HomeDie Horen1797 - Stück 6I. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

I. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

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Beschluß.

Wie nun, nach Gottes Willen, alle Dinge denjenigen die ihn lieben und ehren zum besten gereichen, so begegnete mir auch ein sonderbarer Vorfall. Um diese Zeit besuchte mich ein gewisser Schelm von Vicchio, der Peter Maria von Anterigoli hieß, und den Zunahmen Sbietta hatte, er war eigentlich ein Viehhändler, und weil er mit Herrn Guido Guidi, dem Arzte, der jetzt Aufseher von Pescia ist, verwandt war, gab ich ihm Gehör, als er mir sein Landgut auf Leibrenten verkaufen wollte. Zwar konnte ich es nicht besehen, weil ich eifrig das Modell meines Neptuns zu endigen gedachte, und eigentlich war auch die Besichtigung des Guts bey diesem Handel nicht nöthig, denn er verkaufte mir die Einkünfte, deren Verzeichniß er mir gegeben hatte; als so viel Scheffel Korn, so viel Wein, Öl, andere Feldfrüchte, Castanien, und was sonst noch für Vortheile waren, die, nach der Zeit in der wir lebten, mir sehr zu statten kamen, denn diese Dinge waren wohl hundert Goldgülden werth, und ich gab ihm hundert und sechzig Scudi, die Zölle mitgerechnet. So ließ er mir seine Handschrift: daß er mir, so lange ich lebte, die gedachten Einkünfte ausliefern wolle, und es schien mir, wie ich schon sagte, nicht nöthig, das gut zu besehen, sondern ich erkundigte mich nur aufs beste: ob gedachter Sbietta und Herr Philipp sein leiblicher Bruder dergestalt wohlhabend wären, daß ich mich für sicher halten könnte? und mehrere Personen, welche die beide Brüder kannten, sagten mir: ich könne ganz ohne Sorge seyn.

Nun ersuchten wir beyde Herrn Peter Franziskus Bertoldi, Notar bey der Kaufmannschaft, und ich gab ihm vor allen Dingen das Verzeichniß der Sachen, die Sbietta mir überliefern wollte, und dachte nicht anders, als daß diese Schrift im Contract angeführt werden müßte; aber der Notarius hörte nur auf zwey und zwanzig Puncte, die ihm gedachter Sbietta vorsagte, und ruckte mein Verzeichniß nicht in den Contract. Indessen als der Notarius schrieb, fuhr ich fort zu arbeiten, und weil er einige Stunden damit zubrachte, so machte ich ein großes Stück an dem Kopfe meines Neptuns. Da nun also der Contract geschlossen war, erzeigte mir Sbietta die größten Liebkosungen, und ich that ihm ein gleiches, dann brachte er mir Ziegen-Käse, Capaunen, weichen Käse und viele Früchte, so daß ich anfieng mich zu schämen, und ihn, so oft als er nach Florenz kam, aus dem Gasthause in meine Wohnung holte, so wie auch seine Verwandten, die er oft bey sich hatte. Da fing er denn auf gefällige Weise mir zu sagen an: es sey nicht erlaubt, daß ich vor so vielen Wochen ein Gut gekauft habe, und mich noch nicht entschließen könnte, meine Arbeiten, nur auf drey Tage, ruhen zu lassen, ich solle doch ja kommen und es besehen. Endlich vermochte er so viel über mich, daß ich zu meinem Unglück hinausreis’te. Mein Neptun war durch vielen Fleiß schon ziemlich weit gekommen, er war nach guten Grundsätzen entworfen, die niemand vor mir weder genutzt noch gewußt hatte, und ob ich gleich, nach allen oben angeführten Vorsätzen, gewiss war, den Marmor nicht zu erhalten, so dachte ich doch das Modell bald zu endigen, und es auf dem Plaz zu meiner Genugthuung sehen zu lassen. Nun aber verließ ich die Arbeit, und Sbietta empfing mich in seinem Hause, so freundlich und ehrenvoll, daß er einem Herzog nicht mehr hätte thun können, und die Frau erzeigte mir noch mehr Liebkosungen als er, so blieb es eine Weile, bis sie das ausführen konnten, was er und sein Bruder Philipp sich vorgenommen hatten. Das Wetter war warm und angenehm, so daß ich mich eines Mittwochs, da zwey Feyertage einfielen, von meinem Landgut zu Trespiano, nachdem ich ein gutes Frühstück zu mir genommen hatte, nach Vicchio auf den Weg machte; als ich daselbst ankam, fand ich Herrn Philipp am Thor, der von meiner Ankunft unterrichtet schien, denn er begegnete mir aufs freundlichste, und führte ich in das Haus des Bietta, der aber nicht gegenwärtig war; da fand ich sein schamloses Weib, die mich mit unmäßiger Freundlichkeit empfing, ich schenkte ihr einen sehr feinen Strohhut, weil sie versicherte keinen schönern gesehen zu haben. Als der Abend herbey kam, speißten wir sehr vergnügt zusammen, dann gab er mir ein anständiges Zimmer, und ich legte mich in das reinlichste Bett, meinen beyden Dienern gab man ein ähnliches nach ihrer Art, des morgens als ich aufstand, wieder dieselbe Freundlichkeit!

