern Antheil zu neuem Daseyn veredeln. Dieß sehen wir deutlich, wo er sich ganzer Figuren von seinem Lehrmeister Pietro, Perugino und manchen andern ältern Zeitgenossen auf eine behändere und für die Kunst zuträglichere Weise glücklich bediente, und dadurch, daß er ihnen Ausdruck und Schönheit beylegte, gleichsam das Recht zu ihrer Besitznehmung bezahlt hat. Demnach lief er, bey aller Bereitwilligkeit, überall das Wahre und schöne aufzuschöpfen, keine Gefahr von seiner Eigenheit dabey einzubüssen, die wie der Kork auf der Fluth, in jeder Bewegung seiner Seele sich immer gleich sicher oben erhielt. Dieß bestätigt sich auch noch da, wo dieser Künstler freywillige Rücksicht auf mich. Angelo nahm, wie zum Beyspiel bey den Sibillen in der Kirche della Place, in dessen fremdes Gewand er sich gleichsam verstecken wollte, und wo wir ihn doch durch eben diesen Hang zum Natürlichen und Schönen, der seine Eigenheit bildete, sogleich und für den Antheil willkommen wieder entdecken.

Mit Fleiß habe ich bey diesen erhabenen Geistern verweilen wollen, an deren Füssen schon so manche von der Prahlerey leicht aufgehangene Trophee verwittert und im Zeitenstrome dahin gerollt ist, indeß sie die ewige, unveraltet an Kraft, gleich den Säulen der Natur stehn, und jedem Vergleich trotzen; um zu zeigen, wie bey diesen alles nur aus einer Urkraft quoll, welche keine Nebenkraft stüzen konnte; die was sie aufnahm, sogleich nach sich selbst gestaltete, und in ihre eigne Masse hinüberzog; kurz daß bey ihnen ein Trieb, eine That war, die von keinem Widerstande gefesselt, vom Ursprunge ihres Willens, bis zur Vollendung frey sich regte, und im kühnsten Fluge ihres Geistes für den Antheil sich gleich sicher erhielt.

Der Anschein von Nachahmung, den oft ein Genius annehmen will, kann ihn daher in Betracht auf Originalität nicht herabsetzen; das Maas eigner Kraft, welches wir dabey bewegt erblicken, stellt ihn sogleich in unserm Urtheil sicher. Selbst die Weise, womit er nimmt und anwendet, zeichnet ihn ehrwürdig aus, und entdeckt auch da, wo er keine Ansprüche macht, den Grad seines eignen Vermögens. Was für eine Gewandheit in der Kunst setzt es bey Rafael voraus, sogleich in den Riesentanz Mich. Angelos eintreten zu dürfen, in dessen rasche prallende Gruppenfülle noch mit der Natürlichkeit die Grazie zu verweben; doch werden wir dieß mit Erstaunen in der Farnesina gewahr, wo jede Bidlung mit angeloischer Evidenz auf uns stürmt, und unsere Phantasie gleichsam in einem Gefühlstrome bachisch berauschet.

So wenig nun der Anschein von Nachahmung den ächten Genius, wie wir eben bemerkt haben, herabsetzet, eben so wenig vermag aber auch ein Talent, ohne den Zuwachs eigner, hinlänglicher Kraft, mit einem bloß auf Kosten andrer zusammengeborgten Anscheine von Originalität lange sich oben zu erhalten, sondern muß bey erster Untersuchung bald und so zu sagen im Angesichte aller untergehn, wenn ihm nicht jede Gewandheit mit allem Reichthume der Kunst, das heißt, richtige Kenntniß der Gestalten und Wissenschaft in den Mitteln, zu Hülfe eilen, und von einer Seite wenigstens es stützen. Diese, wenn sie gleich den wesentlichen Mangel an Bildkraft in einer Kunstarbeit nicht ersetzen, können doch, zumal wenn sie im hohen Grade, wie zum Beyspiele bey Mengs erscheinen, in Rücksicht auf die Kunst, dem Verstande Genüge leisten, und das Auge angenehm unterhalten. Wenn aber die Kenntnisse aus unzulänglichen Quellen geschöpft, sich in der Anwendung verrathen, der Gebrauch in den Mitteln nicht für grosse Geübtheit spricht, und daher die ganze Vorstellung wenig Seelen- und Sinnen-Weide der Betrachtung darbiethet, so gelingt es dem Verstande höchstens, der keine Gelegenheit zu seiner Befriedigung unbetastet vorbey läßt, über der Pracht, welche hier im Stile verschwendet ist, wie auf einzelnen Materialien an einer musaischen Arbeit zu verweilen, und so durch eine Reihe von Nebenerinnerungen uns zu einem prunkvollen Gedankenschmauße einzuladen.

