HomeDie Horen1797 - Stück 3IV. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

IV. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

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Fortsetzung.

Die beyden Brüder Poggini arbeiteten, wie ich schon gesagt habe, in der Garderobe des Herzogs immer fort und verfertigten, nach meinen Zeichnungen, gewisse goldne Gefässe, mit halberhabenen Figuren auch andere Dinge von grosser Bedeutung. Da sagte ich bey Gelegenheit zu dem Herzog: wenn Ew. Exzellenz mir einige Arbeiter bezahlten, so wollte ich die Stempel zu ihren gewöhnlichen Münzen und Medaillen mit ihrem Bildnisse machen und mit den Alten wetteifern, ja vielleicht sie übertreffen; denn seitdem ich die Medaillen Papst Clemens des Siebenten gemacht, habe ich soviel gelernt, daß ich mir wohl etwas besseres zu machen getraue. So sollten sie auch besser werden, als die Münzen, die ich für den Herzog Alexander gearbeitet habe, die man noch für schön hält, auch wollte ich ihnen grosse Gefässe von Gold und Silber machen, wie dem wundersamen König Franz von Frankreich, den ich so gut bedienen konnte, weil er mir die grosse Bequemlichkeit verschaffte, so daß ich indessen auch keine Zeit an den Colossen oder andern Statuen zu versäumen brauchte. Darauf sagte der Herzog: thue nur und ich werde sehen; er gab mir aber weder Bequemlichkeit noch irgend eine Beyhülfe.

Eines Tages ließ er mir einige Pfund Silber zustellen, und sagte: das ist Silber aus meinem Bergwerk, mache mir ein schönes Gefäß. Weil ich aber meinen Perseus nicht zurücklassen wollte, und doch grosses Verlangen hatte, ihm zu dienen, gab ich das Metall mit einigen meiner Modellen und Zeichnungen einem Schelm, der Peter Martini der Goldschmied hieß, der die Arbeit ungeschickt anfing und sie nicht einmal förderte, so daß ich mehr Zeit verlohr, als wenn ich sie eigenhändig gemacht hätte. So zog er mich einige Monate herum, und als ich sahe, daß er, weder selbst noch durch andere, die Arbeit zu Stande brachte, verlangte ich sie zurück, und ich hatte grosse Mühe einen übelangefangenen Körper des Gefässes und das übrige Silber wieder zurück zu erhalten. Der Herzog, der etwas von diesem Handel vernahm, schickte nach den Gefässen und Modellen und sagte niemals weder wie und warum. So hatte ich auch nach meinen Zeichnungen verschiedene Personen in Venedig und an andern Orten arbeiten lassen, und ward immer schlecht bedient.

Die Herzogin sagte mir oft, ich sollte Goldschmiedearbeiten für sie verfertigen. Darauf versetzte ich öfters: die Welt, und ganz Italien wisse wohl, daß ich ein guter Goldschmied sey, aber Italien habe keine Bildhauerarbeit von meiner Hand gesehen, und einige rasende Bildhauer nennten mich untereinander nur spottweise den neuen Bildhauer; denen hoffte ich zu zeigen, daß ich kein Neuling sey, wenn mir nur Gott die Gnade gäbe, meinen Perseus auf dem ehrenvollen Platz seiner Exzellenz geendigt aufzustellen. So ging ich nach Hause, arbeitete Tag und Nacht, und ließ mich nicht im Pallast sehen, doch um mich bey der Herzogin in gutem Andenken zu erhalten ließ ich ihr einige kleine silberne Gefässe machen, groß wie ein Zweypfennigtöpfchen mit schönen Masken auf die reichste antike Weise. Als ich die Gefässe brachte empfing sie mich auf das freundlichste und bezahlte mir das Gold und Silber, das ich darauf verwendet hatte, ich empfahl mich ihr und bat sie, sie möchte dem Herzog sagen, daß ich zu einem so grossen Werke zu wenig Beyhilfe hätte, und daß er doch der bösen Zunge des Bandinells nicht glauben solle, die mich verhindere, meinen Perseus zu vollenden. Zu diesen meinen kläglichen Worten zuckte sie die Achsel und sagte: fürwahr der Herzog sollte nur zuletzt einsehen, daß sein Bandinello nichts taugt.

So hielt ich mich zu Hause, zeigte ich selten im Pallast und arbeitete mit grosser Sorgfalt mein Werk zu vollenden. Leider mußte ich dabey die Arbeiter aus meinem Beutel bezahlen, denn der Herzog hatte mir durch Lattantio Gorini etwa achtzehn Monate lang gewisse Arbeiter gut gethan, nun währte es ihm zu lange und der nahm den Auftrag zurück; hierüber befragte ich den Lattantio, warum er mich nicht bezahle? er antwortete mir mit seinem Mückenstimmchen, indem er seine Spinnenfinger bewegte: warum endigest du nicht das Werk, man glaubt, daß du nie damit fertig werden wirst! Ich sagte darauf erzürnt: hol euch der Henker, und alle die glauben, daß ich es nicht vollenden könne. So ging ich verzweiflungsvoll wieder nach Hause zu meinem unglücklichen Perseus und nicht ohne Thränen, denn ich erinnerte mich des glücklichen Zustandes, den ich in Paris im Dienste des verwundernswürdigen Königs verlassen hatte, der mich in allem unterstützte, und hier fehlte mir alles.

Oft war ich im Begrif, mich auf den Weg der Verzweiflung zu werfen. Einmal unter andern stieg ich auf ein schönes Pferd, nahm hundert Scudi zu mir und ritt nach Fiesole, meinen natürlichen Sohn zu besuchen, den ich bey einer Gevatterin, der Frau eines meiner Gesellen in der Kost hatte. Ich fand das Kind wohl auf und küßte ihn in meinem Verdrusse. Da ich wegwollte, ließ er mich nicht fort, hielt mich fest mit den Händen, unter einem wüthenden Weinen und Geschrey, das in dem Alter von ohngefähr zwey Jahren eine äusserst verwundersame Sache war. Da ich mir aber vorgenommen hatte, den Bandinell, der alle Abend auf ein Gut über St. Domeniko zu gehen pflegte, wen ich ihn fände, verzweiflungsvoll auf den Boden zu strecken, riß ich mich von meinem Knaben los, und ließ ihn in seinen heftigen Thränen. So kam ich nach Florenz zurück, und als ich auf den Platz von St. Domeniko gelangte, kam Bandinello eben and er andern Seite herein und ich, sogleich entschlossen das blutge Werk zu vollbringen, eilte auf ihn los. Als ich aber die Augen aufhub, sah ich ihn ohne Waffen auf einem Maulthier wie einen Esel sitzen, er hatte einen Knaben von zehn Jahren bey sich. Sobald er mich sah, ward er leichenblaß und zitterte vom Kopf bis zu den Füssen. Da ich nun diesen niederträchtigen Zustand erblickte, sagte ich: fürchte nichts feige Memme, du bist meiner Stiche nicht werth. Er sah mich mit niedergeschlagenen Augen an und sagte nichts. Da faßte ich mich wieder und dankte Gott, daß er mich durch seine Kraft verhindert hatte ein solche Unordnung anzurichten; und fühlte mich befreyt von der teuflischen Raserey. Ich faßte Muth und sagte zu mir selber: wenn mir Gott so viel Gnade erzeigt, daß ich mein Werk vollende, so hoffe ich damit alle meine Feinde zu ermorden und meine Rache wird grösser und herrlicher seyn, als wenn ich sie an einem einzigen ausgelassen hätte und mit diesem guten Entschluß kehrte ich ein wenig munterer nach Hause.

Nach Verlauf von drey Tagen vernahm ich, daß meine Gevatterin mir meinen einzigen Sohn erstickt hatte, worüber ich solche Schmerzen fühlte, daß ich niemals einen grössern empfunden habe. Demohngeachtet kniete ich nieder und nach meiner Gewohnheit, nicht ohne Thränen, dankte ich Gott und sagte: Gott und Herr, du gabst mir ihn und hast mir ihn nun genommen, für alles danke ich dir von Herzen. Und ob schon der grosse Schmerz mich fast ganz aus der Fassung gebracht hatte, so machte ich doch aus der Noth eine Tugend und schickte mich so gut als möglich in diesen Unfall.

Um diese Zeit hatte ein junger Arbeiter den Bandinell verlassen, er heiß Franziskus, Sohn Mattheus des Schmiedes, dieser Jüngling ließ mich fragen, ob ich ihm wollte zu arbeiten geben. Ich war es zufrieden und stellte ihn an, die Figur der Meduse auszuputzen, die schon gegossen war. Nach vierzehn Tagen sagte mir dieser junge Mensch, er habe mit seinem vorigen Meister gesprochen, der mich fragen lassen: ob ich eine Figur von Marmor machen möchte? er wolle mir ein schönes Stück Stein dazu geben. Darauf versetzte ich: sag ihm, daß ich es annehme und es könnte ein böser Stein für ihn werden, denn er reitzt mich immer und erinnert sich nicht der grossen Gefahr, der er auf dem Platze St. Domeniko entronnen ist. Nun sag ihm, daß ich den Stein auf alle Weise verlange. Ich rede niemals von dieser Bestie und er kann mich nicht ungehudelt lassen. Fürwahr ich glaube, er hat dich abgeschickt bey mir zu arbeiten, um nur meine Handlungen auszuspähen, nun gehe und sag ihm, ich werden den Marmor auch wider seinen Willen abfordern, und du magst wieder bey ihm arbeiten.