Ich ging mein Gut zu besehen, das mir sehr wohl gefiel, man bestimmte mir so viel Waitzen und andere Feldfrüchte, und als ich wieder nach Vicchio kam, sagte der Priester Herr Philipp zu mir: Benvenuto habt keinen Zweifel, und wenn ihr auch das Gut nicht ganz so gefunden hättet, wie man es euch beschrieben hat, seyd versichert, man wird euch über das versprochene befriedigen, denn ihr habt es mir rechtschaffnen Leuten zu thun; auch haben wir eben unsern Feldarbeiter abgedankt, weil er ein trauriger (gefährlicher) Mensch ist. Dieser Arbeiter nannte sich Mariano Roselli, und sagte mir mehr als Einmal: sehet nur zu euren Sachen! es wird sich zeigen, wer von uns der traurigste seyn wird. Als er diese Worte aussprach, lächelte der Bauer auf eine gewisse unangenehme Wiese, die mir nicht ganz gefallen wollte; aber dennoch dachte ich auf keine Weise an das, was mir begegnen sollte. Als ich nun vom Gut zurückkehrte, das zwey Meilen von Vicchio gegen das Gebirge lag, fand ich gedachten Geistlichen, der mich mit seinen gewöhnlichen Liebkosungen erwartete, und wir nahmen ein tüchtiges Frühstück zu uns, dann ging ich durch den Ort, wo ein Jahrmarkt schon angegangen war, und alle Einwohner sahen mich mit Verwunderung, wie einen seltenen Gegenstand an, besonders aber ein wackrer Mann, der sich schon lange Zeit an dem Orte befindet, dessen Frau Brod auf den Verkauf bäckt; was er an Gütern besitzt, liegt ohngefähr eine Meile weit entfernt, er aber mag sich gern im Orte aufhalten. Dieser gute Mann nun wohnte zur Miethe, in einem Hause, dessen Einkünfte mir auch mit jenem Gütchen angewiesen waren, und sagte zu mir: ich bin in eurem Hause, und ihr sollt zur rechten Zeit euren Zins erhalten, oder wollt ihr ihn voraus? Denn ich wünschte, daß ihr auf jede Weise mit mir zufrieden seyn möget. Indeß wir so sprachen, bemerkte ich, daß dieser Mann mich ganz besonders betrachtete, so daß es mir auffiel, und ich zu ihm sagte: sagt mir lieber Johann, warum ihr mich so starr anseht? Darauf sagte der wackere Mann: ich will es euch gern eröffnen, wenn ihr mir, zuverlässig wie ihr seyd, versprechet, mein Vertrauen nicht zu mißbrauchen. Ich versprachs ihm, und er fuhr fort: so wisset denn, daß der Pfaffe, der Herr Philipp, vor wenig Tagen sich gerühmt hat, was sein Bruder Sbietta für ein gescheuter Mann sey! er habe sein Gut einem Alten auf Lebzeit verkauft, der aber kein Jahr mehr dauern würde. Ihr habt euch mit Schelmen eingelassen, drum lebt nur so lange es gehen will, thut die Augen auf, denn ihr habts Ursache, ich sage nichts weiter.

