HomeDie Horen1797 - Stück 9I. Die Geisterinsel [F. W. Gotter]

I. Die Geisterinsel [F. W. Gotter]

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Ein Singspiel in drei Akten.

(Fortsetzung.)

Zweiter Akt.

Erster Auftritt.

(Romantische Gegend. Aussicht auf das Meer.)

Fernando. Ariel (ungesehen.)

Fernando.
(tritt langsam und schwermüthig auf, und richtet Blik und Geberde gen Himmel.)

Recitativ.

Der du des Grabes offnem Schlunde
Mich wunderbar entrissest – ach verzeih! –
Erstikt von Thränen, stirbt auf meinem bebenden Munde
Des Herzens Dank. Zu frisch ist noch die Wunde;
Zu laut umstöhnt mich noch der Brüder Angstgeschrey. –

(Die Musik wiederholt einzelne Gedanken aus dem Schlusschor des ersten Akts.)

Ists möglich, daß nur ich – nur ich gerettet sey? –
Gerettet? ich allein? – Ists Wohlthat? – ist es Strafe? –
Wohin verschlug ich mein Geschik? –
Vergebens lauscht mein Ohr – mein Blik –
Die ganze Schöpfung ruht in Todtengleichem Schlafe.
Ach!

Ariel (hallt den Ton nach.)
Ach!

Fernando.
Echo nur, giebt meine Seufzer mir zurük. –

Arie.

Werd ich des Daseyns Wonne schmeken
In diesem bangen Aufenthalt?
O, werd ich hier ein Herz entdecken,
Das mir entgegen wallt?
Zerrissen sind des Lebens Bande
Für den, der fremd, auf ödem Strande,
Wo keines Menschen Stimme hallt,
Bedroht von tausendfachen Schreken,
In tiefer Schwermuth wallt.
Werd ich des Daseyns Wonne schmeken
Werd ich?

Ariel (fällt in die Melodie der Arie ein.)
Du wirst ein Herz entdeken;
Das dir entgegen wallt.

Fernando.
(nachdem er mit frohem Erstaunen sich überall umgesehen hat.)
Bothe des Trostes! himmlischer Sänger!
Stille mein Sehnen! Weile nicht länger!
Zeige dich mir!
Nun erst, o Schiksal, bin ich genesen.
Rund um mich weben mächtige Wesen. –
Seliger Geister Freistadt ist hier.
Bothe des Trostes! himmlischer Sänger!
Stille mein Sehnen! Weile nicht länger!
Zeige dich mir!

(Er hört kommen, erblikt den Prospero, und wirft sich vor ihm nieder.)

Zweiter Auftritt.

Prospero. Fernando.

Duo.

Fernando.
Ich zolle dir im Staube,
O Schuzgott, meinen Dank.

Prospero.
Dich täuscht ein frommer Glaube;
Der Gottheit zolle Dank. (hebt ihn auf.)

Fernando.
Aus deinem Auge bliket
Der Himmelsbürger Ruh.

Prospero.
Der an sein Herz dich drüket,
Er ist ein Mensch, wie du.

Fernando.
Ein Sterblicher, wärst du?

Prospero
Ein Sterblicher, wie du!

Fernando.
Der Unbestand des Glükes,
Gewaltsam traf er mich.

Prospero.
Die Allmacht des Geschikes
Traf mich so sehr, als dich.

Fernando.
Ich kämpfte mit den Wogen;
Dem Tod entrann ich kaum.

Prospero.
Von Menschen, falsch wie Wogen,
Ward ich verfolgt, betrogen;
Dem Tod entrann ich kaum.

Beide.
Wie gleicht sich unser Traum!

Fernando.
Umfaßt von deinen Armen,
Vergeß’ ich meinen Schmerz.

Prospero.
Geneigter zum Erbarmen
Schuf eigner Gram mein Herz.

Prospero.
Wer bist du?

Fernando.
Mein Name ist Fernando; mein Vaterland Neapel?

Prospero.
Kennst du den König von Neapel?

Fernando (erschüttert.)
Ob ich ihn kenne? ob ich Alfonso kenne?

Prospero (mit Theilnahme.)
Lebt Alfonso noch?

Fernando.
Er lebt. (wendet sich weg, um eine Thräne abzutroknen.)

Prospero.
Du weinst! Warum erschüttert meine Frage dich so heftig?

Fernando.
Die Ursache ist eben so unglaublich, als gerecht.

Prospero.
Laß mich sie wissen!

Fernando.
Sie ist unglaublich, sag’ ich dir. Die Zeugen dessen, was du zu wissen verlangst, verschlang das Meer.

Prospero.
Erkläre dich deutlicher!

Fernando.
Alfonso ist – mein Vater.

Prospero.
Fremdling! entweihe die Stunde deiner Rettung nicht durch eine Unwahrheit.

Fernando.
Dieser Ring ist das einzige Kleinod, das mir übrig blieb. (zieht einen Ring vom Finger, und reicht ihn Prospero hin.)

Prospero.
(Indem er den Ring betrachtet, vor sich) Was seh’ ich. (laut) Kennst du die Inschrift dieses Ringes?

Fernando.
Kein Sterblicher konnte sie mir entziffern.

Prospero.
Sie enthält das Schiksal dessen, der ihn dir gab.

Fernando.
Ich erstaune!

Prospero.
Er war einst glüklich, und hat aufgehört es zu seyn.

Fernando.
Welche übermenschliche Weisheit. Getroffen! wahr, nur allzu wahr!

Prospero.
Von wem hast du ihn?

Fernando.
Von der Hand meines Pathen, eines edlen guten Fürsten, der ein besseres Loos verdiente.

Prospero.
Sein Name?

Fernando.
Prospero von Mailand Seine Geschichte wird dir nicht unbekannt seyn.

Prospero
Wie sollten eitle Welthändel zu meinen Ohren dringen?

Fernando.
Durch seinen Bruder Antonio gestürzt, mußte er sein Land meiden.

Prospero.
Erzähle mir, was du von der Sache weißt.

Fernando.
Es ist ein Gewebe von Undank, Ungerechtigkeit und Verrätherey. Der Aufruhr brach los, ehe Prospero ihn nur ahnen konnte. Auf dem einsamen Waldschlosse, wo er seine Tage den Wissenschaften widmete, wurde er bey Nacht überfallen, und nebst seiner fünfjährigen Tochter gefangen genommen. Alsbald rüstete sich mein Vater, seinem alten Bundsfreunde zu Hilfe zu eilen. Da erscholl die Nachricht, er sey dem Kerker entronnen, habe sich mit seinem Kinde nach Genua geflüchtet, und sich dort zur See begeben. Auf der Fahrt nach Neapel sey er verunglükt. Mein Vater war untröstlich. Er klagt den Antonio öffentlich des Brudermordes an. Die Wahrheit blieb ein Geheimniß. Hat man die Unglüklichen über Bord geworfen? Hat man sie auf einer wüsten Insel ausgesezt? Gott allein weiß es, und wird es rächen!

Prospero.
Fremdling, du verstehst die Kunst zu rühren. Wie überzeugst du mich aber, daß Prospero nicht eben so viel Tadel verdient, als du Mitleid für ihn fühlest. Vielleicht war er mehr schwach als gut. Vielleicht überließ er unwürdigen Günstlingen das Ruder der Regierung, um müssigen Träumereyen nachzuhängen. (vor sich.) Dank sey dem Unglüke, das mich Selbsterkenntniß gelehrt hat!

Fernando (Ariels Erscheinung ahnend, vor sich.)
Welche kühle Luft erhebt sich plötzlich! –

Dritter Auftritt.

Ariel (von Fernando ungesehen.) Vorige.

Ariel.
Meister, ich habe ihrer noch drei gerettet, einen frischen Jüngling und zwei häßliche Alte.

Prospero.
Sorge für sie? (Ariel ab.)

Fernando (vor sich.)
Was ist ihm? mit wem sprach er? – mich schaudert!

Vierter Auftritt.

Miranda. Vorige.

Miranda (die von ferne gelauscht hat.)
Darf ich näher kommen Vater?

Prospero.
Du darfst.

Miranda (schüchtern.)
Willkommen, lieber Fremdling!

Fernando (fällt auf die Knie.)
Ich danke dir, holdselige Nymphe!

Miranda (freudig zu Prospero.)
Er spricht, wie wir!

Prospero (winkt Fernando aufzustehn.)
Mache meine Tochter nicht eitel!

Miranda (halb laut zu Prospero.)
Ach, Vater! welch ein schöner, schöner Mann!

Prospero (hab laut zu ihr.)
Du findest ihn schön, weil du ihrer nicht mehr kennst als zwei.

Miranda.
Zwei? wen kenn’ ich ausser Euch?

Prospero.
Caliban.

Miranda (verächtlich.)
Rechnet ihr den auch mit?

Prospero (auf Fernando zeigend.)
Gegen eine Anzahl von Männern ist er nur ein Caliban.

Miranda.
Ich verlange nie einen schönern zu sehen.

Fernando (vor sich.)
Welche bezaubernde Gestalt! Welche unaussprechliche Anmuth!

Prospero (vor sich.)
Ihre Augen begegnen sich schon.

Miranda (zu Fernando.)
Sey doch nicht so stumm, lieber Fremdling!

Fernando.
Entzüken fesselt meine Zunge. Ich wähne im Elisium zu seyn.

Miranda.
Ich verstehe dich nicht.