Dieß wäre, däucht mich, der eigentliche Charakter von Ausdruck und Wirkung, welche eine so belobte Ausstellung hier allgemein hinterlassen hat. Keinem Kenner und Künstler, sowohl einheimischen als fremden, (zur Rechtfertigung des Römers muß ich dieß sagen) ist es nur eingefallen, sie anders als eine Reihe von Skizzen und Probestückchen anzusehn, worauf mit Fleiß und reifern Studien, weiter zu vollendeten Kunstwerken könne gebauet werden. Kurz als einen nackten Künstler-Wurf, womit derjenige, der ihn thut, nur zeigen will, nach welcher Seite er ziele. In dieser Rücksicht allein, konnten die wesentlichen Mängel, welche über diese Ausstellung gesäet waren, in den Augen der Kenner und Künstler Nachsicht erhalten, konnten jene prunkvolle Aufdeckungen auswendig gelernter Muskel- und Falten-Phrasen, die so unschicklich an die Kupferstiche von mich. Angelo und Rafael erinnerten (den Mustern wornach der Künstler jenseits der Alpen seinen Talenten die glücklichste Richtung gab) übersehen, und so alles wie ein Vorschuß, den man auf die Hofnung eines baldigen reichern Nachschusses hin ungezählt einstreicht, bey der Beurtheilung gutherzig übergangen werden.

Aus dieser simpeln Gegeneinanderstellung von Wirkungen, wider die schwerlich ein unbefangner Sachkundiger etwas einwenden kann, ließe leicht sich auf die innern Kräfte hin schließen, und also jetzt schon der wichtigste Punkt unsrer Frage erörtern. Allein ich will nicht, daß Sie mir blind Glauben beymessen, ich will, daß sie selbst durch die That sich überzeugen sollen, um allen Verdachte auszuweichen, als suche ich die Sache nur von einer Seite zu zeigen. Ohne darum bey andern Stellen länger zu verweilen, wollen wir uns gerade zu jener prachtvollen Gallerie hinwenden, die Herr Fernow in seiner Ankündigung aufschließt, und diese zugleich mit der Ausstellung betrachten. Ihr Geist wird um so mehr Unterhaltung finden, wenn Sie hier mit einem Blicke gehemmtes Streben auf einer Seite, und überflüssiges Springen vor das Ziel hinaus auf der andern, entdecken werden. Nicht ohne besondere Rücksicht wähle ich darum gleich zum Anfange eins von denjenigen Stücken aus, welche gegenwärtig in Berlin auf der Königl. Kunst-Akademie sich befinden, damit wenigstens ein Theil des deutschen Publikums, meine Critik nach der That beleuchten, und den Ausschlag thun könne, ob ein lobreicher Ankündiger oder ich mit der Wahrheit gewissenhafter verfahre. Es sey also das sechste Stück nach der Anzg. Eine Aquarell-Zeichnung, etwas über zwey Spannen in der Breite, und ein und eine halbe Spanne ohngefähr in der Höhe, betitelt: die Helden vor Troja.