Alsdann ging ich auf den Makrt spatzieren, und fand Johann Baptista Santini, und gedachter Priester führte uns beyde zu Tische. Es war ohngefähr zwanzig Uhr, und man speißte meinetwegen so früh, weil ich gesagt hatte, ich wolle noch Abends nach Trespiano zurückkehren. So machte man alles geschwind zurecht, die Frau des Sbietta war äußerst geschäftig, und unter andern auch ein gewisser Cecchini Buti ihr Aufwärter. Als die Gerichte fertig waren, und man sich eben zu Tische setzen wollte, sagte der leidige Pfaffe, mit so einer gewissen vertracten Mine: ihr werdet verzeihen, daß ich mit euch nicht speisen kann, denn es ist mir ein Geschäft von Wichtigkeit, das meinen Bruder betrifft, vorgefallen, und weil er nicht da ist, muß ich statt seiner eintreten. Durch unsere Bitten, doch bey uns zu bleiben, ließ er sich auf keine Weise bewegen, und wir fingen an zu speisen. Als wir die Saläte, die in gewissen Schüsselchen aufgetragen ward, gegessen hatten, und man anfing das gesottene Fleisch zu geben, kam ein Schüsselchen für Einen Mann; Sandino, der mir gegenüber saß, sagte darauf: habt ihr jemals so gute Kost gesehen, und euch geben sie noch dazu immer was apartes. Ich habe das nicht bemerkt, versetzte ich darauf. Dann sagte er zu mir: ich möchte doch die Frau des Sbietta zu Tische rufen, welche mit gedachtem Buti hin und wieder lief, beyde ganz außerordenltich beschäftigt. Endlich bat ich das Weib so sehr, daß sie zu uns kam, aber sie beklagte sich, und sagte: meine Speisen schmecken euch nicht, denn ihr eßt so wenig. Ich lobte aber ihr Gastmahl über die Masen und sagte, daß ich hinreichend gegessen habe. Nun hätte ich mir wahrlich nicht eingebildet, aus was Ursache dieses Weib mich so außerordentlich nöthigte. Als wir aufstanden, waren schon die ein und zwanzig vorbey, und ich wünschte noch den Abend nach Trespiano zu kommen, und den andern Tag wieder an meine Arbeit zu gehen, so empfahl ich mich allen, dankte der Frau und reis’te fort. Ich war nicht drey Miglien entfernt, als mich däuchte der Magen brenne mir, ich litt entsetzlich, und mir schienen es tausend Jahre bis ich auf mein Gut nach Trespiano kam. Mit großer Noth langte ich daselbst an, und begab mich zu Bette, aber ich konnte die ganze Nacht nicht ruhen, es treib mich öfters zu Stuhle, und, weil es mit großen Schmerzen geschah, ging ich, als es Tag ward, nachzusehen, und fand den Abgang alles blutig, da dacht ich gleich ich müsse etwas giftiges gegessen haben, und als ich weiter darüber nachdachte, fielen mir die Speisen und Tellerchen ein, die mir das Weib besonders vorgesetzt hatte; auch fand ich bedenklich, daß der leidige Pfaffe, nachdem er mir so viel Ehre erzeigt hatte, nicht einmal bey Tische bleiben wollte, ja daß er sollte gesagt haben: sein Bruder habe einem Alten das gut auf Leibrenten gegeben, der aber das Jahr schwerlich überleben würde, wie mir der gute Sardella erzählt hatte. Hierdurch überzeugte ich mich, daß sie mir in einem Schüsselchen Brühe, die sehr gut gemacht, und angenehm zu essen war, ein Dosis Sublimat gegeben hatten, ein Gift das alle gedachte Übel hervorbringt; weil ich aber das Fleisch nicht mit Brühe und andern Zubereitungen, sondern mit bloßem Salze genieße, so aß ich auch nur ein paar Bissen hiervon, so sehr mich auch, wie ich mich noch wohl erinnerte, die Frau zum Essen aufgefordert hatte. Und vielleicht haben sie mir noch auf andere Weise Sublimat beygebracht.