Ich hatte mich viele Tage nicht im Pallaste sehen lassen, einst kam mir die Grille wieder und ich gieng hin. Der Herzog hatte beynah abgespeißt und wie ich hörte, so hatte seine Exzellens des Morgens viel Gutes von mir gesprochen, besonders hatte er mich sehr über das Fassen der Steine gelobt. Als mich nun die Herzogin erblickte, ließ sie mich durch Herrn Sforza rufen, und da ich mich ihr näherte, ersuchte sie mich, ihr eine kleine Rosette in einen Ring zu passen und setzte hinzu, daß sie ihn immer am Finger tragen wolle. Sie gab mir das Maas und den Diamanten, der ohngefähr hundert Scudi werth war, und bat mich, ich solle die Arbeit bald vollenden. Sogleich fing der Herzog an mit der Herzogin zu sprechen und sagte: gewiss war Benvenuto in dieser Kunst ohne gleichen, jetzt, da er sie aber bey Seite gelegt hat, wird ihm ein Ring, wie ihr ihn verlangt, zu viel Mühe machen, deßwegen bitte ich euch, quält ihn nicht mit dieser Kleinigkeit, die ihm, weil er nicht in Übung ist, zu grosse Arbeit verursachen würde. Darauf dankte ich dem Herzog und bat ihn, daß er mir diesen kleinen Dienst für seine Gemahlin erlauben solle. Alsbald legte ich Hand an, und in wenig Tagen war der Ring fertig, er war für den kleinen Finger bestimmt, und ich machte vier runde Kinder mit vier Masken, daraus der Ring bestand, und dazu fügt eich noch einige Früchte und Bändchen von Schmelz, so daß der Edelstein und die Fassung sich sehr gut ausnahmen. Sogleich trug ich ihn zur Herzogin, die mir mit gütigen Worten sagte: ich habe ihr eine sehr schöne Arbeit gemacht und sie werde an mich denken. Sie schickte gedachten Ring dem König Philipp zum Geschenk, und befahl mir nachher immer etwas anders, und zwar so liebevoll, daß ich mich immer anstrengte ihr zu dienen, wenn mir gleich auch nur wenig Geld zu Gesichte kam, und Gott weiß, daß ich es brauchte, denn ich wünschte nichts eifriger, als meinen Perseus zu endigen.

Es hatten sich gewisse Gesellen gefunden, die mir halfen, die ich aber von dem meinigen bezahlen mußte, und ich fing von neuem an mich mehr im Pallast sehen zu lassen, als ich vorher nicht gethan hatte. Eines Sonntags unter andern ging ich nach der Tafel hin, und als ich in den Saal der Uhr kam, sah ich die Garderobenthür offen, und als ich mich sehen ließ, rief der Herzog und sagte mir auf eine sehr freundliche Weise: du bist willkommen! siehe, dieses Kästchen hat mir Herr Stephan von Palästrina zum Geschenke geschickt, eröffne es und laß uns sehen, was es enthält. Als ich das Kästchen sogleich eröffnet hatte, sagte ich zum Herzog: Gnädiger Herr, das ist eine Figur von griechischem Marmor, die Gestalt eines Kindes, wundersam gearbeitet, ich erinnere mich nicht unter den Alterthümern ein so schönes Werk und von so vollkommener Manier gesehen zu haben, deswegen biete ich mich an, zu dieser verstümmelten Figur den Kopf, die Arme und die Füsse zu machen, und ich will einen Adler dazu verfertigen, damit man das Bild einen Ganimed nennen kann. Zwar schickte sich nicht für mich Statuen auszuflicken, denn das ist das Handwerk gewisser Pfuscher, die ihre Sache schlecht genug machen, indessen fordert mich die Vortrefflichkeit dieses Meisters zu solcher Arbeit auf. Der Herzog war sehr vergnügt, daß die Statue so schön sey, fragte mich viel darüber und sagte: mein Benvenuto, erkläre mir genau, worinn denn die grosse Fürtrefflichkeit dieses Meisters bestehe? worüber du dich so sehr verwunderst. Darauf zeigte ich seiner Exzellenz, so gut ich nur konnte und wußte, alle Schönheiten und suchte ihm das Talent, die Kenntniß und die seltne Manier des Meisters begreiflich zu machen. Hierüber hatte ich sehr viel gesprochen, das ich um so lieber that, als ich bemerkte, daß seine Exzellenz grossen Gefallen daran habe.

Indessen ich nun den Herzog auf diese angenehme Weise unterhielt, begab sichs, daß ein Page aus der Garderobe ging, und als er die Thür aufmachte, kam Bandinello herein. Der Herzog erblickte ihn, schien ein wenig unruhig und sagte mit ernsthaftem Gesichte: was wollt ihr Bandinello? Ohne etwas zu antworten warf dieser sogleich die Augen auf das Kästchen, worinn die aufgedeckte Statue lag, und sagte mit einem widerwärtigen Lächeln und Kopfschütteln, indem er sich gegen den Herzog wendete: Herr, das ist auch eins von denen Dingen, von denen ich Ew. Exzellenz so oft gesagt habe. Wißt nur, daß die Alten nichts von der Anatomie verstunden, deswegen auch ihre Werke voller Fehler sind. Ich war still und merkte nicht auf das, was er sagte, ja ich hatte ihm den Rücken zugewendet. Sobald als die Bestie ihr ungefälliges Gewäsch geendigt hatte, sagte der Herzog zu mir: das ist ganz das Gegentheil von dem, was du mit so viel schönen Gründen mir erst aufs beste bewiesen hast, vertheidige nun ein wenig deine Meinung. Auf diese herzoglichen Worte, die mir mit so vieler Anmuth gesagt wurden, antwortete ich sogleich: Ew. Exzellenz wird wissen, daß Laccio Bandinellie ganz aus bösen Eigenschaften zusammengesetzt ist, so wie er immer war, dergestalt, daß alles, was er auch ansieht, selbst Dinge, die im allerhöchsten Grad vollkommen gut wären, sich, vor seinen widerlichen Augen, sogleich in das schlimmste Übel verwandeln; ich aber, der ich zum Guten geneigt bin, erkenne reiner die Wahrheit, daher ist das, was ich Ew. Exzellenz von dieser fürtrefflichen Statue gesagt habe, vollkommen wahr, was aber Bandinell von ihr behauptet, das ist nur ganz allein das Böse, woraus er zusammengesetzt ist.

Der Herzog stand und hörte mit vielem Vergnügen zu und indessen als ich sprach, verzerrte Bandinell seine Gebärde und machte die häßlichsten Gesichter seines Gesichtes, das hässlicher war, als man sichs in der Welt denken kann. Sogleich bewegte sich der Herzog, und indem er durch einige kleine Zimmer ging, folgte ihm Bandinell, die Kämmerer nahmen mich bey der Jacke und zogen mich mit. So folgten wir dem Herzog, bis er in ein Zimmer kam, wo er sich niedersetzte, Bandinell und ich standen zu seiner Rechten und Linken. Ich hielt mich still und die Umstehenden, verschiedne Diener seiner Exzellenz, sahen den Bandinell scharf an, und lächelten manchmal einer zum andern, über die Worte, die ich in den Zimmern oben gesagt hatte. So fing Bandinell zu reden an und sagte: als ich meinen Herkules und Cakus aufdeckte, wurden mir gewiß über hundert schlechte Sonette darauf gemacht, die das schlimmste enthielten, was man von einem solchen Pöbel erwarten kann. Darauf antwortete ich: Gnädiger Herr! als euer Michel Agnolo Buonarotti seine Sacristep eröffnete, wo man so viele schöne Figuren sieht, machte diese wundersame und tugendreiche Schule, die Freundin des Wahren und Guten, mehr als hundert Sonette, und jeder wetteiferte, wer etwas besseres darüber sagen könnte. Und so wie jener das Gute verdiente, das man von ihm aussprach, so verdient dieser alles das Übel, was über ihn ergangen ist. Auf diese Worte wurde Bandinell so rasend, daß er hätte bersten mögen, kehrte sich zu mir und sagte: und was wüsstest du noch mehr? Ich antwortete: das will ich dir sagen, wenn du so viel Geduld hast mir zuzuhören. Er versetzte: rede nur zu.

Der Herzog und die andern, die gegenwärtig waren, zeigten grosse Aufmerksamkeit und ich fing an: wisse, daß es mir unangenehm ist, dir die Fehler deines Werkes herzuerzählen, aber ich werde nichts aus mir selbst sagen, vielmehr sollst du nur hören, was in dieser trefflichen Schule von dir gesprochen wird.