Man lese zuerst die glorreiche Ausstellung, welche Herr Fernow gemacht hat, und höre nachher, was auch ich darüber zu sagen habe. Im Ganzen genommen ist diese Zusammensetzung gut; Achill sitzt am rechten Platze, und die übrigen Helden dürfen nach der Ordnung, die der Künstler annimmt, sich füglich so zeigen. Immer ist für die mahlerische Ökonomie ein Schritt gewonnen, wenn in einer Vorstellung die Theile so angegeben sind, daß sie mit der Bequemlichkeit für die Kunstwirkung, zugleich dem Verstande nicht hinderlich sind. Diese Eigenschaft leuchtet offenbar aus gegenwärtiger Composition, wir werden nichts was die Ordnung stören, noch die Aufmerksamkeit beschweren könnte, gewahr. Dennoch aber bleibt eine bloß Vermeidung des Unschicklichen nur ein Verdienst von gemeinem Schlage, und kann dann erst zu edlerer Größe gedeihen, wenn sich mit ihr zugleich das Vermögen der Phantasie lichtvoll offenbart, das heißt: wenn bey einer Anlage die Stellungen und Gruppen aus der Überzeugung so determinirt hervorgehen, daß sie zugleich, (sey es nun nach Charakter und Natur-Ausdruck, wie beym Rafael, hauptsächlich in den Logen, oder nach Gediegenheit für den Sinn der Kunst, wie in der sixtinischen Capelle beym Mich. Angelo, oder nach starker Massekraft und Stil, wie beym Polidor und Julio romano) unsern Antheil bestimmen und in unsrer Imagination, wo nicht als die einzig möglichen für den Moment, doch als die interessantesten nach der Kunst sich bestätigen. Durch solch einen Eindruck kann unsre eigne Einbildungskraft mit ins Spiel gezogen werden, wodurch wir auch in den ersten rohen, aber nach grosser Intention hingeworfnen Zügen mancher Meister, wie z.B. der Caracci, Rubens, Tintorettos etc. etc. mehr Genuß einsammeln, als bey den ausgeführtesten und durchraisonirten Arbeiten schwächerer Talente. Dennoch bleibt jene Eigenschaft, ob sie gleich nicht für das Interesse bestimmen darf, immer schätzenswerth, und kann zu nicht geringer Vollkommenheit in der Kunst den Grund legen, zumal wenn mir reicher Kenntniß und Wissenschaft, wie man das beym Poußin und Dominichino bemerket, hierauf gebauet wird. Hätte es dem Herrn Verfasser gefallen, den Verstand um das anzusetzen, wofür er im jetzigen Falle nur gelten kann, so würde ich willig mich zum Lobe über diesen Entwurf mit ihm vereinigen, da er aber dasjenige, was nur einen negativen Werth haben konnte, für volle Phantasiekraft anschlägt, da das, was meine Augen kaum als Anlage genug seyn kann, die seinige schon als vollendetes Werk entzückt, und er in diesen Embrionen kraftvolle, ächthomerische, edle Helden fertig sieht, so ist es freylich am klügsten, sich die Hände zu reichen, und jeder seines Wegs zu gehen. Von allem, was vor seinen entsiegelten Blicken hier noch weiter hell und leuchtend da ist, weiß ich nichts.

Aber den unbefangnen Kenner, der in Berlin jene Zeichnung zu betrachten Gelegenheit hat, bitte ich mit mir diese homerische Gesellschaft, abgerechnet der Widersprüche, die sie als Figuren für die Kunst bey sich führen, bloß als Charaktere gegen ihre Muster in der Iliade zu halten. Ich frage: ist dieß Achill der Thetis Sohn, der gewaltige, starke, unüberwindliche? der Griechen Stolz, der Trojer Schrecken? dieß das Gesicht, das Auge, das bald Furcht, bald Hofnung um sich herstrahlte? Der Freye Anstand, die pralle Schultern, die feste Brust, worauf Sieg und Ehre ruht? Der schlanke Leib, die leichten Schenkel? Bewegt so sich der Würger Hecktors? Er der mit einem Schrey Troja erschütterte, die Griechen rettete? Ist dieß das rasche, blitzartige Wesen, das Kraftbild, in welchem Mars und Apollo zusammenschmelzen? der zu jenem Trojaner, welcher flehend ihm die Knie umfaßte, sagen durfte: Blick auf! welch ein schöner Mann ich bin, und doch muß auch ich, nach des Schicksals Schluß bald fallen, und weiß nicht, ob vom Schwert oder von der Lanze etc. Liegt die Fähigkeit zu allem dem, hier in Form und Mienen, Proportion und Stellung ausgedrückt? Weiter: ist dieß Ulyß der Dulder? der feste, nie den Muth verlierende, auch in der Höle des Ciklopen nicht? dieß seine Gestalt, seine Bewegung? Sein scharfer, unverdrossner Lauerblick, auch auf der Neige den Zerrißnen Faden neu anzuspinnen? Konnte er hier so sich krümmen, wie einer der zurückgiebt, was er in sich nicht mehr verhalten kann; so gemein Er? der mit edlem Anstande das Wohlwollen der Männer, die Liebe der Frauen sich zu versichern wußte? Wer kann den holden Gast der Phäocier, den gewandten, rüstigen Züchtiger der stolzen Freyer hier erkennen? Wo der Mann doch um zwölf Jahre älter, und vom langen Herumirren zerschlagen war. Dieser hier Telamoneus, der biedertrotzige, Löwenherzige? der Griechen Schild! Wahrlich mir kommen dabey die Thränen in die Augen. – Der alte Phönix will allein durch die Bedeckung seines Gesichts uns befriedigen, weil hier die Imagination sich etwas gefälligeres phisiognomiren kann. Doch hat keiner ein stärkeres Recht den Künstler anzuklagen, als des Peliden Busenfreund, der trauliche Patrocklos, der schönste nach Achill im Heere. Man betrachte und thue den Ausspruch selbst! Niemand wird dieses Gelag, wozu man leichter Kumpanen aus den Herbergen von Jan Stern und Adrian Brauer, als aus der Iliade holen könnte, trotz der Bürgschaft die man dem guten Eschilus aufhalset, für Griechen nehmen wollen, wenn es nicht diejenigen seyn sollen, die ein gewisser deutscher Gelehrte meynte, welcher in seinen historischen Vorlesungen, bey Gelegenheit des trojanischen Kriegs sich ausdrückte: daß ein paar Dutzend griechischer Bauern-Schulzen, damals sich verbunden hatten, Troja zu plündern etc. etc. Wollte der Herr Professor etwa diese vorstellen?