Prospero.
Diese Überspannung deiner Fantasie, Fremdling, ist die Folge der Wunder, die du heute erfahren hast. Bald genug werden aufwachende Bedürfnisse dich erinnern, daß du noch au der Welt bist – Geh Miranda, und sorge für seine Erquikung!

Miranda.
Wollen wir nicht lieber zusammen gehen, Vater?

Prospero.
Wir kommen nach.

Miranda.
Nachkommen? – Aber verweilt euch nicht zu lange? meine Anstalten sollen bald gemacht seyn. (will ab, kehrt wieder um, und kommt zurük.)

Prospero.
Was willst du?

Miranda.
Ihn nur noch einmal ansehen.

Fernando (lächelnd vor sich.)
Allerliebste Unschuld!

Prospero.
Geh, du weist nicht was du redest, noch was du thust.

Miranda.
Lieber, guter Fremdling! du gefällst mir gar zu wohl. O, es wird dir auch bei uns gefallen? dafür ist mir nicht bange. Ich habe zwar noch nie einen Gast zu bewirthen gehabt; aber das kann ja keine Kunst seyn.

Rondo.

Froher Sinn und Herzlichkeit
Lehren uns Empfindsamkeit,
Einen Gast zu pflegen.
Frohsinn kürzet ihm die Zeit,
Zwanglos eilet Herzlichkeit
Seinem Wunsch entgegen.
Früchte will ich dir zum Mahl
Frisch vom Baume pflüken;
Will mit Blumen ohne Zahl
Unsre Zelle schmüken;
Kräuter dir zum Lager streun,
Wenn der Abend sinket;
Mit Gesange dich erfreun,
Bis der Schlaf dir winket.
Froher Sinn etc.
Wenn der Schöpfung stille Pracht
Deinen Blik erheitert;
Wenn der Freundschaft sanften Macht
Sich dein Herz erweitert;
Wirst du reichen Maases hier
Trost und Freude finden
Werden schnell, wie Träume, dir
Deine Tage schwinden.
Fünfter Auftritt.

Prospero. Fernando.

Fernando (vor sich.)
Wenn es ein Traum ist, gütiger Himmel, so laß mich nie wieder erwachen!

Prospero (vor sich.)
Ich muß dieser aufkeimenden Leidenschaft Hindernisse in den Weg legen. (laut) Fremdling! – oder hörst du dich lieber Fernando nennen? – Spotte der Einfalt dieses Kindes nicht! Ihre Jugend, ihre Entfernung von der Welt entschuldigen sie.

Fernando (mit Feuer.)
Einfalt nennst du – was mich an ihr entzükt, was sie in meinen Augen unendlich über ihr Geschlecht erhebt? die Einfalt eines Engels! die Offenheit des goldnen Alters!

Prospero.
Ich kenne die Menschen, und diese Kenntniß lehrt mich eben so kalt und verschlossen gegen dich seyn, als sie freimüthig und zuvorkommend ist.

Fernando (vor sich.)
Welche schnelle Veränderung!

Prospero.
Ob du der bist, für den du dich ausgiebst? ob das Ohngefähr dich hieher leitete? ob du dieses entlegene Eiland in feindlicher Absicht aufsuchtest? – ich wage keine Muthmassung. Nur zu bald aber werde ich den Gastfreund vom Kundschafter, den Sohn eines grossen Königs – von einem nichtswürdigen Betrüger zu unterscheiden wissen.

Fernando (ruhig und fest.)
Prüfe ich! du sollst mich bewährt finden.

Prospero.

Arie.

Fremdling höre
Meinen Willen, deine Pflicht!
Stör’! o störe
Dieser Freistadt Ruhe nicht!
Ich bin Vater – und ich wache
Über meines Kindes Ehre.
Ich bin mächtig – und ich schwöre
Dem Verräther ewig Rache,
Der in ihr das Herz mir bricht.

Fernando.
Tief ist deine Warnung in mein Herz gedrungen. – Empfange du dagegen, mein unverletzliches Gelübde! – Heilig sey mir das Gastrecht, das du mir angedeihen lässest! Heiliger, als Tempel und Altäre, diese Freistadt, in die du mich aufnimmst! – Schüze mich! von mir hast du nichts zu fürchten.

Prospero (stolz)
Ich! fürchten? ich? Jüngling, du ahnest nicht, in wessen Gewalt du bist.

Duo.

Prospero.
Friedsam ruht vor deinen Bliken
Jenes Felsen grauer Rüken;
Auf! berühr’ ihn, hast du Muth!

(indem Fernando sich dem Felsen nähert, schwingt Prospero den Stab, und der Fels speyt Flammen.)

Fernando (zurükbebend.)
Ach Entsezen! welche Gluth!

Prospero.
So entlodert meine Wuth.

Fernando (ihm zu Füssen.)
Schenk’, o Starker, mir das Leben.

Prospero.
Nur Verbrecher lehr’ ich beben.

(indem er ihn aufhebt)

Eine Seele, rein von Schuld,
Hat ein Recht auf meine Huld.

Fernando.
Meine Seele, rein von Schuld,
Hat ein Recht auf deine Huld.

Prospero.
Wag’s noch einmal hin zu bliken! –

(er schwingt abermals den Stab; das Feuer verschwindet und ein blühender Rosenbusch erscheint an dessen Stelle.)

Sprich, was staunst du lächelnd an?

Fernando.
Staunen wechselt mit Entzücken.
Sprich, wer tilgte den Vulkan?

Prospero.
Der hier strafen und beglüken,
Schaffen und vernichten kann.

Fernando.
Blüht auf Fels der Liebe Blume? –
Ists ein Spiel der Fantasie?

Prospero.
In der Tugend Heiligthume,
Blühet so der Liebe Blume,
Für die Treue blühet sie!

(Fernando fällt in die Wiederholung dieser Strophe ein, dann gehen sie zusammen ab.)

Sechster Auftritt.

(Zweite Decoration des ersten Akts.)

Ariel (allein.)
Für die Geretteten sorgen soll ich? – Ja, guter Meister; aber sie erforschen will ich auch. – Leichtsinn und Gutmüthigkeit funkeln in den Augen des Jünglings. – Aber die Alten! die Alten! – Ihr Herz scheint mir eben so viel Falten zu verbergen, als sie Runzeln im Gesichte haben. – Kommt nur an! Ariel soll euch mitspielen, wie ihrs verdient.

Arie.

Ja, dem Heuchler keine Gnade!
Ihn entlarven, ihn beschämen,
Heißt der Tugend Sache rächen,
Und der Wahrheit Opfer weihn.

Leichte Fehler, kleine Schwächen
Guter Menschen zu verzeihn,
Und auf zweifelhaften Pfade
Mich Verlaßner anzunehmen,
Wankenden die Hand zu leihn –
Giebt die Sympathie mir ein.

Doch dem Heuchler keine Gnade!
Ihn entlarven, ihn beschämen,
Heißt der Tugend Sache rächen,
Und der Wahrheit Opfer weihn. (ab.)

Siebenter Auftritt.

Fabio. Oronzio.

Fabio (ruft ängstlich im Kommen.)
Fernando! Fernando!

Oronzio.
Du wirst dich heiser nach ihm rufen. Wer weiß, in welchem Wallfischbauch der stekt?

Fabio.
Ach, mein armer, junger, lieber Herr! Ich wollte, ich läg’ an deiner Seite!

Oronzio.
Ruchloser Jüngling! Ist das der Dank, den du dem Schuzpatrone schuldig bist?

Fabio.
Schweig, alter Betbruder, und bekümmre dich nur um dein Gelübde!

Oronzio.
Zweifelst du, daß ichs lösen werde?

Fabio.
Wenigstens glaub’ ichs nicht eher, als bis ichs mit meinen Augen sehe, daß ein Küchenmeister ein Eremit wird.

Oronzio.
Ein Eremit? das hab ich nicht gelobt!

Fabio.
Du! Ich habs mit meinen Ohren gehört.

Oronzio.
Ein Ruder von gediegnem Silber hab’ ich ihm versprochen.

Fabio.
Schön! und das Silber dazu – willst du stehlen?

Oronzio.
Das ist meine Sorge. Laß meinen Fuß nur erst wieder auf fester Lava stehen!

Fabio.
Schleicher! Du machst einen Winkelzug über den andern, um den guten Patron um sein Opfer zu schnellen. Wie kannst du dir schmeicheln, jemals den grauen Rüken des Vesuvs wieder zu sehen?

Oronzio.
Ich verstehe mich auf kräftiges Beten.

Fabio.
Ha! ha! ha! Wenns eine kräftige Sauce wäre.

Oronzio.
So profan kann nur ein Page sprechen.

Fabio.
Still! mir deucht ich höre etwas tappen – (lauscht.)

Oronzio (zitternd.)
Der Himmel bewahre uns vor reissenden Thieren!

Achter Auftritt.

Stefano. Vorige.

Fabio (ihn von weitem erblikend.)
Nein! – es ist ein ganz zahmes – so wahr ich lebe, es ist der Bachuspriester, Stefano!

Oronzio (freudig.)
Ach, mein ehrlicher Vetter!

Fabio.
Laßt uns eine Lust mit ihm haben! (ziehen sich auf die Seite und sprechen heimlich.)

Stefano (kömmt näher ohne aufzubliken.)
Wenn ich mich nur erst überzeugen könnte, ob ich lebendig oder todt bin. (mit gefalteten Händen) Mächtiger Schuzpatron! erbarme dich eines armen Sünders! Gieb mir ein Zeichen.

Oronzio und Fabio.
(schleichen von beiden Seiten herbei und schlagen ihn auf die Schulter, und rufen mit heiserer Stimme) Todt!