Ob ich mich nun schon auf solche Weise angegriffen fühlte, fuhr ich doch immer fort, in der Loge, an meinem Colloß zu arbeiten, bis mich, nach wenigen Tagen, das Uibel dergestalt überwältigte, daß ich im Bette bleiben mußte. Sobald als die Herzogin hörte, daß ich krank war, ließ sie den unglücklichen Marmor dem Bartholomäus Ammanato, frey, zur Arbeit übergeben; der mir darauf sagen ließ: ich möchte nun was ich wollte mit meinem angefangenen Modell machen, er habe den Marmor gewonnen, und es sollte viel davon zu reden geben. Nun wollte ich mich aber nicht bey dieser Gelegenheit, wie Bandinell betragen, der in Reden ausbrach, die einen Künstler nicht ziemen, genug, ich ließ ihm antworten: ich habe es immer vermuthet; er solle nur dankbar gegen das Glück seyn, da es ihm nach Würden eine solche Gunst erzeigt habe. So blieb ich wieder missvergnügt im Bette, und ließ mich von dem trefflichen Mann, Meister Franziskus da Monte Varchi curiren, darneben hatte ich mich dem Chriurgus, Meister Raphael de’Pilli anvertraut. Der Sublimat hatte dergestalt meinen Eingeweiden die Empfindung genommen, daß ich nichts bey mir behalten konnte; aber der geschickte Meister Franziskus sah wohl ein, daß das Gift alle Wirkung gethan hatte, und, da die Portion nicht groß war, meine starke Natur nicht hatte überwältigen können, daher sagte er eines Tages: Benvenuto! danke Gott du hast gewonnen! zweifle nicht, ich werde dich, zum Verdrusse der Schelmen, welche dir zu schaden gedachten, durchbringen. Darauf versetzte Meister Raphael, das wird eine von den besten und schwersten Kuren seyn, denn du mußt wissen, Benvenuto, daß du eine Portion Sublimat verschluckt hast. Sogleich unterbrach ihn Meister Franziskus, und sagte: es war vielleicht ein giftiges Insect. Da versetzt ich: ich weiß recht wohl daß es Gift ist, und wer mir ihn gegeben hat. Sie curirten an mir sechs Monate, und es währte über ein Jahr bis ich meines Lebens wieder froh werden konnte.

Um diese Zeit war der Herzog verreis’t, um seinen Einzug in Siena zu halten, wohin Ammanato schon einige Monate vorher gegangen war, um die Triumphbögen aufzurichten. Ein natürlicher Sohn von ihm war in der Loge bey der Arbeit geblieben, und hatte mir einige Tücher von meinem Modell des Neptuns, das ich bedeckt hielte, weggezogen. Sogleich ging ich, mich darüber bey Don Franzesko dem Sohn des Herzogs zu beschweren, der mir sonst einiges Wohlwollen bezeugte. Ich sagte: sie hätten mir meine Figur aufgedeckt, die doch unvollkommen sey, wenn sie fertig wäre, so hätte es mir gleichgültig seyn können. Darauf antwortete mir der Prinz mit einer unzufriedenen Mine: Benvenuto bekümmert euch nicht, daß sie aufgedeckt ist, denn sie haben es zu ihren eignen Schaden gethan; wollt ihr aber daß ich sie soll bedecken lassen, so soll es gleich geschehen. Ausser diesen Worten sagte seine Exzellenz noch manches zu meinen Gunsten, in Gegenwart vieler Herren, ich aber versetzte: er möge doch die Gnade haben, und mir Gelegenheit verschaffen, daß ich das Modell endigen könnte, denn ich wünschte sowohl mit dem großen als dem kleinen, ihm ein Geschenk zu machen. Er antwortete mir: daß er eins wie das andere annehme, und ich solle alle Bequemlichkeit haben, die ich verlange. Diese geringe Gunst richtete mich wieder auf, und war Ursache, daß ich wieder nach und nach gesund wurde, denn der viele Verdruß und die großen Übel hatten mich dergestalt niedergedrückt, daß ich irgend einer Aufmunterung bedurfte, um nur wieder einige Hofnung fürs Leben zu schöpfen.