Des Herrn F. brennende Vorliebe für seinen Lehrer, oder wenn man lieber will, zärtliche Beängstigung für dessen Ruhm, den er auch auf seines eignen und andrer ihren so gerne über die Sonne gipfeln möchte, wird da wo jenem die Bildkraft versagte, nothwendig versagen mußte, noch am bemerkbarsten. Zum füglichen Beweis kann die Stelle, wo über die Abbildung von Zeit und Raum gesprochen wird, dienen: „die personificirte Darstellung des Raums“ sagt er: „hat meines Wissens bisher kein Dichter und kein Künstler geliefert.“ Sehen wir doch, wie hier das Genie sich Bahn bricht: „meines Bedünkens ist die Darstellung ihrem Gegenstande angemessen.“ Ey! was hat ein ernster, rüstiger Alter, der eine Kugel von azurner Farbe trägt mit dem Raume gemein? Wo blickt die Idee in der Bildung durch, welche die arbeitende Phantasie, nach der Eigenheit des Charakters, in Gestalt und Phisiognomie erkennbar machen sollte? Nirgends! Zeigt nicht die platte Unmöglichkeit, diesen Vorwurf analogisch vorstellen zu können, genugsam an, daß er nicht für die bildende Kunst gemacht sey, daß im Nothfalle nur der Künstler von ächtem Berufe sich einem solchen Sibolen-Joch unterwerfen könne, daß aber derjenige, welcher freiwillig sich zu dieser Last bequemet, schwerlich den edlen Sporn unbefangen seyn wollender Phantasie bey sich fühle. Aber warum diese Zeit in Jünglingsgestalt? Etwa weil sie im Vorfluge beständig jung erscheint; ist sie im langen, unermeßlichen Nachzuge nicht eben so gut immer alt? Sollte nicht das alte hier, der auffallendste, charakteristische Punkt für eine schaffende Phantasie seyn, woran der Ocean von Vergangenheit, aus welchem Saturnus selbst glücklich gestiegen ist, sich anreihet? Statt daß das Gegenwärtige, in unfasslichen Momenten für den Sinn dahin rinnet. Warum endlich hier das neue Bild einschatten, wenn es nicht schicklicher, offenbar! Unbedeutender ist? Beweißt solch ein Anfassen ohne Hebekraft, Gewandheit der Phantasie? Determinirte vielleicht der blosse mahlerische Kontrast, Alter gegen Jugend, hier den Künstler zu solcher seltsamer Mumerey? Oder ist diese Vorstellung nicht vielmehr ihr Daseyn den schwebenden Figuren in der sixtinischen Kapelle schuldig?