Stefano (fällt betäubt zu Boden.)

Fabio (lacht überlaut.)

Oronzio (erschroken.)
Vetter Stefano! – (zu Fabio.) verdammter Spaß! ich habe dirs vorher gesagt, daß er ein furchtsamer Hase wäre.

Fabio.
Er wird doch nicht gar ein Narr seyn, und todt bleiben?

Oronzio (kniet nieder und rüttelt ihn.)
Herzens Vetter! Komm doch wieder zu dir! Versteh doch Spaß!

Stefano.
(richtet sich halb in die Höhe, schlägt die Augen auf, erblikt die andern und schreyt) Gespenster! (hält sich mit beiden Händen die Augen zu) Ach ich kann keine sehen, ob ich gleich selbst nur ein Gespenst bin.

Fabio (reißt ihm die Hand von Gesicht.)
Sperre doch nur die Augen auf.

Oronzio (ihn bei der andern Hand fassend.)
Du wirst doch uns wieder erkennen? Wir sind’s!

Stefano.
Oronzio! Fabio! seyd ihr auch gestorben?

Oronzio (indem er ihm auf die Beine hilft.)
Wir leben alle. Steh doch auf!

Fabio.
Laß dich umarmen! wenn du’s nicht glauben willst. (sie umarmen ihn wechselweise, mit Karrikatur.)

Stefano (indem sie ihn umarmen.)
Ach! Ach! laßt mich nur los! Ihr erstikt mich! – Wo sind wir denn?

Oronzio.
Wenn wir das selbst wüßten!

Fabio.
Auf einer wüsten Insel.

Stefano.
Wüsten Insel? – Schmählicher Tod für einen Kellermeister, Durstes zu sterben.

Fabio.
Vielleicht finden wir süsses Wasser.

Oronzio.
Und Wurzeln und Kräuter, wie das liebe Vieh!

Fabio.
Ihr seyd keine bessere Kost werth.

Stefano.
Ach wir armen Teufel, wie sind wir geprellt!

Fabio.
Der Teufel selbst ist doch noch mehr geprellt als ihr.

Stefano.
O, mahl’ ihn nicht an die Wand, ich bitte dich!

Fabio.
Er hatte schon so sichre Jagd auf eure Haut gemacht, und da reißt sie ihm der Schuzpatron wieder aus den Zähnen.

Oronzio (ihm drohend.)
Fabio, wo du nicht aufhörst, den Freigeist zu spielen – (es erhebt sich hinter dem Theater eine Musik von blasenden Instrumenten wie ein Tafelsignal.)

Fabio.
Horcht! Horcht! Eure Angst hat ein Ende. (läuft nach der Gegend.)

Oronzio (sich überall umsehend.)
Die Musik scheint uns nahe zu seyn.

Stefano (sich ebenfalls umsehend.)
So nahe, daß wir die Musikanten gewahr werden müßten.

(die Musik schweigt.)

Fabio. (wiederkommend.)
Das ist eine närrische Kapelle! Sie hat sich unsichtbar gemacht.

Oronzio (indem er sich den andern nähert.)
Was hat das zu bedeuten, ihr Leute?

Stefano (noch furchtsamer, indem er beide an sich zieht.)
Mir wird bänger, als jemahls.

Fabio.
Und mir wächst der Muth. Jezt weiß ich, wo ich bin. Die Insel ist bezaubert.

(Einige Knaben als Sylfen erscheinen und bringen einen Tisch der mit Früchten, Wein und Trinkgeschirren besezt ist. Andere tragen eine aus Schilfrohr geflochtene Bank.)

Oronzio und Stefano.
Bezaubert? o, Jemine!

Fabio.
Ich sage: Juch he! – Gebt acht! wir werden hier hoch leben.

Stefano.
Ach es ist gewiß die Insel, von der meine Großmutter soviel schauerliche Dinge zu erzählen wußte.

Oronzio.
Ach! wenns nur nicht die ist, wohin der Pater Desiderio vorm Jahre meinen Kobold gebannt hat.

(ein blasendes Tafelsignal.)

Fabio (dreht sich um und erblikt die Tafel.)
Aha! Erst zur Tafel geblasen – dann die Tafel selbst! – Sagt ichs nicht? Es geht alles auf grossem Fusse her.

Oronzio (sich munter stellend.)
Nun, Vetter Stefano?

Stefano.
Alles, wie mir meine Großmutter erzählt hat.

Fabio (indem er den Tisch besieht)
Ein herrliches Vesperbrod! Einfach und ungekünstelt, wie es Insulanern ziemt! – In den Flaschen ist wohl gar Wein? (er zieht den Geruch ein.) So wahr ich lebe, es ist Tokayer! – Nun ihr Herren, ist’s nicht gefällig?

(sezt sich und fängt während der Ritornells an zu essen, Oronzio macht von Zeit zu Zeit einen langen Hals nach der Tafel.)

Terzetto.

Fabio.
Nur beherzt! was kanns euch schaden?
Vivat, wer’s mit mir versucht!

Oronzio.
Könnt’ ich mich der Furcht entladen,
Lange schon hätt’ ich’s versucht.

Stefano.
Wo zum mahle Teufel laden;
Bleibet Steffen unversucht.

Oronzio.
(näher tretend und die Tafel mit lüsternen Augen musternd.)
Darf ich trauen? soll ich’s wagen?
Freundlich lacht die fremde Frucht!
(nimmt, kostet und sezt sich)

Fabio (indem er Stefano den Korb hinreicht.)
Herrlich schmekt die fremde Frucht.

Stefano (mit beiden Händen abwehrend.)
Weg, mit der verbotnen Frucht!

Fabio (trinkend.)
Ha! wie stärkt der Wein den Magen! –
Wie erwärmet er das Blut!

(Stefano wird aufmerksam und schielt hin.)

Oronzio (gleichfalls trinkend.)
Wie befeuert er den Muth!

Stefano (näher kommend.)
(zu Oronzio) Ist er gut? (zu Fabio) Ist er gut?

Oronzio und Fabio (indem sie ihm ein Glas einschenken.)
Kost’ ihn selbst! Was hilft das Fragen?

Stefano (zu Oronzio.)
Ist er geistig? (zu Fabio) Ist er schwer?

Oronzio und Fabio.
Kost’ ihn selbst!

Stefano (mit abgewandtem Gesichte.)
Ich, reicht nur her!

(nimmt, kostet und schlürft das Glas aus.)

Er ist gut! (reicht das Glas hin.)

Oronzio und Fabio.
Noch mehr?

Stefano.
Noch mehr!

Alle (indem sie die Gläser anstossen.)
Laßt uns nicht vor Grillen zagen!
Nur der erste Schritt ist schwer.

Fabio (steht rasch auf.)
Lebt wohl, ihr Herren! Jetzt habe ich frische Kräfte gesammelt, und will noch einen Versuch machen, unsern guten Prinzen auf zu suchen.

Oronzio.
Bleib, und sey mit uns guter Dinge, hörst du? und laß ihn in Gottes Namen wo er geblieben ist. Mit der Prinzenschaft ist’s hier vorbei: wenn er uns braucht, mag er uns nachlaufen.

Stefano.
Das ist mein Rath auch. Hier sind wir soviel, als er. Allenfalls wollen wir ihm ein Gläschen Wein aufheben.

Fabio.
Pfuy über euch Sclavenseelen! – Ihr dientet ihm um Sold. Ich hieng mit ganzer Seele an ihm. Mir war er mehr als Herr. Er war mein Freund.

Romanze.

Ich sollte hier,
Getrennt von dir,
O Freund, des Lebens Freuden schmecken?
Ich sollte hier,
Getrennt von dir,
O Freund, des Lebens Freuden schmecken?
Ich sollte hier
Die Arme dir,
In träger Ruh entgegen streken?
Nein, fort von hier!
Zu dir, zu dir!
Müh und Gefahr soll mich nicht schreken,
Treu meiner Pflicht,
Ermatt ich nicht,
Bis meine Blike dich entdecken.
Und wenn dich gleich
Erstarrt und bleich
Des Todes kalte Schatten decken –
O Königssohn!
Mein Hauch, mein Ton,
Mein Kuß soll dich ins Leben weken.
Neunter Auftritt.

Oronzio. Stefano.

Oronzio.
Geh nur hin! du wirst ihn auch nicht finden. Er war just so ein Zeisig, als du. Ich will nicht richten. Aber der Sturm, Vetter Stefano, der Sturm kam nicht von ungefähr.

Stefano.
Das hätten wir freilich bedenken sollen, ehe wir uns mit ein paar Atheisten einschiften.

Oronzio (seufzend.)
Ja, wenn unser gemeinschaftliches Hauskreuz uns nicht weggetrieben hätte?

Stefano.
Wollen wir großmüthig seyn, und ihre Gesundheit trinken?

Oronzio.
Meinethalben!

Stefano (nimmt sein Glas.)
Dein alter Geizdrache!

Oronzio (nimmt sein Glas auch.)
Deine verliebte Meerkaze?

Zehnter Auftritt.

Oronzio. Stefano. Caliban. (im Hintergrund Ariel hinter einem Busch.)

Oronzio und Stefano (trinkend.)

(nach einer Volksmelodie.)

Mögen unsre Weiber doch
Dort nach Willkühr hausen,
Wenn wir, frey vom Ehejoch,
Hier in Ruhe schmausen!

(sie stossen an, trinken, und schenken wieder ein.)

Lieber aber möchten wir,
Dort in Ruhe schmausen,
Und statt unsrer möchten hier
Unsre Weiber hausen!