Nun sagte dieser ungeschickte Mensch bald verdrießliche Dinge, bald machte er mit Händen und Füssen eine häßliche Bewegung, so daß ich auch auf eine sehr unangenehme Weise anfing, welches ich nicht gethan haben würde, wenn er sich besser betragen hätte. Daher fuhr ich fort: diese treffliche Schule sagt, daß wenn man den Herkules die Haare abschöre, kein Hinterkopf bleiben würde, um das Gehirn zu fassen und was das Gesicht betrifft, so wisse man nicht, ob es einen Menschen oder Löw-Ochsen vorstellen solle? Er sehe gar nicht auf das, was er thue, der Kopf hänge so schlecht mit dem Hals zusammen, mit so wenig Kunst und so übler Art, daß man es nicht schlimmer sehen könne. Seine abscheulichen Schultern glichen, sagte man, zwey hölzernen Bogen von einem Eselssattel, die Brust mit ihren Muskeln seyen nicht nach einem Menschen gebildet, sondern nach einem Melonensacke, den man gerade vor die Wand stellt, so sey auch der Rücken nach einem Sack voll langer Kürbisse modellirt. Wie die beyden Füsse an dem häßlichen Leib hänge, könne niemand einsehen, man begreife nicht, auf welchem Schenkel der Körper ruhe? oder auf welchem er irgend eine Gewalt zeige? Auch sehe man nicht, daß er etwa auf beyden Füssen stehe, wie es manchmal solche Meister gebildet haben, die etwas zu machen verstunden, man sehe deutlich genug, daß die Figur vorwärts falle, mehr als den dritten Theil einer Elle, und das allein sey der größte und unerträglichste Fehler, den nur ein Dutzend-Meister aus dem Pöbel begehen könne. von den Armen sagt man, sie seyen beyde ohne die mindeste Zierlichkeit herunter gestreckt und man sehe daran keine Kunst, eben als wenn ihr niemals lebendige nackte Menschen erblickte hättet, an dem rechten Fuße des Herkules und des Kakus seyen die Waden ineinander versenkt, daß, wenn sich die Füße von einander entfernten, nicht Einer sondern beyde ohne Waden bleiben würden. Ferner sagen sie: einer der Füsse des Herkules stecke in der Erde, und es scheine, als wenn Feuer unter dem andern wäre.

Nun hatten diese Worte den Mann so ungeduldig gemacht, und er wollte nicht erwarten, daß ich auch noch die grossen Fehler des Kakus anzeigte. Denn ich sagte nicht allein die Wahrheit, sondern ich machte sie auch dem Herzog und allen Gegenwärtigen vollkommen anschaulich, so daß sie die größte Verwunderung zeigten, und einsahen, daß ich vollkommen recht hatte. Auf einmal fing dagegen der Mensch an und sagte: O! du böse Zunge! und wo bleibt meine Zeichnung? Ich antwortete: wer gut zeichne. Könne nichts schlechtes hervorbringen, deswegen glaub ich, deine Zeichnung ist wie deine Werke. Da er nun das Herzogliche Gesicht und die Gesichter der andern ansah, die ihn mit Blicken und Minen zerrissen, ließ er sich zu sehr von seiner Frechheit hinreissen, kehrte sein hässlichstes Gesicht gegen mich und sagte mit Heftigkeit: o! schweige still du Sodomit!

Der Herzog sah ihn auf diese Worte mit verdrießlichen Augen an, die andern schlossen den Mund und warfen finstere Blicke auf ihn und ich, der ich mich auf eine so schändliche Weise beleidigt sah, obgleich bis zur Wuth getrieben, faßte mich und ergriff ein geschicktes Mittel. O du Thor! sagte ich, du überschreitest das Maas; aber wollte Gott, daß ich mich auf eine so edle Kunst verstünde, denn wir lesen, daß Jupiter sie mit Ganimeden verübte, und hier auf der Erde pflegen die größten Kaiser und Könige derselben; ich aber als ein niedriges und geringes Menschlein wüßte mich nicht in einen so wundersamen Gebrauch zu finden. Hierauf konnte sich niemand halten, der Herzog und die übrigen lachten laut und ob ich mich gleich bey dieser Gelegenheit munter und gleichgültig bezeugte, so wisset nur, geneigte Leser, daß mir inwendig das Herz springen wollte, wenn ich dachte, daß das verruchteste Schwein, das jemals zur Welt gekommen, so kühn seyn sollte, mir, in Gegenwart eines so grossen Fürsten, einen solchen Schimpf zu erzeigen. Aber wißt, er beleidigte den Herzog und nicht mich. Denn hätte er diese Worte nicht in so grosser Gegenwart ausgesprochen, so hätte er mir todt auf der Erde liegen sollen.

Da der schmutzige, dumme Schurke nun sah, daß die Herren nicht aufhörten zu lachen, fing er an, um den Spott einigermasen eine andere Richtung zu geben, sich wieder in eine neue Albernheit einzulassen, indem er sagte: dieser Benvenuto rühmt sich, als wenn ich ihm einen Marmor versprochen hätte, darauf sagte ich schnell: wie? hast du mir nicht durch Franzen den Sohn Matthäus des Schmiedts, dienen Gesellen, sagen lassen, daß, wenn ich in Marmor arbeiten wollte, du mir ein Stück zu schenken bereit seyst? Ich habe es angenommen und verlange es. Er versetzte darauf: rechne nur, daß du es nicht sehen wirst. Noch voll Raserey über die vorher erlittene Beleidigung verließ ich alle Vernunft, so daß ich die Gegenwart des Herzogs vergaß, mit großer Wuth versetzte: ich sage dir ausdrücklich, wenn du mir nicht den Marmor bis ins Haus schickst, so suche dir eine andere Welt, denn in dieser werde ich dich auf alle Weise erwürgen. Sogleich kam ich wieder zu mir und als ich bemerkte, daß ich mich in Gegenwart eines so grossen Herzogs befand, wendete ich mich demüthig zu seiner Exzellenz und sagte: Gnädiger Herr! ein Narr macht hundert. Über der Narrheit dieses Menschen hab ich die Herrlichkeit von Ew. Exzellenz und mich selbst vergessen, deswegen verzeiht mir. Darauf sagte der Herzog zum Bandinell: ist es wahr, daß du ihm den Marmor versprochen hast? Dieser antwortete, es sey wahr. Der Herzog sagte darauf zu mir: geh in seine Werkstatt und nimm dir ein Stück nach Belieben. Ich versetzte, er habe versprochen, mir eins ins Haus zu schicken. Es wurden noch schreckliche Worte gesprochen und ich bestand darauf, nur auf diese Weise den Stein anzunehmen.

Den andern Morgen brachte man mir den Marmor ins Haus, ich fragte, wer mir ihn schicke? Sie sagten, es schicke ihn Bandinello und es sey das der Marmor, den er mir versprochen habe. Sogleich ließ ich ihn in meine Werkstatt tragen und fing an ihn zu behauen, und indessen ich arbeitete, macht eich auch das Modell, denn so groß war meine Begierde in Marmor zu arbeiten, daß ich nicht Geduld und Entschluß genug hatte, ein Modell, mit so viel Überlegung, zu machen, als eine solche Kunst erfordert. Da ich nun gar unter dem Arbeiten bemerkte, daß der Marmor einen stumpfen und unreinen Klang von sich gab, gereute es mich oft, daß ich angefangen hatte. Doch machte ich daraus, was ich konnte, nämlich den Apollo und Hyacinth, den man noch unvollendet in meiner Werkstatt sieht. Indessen ich nun arbeitete, kam der Herzog manchmal in mein Haus und sagte mir öfters: laß das Erz ein wenig stehen und arbeite am Marmor, daß ich dir zusehe. Darauf nahm ich sogleich die Eisen und arbeitete frisch weg. Der Herzog fragte nach dem Modell, ich antwortete: dieser Marmor ist voller Stiche, demohngeachtet will ich etwas herausbringen, aber ich habe mich nicht entschliessen können, ein Modell zu machen, und will mir nur so gut als möglich heraus helfen.

Geschwind ließ mir der Herzog von Rom ein Stück griechischen Marmor kommen, damit ich ihm jenen antiken Ganimed restauriren möchte, der Ursache des Streites mit Bandinell war. Als das Stück Marmor ankam, überlegte ich, daß es eine Sünde sey, es in Stücke zu trennen, um Kopf, Arme und das Beywesen zum Ganimed zu verfertigen. Ich sah mich nach andern Marmor um und zu dem ganzen Stücke machte ich ein kleines Wachsmodell und nannte die Figur Narziß. Nun hatte der Marmor leider zwey Löcher, die wohl eine Viertelelle tief und zwey Finger breit waren, deßhalb machte ich die Stellung, die man sieht, um meine Figur fern davon zu erhalten; aber die vielen Jahre, die es darauf geregnet hatte, so daß die Öfnungen immer voll Wasser standen, war die Feuchtigkeit so eingedrungen, daß der Marmor in der Gegen vom obern Loch geschwächt und gleichsam faul war. Das zeigte sich nachher, als der Arno überging und das Wasser in meiner Werkstatt über anderthalb Ellen stieg. Weil nun gedachter Marmor auf einem hölzernen Untersatz stand, so warf ihn das Wasser um, darüber er unter der Brust zerbrach, und als ich ihn wieder herstellte, machte ich, damit man den Riß nicht sehen sollte, jenen Blumenkranz, den er unter der Brust hat; so arbeitete ich an seiner Vollendung gewisse Stunden vor Tag, oder auch an Festtagen, nur um keine Zeit an meinem Perseus zu verlieren, und als ich unter andern eines Morgens gewisse kleine Eisen, um daran zu arbeiten, zu rechte machte, sprang mir ein Splitter vom feinsten Stahl ins rechte Auge, und war so tief in den Augapfel gedrungen, daß man ihn auf keine Weise herausziehen konnte, und ich glaubte für gewiss, das Licht dieses Auges zu verlieren. Nach verschiednen Tagen rief ich Meister Raphael Pilli, den Chirurgus, der zwey lebendige Tauben nahm, und, indem er mich rückwärts auf den Tisch legte, diesen Thieren eine Ader durchstach, die sie unter dem Flügen haben, so daß mir das Blut in die Augen lief, da ich mich denn schnell wieder gestärkt fühlte. In Zeit von zwey Tagen ging der Splitter heraus, ich blieb frey, und mein Gesicht war verbessert. Als nun das Fest der heiligen Lucis herbeykam, es war nur noch drey Tage bis dahin, machte ich ein goldnes Auge, aus einer französischen Münze, und ließ es der Heiligen, durch eine meiner sechs Nichten überreichen. Das Kind war ohngefähr zehn Jahre alt, und durch sie dankte ich Gott und der heiligen Lucia. Ich hatte nun eine Zeit lang keine Lust an gedachten Narziss zu arbeiten, denn da ich den Perseus unter so vielen Hindernissen doch so weit gebracht hatte, so war ich entschlossen ihn zu endigen, und mit Gott hinwegzugehen.