Dergleichen Fragen fallen bey jedem Stücke einem auf die Zunge, weil aus keinem die Überzeugung hervorblickt, welche mütterlich, für das Interesse den Ausdruck verwaltet. Vorzüglich wird der Critiker beym Musen-Tanz, Achill und Priam, Ganimed und dem Gastmal des Plato durch eine Fülle von Ideal, Größe, Schönheit, Grazie etc. etc. welche für des Herrn Ankündigers privilegirte Augen hier allein genießbar da waren, recht mit der aristophanischen Maske eingeladen. Die Überfahrt, ein etwas über drey Spannen langes Temparo-Gemähldchen, bildet die reichste und glücklichste Zusammensetzung in dieser Ausstellung. Die Gruppen könnten nach ihrer Ordnung hier gefallen, wenn nicht eine plumpe, aus Kupferstichen nach Mich. Angelo aufgestoppelte Proportion bey den Figuren, die in unförmlicher Vergrösserung der Fleisch-Massen und auffallender Verkleinerung der Extremitäten sich äusert, nebst Unachtsamkeit auf Richtigkeit in den Bewegungen der handelnden Figuren, gleich beym ersten Blicke uns angähnte. Der Schuster Micill z.B. der auf dem Halse des angebundnen Megapentes sitzt, und mit voller Körperlast auf ihm wiegen sollte, scheint vielmehr ihm auf den Schultern nur zu schweben. Übrigens ist hier nicht ganz wirkungslos Rücksicht auf phisiognomischen Ausdruck genommen, und so das Haupt-Interesse, welches freylich des Herrn Verfassers Pinsel bey weitem geschickter auszumahlen weiß, durch Neben-Episoden glücklich erhoben. Da das Colorit eben nicht der Theil ist, welcher dem Herrn Professor am meisten zu gehorsamen scheint, so hat auch hier die Feder sich freundschaftlich ins Mittel geschlagen, und die Armuth der Palette mit solch leuchtender Iris umwoben, daß wir nun von dem im Hintergrunde über die Bergklüfte hervorflammenden Roth des brennenden Tartarus an, bis auf jede vordere Figur, nach ihrem Local-Tone aufs wenigste Titians Farben-Reichthum und Corregios Harmonie gewahr werden können. Wer wollte damit nicht zufrieden seyn! Die Geburt des Lichts, ein Anchoniatonisches Gesicht, in einer Gruppe von drey schwebenden Figuren vorgestellet, woran abermal der sixtinische Angelo wie der Morgenstrahl auf einer Nacht-Wolke andämmert. Diese, einige Spannen lange Zeichnung, die wirklich eines mit von den glücklichsten Geweben ist, welche des Herrn Prof. Verstand angezettelt hat, blieb trotz einem verschwendeten Fleiße in der Ausführung, für die Augen ächter Kenner dennoch sehr unvollendet; weil ihr überhaupt für die Richtigkeit so manches abgeht, was nach Charakter und Lage nothwendig ist. Ich mache mich verständlicher: ein Knie z. B. formt sich, wie Ihnen vielleicht aus der Anatomie bekannt genug ist, durch vier aneinander stehende Knochen, das heißt: dem untern Kopfe der Schenkel-Röhre, dem obern Kopfe des Schienbeins, an welches sich der obere Theil des hintern Bein-Knochens (Fibula) an der äusern Seite anstützt, und endlich der Kniescheibe selbst. Über diese ziehen sich die Flechsen und Muskeln auf beyden Seiten gehörig an, und geben mit der Haut dem Knie die eigentliche Form. Diese äuserliche Gestalt wird aber nach Alter und Charakter (obgleich jedes Knie nach gleichen Gesetzen innerlich zusammenhängt) merklich verändert und modificirt, wie z.B. bey einem Amor, Apollo, Faun, einer Venus, einem Herkules, Saturnus etc. welche Abstufungen sich gleichfalls durch jede Bewegung auf eigne dem Charakter angemeßne Weise beybehalten. Es ist daher nicht genug, daß ein Knie, jene obenbenannte Theile besitze, welche auch nur grob weg nach flüchtigem Anblick der Anatomie können aufgehascht seyn und gemeiniglich dann, in vier kleinen Halbkugel-Gestalten und einer grössern in der Mitte abgetheilt, von vorne sich zeigen; es muß auch ein wahres, der Bewegung fähiges, seinem Charakter angemessnes Glied bilden, wenn der Kenner es als gültig annehmen soll. So schwer es nun jeder Darstellungsweise fällt, diese Verschiedenheiten sicher anzudeuten, so häufen dennoch für den Zeichner und Mahler sich doppelte Schwierigkeiten auf, weil diesen neben der Richtigkeit der Form nach der Bewegung, die Richtigkeit derselben nach der Ansicht zugleich obliegt, ohne welche sie den Ausdruck der Wahrheit nie völlig erhalten können. Was hier vom Knie gesagt wird, gilt für die übrigen Theile des Körpers zugleich mit. Sie sehen also, wie wenig es sich mit oberflächlichen Kenntnissen auslangen läßt, zumal wo die Körper wie hier in ungewöhnlicher Lage sich zeigen, wenn sichtbare Verdrehungen und Erstarrungen der Glieder, vermieden werden, und die Bewegung überhaupt, ungehemmt für das feine Auge des Kenners, ihren Gang nehmen soll. Nur die tiefste Betrachtung der Natur, und jener Kenntniß-Reichthum den wir oben beym Mich. Angelo gewahr werden, dürfen ein Genie sicher machen, und der Vorstellung die überzeugende Gewißheit beylegen, welche mit Recht der Antheil in jedem Kunst-Werke fodert. Der Carton die Argonauten, dürfte mit reifern Studien sich zu einem gefälligen Ganzen leicht ausrunden, (denn auch hier herrscht in der Anordnung Verstand, wodurch die meiste dieser Produkte sich charakterisiren) wenn mit Rücksicht auf Natur, die Theile, welche des Künstlers Erinnerung aus so mancher antiken und modernen Schranne hier zusammengeschleift hat, inniger verbunden, und so die Misshelligkeiten aufgehoben werden, worinnen sie bis jetzt sichtbar noch unter einander stehen. Auch die Parzen müßten erst als Figuren besser ins ich einig seyn, ehe sie die Schwestern der Mutter der Grazien, der Venus (denn diese gehört in ihre Zahl) vorstellen dürfen. Schwerlich wird es einem neuern, bey dem ächte Phantasie wohnt beyfallen, Wesen von dieser Natur auf solche Weise zu behandeln, wenn er nicht gerade die Schwestern abbilden wollte, welche dem Mackbeth sein Schicksal verkündigt haben. Hätte der Herr Verfasser das Herz, alles was hier über Ideal-Größe, von hoher, furchtbarer Schönheit gesprochen wird, im Beyseyn des Verfertigers der Niobe, dessen vom Ludovisischen Juno Kopfe und des Vaters der Sibillen in der sixtinischen Kapelle zu wiederholen? Schwerlich! doch hätte er nothwendig, da er solche Ausdrücke gebrauchte, und bey welcher Gelegenheit! diese sich vorzüglich ins Gedächtniß rufen sollen.