(sie greifen wieder nach ihren Gläsern um aufzustossen.)

Terzett

Caliban (von Weitem.)
Dieser Tausch gefiel auch mir!

Stefano (sezt alsbald sein Glas erschroken nieder.)
Still!

Oronzio.
Was?

Stefano.
Still!

Oronzio.
Was giebts?

Stefano.
Ich lausche.

Caliban.
Dieser Tausch gefiel auch mir.

Stefano.
Ja, es spricht wer hinter mir.

Oronzio.
Ausser uns spricht niemand hier. (Pause.)

Stefano.
Gieb acht!

Oronzio.
Ich lausche. (Pause.)

Oronzio.
Du schwärmst im Rausche.

Stefano.
Es sprach vom Tausche.

Caliban.
Dieser Tausch gefiel auch mir!

Stefano.
Ja, es spricht wer hinter mir.

Oronzio.
Ausser uns spricht niemand hier.

(sie greifen wieder nach den Gläsern und wiederhohlen die erste Strophe.)

Mögen unsre Weiber doch,
Dort nach Willkühr hausen,
Wenn wir frey vom Ehejoch,
Hier in Ruhe schmausen!

(sie stossen an und wollen trinken.)

Caliban.
Aber lieber möchtet ihr
Dort in Ruhe schmausen,
Und statt eurer, möchten hier
Eure Weiber hausen!

(Oronzio und Stefano, haben, ohne zu trinken, die Gläser niedergesezt und sich in eine Eke geschlichen.)

Caliban (mit lautem Gelächter näher kommend.)
Das war ein Spaß!

Oronzio und Stefano (zu einander.)
Ach, wer ist das?

Caliban (nimmt Besiz vom Tische.)
Seyd mir willkommen!
Ihr zechet baß!

Oronzio und Stefano (zu einander.)
Du bist beklommen
Und leichenblaß!

Caliban (sich einschenkend.)
Euch gilt dies Glas!
Laßt meinen Spaß
Euch wohl bekommen!

Oronzio (sich munter stellend.)
Das war ein Spaß!
Nimm auch dein Glas!
Heiß’ ihn willkommen!

Stefano.
Der schlechte Spaß
Wird uns, wie Gras
Dem Hund, bekommen.

Caliban (sich sezend.)
Steht nicht so fern!

Oronzio (will den Stefano hinschieben.)
Geh doch zum Herrn!

Stefano (sich sträubend.)
O, laß ich fern!

Caliban.
Laßt uns beim Zechen
Vertraulich sprechen,
Kommt her, ihr Herrn!

Oronzio.
Der Muth zu sprechen
Erwacht im Zechen,
Komm nur zum Herrn!

Stefano.
Ich mag nicht zechen,
Ich kann nicht sprechen,
O, laß mich fern!

Oronzio.
Laß uns in einen sauern Apfel beissen. Komm! (zieht ihn mit sich an den Tisch.)

Stefano.
(hält sich die Augen zu und schreyt.) Au!

Caliban.
Du hast gewiss böse Augen, daß du nicht in die Sonne sehen kannst. Seze dich zu mir, so hast du sie im Rüken.

Stefano.
Erlauben sie! ich hab’ ein Malura, daß ich nicht sizen kann.

Caliban.
Du scheinst mir vom Kopf bis zum Fuß ein närrischer Kerl.

Oronzio (halb laut zu Stefano.)
Sieh ihn nur an! Er ist so übel nicht – weiter nichts als ein monströses Monstrum.

Caliban (indem er ihm einschenkt.)
Gute Bekanntschaft, ihr Herren! (nimmt sein Glas.)

Oronzio. (nimmt sein Glas, und giebt Stefano das seinige.)
Uns gehorsamst zu bedanken.

Caliban.
Stoßt an!

Oronzio (stößt mit ihm an.)
Mit hoher Permission.

Stefano.
(will auch mit zugemachten Augen anstossen, fährt aber dem Caliban mit dem Glase unter die Nase und verschüttet den Wein.)

Caliban (brummend.)
Na du blinder Maulwurf!

Oronzio (halb laut.)
Er wird böse! Mach deine Kalbsaugen auf!

Caliban.
Hört nur! – aber sezt euch erst!

Oronzio.
Wenn sie gnädigst befehlen. (jetzt sich schüchtern neben Caliban, Oronzio ganz am Ende der Bank.)

Caliban.
Na, wie gefällt’s euch bey mir?

Oronzio.
O, ganz vorteflich, Herr –

Stefano (zu gleicher Zeit.)
O, über alle Massen, Herr –

Oronzio.
Um Vergebung, wir wissen dero Respect noch nicht zu geben.

Caliban.
Wie?

Stefano.
Wie lassen sich dieselben unmaßgeblich tituliren?

Caliban.
Was?

Oronzio.
Ob wir uns Dero hohen Namen ausbitten dürfen?

Caliban.
Ich heisse Caliban.

Beide.
Unterthäniger Diener, Herr von Caliban!

Caliban.
Was wollt Ihr mit dem von?

Oronzio.
Wir wissen zu leben, Herr von Caliban.

Stefano.
Wir sind Hofleute, Herr von Caliban.

Caliban.
Hört nur! ich habe mich lange nach Gesellschaft gesehnt, und heute kommt ihr mir, wie gerufen.

Beide.
Allzu gnädig, Herr von Caliban.

Caliban.
Hört nur! die Insel ist mein. Es soll euch hier an nichts fehlen. Aber ihr müßt mir auch einen Gefallen thun! wollt ihr!

Oronzio.
O, eine unschäzbare Ehre und Vergnügen, denenselben unsre schlechten Dienste zu Füssen zu legen.

Caliban.
Schlechte Dienste? Na, damit ist mir nicht gedient.

Oronzio.
Um Vergebung, es ist nur so eine höfliche Redensart.

Stefano.
So zu sagen, ein gehorsamstes Kompliment.

Caliban.
Hört nur, ihr werft da mit einem Unrath von Worten um euch, die ich gar nicht verstehe. Ihr seyd doch ein paar ehrliche Kerl?

Beide.
O, was das betrift, wir sind das ehrlichste Paar in ganz Neapel.

Ariel (ungesehen von den andern.)
Ihr lügt.

Beide.
Gewiss und wahrhaftig, wir sinds?

Ariel.
Ihr lügt, sag’ ich.

Beide.
Wir könnens beschwören, gestrenger Herr.

Caliban (lachend.)
Warum ereifert Ihr euch denn? ich glaubs ja.

Oronzio.
Dieselben liessen doch so etwas von Zweifel fallen.

Caliban.
Wenn ich zweifelte würde ich euch nicht zu meinen Gehilfen nehmen.

Oronzio und Stefano (zu einander.)
Zu seinen Gehilfen?

Caliban.
Hört nur, ich habe einen Feind – er heißt Prospero. Es ist der Herr der Insel.

Oronzio.
Ich dachte, es wäre Dero Insel?

Caliban.
Morgen ist sie wieder mein. Mein Mütterchen kommt diese Nacht zurük. Ich werde Prinz Wunderschön. Ich schnappe Mirandchen weg; und ihr schlagt unterdessen den Alten todt.

Oronzio und Stefano (zu einander.)
Ein Todtschlag?

Caliban.
War murmelt ihr?

Oronzio.
Ich habe gar ein zartes Gewissen.

Stefano.
Ich kann kein Blut sehen.

Caliban.
Desto schlimmer für euch. Wenn ihr ihn heute leben laßt, so seyd ihr morgen verwandelt.

Beide (erschroken.)
Verwandelt?

Caliban.
Er verwandelt alles, was ihm in den Wurf kommt. (zu Oronzio) du mit dem Schmerbauche, du schikst dich am besten zum Eber, (zu Stefano) und du mit den steifen Beinen, du bist ein gebohrner Waldesel!

Beide (ängstlich.)
Allerbester Herr von Caliban, wenden sie das Unglük von uns ab.

Caliban.
Gut, so macht mit mir gemeinschaftliche Sache! wollt ihr?

Beide.
Ja doch, ja! mit Leib und Seele.

Caliban.
Vertrauet meiner Macht,
Hört auf mit Furcht zu ringen;
Der Streich, er muß gelingen –
Uns schüzen Glük und Nacht!

Alle Dreye.
Uns schüzen Glük und Nacht!

Caliban.
Wohlan, ein Wort ein Mann!
Wir haben ihn im Neze,
Wir theilen seine Schäze, –
Es sterbe der Tyrann!

Alle Dreye.
Es sterbe der Tyrann!

Caliban.
Raubt nach vollbrachter That,
Raubt, was des Raubes lohnet!
Mirandchen nur verschonet –
Weh dem, der sich ihr naht.

Alle Dreye.
Weh dem, der sich ihr naht.

(sie reichen sich einander die Hände als Zeichen des geschlossenen Bundes.)

Eilfter Auftritt.

Fabio. Caliban. Oronzio. Stefano. Ariel (hinter einem Busch.)

Fabio (ruft hinter dem Theater.)
He, seyd ihr noch hier?

Caliban (gespannt.)
Wer ruft?

Oronzio (zu Stefano.)
Da kömmt der böse Bube schon zurük.

Stefano (zu Oronzio.)
Laß dir ja nichts gegen ihn merken.

(Caliban tritt furchtsam zurük und lauert.)

Fabio (tritt eilig auf.)
Glük! Freude! Sieg! Gefunden, gefunden hab ich –

Oronzio und Stefano (hastig einfallend.)
Den Prinzen?