Als der Guß meiner Meduse so gut gerathen war, arbeitete ich mit grosser Hoffnung meinen Perseus in Wachs aus, und versprach mir daß er eben so gut wie jene in Erz ausfallen solle. So ward er in Wachs wohl vollendet, und zeigte sich sehr schön. Der Herzog sah ihn, und die Arbeit gefiel ihm sehr wohl. Nun mochte ihm aber jemand eingebildet haben, die Statue könne so von Erz nicht ausfallen, oder, er möchte sich es selbst vorgestellt haben, genug er kam öfter, als er pflegte, in mein Haus und sagte mir einmal unter andern: Benvenuto! die Figur kann dir nicht von Erz gelingen, denn die Kunst erlaubt es nicht. Über diese Worte war ich sehr verdrießlich und sagte: ich weiß daß Ew. Exzellenz mir wenig vertrauen, und das mag daher kommen, weil sie entweder denen zu viel glauben, die von mir Übels reden, oder daß Sie die Sache nicht verstehen. Er ließ mich kaum ausreden, und versetzte: ich gebe mir Mühe mich darauf zu verstehen, und versteh es recht gut. Darauf antwortete ich: ja als Herrr, aber nicht als Künstler; denn wenn Ew. Exzellenz es auf die Weise verstünden, wie Sie glauben, so würden Sie Vertrauen zu mir haben, da mir der schöne Kopf von Erz gerathen ist, das grosse Portrait von Ew. Exzellenz, das nach Elba geschickt wurde, und da ich den Ganimed von Marmor, mit so grosser Schwierigkeit, restaurirt, und dabey mehr Arbeit gehabt habe, als wenn ich ihn ganz neu hätte machen sollen; so auch, weil ich die Meduse gegossen habe, die Ew. Exzellenz hier gegenwärtig sehen. Dies war ein sehr schwerer Guß, wobey ich gethan habe, was niemand vor mir in dieser verteufelten Kunst leistete. Sehet, gnädiger Herr, ich habe dazu eine ganz neue Art von Ofen gebauet, völlig von den andern verschiednen, denn ausser verschiedenen Abänderungen und kunstreichen Einrichtungen, die man daran bemerkt, habe ich zwey Öffnungen für das Erz gemacht, weil diese schwere und verdrehte Figur auf andere Weise niemals gekommen wäre, wie es allein durch meine Einsicht geschehnen ist, und wie es keiner von den Geübten in dieser Kunst glauben wollte. Und gewiss, mein Herr, alle die grossen und schweren Arbeiten, die ich in Frankreich, unter dem wundersamen König Franziskus gemacht habe, sind mir alle trefflich gerathen, blos weil dieser gute König mir immer so grossen Muth machte, mit dem vielen Vorschuß, und indem er mir so viel Arbeiter erlaubte als ich nur verlangte, so daß ich mich manchmal ihrer vierzig, ganz nach meiner Wahl, bediente. Deswegen hab ich in so kurzer Zeit so eine grosse Menge Arbeiten zu Stande gebracht. Glaubt mir gnädiger Herr, und gebt mir die Beyhülfe, deren ich bedarf, so hoffe ich ein Werk zu Stande zu bringen, das euch gefallen soll. Wenn aber Ew. Exzellenz mir den Geist erniedrigt, und mir die nöthige Hülfe nicht reichen läßt, so ist es unmöglich, daß weder ich, noch irgend ein Mensch in der Welt, etwas leisten könne das recht sey.

Der Herzog hörte meine Worte und Gründe nicht gern, und wendete sich bald ab, bald dort hin, und ich unglücklicher, verzweifelter, betrübte mich äusserst, denn ich erinnerte mich des schönen Zustandes den ich in Frankreich verlassen hatte. Darauf versetzte der Herzog: nun sage Benvenuto wie ist es möglich, daß der schöne Kopf der Meduse da oben in der Hand es Perseus jemals kommen könne. Sogleich versetzte ich nun, sehet gnädiger Herr, daß ihr es nicht versteht! denn wenn Ew. Exzellenz die Kenntniß der Kunst hätte, wie sie behauptet, so würde sie keine Furcht für den schönen Kopf haben, der nach ihrer Meynung nicht kommen wird, aber wohl für den rechten Fuß, der da unten so weit entfernt steht.

Auf diese meine Worte wendete sich der Herzog, halb erzürnt, gegen einige Herrn die mit ihm waren: Ich glaube, Benvenuto thut es aus Prahlerey, daß er von allem das Gegentheil behauptet. Dann kehrte er sich schnell zu mir, halb verächtlich, worinn ihm alle die gegenwärtig waren, nachfolgten, und fieng an zu reden: ich will so viel Geduld haben dir Ursache anzuhören, die du dir ausdenken kannst, damit ich deinen Worten glaube. Ich antwortete darauf, ich will Ew. Exzellenz so eine wahre Ursache angeben, daß sie die Sache vollkommen einsehen soll. Denn wisset gnädiger Herr! es ist nicht die Natur des Feuers abwärts, sondern aufwärts zu gehen, deswegen verspreche ich, daß der Kopf der Meduse trefflich kommen soll, weil es aber, um zu dem Fuße zu gelangen, durch die Gewalt der Kunst, sechs Ellen hinabgetrieben werden muß, so sag ich Ew. Exzellenz daß er sich unmöglich vollkommen ausgießen, aber leicht auszubessern seyn wird. Da versetzte der Herzog: warum dachtest du nicht dran es so einzurichten, daß er eben so gut als der Kopf sich ausgießen möge. Ich sagte: ich hätte alsdenn einen weit grössern Ofen machen müssen, und eine Gussröhre wie mein Fuß, und die Schwere des heißen Metalls hätte es alsdann gezwungen, da jetzt der Ast, der bis zu den Füßen hinunter diese sechs Ellen reicht, nicht stärker als zwey Finger ist; aber es hat nichts zu bedeuten, denn alles soll bald ausgebessert seyn; wenn aber meine Form halb voll seyn wird, wie ich hoffe, alsdann wird das Feuer von dieser Hälfte an, nach seiner Natur in die Höhe stiegen, und der Kopf des Perseus und der Meduse werden aufs beste gerathen, wie ich euch ganz sicher verspreche. Da ich nun meine gründlichen Ursachen gesagt hatte, nebst noch unendlich vielen andern, die ich nicht aufschreibe, um nicht zu lang zu werden, schüttelte der Herzog den Kopf, und ging in Gottes Nahmen weg. Nun sprach ich mir selbst Sicherheit und Muth ein, und verjagte alle Gedanken, die sich mir stündlich aufdrangen, und die mich oft zu bittern Thränen bewegten, und zur lebhaften Reue, daß ich Frankreich verlassen hatte, und nach Florenz meinem süßen Vaterland gekommen war, nur um meinen Nichten ein Almosen zu bringen. Nun sah ich freylich, für eine solche Wohlthat, den Anfang eines grossen Übels vor mir, demohngeachet versprach ich mir, daß, wenn ich mein angefangnes Werk, den Perseus, vollendete, daß meine Mühe sich in das größte Vergnügen und in einen herrlichen Zustand verwandeln würde, so griff ich muthig das Werk mit allen Kräften des Körpers und des Beutels an. Denn ob mir gleich weniges Geld übrig geblieben war, so schafte ich mir doch manche Klafter Pinienholz, die ich aus dem Walde der Serristori, zunächst Monte Lupo, erhielt. Und indem ich darauf wartete, bekleidete ich meinen Perseus mit jenen Erden, die ich verschiedene Monate vorher zurecht gemacht hatte, damit sie ihre Zeit hätten, vollkommen zu werden, und da ich den Überzug von Erde gemacht, ihn wohl verwahrt und äusserst sorgfältig mit Eisen umgeben hatte, fing ich, mit gelindem Feuer an, das Wachs heraus zu ziehen, das durch viele Luftlöcher abfloß, die ich gemacht hatte, denn je mehr man deren macht, desto besser füllt sich die Form aus. Da ich nun alles Wachs herausgezogen hatte, machte ich einen Ofen, um gedachte Form, den ich mit Ziegeln auf Ziegeln aufbaute, und vielen Raum dazwischen ließ, damit das Feuer desto besser ausströmen könnte, alsdann legte ich ganz sachte Holz an, und machte zwey Tage und zwey Nächte Feuer, so lange, bis das Wachs völlig verzehrt und die Form selbst wohlgebrannt war. Dann fing ich schnell an, die Grube zu graben, um meine Form herein zu bringen, und bediente mich aller schönen Vortheile, die uns diese Kunst anbefiehlt. Als nun die Grube fertig war, hub ich meine Form durch die Kraft von winden und guten Hanfseilen, eine Elle über den Boden meines Ofens, so daß sie ganz frey über die Mitte der Grube zu schweben kam, als ich sie nun wohl gerichtet hatte, ließ ich sie sachte hinunter, daß sie dem Grunde des Bodens gleich kam, und stellte sie mit aller Sorgfalt, die man nur denken kann. Nachdem ich diese schöne Arbeit vollbracht hatte, fieng ich sie mit eben der Erde, woraus der Überzug bestand, zu befestigen an, und so wie ich damit nach und nach herauf kam, vergaß ich nicht die Luftkanäle anzubringen, welches kleine Röhren von gebrannter Erde waren, wie man sie zu den Wasserleitungen und andern dergleichen Dingen braucht. Da ich sah, daß die Form gut befestigt war, und meine Art, sie mit Erde zu umgeben, sowohl als die Röhren am schicklichen Orte anzubringen, von meinen Arbeitern gutbegriffen wurde, ob ich gleich dabey ganz anders als die übrigen Meister dieser Kunst zu Werke ging, so wendete ich mich, überzeugt, daß ich ihnen trauen konnte, zu meinem Ofen, in welchem ich vielen Abgang von Kupfer und andere Stücke Erz aufgehäuft hatte, und zwar kunstmäßig eins über das andere geschichtet, damit die Flamme ihren Weg fände. Damit aber das Metall schneller erhitzt würde, und zusammenflöße, so sagte ich lebhaft, sie sollten dem Ofen Feuer geben! Nun warfen sie von dem Pinienholze hinein, das wegen seines Harzes in dem wohlgebauten Ofen so lebhaft flammte und arbeitete, daß ich genöthigt war, bald von einer, bald von der andern Seite zu helfen. Die Arbeit war so groß, daß sie mir fast unerträglich ward, und doch griff ich mich an, was nur möglich war. Nun kam unglücklicher Weise dazu, daß das Feuer die Werkstatt ergriff, und wir fürchten mußten, das Dach möchte über uns zusammenstürzen. Von der andern Seite gegen den Garten, jagte mir der Himmel so viel Wind und Regen herein, daß mir der Ofen sich abkühlte. So stritt ich mit diesen verkehrten Zufällen mehrere Stunden, und ermüdete mich dergestalt, daß meine starke Natur nicht widerstand. Es überfiel mich ein Fieber so stark, als man es denken konnte, so daß ich mich genöthigt fühlte, wegzugehen, und mich ins Bette zu legen. Da wendete ich mich sehr verdrießlich zu denen, die mir beystanden, das ohngefähr zehen oder mehrere waren, sowohl Meister im Erzgiesen als Handlanger und Bauern, ingleichen die besondern Arbeiter meiner Werkstatt, unter denen sich Bernardino von Mugello befand, den ich mir verschiedene Jahre durch angezogen hatte, zu diesem sagte ich, nachdem ich mich allen empfohlen hatte: siehe lieber Bernardin! beobachte die Ordnung, die ich dir gezeigt habe, halte dich dazu, was du kannst, denn das Metall wird bald gar seyn, du kannst nicht irren, die andern braven Männer machen geschwind die Kanäle und mit diesen beyden Eisen könnt ihr geschwind die Löcher aufstechen, und ich bin gewiss, daß meine Form sich zum besten anfüllen wird, ich fühle ein grösseres Übel, als ich jemals in meinem Leben empfunden habe, und gewiss in wenigen Stunden wird es mich umbringen. So ging ich höchst missvergnügt von ihnen weg, und legte mich zu Bette. Dann befahl ich meinen Mägden, sie sollten allen zu essen und zu trinken in die Werkstatt bringen, und setzte hinzu, ich würde den Morgen nicht erleben. Sie munterten mich auf und sagten, dieses grosse Übel würde vorbey gehen, das mich nur wegen grosser Anstrengung überfallen habe, und so litt ich zwey ganze Stunden, ja ich fühlte das Fieber immer zunehmen, und härte nicht auf zu sagen, ich fühle mich sterben.