Am Ende aller Paraphrasen über diese Ausstellung (die Spannen hohe und halbe Spannen breite Bister-Zeichnung, welche den Socrates im Korbe, nach den Wolken des Aristophanes vorstellt, ist zu winzig, als daß unsere Critik sie packen könnte) greift der Herr Ankündiger, der wie es scheint mit allem dem noch nicht satt hatte, und gleichsam über unausgebacknes Brod herfällt, nach demjenigen noch, woran der beschäftigte Künstler damals seine Hände hielt; eine Composition, die nach den Träumen des alten Hesiodes zusammengereckt ist, worinnen das Schicksal mit den siegenden Parzen, Nemesis, die Nacht mit ihren Kindern, Tod und Schlaf, warum, wissen wir nicht, sich zusammenfinden, die alle gleich den schlummernden Schatten auf der Asphodelos Wiese, weil kein gemeinschaftliches Interesse sie zusammenhält, ihrer Erscheinung wegen unsre Neugierde, ohne tiefere Theilnahme fodern zu können, stumpf nur berühren. Dieß wären wenige Blätter und Blüthen, die ich aus dieser Blumenlese, ohne mühsames Greifen gepflückt habe. Ich hoffe dennoch, daß sie hinlänglich seyn sollen, meinen obigen Bericht zu bestätigen, und Ihr Urtheil ohne weiteres Zurückdeuten nach dem vorgesetzten Ziele zu lenken. Da wie Sie selbst sehen, die Einkleidungen hier meistentheils nicht nach einem durch die Überzeugung bestimmten Interesse (welches eigentlich der Grund wahrer Originalität ist) sondern durch fremde Veranlassung da sind, daher sie so schwach uns betasten, so suchte hier der Künstler, durch den arbeitenden Verstand, desto mehr den Erinnerungs-Vorrath, welchen eine zu schwache Phantasie bey ihm nicht gehörig übermannen, und sich eigen machen konnte, geschickt zu ordnen, um durch ein negatives Interesse wenigstens den Beyfall zu erhaschen, welchen er durch andre Gewalt nicht erzwingen konnte. Die Ähnlichkeit, welche im äuserlichen Anzuge diese Vorstellungen von grösseren Meistern haben, mag daher nicht sowohl für eine Geistes-Verwandschaft, weil die Wirkungen dem widersprechen, als vielmehr für Seile gelten, mit denen ihr Verfertiger sich an jene gebunden hat, und sogleich dem Planet-Trabanten, zu schwach sich einen eigenen Richtungspunkt zu suchen, immerfort den Triumph des mächtigern bilden muß, der mit stolzer Gewalt ihn um sich herumschleudert.

(Die Fortsetzung folgt.)

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