Fabio.
Das Wahrzeichen von unsrer aller Rettung, diesen Schleier! (zieht einen Schleier aus seinem Busen und läßt ihn hoch flattern; es ist derselbe, welchen Miranda im ersten Kate verlor.)

Stefano (verwundert.)
Wie?

Oronzio.
Was will der Gek?

Fabio.
Das begreift ihr nicht? – Wo man einen Schleier findet, da findet man auch ein Mädchen, und wo Mädchen sind, da ist gut wohnen.

Oronzio.
Ich sage es noch einmal, daß du ein Gek bist.

Stefano.
Prahlend geht er fort, seinen Herrn von den Todten zu erweken, und prahlend kömmt er mit einem Narrenfähnchen wieder!

Fabio (hastig.)
Narrenfähnchen? (fasst ihn beim Kragen.) Alter Kahlkopf, ich könnte dich – (läßt ihn los und geht in Schwärmerey über) Diesen Schleyer verlohr eine Göttin, und wenn mein armer Herr noch lebt – so bin ich gewiss, daß ihr Schuz über ihm waltet. Von diesem Augenblike an, hör’ ich auf, um ihn zu trauern! Vielleicht schmekt er schon den Himmel an ihrer Seite O, daß es mir Unwürdigen vergönnt wäre, von ferne zu stehen, und den Glanz ihrer Schönheit anzustaunen! daß ich auf meinen Knien –

Oronzio.
Das Bürschchen ist betrunken.

Stefano
Ja, ja betrunken!

Fabio.
Verliebt, nur verliebt – Es ist ein magischer Schleier. Begreift ihrs nun?

Arie.

Ich küsse dich, o! Schleier;
Du täuschest meinen Schmerz;
Und hoher Liebe Feuer
Beseelt mein mattes Herz.
Ich sehe die Gestalt
Der Göttin, die zu ziertest.
In blonden Loken wallt
Das Haar, das du berührtest;
Den Busen, weiß wie Schnee,
Hebt schmachtendes Verlangen,
Der Unschuld Grazie
Thront auf den frischen Wangen;
Den Mund umschwebet Scherz.
Ich küsse dich, o! Schleier;
Du täuschest meinen Schmerz.

Caliban (schleicht herbei, und reißt ihm den Schleier weg.)
Her mit dem Dinge!

Fabio.
Element! Was ist das für eine Figur?

Oronzio.
Es ist der Herr der Insel.

Stefano.
Prinz Wunderschön.

Fabio.
Prinz Mondkalb! ha ha ha! – Meerkaze, Pavian, Seepferd, zu welcher Gattung von Bestien gehörst du?

Caliban (ihm drohend.)
Ich will dich bebestien!

Fabio (trozig.)
Was willst du?

Caliban.
Niedergekniet! abgebeten! Oder –

Fabio.
Donner und Wetter! hätt’ ich meinen Hirschfänger, ich wollte –

Caliban (mit komischer Majestät.)
Armseliger Erdenwurm! – Wo ist mein Zauberstab? (indem er sucht, vor sich) Ich muß dem Buben bange machen.

Oronzio.
Barmherzigkeit, Herr von Caliban!

Stefano.
Sie wollen ihn doch nicht verwandeln?

Caliban (nachdem er einen Stok gefunden.)
Stumm und lahm will ich ihn machen. Weiter nichts.

Fabio.
Das will ich sehen. Fang an, Windbeutel!

Caliban (zu Oronzio und Stefano)
Hört nur, ihr andern, das sag ich euch, wenn er sich während der Beschwörung mit einem Worte vergeht, so seyd ihr alle zusammen des Todes.

Oronzio.
Hörst du, Fabio! Bedenke dein Gewissen, leg an dein loses Maul ein Schloß!

Stefano.
Wir wollens ihm lieber selbst anlegen! (zieht ein Tuch aus der Tasche.)

Fabio.
Meinethalben. Spielt nur Komödie mit mir! Aber wenn der Bär nicht zaubern kann, so will ich ihn tanzen lehren.

(Oronzio und Stefano binden ihm den Mund zu.)

Quintett.

Caliban.
(macht während des Ritornells die Gaukeleyen eines Beschwörers, und zieht einen Kreis um Fabio.)
Ehrt meine Macht!
Weh dem, der sie verlacht!

Oronzio und Stefano.
Wir ehren sie,
Wir beugen ihr das Knie.

(knien zu beiden Seiten des Kreises.)

Caliban.
Ehrt meine Macht!
Und du, der sie verlacht,

(den Stab über Fabio schwingend.)

Werde klüger!

Ariel (ungesehen von den andern.)
Du Betrüger! Du Betrüger!

Caliban (sich umsehend.)
Wer spottet mein?
(zu Oronzio.) Bist du’s?

Oronzio.
Ach nein!

Caliban (zu Stefano.)
Bist du’s?

Stefano.
Ach nein!

Ariel.
Du Betrüger! Du Betrüger!

Caliban (zu beiden.)
Ich warn’ euch stumm zu seyn.

Oronzio und Stefano.
Kein Bild kann stummer seyn.

Ariel (auf Oronzio und Stefano zeigend.)
Kein Schaaf kann dummer seyn.

Caliban (schwingt den Stab zum zweitenmale.)
Ehrt meine Macht!
Bald ist das Werk vollbracht.

Ariel (lachend.)
Ha ha ha!

Caliban.
Wer spottet mein?
Seyd ihrs?

Oronzio und Stefano.
Ach, nein!

Caliban.
Den Spötter treffe Feuer!
Die Erde schling ihn ein!

Ariel.
Verworfnes Ungeheuer!
Die Rache wartet dein.

Oronzio und Stefano
Hier ist es nicht geheuer,
Mir zittern Arm und Bein

(sie halten sich die Augen zu.)

Caliban (schwingt den Stab zum drittenmale.)
Ehrt meine Macht!
Jezt ist das Werk vollbracht. (Pause.)
Arm, Fuß und Zunge
Sind ihm gelähmt.

Oronzio und Stefano
Der arme Junge!
Wie er sich grämt!

Ariel (zu Fabio.)
Hör auf zu träumen!
Wie kannst du säumen
Ihn zu beschämen?

Fabio (sich die Binde abreissend.)
Tralala ralala
Tralarala!

(tanzt und schwenkt Canban herum.)

Stefano und Oronzio (stehn erstaunt auf.)
Welch ein Beginnen! –
Heißt das, ihn lähmen?

Caliban.
(sich von Fabio los machend, und hinter die andern verkriechen.)
Er ist von Sinnen –
Arm’, Füss’ und Zunge
Wollt’ ich ihm lähmen,
Mein Stab im Schwunge
Traf ihm den Kopf.

Caliban. Oronzio. Stefano.
Nur fort von hinnen
Er ist von Sinnen,
Der arme Tropf!

Fabio.
Tralala ralala.
Tralalara.

Ariel.
Ha ha ha!

(Caliban, Oronzio und Stefano fliehen, Fabio verfolgt sie, Ariel verschwindet; die Sylfen erscheinen wieder und tragen den Tisch nebst der Bank weg.)

Zwölfter Auftritt.

(Gegend im Walde. Ein angefangener Holzstoß, Blöke und Äste liegen umher.)

Fernando, nachher Miranda.

Fernando (beschäftigt, den Holzstoß aufzubauen.)
Ihr guten Eltern! Eure Gedanken suchen mich in Portugal – der Jubel meines Empfanges und das Gepränge der Vermählungsfeyer erweben sich in eure Träume – Wenn ihr mich in diesem Augenblike sehen könntet? – euren Erstgebohrnen euren Liebling! Wie würdet ihr mich beklagen! – Beklagt mich nicht! – Willkommener ist mir diese Sclavenarbeit, als die goldne Fessel die eure Staatsklugheit mir bestimmte. An der Seite der stolzen Infantin, hätte Langeweile aus mir geseufzt – Miranda ehrt mich die Seufzer der Liebe.

Miranda (im Kommen.)
Strenge deine Kräfte nicht zu sehr an, Fernando! – Die abscheulichen Blöke! Warum hat sie nicht der Bliz diesen Morgen alle verzehrt? – Ruh ein wenig aus! hörst du?

Fernando.
Miranda, die Sonne geht schon unter. Ich muß mein Tagewerk endigen.

Miranda.
Erlaube mir, dich abzulösen!

Fernando.
Himmlische Seele! Nein, ehe mögen meine Sehnen springen, als daß du dich dieser ungewohnten Arbeit unterziehest.

Miranda.
Ach, du scheinst ihrer eben so wenig gewohnt zu seyn, als ich, und mir käme sie gewiss leichter an. Denn ich thäte sie aus gutem Willen, und du thust sie aus Zwang.

Fernando.
Aus Gehorsam gegen meinen Wohlthäter. Zu welcher Prüfung könnte Mirandens Vater mich verurtheilen, der ich mich nicht mit Freuden unterwürfe?

Miranda.
Du bist nicht aufrichtig, Fernando. Sieh! es steigt kein Gedanke in meiner Seele auf, den ich dir zu verhehlen suchte. Vergelte mein Vertrauen durch das deinige.

Fernando (schmachtend.)
Ach Miranda! wenn ich’s wagen dürfte, dir mein Herz auszuschütten?

Miranda.
Was hält dich zurük? Rede! Vielleicht zerstreuest du deinen Kummer.

Fernando.

Romanze mit Variationen.