Es war nun ein Jahr vorbey, daß ich jenes Gut von Sbietta, auf gedachte Weise, besaß, und ich mußte nun nach ihren Giftmischereyen, und andern Schelmenstreichen bemerken, daß es mir so viel nicht eintrug, als sie mir versprochen hatten. Da ich nun, ausser dem Hauptcontracte, von Sbietta selbst, noch eine besondere Handschrift hatte, wodurch er mir vor Zeugen die bestimmten Einkünfte zusagte, so ging ich zu den Herrn Räthen, welche der Zeit Averardo Serristori und Friedrich Ricci waren. Alfonzo Quistelleo war Fiskal, und kam auch mit in ihre Sitzung, die Nahmen der übrigen erinnere ich mich nicht, es war auch ein Alessandri darunter, genug alles Männer von grosser Bedeutung. Als ich nun meine Gründe den Herren vorgelegt hatte, entschieden sie alle, mit einer Stimme, Sbietta habe mir meine Geld zurück zu geben, der einzige Friedrich Ricci widersprach, denn er bediente sich zur selbigen Zeit meines Gegners in seinen Geschäften. Alle waren verdrießlich, daß Friedrich Ricci die Ausfertigung ihres Schlusses verhinderte, und ein erstaunlichen Lärm machte, indem Averardo Serristori und die andern Widerpart hielten, dadurch ward die Sache so lange aufgehalten, bis die Stunde der Session verflossen war. Nachdem sie auseinander gegangen waren, fand mich Herr Alessandri auf dem Platze der Nunciata, und sagte, ohne Rücksicht, mit lauter Stimme: Friedrich Ricci hat so viel über uns andere vermocht, daß du wider unsern Willen bist verletzt worden.

Darüber mag ich nun nichts weiter sagen, denn der oberste Gewalthaber der Regierung, müßte darüber unruhig werden, genug mir geschah eine so auffallende Ungerechtigkeit, blos weil ein reicher Bürger sich jenes Hutmanns bediente.

Zur Zeit, da der Herzog in Livorno war, ging ich, ihm aufzuwarten, in Absicht eigentlich mir Urlaub von ihm zu erbitten, denn ich fühlte meine Kräfte wieder, und da ich zu nichts gebraucht wurde, so that es mir leid, meine Kunst so sehr hintan zu setzen. Mit diesen Entschließungen kam ich nach Livorno, und fand meinen Herzog, der mich aufs beste empfing. Ich war verschiedene Tage daselbst, und ritt täglich mit seiner Exzellenz aus, denn gewöhnlich ritt er vier Miglien am Meer hin, wo er eine kleine Festung anlegte, und er sah gern, daß ich ihn unterhielt, um die grosse Menge von Personen dadurch von ihm abzuhalten.

Eines Tags, als er mir sehr günstig schien, fing ich an von dem Sbietta, nämlich von Peter Maria von Anterigoli zu sprechen, und sagte: ich will Ew. Exzellenz einen wundersamen Fall erzählen, damit Sie die Ursache erfahren, warum ich das Modell des Neptuns, woran ich in der Loge arbeitete, nicht fertig machen konnte. Ich erzählte nun alles aufs genauste, und nach der vollkommensten Wahrheit, und als ich an den Gift kam, so sagte ich: wenn mich seine Exzellenz jemals als einen guten Diener geschätzt hätten, so sollten Sie den Sbietta, oder diejenigen, welche mir den Gift gegeben, eher belohnen, als bestrafen, weil der Gift, indem er nicht so stark gewesen, mich umzubringen, mir als ein gewaltiges Mittel gedient habe, den Magen und Gedärme von einer tödtlichen Verschleimung zu reinigen, die mich vielleicht in drey bis vier Jahren umgebracht hätte; durch diese sonderbare Medicin aber bin ich wieder auf zwanzig Jahre lebensfähig geworden, wozu ich denn auch mehr als jemals Lust habe, und Gott von Herzen danke, da er das Übel, das er über mich geschickt, so sehr zu meinem besten gewendet hat. Der Herzog hörte mir über zwey Miglien Wegs, mit Aufmerksamkeit zu, und sagte nur: o! die bösen Menschen! Ich aber versetzte, daß ich ihnen Dank schuldig sey, und brachte das Gespräch auf andere angenehme Gegenstände.