Diejenige, die meinem ganzen Hauswesen vorstand, und den Nahmen Frau Fiore von Kastell del Rio hatte, war die trefflichste Person von der Welt und zugleich äusserst liebevoll, sie schalt mich, daß ich so ausser mir sey, und suchte mich dabey wieder auf das freundlichste und gefälligste zu bedienen; da sie mich aber mit diesem unmässigen Übel befallen sah, konnte sie den Thränen nicht verwehren, die ihr aus den Augen fielen, und doch nahm sie sich so viel als möglich in acht, daß ich es nicht sehen sollte.

Da ich mich nun in diesen unendlichen Nöthen befand, sah ich einen gewissen Mann in mein Zimmer kommen, der von Person so krumm war, wie ein grosses S. Dieser fing mit einem erbärmlichen und jämmerlichen Ton wie diejenigen, die den armen Sündern, die zum Gericht geführt werden, zusprechen, zu reden an, und sagte: armer Benvenuto! euer Werk ist so verdorben, daß ihm in der Welt nicht mehr zu helfen ist. Sobald ich die Worte dieses Unglücklichen vernahm, that ich einen solchen Schrey, daß man ihn hätte im Feuerhimmel hören mögen. Ich stand vom Bett auf, nahm meine Kleider und fing an sie anzulegen, und wer sich näherte mir zu helfen, Mägde oder Knabe, nach dem trat und schlug ich, dabey jammerte ich, und sagte: o ihr neidischen Verräther! dieses Unheil ist mit Fleiß geschehen, und ich schwöre bey Gott, ich will es wohl heraus bringen, und ehe ich sterbe, will ich noch so ein Beyspiel auf der Welt lassen, daß mehr als einer darüber erstaunen soll. Als ich angezogen war, ging ich mit schlimmen Gedanken gegen die Werkstatt wo ich alle Leute, die ich so munter verlassen hatte, erstaunt und höchst erschrocken fand. Da sagte ich: nun versteht mich, weil ihr die Art und Weise die ich euch angab, weder befolgen wolltet noch konntet, so gehorchet mir nun, da ich unter euch und in der Gegenwart meines Werkes bin. Niemand widersetze sich mir, denn in solchen Fällen braucht man Beystand und keinen Rath. Hierauf antwortete mir ein gewisser Meister Alexandero Lastrikati und sagte: sehet Benvenuto ihr bestehet vergebens darauf, ein Werk zu machen, wie es die Kunst nicht erlaubt, und wie es auf keine Weise gehen kann. Auf diese Worte wendete ich mich mit solcher Wuth zu ihm und zum Allerschlimmsten entschlossen, so daß er und alle die übrigen mit Einer Stimme riefen: auf! befehlt uns nur, wir wollen euch in allem gehorchen und mit allen Leibes und Lebenskräften beystehn. Diese freundlichen Worte, denk ich, sagten sie nur, weil sie glaubten ich würde in Kurzem todt niederfallen.

Sogleich ging ich den Ofen zu besehen, und fand das Metall stehend, und zu einem Kuchen geronnen. Ich sagte zwey Handlangern sie sollten zum Nachbar Capretta, dem Fleischer, gehen, dessen Frau mir einen Stoß Holz von jungen Eichen versprochen hatte, die schon länger als ein Jahr ausgetrocknet waren, und als nur die ersten Trachten heran kamen, fing ich an den Feuerheerd damit anzufüllen. Diese Holzart macht ein heftiger Feuer, als alle andere, und man bedient sich Erlen- und Fichtenholz zum Stückgießen, weil es gelinderes Feuer macht. Als nun der Metallkuchen dieses gewaltige Feuer empfand, fing er an zu schmelzen und zu blitzen, von der andern Seite betrieb ich die Canäle, andere hatte ich auf das Dach geschickt dem Feuer zu wehren, daß bey der grossen Stärke des Windes wieder aufs neue gegriffen hatte; gegen den Garten zu ließ ich Tafeln, Tappeten und Lappen aufbreiten, die mir das Wasser abhalten sollten. Nachdem ich nun alles dieses grose Unheil so viel als möglich abgewendet hatte, rief ich, mit starker Stimme, bald diesem bald jenem zu: bringe dies! nimm das! So daß die ganze Gesellschaft, als sie sahe daß der Kuchen zu schmelzen anfing, mir mit so gutem Willen diente, daß jeder die Arbeit für drey verrichtete. Alsdann ließ ich einen halben Zinnkuchen nehmen, der ohngefähr sechzig Pfund wiegen konnte, und warf ihn auf das Metall im Ofen, das durch allerley Beyhülfe, durch frisches Feuer und Anstoßen mit eisernen Stangen in kurzer Zeit ganz flüssig ward.