Sanft und herrlich, gleich der Sonne
Meines Landes, fiel mein Loos;
Liebevoller Eltern Wonne,
Wuchs ich auf in ihrem Schoos.
Mir zum Erbtheil einst beschieden
War Neapels alter Thron;
Pracht und Überfluß und Frieden
Schwebten um den Königssohn.
Aus der Freuden Kreis gerissen,
Schmachtet jezt der Königssohn,
Alles, alles muß er missen –
Eltern, Vaterland und Thron.
Aber dich hat er gefunden
Reizende Miranda, dich!
Und von Schwermuth losgewunden
Fühlt er neu gebohren sich.
Ihm ersetzen deine Blike
Jedes Gut das er verlohr,
Und versöhnt mit dem Geschike
Hebt er stolz sein Haupt empor.
Dreizehnter Auftritt.

Miranda.
Armer Fernando! o warum hat der Himmel nicht mich zu deiner Sclavin gemacht? – Unsere Abkunft war einander gleich; unsere Schiksale sollen es auch seyn! – Nimm meinen Beistand an, komm! (Hand in Hand abgehend.)

Final.

Caliban.
(sieht Fernando mit Miranda abgehen, und stuzt.)
Noch ein Fremdling?
Und Miranda,
Statt zu fliehn
Leitet ihn? –
Tod und Hölle!
Wie viel Schelme
Hat die Welle
Ausgespien?
Ha Geselle!
Auf der Stelle
Laß mich spähn
Dich zu sehn.

(kriecht in das Gebüsch um sie zu belauschen.)

Prospero (tritt auf.)
Ich will spähn
Nicht sie stören.

(sieht sich überall um.)

Nichts zu sehn
Noch zu hören
Sie und er
Sind verschwunden! –
Alles leer! –

Miranda und Fernando.
(hinter dem Theater.)

Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding!

Prospero.
(geht nach der Seite wo der Gesang herkomme, und wird sie durch die Bäume gewahr.)
Ha gefunden! –
Treu verbunden,
Wie es scheint –
Ja, sie weilet
Um den Freund,,
Ja sie theilet
In der Unschuld
Stillen Würde,
Seine Bürde,
Seinen Schmerz –
Und vertauschet
Herz um Herz.

Miranda und Fernando (wie vorhin.)
Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding!

Caliban (den Kopf aus dem Busche stekend.)
Satt gelauschet!

Prospero (vor sich.)
Horch! was rauschet?

(wird Caliban gewahr, und zieht sich zurük, um ihn zu behorchen.)

Caliban (geht wieder vorwärts.)
Ist’s ein Traum?
Haben kaum
Sich gefunden,
Und schon sind
So geschwind,
Als der Wind
Beider Herzen
Auch verbunden? –

(indem er wieder hinblikt.)

Wie sie scherzen!
Schmachtend bliken!
Sich die Hände
Voll Entzüken
Feurig drüken!

(stampft mit dem Fusse.)

Macht ein Ende!
Ha, vor Neide
Werd’ ich blind! –

Fernando und Miranda (wie vorhin.)
Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding!

Caliban.
(der indessen nachsinnend auf und ab gegangen.)
Falsche Beide!
Lernet zittern!
Euch die Freude
Zu verbittern,
Zu bestrafen,
Den Verrath,
Weiß ich Rath –
Stille, stille
Bis zur That! –

(nach Fernando hinzeigend.)

In der Hülle
Dieses Sclaven
Werde mein Triumph vollbracht,
Heute Nacht, –
Dieses schlanken Wuchses Pracht;
Diese kühne
Heldenmine.
Dieses Lächelns Zaubermacht;
Dieses Auge voll Verlangen;
Diese Wangen
Frisch und rund;
Diesen Mund,
Zum Kuß geschaffen;
Alle diese Liebeswaffen.
Leg’ ich an,
Sie zu fah’n! –
Ha, wie wird Mirandchen gaffen!
Caliban,
Welch ein Plan!

Cavatina.
Wenn in Thränen
Meinem Sehnen
Sich der Schönen
Stolz ergiebt –
Soll sie wähnen,
Die Bethörte,
Sie erhörte,
Den sie liebt! (ab.)

Prospero.
(kömmt wieder näher, und seiht ihm nach.)
Ha, der Freche!
Welch ein Plan! –
Ach, er sieget!
Sie erlieget
Ihrer Schwäche,
Ihrem Wahn, –
Rath und Hilfe,
Treuer Sylfe!
Eil herbei!
Lehr’ ein Mittel
Mich erdenken,
Das den Ränken,
Des Verwegnen
Zu begegnen
Fähig sey! (ab.)

Fernando. Miranda.
(treten auf, jedes trägt einen Arm voll Holz.)

Miranda.

Lied.

Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding! –
Meine Seele hebet
Sich auf ihrem Flügel;
Meine Seele schwebet,
Neu von ihr belebet,
Über Thal und Hügel,
Gleich dem Schmetterling.
Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding!

Fernando.
(zu gleicher Zeit, und indem sie gemeinschaftlich das Holz in Ordnung legen.)
Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding! –
Muth giebt sie zur Arbeit,
Hilft sie uns verrichten,
Eine Blumenkette,
Werden unsre Pflichten,
Und am Thron der Liebe
Hängt der Kette Ring.
Ach, was ist die Liebe
Für ein süsses Ding!

(nach geendigter Arbeit umarmen sie sich.)

Beide.

Liebe, nimm die Weihe
Unsrer Herzen an!
Die, mit frommer Treue
Ewig hingegeben,
Laß uns durch das Leben,
Froh wie Kinder, schweben!
Deine Fakel streue
Licht auf unsre Bahn!
Liebe nimm die Weihe
Unsrer Herzen an!

(sie sehen Prospero kommen, und ziehen sich schüchtern auf die Seite.)

Prospero (tritt mit feierlicher Schwermuth auf.)
Ein Jedes scheide!
Die Nacht bricht ein.
Ihr müßt euch beide.
Der Stille weihn.

Fernando und Miranda (zu einander.)
Laß uns dem Schlummer
Entgegen gehen.
Uns wekt der Morgen
Zum Wiedersehn.

Prospero.
Mit bangen Sorgen
Droht mir die Nacht.
Ehrt meinen Kummer!
Ehrt ihn, und wacht!

Beide (zu Prospero.)
Fern soll der Schlummer!
Fern von uns seyn.
Laß uns im Kummer
Dir Trost verleihn!

Prospero.
In meinen Kummer
Dringt niemand ein.
Entsagt dem Schlummer!
Laßt mich allein!

Beide.
Ach nein! Ach nein!
Laß uns im Kummer
Dir Trost verleihn!

Prospero.
Nein! Nein! Nein! Nein!
Ihr geht von dannen

(indem er zwei schwarze Beutel hervorzieht.)

Geheime Kräfte
Den Schlaf zu bannen
Birgt ein Geschäfte
Von sichrer Wahl.
Hier sind Korallen –

(reicht jedem einen Beutel hin.)

Dem Sonnenstrahl,
Beim Niederwallen,
Als Thau entfallen
Im nächsten Thal!
Mir unverborgen
Ist ihre Zahl.
Ihr zählt bis morgen,
In ernsten Sorgen,
Die ganze Zahl.

Beide (indem jedes dem andern seine Beutel zeigt.)
O leichte Sorgen!
Wir gehen zusammen,
Und wissen morgen
Die ganze Zahl.

Prospero.
Nein! nicht zusammen!
(zu Fernando.) Du zählst allein.
(zu Miranda.) Du zählst allein.

Beide.
Laß uns beisammen!

Prospero.
Es kann nicht seyn.

Beide.
Laß im zählen uns zusammen
Unverdrossen Beistand leihn!

Prospero.
Nein! Nein! Nein! Nein!

Beide.
Kannst du diesen Wunsch verdammen?
Frei von ungeweihten Flammen,
Flösset Freundschaft nur ihn ein.

Prospero (mit majestätischem Zorne.)
Schweigt und zittert! ich befehle. –
(zu Fernando.) Wach und zähle! (zu Miranda.)
Wach und zähle!
(zu Fernando.) Fleuch sie!
(zu Miranda.) Meid’ ihn wie den Tod!

Beide.
Schauder fasset meine Seele.
Widerrufe dein Verbot!

Prospero.
Schweigt und zittert! ich befehle. –
Trennt euch! (vor sich.) o bange Nacht!

Beide (zu einander.)
Lebe wohl! (vor sich.) o bange Nacht!

Ariel (ungesehen.)
Ruhe kehr’ in deine Seele!
Maja lebt! ihr Auge wacht.

Prospero. Fernando. Miranda (jedes besonders ab.)

Ende des zweiten Akts.

Dritter Akt.

Erster Auftritt.

(Erste Decoration des ersten Akts.)

(Sternenhelle Nacht.)

Miranda. Fernando.

(Miranda sizt bey Maja’s Grabe, und zählt, während des Ritornells, die Korallen aus dem Beutel in ihren Schoos. Fernando, von ihr ungesehen, sizt auf einem Blok, mit dem Rüken gegen einen Baum, und zählt die Korallen aus dem Beutel in ein über seine Knie gebreitetes weisses Tuch.)

Duo.

Miranda.
Traurige Korallen
Zählen soll ich euch!
Doch wer zählt die Thränen,
Die vermischt mit euch
In den Schoos mir fallen?
Traurige Korallen,
Zählen soll ich euch!
Eins, zwei , drei – acht, neun, zehn –

(fährt leise fort zu zählen.)