Eines Tags trat ich sodann mit Vorsatz zu ihm, und als ich ihn in guter Stimmung fand, bat ich, er möchte mir Urlaub geben, damit ich nicht einige Jahre, worin ich noch etwas nütze wär, unthätig verlebte, was das Geld betreffe, das ich an der Summe für meinen Perseus noch zu fordern habe, so könne mir dasselbe nach Gefallen ausgezahlt werden. Dann dankte ich seiner Exzellenz mit umständlichen Ceremonien, worauf ich aber keine Antwort bekam, vielmehr schien es mir als wenn er es übel genommen hätte. Den andern Tag begegnete mir Herr Bartholomäus Concino, einer von den ersten Secretarien des Herzogs, und sagte mir, halb trotzig: der Herzog meynt wenn du Urlaub willst, so wird er dir ihn geben, willst du aber arbeiten, so sollst du auch zu thun finden, mehr als du gedenkst. Ich antwortete, daß ich nichts besseres wünsche, als zu arbeiten, und seiner Excellenz mehr als irgend jemand, er möchte Papst, Kaiser, oder König seyn, ja viel lieber wollte ich seiner Excellenz um einen Pfennig dienen, als einem andern für einen Ducaten. Dann sagte er: wenn du so denkst, so seyd ihr einig ohne weiteres. Drum gehet nach Florenz zurück, und seyd gutes Muths, denn der Herzog will euch wohl. Und so ging ich nach Florenz.

In dieser Zeit beging ich den grossen Fehler, daß ich mit obgedachten Sbietta nicht allein einen veränderten Contract einging, sondern daß ich ihm auch noch eine Hälfte eines andern Gutes abkaufte, das letzte geschahe im December 1566. Doch ich will weiter dieser Sache nicht gedenken, und alles Gott überlassen, der uns so oft aus manchen Gefahren gerissen hat.

Ich hatte nun mein marmornes Crucifix geendigt, nahm es von der Erde auf, und brachte es in einiger Höhe an der Wand an, wo es sich viel besser als vorher ausnahm, wie ich wohl erwartet hatte, ich ließ es darauf jeden sehen, wer kommen wollte. Nun geschah es, nach Gottes Willen, daß man dem Herzog und der Herzogin auch davon sagte, so daß sie eines Tages nach ihrer Rückkehr von Pisa unerwartet, mit dem ganzen Adel ihres Hofs in mein Haus kamen, nur um das Cruzifix zu sehen. Es gefiel so sehr, daß beyde Herrschaften sowohl als alle Edelleute mir unendliche Lobeserhebungen ertheilten. Da ich nun sah, daß ihre Excellenzen so wohl zufrieden mit dem Werke waren, und es so sehr lobten, auch ich niemand gewußt hätte, der würdiger gewesen wäre, es zu besitzen, so mache ich ihnen gern ein Geschenk damit, und bat nur daß sie mit mir in das Erdgeschoß gehen möchten. Auf diese Worte standen sie gefällig auf, und giengen aus der Werkstatt in das Haus, daselbst sah die Herzogin mein Modell des Neptuns, und des Brunnens zum erstenmal, und es fiel ihr so sehr in die Augen, daß sie sich mit lautem Ausdruck von Verwunderung zum Herzog wendete, und sagte: bey meinem Leben, ich hätte nicht gedacht, daß dieses Werk den zehenten Theil so schön seyn könnte. Der Herzog wiederholte darauf verschiedene mal: hab ichs euch nicht gesagt. So sprachen sie unter einander zu meinen Ehren lange Zeit, und schienen mich gleichsam um Vergebung zu bitten. Darauf sagte der Herzog: ich solle mir einen Marmor nach Belieben aussuchen, und eine Arbeit für ihn anfangen. Auf diese gütigen Worte versetzte ich: wenn sie mir dazu die Bequemlichkeit verschaffen wollten, so würde ich ihnen zu liebe gern ein so schweres Werk unternehmen. Darauf antwortete der Herzog schnell: du sollst alle Bequemlichkeit haben die du verlangst, und was ich dir von selbst geben werde, soll noch viel mehr werth seyn. Mit so gefälligen Worten gingen sie weg, und ließen mich höchst vergnügt zurück, als aber viele Wochen vergingen, ohne da0 man zu nichts Anstalt machte, gerieth ich beynah in Verzweiflung.