Nun glaubte ich einen Toden auferweckt zu haben, triumphirte über den Unglauben aller der Ignoranten, und fühlte mir eine solche Lebhaftigkeit, daß ich weder ans Fieber dachte, noch an die Furcht des Todes. Auf einmal hörte ich ein Getöse, mit einem gewaltsamen Leuchten des Feuers, so daß es schien, als wenn sich ein Blitz in unserer Gegenwart erzeugt hätte. Über diese unerwartete fürchterliche Erscheinung war ein jeder erschrocken, und ich mehr als die andern. Als der große Lärm vorbey war, sahen wir einander an und bemerkten, daß die Decke des Ofens geplatzt war, und sich in die Höhe hub, dergestalt, daß das Erz ausfloß, sogleich ließ ich die Mündung meiner Form eröfnen, und zu gleicher Zeit die beyden Gusslöcher aufstoßen. Da ich aber bemerkte, daß das Metall nicht mit der Geschwindigkeit lief als es sich gehörte, überlegte ich daß vielleicht der Zusatz durch das grimmige Feuer könnte verzehrt worden seyn, und ließ sogleich meine Schüsseln und Teller von Zinn, deren etwa zweyhundert waren, herbeyschaffen, und brachte eine nach der andern vor die Kanäle, zum Theil ließ ich sie auch in den Ofen werfen, so daß jeder nunmehr das Erz auf das beste geschmolzen sah, und zugleich bemerken konnte, daß die Form sich füllte. Da halfen sie mir froh und lebhaft und gehorchten mir, ich aber befahl und half bald da, und bald dort, und sagte: o Gott! der du durch deine unendliche Kraft vom Tode auferstanden, und herrlich gen Himmel gefahren bist, verschaffe daß meine Form sich auf einmal fülle! Darauf kniete ich nieder und betete von Herzen. Dann wendete ich mich zu der Schüssel, die nicht weit von mir auf einer Bank stand, aß und trank mit grossem Appetit, und so auch der ganze Haufen. Dann ging ich froh und gesund zu Bette, es waren zwey Stunden vor Tag, und, als wenn ich nicht das mindeste Übel gehabt hätte, war meine Ruhe sanft und süß.

Indessen hatte mir jene gute Magd aus eigenem Antrieb einen guten fetten Kapaun zurechte gemacht, und als ich aufstund, war es eben Zeit zum Mittagessen, sie kam mir fröhlich entgegen und sagte: Ist das der Mann, der sterben wollte? ich glaube, ihr habt das Fieber diese Nacht mit euren Stössen und Tritten vertrieben, denn als die Krankheit sah, daß ihr in eurer Raserey uns so übel mitspieltet, ist sie erschrocken und hat sich davon gemacht, aus Furcht, es möchte ihr auch so gehen. Und so war unter den Meinigen Schrecken und Furcht verschwunden und wir erholten uns wieder von sauerer Arbeit. Ich schickte geschwind, meine zinnernen Teller zu ersetzen, nach Töpferwaare, und wir aßen, alle zusammen, fröhlich zu Mittag und ich erinnere mich nicht in meinem Leben heiterer und mit besserem Appetit gespeißt zu haben. Nach Tische kamen alle diejenigen, die mir geholfen hatten, erfreuten sich und dankten Gott für alles was begegnet war, und sagten, sie hätten Sachen gesehen und gelernt, die alle andere Meister für unmöglich hielten. Ich war nicht wenig stolz und rühmte mich mit manchen Worten über den glücklichen Ausgang, dann bedachte ich das nöthige, griff in meinen Beutel, bezahlte und befriedigte sie alle.

Sogleich suchte mein tödtlicher Feind, der abscheuliche Haushofmeister des Herzogs, mit grosser Sorgfalt zu erfahren, was alles begegnet sey, und die beyden, die ich im Verdacht hatte, als wenn sie am Gerinnen des Metalls Schuld seyen, sagten ihm: ich sey kein Mensch, sondern eigentlich ein grosser Teufel, denn ich habe das verrichtet, was der Kunst unmöglich sey; das brachten sie nebst so viel andern grossen Dingen vor, die selbst für einen bösen Geist zu viel gewesen wären. So wie sie nun wahrscheinlich, mehr als geschehen war, vielleicht um sich zu entschuldigen, erzählten, so schrieb der Haushofmeister geschwind an den Herzog, der sich in Pisa befand, noch schrecklicher und noch wundersamer, als jene erzählt hatten.

Als ich nun zwey Tage mein gegossenes Werk hatte verkühlen lassen, fing ich an es langsam zu entblösen, und fand zuerst den Kopf der Meduse, der sehr gut gekommen war, weil ich die Züge richtig angebracht hatte, und weil, wie ich dem Herzog sagte, die Wirkung aufwärts ging, dann fuhr ich fort das übrige aufzudecken, und fand den zweyten Kopf, nämlich den des Perseus, der gleichfalls sehr gut gekommen war. Hierbey hatte ich Gelegenheit mich noch mehr zu verwundern, denn, wie man sieht, ist dieser Kopf viel niedriger als das Medusenhaupt, und die Öfnungen des Werks waren auf dem Kopfe des Perseus, und auf den Schultern angebracht. Nun fand ich, daß grade auf dem Kopfe des Perseus das Erz, das in meinem Ofen war, ein Ende hatte, so daß nicht das mindeste drüber stand, noch auch etwas fehlte, worüber ich mich sehr verwunderte und diese seltsame Begebenheit für eine Einwirkung und Führung Gottes halten mußte. So ging das Aufdecken glücklich fort und ich fand alles auf das beste gekommen, und als ich an den Fuß des rechten Schenkels gelangte, fand ich die Ferse ausgegossen, so wie den Fuß selbst, so daß ich mich von einer Seite ergötzte, die Begebenheit aber mir von der andern Seite unangenehm war, weil ich gegen den Herzog behauptet hatte, der Fuß könne nicht kommen. Da ich aber weiter vorwärts kam, ward ich wieder zufrieden gestellt, denn die Zehen waren ausgeblieben und ein wenig von der vordern Höhe des Fußes, und ob ich gleich dadurch wieder neue Arbeit fand, so war ich doch damit zufrieden, nur damit der Herzog sehen sollte, daß ich verstehe, was ich vornehme. Und wenn viel mehr von diesem Fuß gekommen war, als ich geglaubt hatte, so war die Ursache, daß viele Dinge zusammen kamen, die eigentlich nicht in der Ordnung der Kunst sind, und weil ich, auf die Weise, wie ich erzählt habe, dem Guß mit den zinnernen Tellern zu Hülfe kommen mußte, eine Art und Weise, die von andern nicht gebraucht wird. Da ich nun mein Werk so schön gerathen fand, ging ich geschwinde nach Pisa, um meinen Herzog zu finden, der mich so freundlich empfing, als sichs nur denken läßt, desgleichen that auch die Herzogin und obgleich der Haushofmeister ihm die ganze Sache geschrieben hatte, so schien es Ihren Exzellenzien noch viel erstaunlicher und wundersamer die Geschichte aus meinem Munde zu hörnen, und als ich zuletzt an den Fuß des Perseus kam, der sich nicht angefüllt hatte, wie ich seiner Exzellenz voraussagte, so war er voll Erstaunen und erzählte der Herzogin, was zwischen uns vorgefallen war. Da ich nun sah, daß meine Herrschaft so freundlich gegen mich war, bat ich den Herzog, er möchte mich nach Rom gehen lassen. Da gab er mir gnädigen Urlaub und sagte mir, ich möchte bald zurückkommen, seinen Perseus zu endigen. Zugleich gab er mir Empfehlungsschreiben an seinen Gesandten, welcher Averardo Serristori hieß. Es war in den ersten Jahren der Regierung Papst Julius des Dritten. (1550-1551.)

Ehe ich verreis’te, befahl ich meinen Arbeitern, daß sie nach der Art, wie ich ihnen gezeigt hatte, am Perseus fortfahren sollten. Die Ursache aber, warum ich nach Rom ging, war folgende. Ich hatte das Portrait in Erz von Bindo Antonio Aldoviti in natürlicher Grösse gemacht und es ihm nach Rom geschickt, er hatte dieses Bild in sein Schreibzimmer gestellt, das sehr reich mit Alterthümern und andern schönen Dingen verziert war; aber dieser Ort war weder für Bildhauerarbeit noch für Mahlerey, denn die Fenster standen zu tief, die Kunstwerke hatten ein falsches Licht und zeigten sich keinesweges auf die günstige Weise, wie sie bey einer vernünftigen Beleuchtung würden gethan haben. Eines Tags begab sichs, daß gedachter Bindo an seiner Thüre stand und den Michela Agnolo Buonarotti, der vorbey ging, ersuchte, er möchte ihn würdigen, in sein Haus zu kommen, um sein Schreibezimmer zu sehen. Und so führte er ihn hinein. Jener, sobald er sich umgesehen hatte, sagte: wer ist der Meister, der euch so gut und mit so schöner Manier abgebildet hat? Wisset, daß der Kopf mir gefällt, ich finde ihn besser, als diese Antiken hier, obgleich gute Sachen hier zu sehen sind; stünden die Fenster oben, so würde sich alles besser zeigen und euer Bildniß würde sich unter so vielen schönen Kunstwerken viel Ehre machen.

Als Michel Agnolo nach Hause kam, schrieb er mir den gefälligsten Brief, der folgendes enthielt: Mein Benvenuto! ich habe euch so viele Jahre als den trefflichsten Goldschmied gekannt, von dem wir jemals gewußt hätten und nun werde ich euch auch für einen solchen Bildhauer halten müssen. Wisset, daß Herr Bindo Aldoviti mir sein Portrait von Erz zeigte und mir sagte, daß es von eurer Hand sey. Ich hatte viel Vergnügen dran, nur mußte ich tadeln, daß die Büste in schlechtem Lichte stand, denn wenn sie vernünftig beleuchtet wäre, so würde sie als das schöne Werk erscheinen, das sie ist.