Fernando.
Wer euch zählt, Korallen,
Zählt der Wüste Sand,
Ach, benezt von Thränen,
Läßt die matte Hand
Unbewußt euch fallen.
Wer euch zählt, Korallen,
Zählt der Wüste Sand.
Eins, zwei, drei – acht, neun, zehn –

(fährt leise fort zu zählen.)

Zusammen.
Halt! wo blieb ich stehn?
Schon ist mirs entfallen –
Traurige Korallen!
Acht – neun – zehn –

(fahren beide fort, leise zu zählen.)

Miranda.
Laute Seufzer wallen
Durch die öde Luft.

Fernando.
Trauertöne schallen
Durch die öde Luft
Ach, Miranda!

Miranda.
Ach, Fernando!

Zusammen.
Horch Fernando ruft!
Miranda

Fernando.
Ach, Miranda!

Miranda.
Ach! Fernando!

Fernando.
Klagst du auch?

Miranda.
Ich klage!

Fernando.
Rufst du mir?

Miranda.
Ach nein!

Fernando.
Sanfter tönt die Klage,
Stimmt ein Herz mit ein

Miranda.
Jedes von uns trage
Seinen Schmerz allein.

Fernando.
Einsamkeit ist Pein.

Miranda.
Einsam muß ich seyn.

(kurze Pause, das Theater verfinstert sich.)
Fernando.
(kömmt schnell hervor, und wirft sich ihr zu Füssen.)
Mag ichs büssen
Mit dem Leben;
Dir zu Füssen,
Sterb ich gern! Miranda.
(steht erschroken auf, und will entfliehen.)
Mit dem Leben
Werd’ ich’s büssen;
Sieh mich beben!
Bleibe fern!
(Bliz und Donner. Miranda flieht betäubt in die Zelle; Fernando in heftiger Bewegung ab.)

Zweiter Auftritt.

Geister-Erscheinung (unter Accompagnement.)

(Unter Bliz und Donner öffnet sich der Boden. Sycorax, ein schwarzer Schatten, in Dampf gehüllt und mit dem Zauberstabe in der Hand, fährt wild herauf, und schaut mit triumphirender Geberde umher. Das Grabmahl berstet und zerfällt. Maja, ein weisser Schatten, steigt herauf, und strekt den aufgehobenen Arm gegen Sycorax aus. Sycorax erblikt sie und bebt, schöpft wieder Muth und eilt mit drohendem Stabe der Zelle zu. Maja stellt sich ihr mit ausgebreiteten Armen schüzend entgegen. Sycorax erstarrt; der Zauberstab entsinkt ihrer Hand. Maja blikt mit flehender Geberde gen Himmel. Bliz und Donner beginnen von neuem. Sycorax fährt unter Flammen hinab. Maja steigt majestätisch wieder in die Gruft. Statt des Grabmahls steigt mittelst der Versenkung ein Palmbaum herauf.)

Dritter Auftritt.

(Zweite Decoration des ersten Akts.)

Prospero
(sitzt auf einer Felsenbank und schläft. Über ihm schwebt eine transparente Lufterscheinung, die eine Gruppe von Geistern und Sylfen vorstellt)

Chor.
(ohne Accompagnement des Orchesters, und am liebsten ganz ohne Begleitung.)
Heiliger Strand,
Wo Maja ruht!
Ewig verbannt
Sind Rach’ und Wuth
Wo Maja ruht.
Heiliger Strand
Wo Maja ruht!

Vierter Auftritt.

Prospera. Ariel.

Prospero (erwachend.)
Welch ein wonnevolles Chor
Weket mein entzüktes Ohr?

Ariel (von Ferne stehend.)
Deiner Hüter frommes Chor
Weke dein verschloßnes Ohr.

Prospero (sich aufrichtend.)
Welches Meteores Schimmer
Dämmert durch der Wolken Flohr.

Ariel.
Ihrer Lichtgestalten Schimmer
Dämmert durch der Wolken Flohr.

Prospero.
Schatten sind es, die mich höhnen;
Träume säuseln um mein Ohr.

(stüzt den Kopf auf seinen Arm.)

Ariel (näher tretend.)
Öfne den vertrauten Tönen
Deiner Sylfen, Herz und Ohr!
Flieh den Schlummer! blik empor!

Prospero.
Nein, erwachen will ich nimmer;
Süsser Wohllaut, holder Schimmer
Schwebet mir im Träume vor.

Ariel.
Sieg wird den Erwachten krönen,
Frohe Botschaft ihm ertönen;
Flieh den Schlummer! blik empor!

Prospero.
Laß mich schlafen!

Ariel.
Nein! erwache!

(fasst ihn bey der Hand.)

Prospero (aufstehend.)
Kömmst du zum Triumph der Rache,
Falscher Freund, mich aufzuschreken?

Ariel.
Zum Triumph der guten Sache
Will dein Ariel dich weken.

Prospero.
Sprichst du meinem Falle Hohn?

Ariel.
Deiner Feindin sprech’ ich Hohn.

Prospero.
Von der bängsten aller Sorgen
Ist mein Busen noch zerrissen.
Meine Tochter –?

Ariel.
Ist geborgen.

Prospero.
Laß mich alles, alles wissen!
Meine Tochter –

Ariel.
Ist geborgen.

Prospero.
Und die Feindin?

Ariel.
Ist geflohn.

Prospero.
Meine Tochter ist geborgen!
Meine Feindin ist geflohn!

Ariel.
Deine Tochter ist geborgen,
Deine Feindin ist geflohn.

Prospero.
Wem hab’ ich mein Glük zu danken?

Ariel.
Opfre Dank auf Maja’s Hügel!

Prospero.
Hab’ ich ihr mein Glük zu danken?
Sprengte sie des Grabes Hügel?
Gieng sie mir zum Schuz hervor?

Ariel.
Seze deinem Vorwiz Schranken! –
Opfre Dank auf Maja’s Hügel! –
Unter siebenfachem Siegel
Ruht des Schattenreiches Thor.

Prospero.
Meinem Vorwiz sez’ ich Schranken.
Auf der Andacht regem Flügel
Schwinge sich von Maja’s Hügel
Meines Herzens Dank empor!

(beide ab.)

Fünfter Auftritt.

Fabio, allein (tritt schüchtern und mit unstetem Blike auf.)
Es ist doch ein närrisches Ding um die Furcht. Bei Tage konnte sie mir nichts anhaben; aber seit dem Einbruche der Dunkelheit; fällt mir alles wieder ein, was mir hier seltsames begegnet ist, und – genug, es läßt mich nicht schlafen – Schäme dich, Fabio! – bist du der Held, den seine Kameraden in Neapel sich zum Muster nahmen? Bist du der lose Bube, der dort mehr als einmal das Gespenst spielte, um die Hüter seines Mädchens zu ängstigen? – Kann die Versezung auf eine bezauberte Insel deine Natur so plözlich verändern? – Nein, ich bin noch derselbe – getäuschte Sehnsucht – tödtliche Langeweile – verliebte Ungeduld – das ist’s, was mich umher jagt. – Meinethalben mag es hier von Geistern und Kobolten wimmeln – wenn sie nur gesellig wären! – meinethalben mag die Eigenthümerin des Schleiers aussehen, wie sie will – wenn ich sie nur fände! –

Arie.

Wären lüsterne Najaden,
Oder keke Oreaden,
Oder flüchtige Dryaden,
Oder schmachtende Sylphiden
Zu Gespielen mir beschieden;
Ey mit Sorgen freyen Sinn
Gäb’ ich ihrem Dienst mich bin.
Selbst bey häßlichen Gnomiden
Fänd ich in der Einsamkeit
Mich, mit meinem Loos zufrieden,
Als ein Weiser in die Zeit.
Doch von allem abgeschieden
Was mir nah am Herzen liegt –
Ohne Freund und ohne Mädchen –
Ach! da gräm ich mich zu Tode,
Eh ein zweiter Tag verfliegt.
Ja, ich gräme mich zu Tode,
War es gleich noch nirgends Mode
Daß den Spleen ein Page kriegt.

(Fernando tritt unter der lezten Strophe auf, und bleibt lauschend stehn.)

Fernando. Fabio.

Duo.

Fernando (in der Tiefe des Theaters.)
Welche wohlbekannte Stimme
Tönt mir aus der Ferne her?

Fabio (durch Fernando’s Gesang aufmerksam gemacht.)
Welche wohlbekannte Stimme
Tönt mir aus der Ferne her?

Fernando.
Wenn mein Fabio noch lebte,
Ach, ich dächte: das ist er!

Fabio (vor sich.)
Wenn mein armer Herr noch lebte,
Ach, ich dächte: das ist er.

Zusammen.
Eitler Wahn! er ist nicht mehr!

Fernando.
Immer lauter tönt die Stimme. –

Fabio.
Sein, o! sein ist diese Stimme.

Fernando.
Wenn sein Schatten mich umschwebte?
– Auf, Fernando! Sey ein Mann!
(kömmt näher.)

Fabio.
Wenn sein Schatten mich umschwebte? –
Muth gefaßt! ich red’ ihn an.
(nähert sich ihm.)
Bist du’s selbst, o mein Gebieter?
Du, von mir als todt beweint!

Fernando.
Bist du’s selbst, o mein Getreuer?
Du, von mir als todt beweint!

Zusammen.
Ich bins selber – o mein Freund!

(sie fallen sich einander in die Arme; die Musik drükt ihr stummes Entzüken aus.)

Recitativ.

Fabio.
O namenlose Freude!

Fernando.
O unverhoftes Glük!
Mein Fabio! du lebst?

Fabio.
Mein neu geschenktes Leben
Empfind’ ich dankbar erst, seit diesem Augenblik.