In dieser Zeit schickte die Königin von Frankreich (Katharina von Medicis) Herrn Baccio del Bene an unsern Herzog, um von ihm in Eile eine Geldhülfe zu verlangen, womit er ihr auch aushalf, wie man sagt. Gedachter Abgesandte war ein genauer Freund und wir sahen uns oft. Als er mir nun die Gunst erzählte, die seine Excellenz ihm bewiß, fragte er mich auch, was ich für Arbeit untern Händen habe? und ich erzählte ihm den Fall mit dem Neptun und dem Brunnen. Darauf sagte er mir im Nahmen der Königin: Ihre Majestät wünsche sehr das Grab Heinrichs (des zweyten) ihres Gemahls, geendigt zu sehen; Daniel von Volterra habe ein großes Pferd von Erz unternommen, sein Termin aber sey verlaufen, und überhaupt sollten an das Grab die herrlichsten Zierrathen kommen; wollte ich nun nach Frankreich in mein Castell zurückkehren, so wolle sie mir alle Bequemlichkeit verschaffen, wenn ich nur Lust hatte, ihr zu dienen. Darauf versetzte ich gedachten Baccio: er solle mich vom Herzog verlangen, und wenn der es zufrieden wäre, so würde ich gern nach Frankreich zurückkehren. Darauf sagte Herr Baccio, fröhlich, so gehen wir zusammen! und nahm die Sache als schon ausgemacht an. Den andern Tag, als er mit dem Herzog sprach, kam auch die Rede auf mich, worauf er denn sagte, daß wenn seine Excellenz es zufrieden wären, so würde sich die Königin meiner bedienen. Darauf versetzte der Herzog sogleich: Benvenuto ist der geschickte Mann, wofür ihn die Welt kennt, aber jetzt will er nicht mehr arbeiten! Worauf er sogleich das Gespräch veränderte. Den andern Tag sagte mir Herr Baccio alles wieder, ich aber konnte mich nicht halten, und sagte: wenn ich, seitdem mir seine Excellenz nichts mehr zu arbeiten giebt, eines der schwersten Werke vollendet habe, das mich mehr als zweyhundert Scudi von meiner Armuth kostet, was würde ich gethan haben, wenn man mich beschäftigt hätte! Ich sage man thut mir sehr unrecht. Der gute Mann erzählte dem Herzog alles wieder, dieser aber sagte: das sey nur Scherz, er wolle mich behalten. Auf diese Weise stund ich verschiedene Tage an, und wollte mit Gott davon gehen. Nachher wollte die Königin nicht mehr in den Herzog dringen lassen, weil es ihm unangenehm zu seyn schien.

Zu dieser Zeit ging der Herzog mit seinem ganzen Hof und allen seinen Kindern, ausser dem Prinzen, der in Spanien war, in die Niederungen von Siena, und von da nach Pisa, der Gift jener bösen Ausdünstungen ergriff den Cardinal zuerst, er verfiel in ein pestilenzialisches Fieber, das ihn in wenig Tagen ermordete. Er war des Herzogs rechtes Auge, schön und gut, es war recht Schade um ihn. Ich ließ verschiedene Tage vorbeygehen, bis ich glaubte daß die Thränen getrocknet seyen, dann gieng ich nach Pisa.

(So weit schrieb Benvenuto Cellini sein Leben selbst, er starb den 13ten Februar 1570. Seine verschiedene Aufsätze über bildende Kunst, die Zeugnisse der gleichzeitigen Schriftsteller, und die Betrachtung seiner hinterlassenen Werke, werden uns noch eine unterhaltende und unterrichtende Nachlese gewähren.)

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