Diesen Brief, der so liebevoll und so günstig für mich geschrieben war, zeigte ich dem Herzog, der ihn mit viel Zufriedenheit las und sagte: Benvenuto! wenn du ihm schreibst, so suche ihn zu bereden, daß er wieder nach Florenz komme, ich will ihn zu einem der acht und vierzig machen. Darauf schrieb ich ihm einen sehr gefälligen Brief und sagte ihm darin, im Nahmen des Herzogs, hundertmal mehr als mir aufgetragen war, doch um nicht zu irren zeigte ich das Blatt seiner Exzellenz, ehe ich siegelte und fragte, ob ich vielleicht zu viel versprochen habe? Er antwortete mir dagegen: du hast nach seinem Verdienste geschrieben, gewiss er verdient mehr, als du ihm versprochen hast, und ich will ihm noch mehr halten. Auf diesen Brief antwortete Michel Agnolo niemals und deswegen war der Herzog sehr auf ihn erzürnt.

Als ich nun wieder nach Rom kam, wohnte ich im Hause des gedachten Bindo Aldoviti, der mir sogleich erzählte, wie er sein Bild von Erz dem Michel Agnolo gezeigt und wie dieser es ausserordentlich gelobt habe, und wir sprachen darüber viel und weitläuftig. Nun hatte er von mir zwölfhundert Goldgülden in Händen, die sich mit unter den fünftausend befanden, welche er unserm Herzog geborgt hatte, und zahlte mir meinen Theil von Interessen richtig. Das war die Ursache, daß ich sein Bildniß machte, und als Bindo es von Wachs sah, schickte er mir zum Geschenk fünfzig Goldgülden, durch einen seiner Leute, Julian Paccalli, einen Notar, welches Geld ich nicht nehmen wollte und durch denselben Mann zurückschickte. Dann sagte ich zu gedachtem Bindo: mir ist’s genug, daß ihr mir nur mein Geld lebendig erhaltet, daß es mir etwas gewinne.

Nun sah ich aber, daß er gegenwärtig übel gegen mich gesinnt sey, anstatt mich liebzukosen, wie er sonst gewohnt war, zeigte er sich verschlossen gegen mich, und ob ich gleich in seinem Hause wohnte, sah ich ihn doch niemals heiter, sondern immer grämlich. Zuletzt kamen wir mit wenig Worten überein, ich verlohr mein Verdienst an seinem Bildnisse und das Erz dazu, und wir wurden einig, daß ich mein Geld bey ihm auf Leibrenten lassen wollte, und er sollte mir, so lange ich lebte, funfzehn pro Cent geben.

Vor allen Dingen war ich gegangen, dem Papst den Fuß zu küssen und glaubte auf die Art, wie er mit mir sprach, würde ich leicht mit ihm überein kommen, denn ich wäre gern wieder nach Rom gegangen, weil ich in Florenz allzugrosse Hindernisse fand; aber ich bemerkte bald, daß obgedachter Gesandte gegen mich gewirkt hatte. Dann besuchte ich Michel Agnolo Buonarotti und erinnerte ihn an jenen Brief, den ich ihm von Florenz im Nahmen des Herzogs geschrieben hatte. Er antwortete mir, daß er bey der Peterskirche angestellt sey und deshalb sich nicht entfernen könnte. Ich sagte darauf: da er sich entschlossen habe, das Modell von gedachtem Gebäude zu machen, so könne er nur seinen Urbino da lassen, der fürtrefflich alles befolgen würde, was er ihm befehle, dazu fügte ich noch viele andere Worte und Versprechungen von Seiten des Herzogs. Auf einmal faßte er mich ins Auge und sagte mit einem spöttischen Lächeln: und ihr, wie seyd ihr mit ihm zufrieden? Ob ich nun gleich darauf versetzte, daß ich äusserst vergnügt sey und sehr wohl behandelt werde, so ließ er mir doch merken, daß er den größten Theil meiner Verdrießlichkeiten kenne und antwortete mir: er werde sich unmöglich losmachen können. Darauf setzte ich hinzu, er würde besser thun nach Hause in sein Vaterland zu kehren, das von einem gerechten Herrn regiert werde und von einem so grossen Liebhaber der Künste, als die Welt niemals gesehen hätte.

Nun hatte er, wie oben gesagt, einen Knaben bey sich, der von Urbino war, dieser hatte ihm viele Jahre mehr als Knecht und Magd, als auf andere Weise gedient, welches man sehr wohl bemerken konnte, weil der junge Mensch gar nichts von der Kunst gelernt hatte. Als ich nun den Michel Agnolo mit so vielen guten Gründen den festhielt, daß er nicht wußte, was er sagen sollte, wendete er sich schnell zu seinem Urbino, als wenn er fragen wolle, was er dazu sage. Da rief dieser Mensch auf seine bäuerische Weise und mit lauter Stimme: ich lasse nicht von Michel Agnolo, entweder ich schinde ihn oder er mich. Über diese dummen Reden mußte ich lachen und ohne weiter Abschied zu nehmen, zuckte ich die Schultern, wendete mich um und ging.

Da ich nun so schlecht mein Geschäft mit Bindo Aldoviti vollbrachte hatte, wobey ich die eherne Büste verlohr, und ihm mein Geld noch als Leibrente lassen mußte, lernte ich einsehen, von was für einer Art der Kaufleute Treue und Glauben sey und kehrte verdrießlich wieder nach Florenz zurück. Ich fragte nach seiner Exzellenz, dem Herzog, der eben im Castell an der Brücke zu Rifredi war. Im Pallast zu Florenz fand ich Herrn Peter Franziskus Ricci, den Haushofmeister, und als ich mich ihm nähern wollte, um ihm nach Gewohnheit mein Compliment zu machen, sagte er, mit unmäßiger Verwunderung: wie, du bist zurückgekommen? Darauf schlug er in die Hände und sagte, noch immer voll Erstaunen: der Herzog ist zu Castello. Er wendete mir darauf den Rücken und ging weg und ich konnte nicht begreifen, warum die Bestie sich so gebärdete. Sogleich ging ich nach Castell und als ich in den Garten kam, wo der Herzog war, sah ich ihn in einiger Entfernung, er machte gleichfalls ein Zeichen der Verwunderung und gab mir zu verstehen, daß ich mich wegbegeben sollte. Ich, der ich gedacht hatte, seine Exzellenz sollten mich so freundlich, ja noch freundlicher empfangen, als sie mich entlassen hatten, mußte nun so ein wunderliches Betragen sehen, kehrte sehr verdrießlich nach Florenz zurück, und suchte meine Werke mit Fleiß zu vollenden. Da ich mir nun nicht denken konnte, was zu so einem Betragen hätte Anlaß geben können, und dabey auf die Art merkte, womit Herr Sforza und die übrigen, welche zunächst um den Herzog waren, mir begegneten, kam mir die Lust an Herrn Sforza selbst zu fragen, was das denn eigentlich bedeuten sollte. Er sagte darauf lachend zu mir: Benvenuto! bleibe ein wackrer Mann und bekümmere dich um weiter nichts. Erst viele Tage hernach hatte er die Gefälligkeit, mir mit dem Herzog eine Unterredung zu verschaffen, der auf eine trübe Weise freundlich war und mich fragte, was man in Rom mache. Ich fing, so gut ich nur wußte, meine Erzählung an, sprach von dem ehernen Kopf, den ich vor Bindo Aldoviti gemacht hatte, und dem, was daraus gefolgt war. Dabey konnte ich bemerken, daß er mir mit grosser Aufmerksamkeit zuhörte. Gleichfalls sagte ich ihm alles wegen Michel Agnolo Buonarotti, worüber er sich ein wenig verdrießlich zeigte, doch lachte er wieder sehr über die Worte des Urbino und über die Schinderey, von der dieser Bursche gesprochen hatte; allein er sagte zu allem dem nichts weiter, als: es ist sein eigner Schade! Ich aber neigte mich und ging. Gewiss hatte der Haushofmeister wieder etwas böses gegen mich aufgebracht, das ihm aber nicht gelang, wie denn Gott immer ein Freund der Wahrheit ist und mich aus so unsäglichen Gefahren bis zu diesem meinem Alter errettet hat, und mich erretten wird bis ans Ende meines Lebens, durch dessen Mühseligkeiten ich allein durch Byhülfe seiner Kraft muthig hindurchgehe und weder die Wuth des Glückes noch ungünstiger Sterne befürchte, so lange mir Gott seine Gnade erhält.

Nun aber vernimm, gefälliger Leser, einen schrecklichen Vorfall! Mit aller möglichen Sorgfalt befliß ich mich mein Werk zu Ende zu bringen und ging abends in die Garderobe des Herzogs, denen Goldschmieden zu helfen, die für seine Exzellenz arbeiteten, und fast alle ihre Werke waren nach meinen Zeichnungen. Der Herzog sah gern der Arbeit zu und hatte Vergnügen mit mir zu sprechen, deswegen ging ich auch manchmal am Tage hin. Einmal unter andern war ich auch in gedachter Garderobe, der Herzog kam nach seiner Gewohnheit und besonders da er wußte, daß ich zugegen sey. Sogleich fing er an mit mir zu sprechen und ich hatte ihm diesmal so wohl gefallen, daß er sich mir freundlicher als jemals zeigte. Da kam einer von seinen Secretarien eilig und sagte ihm etwas ins Ohr; vielleicht Sachen von der größten Wichtigkeit. Der Herzog stand auf und sie gingen zusammen in ein ander Zimmer. Indessen hatte die Herzogin geschickt, um zu sehen, was seine Exzellenz mache? Der Page sagte zu ist: er spricht und lacht mit Benvenuto und ist sehr wohl aufgeräumt. Sogleich kam die Herzogin selbst in die Garderobe und als sie den Herzog nicht fand, setzte sie sich zu uns, und als sie uns eine Weile zugesehen hatte, wendete sie sich mit grosser Freundlichkeit zu mir und zeigte mir einen Schmuck von grossen Perlen, der wirklich sehr selten war und fragte mich, was ich davon hielte? ich lobte ihr ihn. darauf sagte sie: ich will, daß mir ihn der Herzog kauft, darum mein Benvenuto lobe sie ihm so viel du kannst. Darauf versetzte ich mit aller Bescheidenheit und Aufrichtigkeit: ich dachte, dieser Schmuck gehöre schon Ew. Exzellenz und da verlangt es die Vernunft von denen Dingen, die Ihnen gehören, nicht mit Tadel zu sprechen, jetzt aber muß ich sagen, daß ich, vermöge meiner Profession, viele Fehler an diesen Perlen wahrnehme und deswegen nicht rathen wollte, daß Ew. Exzellenz sie kaufte. Darauf sagte sie, der Kaufmann gibt mir sie für sechstausend Scudi, wenn sie ohne Mängel wären, würden sie zwölftausend werth seyn. Darauf versetzte ich: wäre dieser Schmuck auch von unendlicher Güte, so würde ich doch niemand rathen, mehr als fünftausend Scudi dafür zu geben, denn Perlen sind keine Juwelen, sie werden mit der Zeit geringer, aber ein Edelstein altert nicht, und den sollte man kaufen. Darauf sagte die Herzogin ein wenig verdrießlich: ich will aber diese Perlen! lobe sie dem Herzog, ich bitte dich drum, und wenn du ja zu lügen glaubst, so thue es mir zu dienen, es soll dien Vortheil seyn; ein solcher Auftrag war mir, als einem Beständigen Freunde der Wahrheit und Feinde der Lügen, höchst beschwerlich; aber um die Gnade einer so grossen Prinzessin nicht zu verlieren, fand ich mich doch in die Nothwendigkeit versetzt. Ich ging daher mit diesen verfluchten Perlen in das Zimmer, wo sich der Herzog befand, der, als er mich sahe, zu mir sagte: Benvenuto, was willst du? ich deckte den Schmuck auf und versetzte: ich komme euch einen Schmuck von den schönsten Perlen zu zeigen. Und als ich sie noch sehr gelobt hatte, setzte ich hinzu: deßhalb solltet ihr sie kaufen. Darauf sagte der Herzog, ich kaufe sie nicht, weil sie nicht von unendlicher Güte sind. Darauf versetzte ich: verzeiht, denn sie übertreffen andere Perlen sehr an Schönheit.

Die Herzogin stand hinten und mußte gehört haben, was ich sagte, so wie meine unendliche Lobeserhebung. Der Herzog wendete sich freundlich zu mir und sagte: Benvenuto! ich weiß, daß du die Sache recht gut verstehst, und wenn die Perlen von solcher Schönheit wären, so würde ich sie gerne kaufen, sowohl um die Herzogin zufrieden zu stellen, als auch um sie zu besitzen. Da ich nun einmal angefangen hatte zu lügen, fuhr ich fort und widersprach allem, was der Herzog sagte, indem ich mich auf seine Gemahlin verließ, daß sie mir zu rechten Zeit beystehen sollte. Ja sie hatte mir sogar merken lassen, daß ich zweyhundert Scudi haben sollte, wenn ich den Handel richtig machte; ich hatte mir aber vorgesetzt nichts zu nehmen, damit der Herzog, wenn es herauskäme, nicht denken sollte, ich hätte es aus Eigennutz gethan. Der Herzog fing wieder an und sagte: ich verstünde mich recht gut darauf, und wenn ich der rechtschaffene Mann wäre, wie er überzeugt sey, so sollte ich ihm die Wahrheit sagen. Da wurden mir die Augen roth und feucht von Thränen und ich sagte: Gnädiger Herr! wenn ich Ew. Exzellenz die Wahrheit sage, so wird die Herzogin meine Todfeindin, und ich bin genöthigt, mit Gott davon zu gehen und die Ehre meines Perseus, die ich unserer herrlichen Schule versprochen habe, wird von meinen Feinden verkümmert werden, darum empfehle ich mich dem Schutz Ew. Exzellenz. Der Herzog sah wohl ein, daß ich alles nur aus Zwang gesagt hatte, versetzte: wenn du mir traust, so sorge für nichts weiter. Darauf sagte ich: wie ist es möglich, daß die Herzogin nichts erfahre? er verdoppelte seine Zusichrung und sagte: rechne, daß du deine Worte in ein Diamantenkästchen vergraben hast. Darauf sagte ich ihm, wie ichs verstand, und daß sie nicht mehr als zweytausend Scudi werth seyen.

Als die Herzogin hörte, daß wir still wurden, denn wir redeten ziemlich leise, kam sie hervor und sagte: Mein Herr, habt die Gnade und kauft mir den Schmuck Perlen! denn ich habe grosse Lust dazu und euer Benvenuto wird euch gesagt haben, daß er nie einen schönern gesehen hat. Darauf versetzte der Herzog: ich will ihn nicht kaufen! Sie versetzte: warum will Ew. Exzellenz mir den Gefallen nicht thun, und diese Perlen anschaffen? Er antwortete: weil ich nicht Lust habe mein Geld wegzuwerfen. Wie? sagte die Herzogin von neuem, warum Geld wegwerfen? wenn euer Benvenuto, auf den ihr mit Recht so viel Vertrauen habt, mir versichert, daß über dreytausend Scudi noch ein wohlfeiler Preis ist. Darauf sagte der Herzog: Signora! mein Benvenuto hat mir gesagt: daß ich, wenn ich sie kaufe, mein Geld wegwerfe, denn diese Perlen sind weder rund noch gleich, und es sind auch genug alte drunter, und daß das wahr ist, so seht nur diese, sehet jene, sehet hier, sehet da! das ist keine Waare für mich. Auf diese Worte sah mich die Herzogin mit zornigem Blick an, drohte mir mit dem Haupt und ging weg, so daß ich versucht war mit Gott wegzugehen und mich aus Italien zu verlieren, weil aber mein Perseus beynahe geendigt war, so wollte ich doch nicht verfehlen, ihn aufzustellen.

Nun bedenke ein jeder, in welcher grossen Noth ich mich befand! Der Herzog hatte seinen Thürhütern in meiner Gegenwart befohlen, sie sollten mich immer durch die Zimmer lassen, wo sich seine Exzellenz befinde, und die Herzogin hatte eben denselbigen aufgegeben, so oft ich in den Pallast käme, sollten sie mich wegjagen. Wenn sie mich nun sahen, verliessen sie ihren Posten und jagten mich weg; sie nahmen sich aber wohl in Acht, daß es der Herzog nicht gewahr wurde, so daß, wenn er mich eher als diese Schelmen erblickte, er mir entweder zurief, oder mir winkte, daß ich herein kommen sollte.

Indessen hatte die Herzogin den Bernardone gerufen, über dessen Feigheit und Schlechtigkeit sie sich gegen mich so sehr beklagt hatte, und empfahl ihm, so wie vormals mir, die Sache; er antwortete: Gnädige Frau, laßt mich nur gewähren! Darauf zeigte sich der Schelm vor dem Herzog mit dem Schmuck in der Hand. Der Herzog, sobald er ihn erblickte, sagte: er solle sich wegheben! Der Schelm sagte darauf mit einer häßlichen Stimme, die ihm durch seine Eselsnase klang: o gnädiger Herr, kaufet doch den Schmuck der armen Dame, die für Verlangen darauf stirbt und ohne denselben nicht leben kann. Da er nun noch andere seiner dummen Worte hinzu fügte, ward er dem Herzog zur Last, der zu ihm sagte: entweder du gehst oder du kriegst Ohrfeigen. Dieser Lumpenhund wußte sehr gut, was er that, denn ihm war wohl bekannt, daß er, auf dem Wege der Ohrfeigen und Unverschämtheiten, die Weinwilligung zum Handel vom Herzog erhalten, und sich die Gnade der Herzogin zugleich mit einer guten Provision erwerben könne, die einige hundert Scudi betrug, und so bließ er aus Possen die Backen auf und der Herzog gab ihm einige tüchtige Maulschellen, um ihn los zu werden, und zwar ein bischen derber, als er pflegte. So tüchtig getroffen wurden die häßlichen Wangen roth und die Thränen kamen ihm aus den Augen und so fing er an: ach, gnädiger Herr! ein treuer Diener, der Gutes zu thun sucht, wird alle Art von Übel ertragen, wenn nur die arme Dame zufrieden gestellt wird. Hierüber wurde der Mensch dem Herzog äusserst zur Last, und, sowohl wegen der Ohrfeigen, als wegen der Liebe zur Herzogin, die seine Exzellenz immer zu befriedigen wünschte, sagte er sogleich: hebe dich weg! Gott möge dich zeichnen! Gehe und mache den Handel, ich bin alles zufriedne, was meine Gemahlin wünscht.

Da sehe man nun die Wuth des bösen Glückes gegen einen armen Mann, und die schändliche Gunst des guten Glückes gegen eine nichtswürdige Person, ich verlohr die ganze Gnade der Herzogin und dadurch auch nach und nach die Gnade des Herzogs, jener dagegen gewann sich die grosse Provision und ihre Gnade. So ist es nicht genug ein ehrlicher und tugendhafter Mann zu seyn, wenn das Glück uns übel will.

(Die Fortsetzung folgt.)

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