Fernando.
Bist du allein? Ward vom Geschik
Sonst keiner mir zurük gegeben?

Fabio.
Hör’ und bewundere der blinden Göttin Wahl!
Nur drei, aus deiner ganzen Dienerrolle,
Erkohr sie sich zur Schuz geweihten Zahl
Drei Tagediebe nur – den Flaschengeneral –
Den Präsidenten der Kastrolle –
Und mich unwerthen Edelknaben
Die Übrigen, troz ihren bessern Gaben
Ließ die Verrätherin den Sturm im Meer begraben.

Fernando.
Da sie mir dich erhielt, so segn’ ich ihre Wahl.

Arioso.

Ja, Freund, mein Busen athmet freyer,
Seit dich mein Auge wieder fand,
Umwebet gleich mit dichtem Schleier
Noch meinen Pfad des Schiksals Hand.
Auf, laß wie sonst, voll Jugendfeuer,
Der Zukunft uns entgegen gehen;
Und Arm in Arm die Abentheuer,
Die unser warten, froh bestehn!

Fabio.
(fällt in die zweite Strophe bey der Wiederhohlung ein.)

(beide Arm in Arm ab.)

Sechster Auftritt.

Caliban. Oronzio. Stefano. Ariel (ungesehn.)

(alle drei mit Keulen auf den Schultern; gegen das Ende der Scene Prospero.)

Caliban (geht voran und sieht sich um.)
Auch hier Niemand? – Immer weiter ihr Kameraden!

Oronzio.
Nein, weiter lass’ ich mich nicht herumschleppen. Ich bin matt, wie eine Fliege. (sezt sich auf die Erde.)

Stefano.
Und mit mir ist’s gar aus. (sezt sich auf den Boden.)

Oronzio.
Der Teufel hat den Weg gemacht. Nichts als Rutsch und Busch.

Stefano.
Es ist kein Graben auf der ganzen Insel, den mir nicht gemessen haben.

Caliban.
Ihr seyd auch gewaltig zärtlich. Bey Nacht kann man die Steinchen nicht heraussuchen. Nur noch eine kleine Streke! endlich müssen wir ihn doch finden.

Oronzio.
Bey der egyptischen Finsterniß können wir über Vater und Tochter hin stolpern, ohne sie zu bemerken.

Ariel (spielt auf der Zither.)

Caliban (freudig.)
Still! hört ihr? – das ist sie! – das ist mein Mütterchen – sie hat die Zither mitgebracht, mit der sie mich sonst einzuschläfern pflegte, wenn ich ihr nicht gut thun wollte.

Duo.

(mit Begleitung einer einzigen Guittarre.)

Ariel.
Gegrüßt sey mir
Der Prinzen Zier!

Caliban.
Gegrüßt sey ir,
Der Feen Zier!
Wo bist du?

Ariel (auf der entgegengesezten Seite.)
Hier.

Caliban (geht nach der Seite und sucht.)
Wo bist du?

Ariel (wie vorhin.)
Hier.

Caliban (läuft hin und her und sucht.)
Nicht dort! Nicht hier?
Sie scherzt mit mir.

Ariel.
Bald dort, bald hier,
Bald dicht bei dir.
Sohn Caliban!
Dein Reich fängt an.

Caliban (zu den andern mit lächerlicher Feierlichkeit.)
Kund sey’s gethan!
Mein Reich fängt an.

Ariel.
Du stehst am Ziel;
Dein Sieg ist Spiel.

Caliban.
Wir stehn am Ziel,
Der Sieg ist Spiel.

Ariel.
Bestimmt ist die schönste der Bräute
Dem schönsten der Prinzen zur Beute.

Caliban (der das lezte mit grossem Erstaunen angehört hat.)
Dem Schönsten der Prinzen? – Also bin ich schon verwandelt? O, sagt mir doch geschwinde, wie ich aussehe? Gukt mich aber recht genau an. – Nun! bin ich so schön als euer Prinz? (dreht sich mit Karikatur vor ihnen herum.) –

Oronzio und Stefano (lachend.)
Als unser Prinz? ha ha ha!

Caliban.
Was Lachen denn die Narren? bin ich etwa gar noch schöner? – O, daß ich mich nicht selbst sehen kann! – Höre, Oronzio! du kannst ja Torten und Pasteten beschreiben, daß einem das Maul darnach wässert. Beschreib mir doch auch, wie ich aussehe.

Oronzio.
Wie Gestern.

Caliban.
Geh, Träumer, du kannst vor Schlaf nicht aus den Augen sehen, da lob’ ich mir den Vetter Stefano. Der ist so munter, wie ein Nachtigallchen. Nun Alter! wie gefall’ ich dir?

Stefano.
Wie eine Vogelscheuche.

(Es erscheint im Hintergrunde ein brennender Busch.)

Caliban.
Der Vogelscheuche? – den kenn’ ich nicht. Ists ein schöner Vogel. Ja, leicht bin ich wie ein Vögelchen, das fühl’ ich. Mein Bauch ist weg. Meine Füßchen schweben auf lauter Wolken. (tanzt und singt.) „Bestimmt ist die Schönste der Bräute, dem Schönsten der Prinzen“ – (erblikt, indem er sich schwenkt den brennenden Busch.) Schaut doch! schaut! ein neues Wunder!

Oronzio.
Ein Irrwisch, wie uns ihrer schon hundert genekt haben.

Caliban.
Nein! das ist ein Zeichen von Mütterchen! dahinter stekt etwas! – kommt! – wir wollen untersuchen. (reicht ihnen die Hand zum Aufstehen.)

Stefano.
Ich mag meine Schuhe nicht wieder im Sumpfe lassen.

Caliban.
Wollt ihr aufstehen oder nicht? (zieht sie in die Höhe.) Marsch! seht ihr nicht, daß dort ein Paar Füsse hervorguken? – (der Busch verschwindet, an dessen Stelle erblikt man eine schlafende Figur, ganz wie Prospero gestaltet.) Da haben wir ihn, da! – Na, wer versezt ihm den ersten Schlag.

Quartet.

Caliban (beide anfassend.)
Hürtig!

Oronzio und Stefano (sich sträubend.)
Laßt uns!

Alle drei.
Was solls werden?

Oronzio und Stefano (mit Karikatur.)
Laßt uns los.

Caliban.
Was für Geberden?
Wehrlos schläft er auf der Erden.
Schlagt den Träumer! faßt ein Herz!

Oronzio und Stefano (sich matt und krank stellend.)
Ich erliege den Beschwerden,
Welche Schwäche! welch ein Schmerz!

Caliban (sie mit fortreissend.)
Immer näher!

Oronzio und Stefano.
Sachte! sachte!

Caliban.
Alle drei.

Oronzio und Stefano.
Kein Geschrei.

(sie nähern sich der schlafenden Figur.)

Caliban.
Wie er schnarchet!

Oronzio und Stefano.
Wenn er wachte?

Caliban (die Keule hoch haltend.)
Macht euch fertig!

Oronzio und Stefano (indem sie die Keulen hoch halten.)
Sachte! sachte!

Caliban (im Tone des militärischen Commando’s.)
Eins! zwei! drei!

(sie hohlen alle drei aus, um zu schlagen; die Figur verschwindet.)

Prospero (oben auf dem Felsen, den Stab über sie schwingend.)
Steh! Brut der Hölle, steh!

(sie erstarren mit halbgesunkenen Keulen, doch in verschiedenen Stellungen.)

Alle drei.
Auweh! Auweh! –
Helft mich befrein!
Ich kann nicht fort.
Mein Arm – mein Bein –
Mir – stirbt – das – Wort
Ich – wer-de – Stein –

Prospero.
Ja! werdet Stein!
Siebenter Auftritt.

Prospero. Fernando. Miranda. Fabio. Ariel (sichtbar.)

Caliban. Oronzio und Stefano (versteinert.)

(Prospero steigt vom Felsen herunter, die übrigen folgen ihm und gehen vorwärts. Die Musik verkündigt den Anbruch des Tages.)

Ariel.
Es weichen die Schatten, es fliehen die Sorgen;
Im festlichen Schimmer erscheinet der Morgen;
Vom Jubelgesange der Erde begrüßt.

Prospero. Fernando. Miranda. Fabio.
Willkommen, Bezwinger der Schatten, der Sorgen!
Willkommen, im Jubel der Schöpfung, o Morgen!
O, sey uns mit Thränen des Dankes gegrüßt.

Prospero.
Es weiche dem Jubel des Morgens die Rache!
Mild ist der Sieg der guten Sache.

(sich gegen die Statuen wendend.)

Lebt auf! genug habt ihr gebüßt.

Oronzio und Stefano (allmählig erwachend.)
O, Grosmuth! O Güte!
Er hat uns vergeben!
Er winkt uns ins Leben!
Wir jauchzen und schweben
Im Taumel daher.

Caliban.
Ich schäume, ich wüthe,
Ich spotte der Güte, –
Ich fluche dem Leben
Und suche mit Beben
Die Mutter im Meer.

Prospero.
(in die Wiederhohlung der vorhergehenden Strophe einfallend.)
Verächter der Güte!
Erliege dem Streben
Ohnmächtiger Tüke!
Verzweifle und drüke
Die Erde nicht mehr!

(Caliban stürzt sich ins Meer, Bliz und Donner begleiten seinen Fall.)

(Pause.)

Oronzio und Stefano.
(nähern sich dem Prospero und fallen auf ihre Knie.)
Wie sollen wir dir danken?

Prospero.
Durch eure Besserung.

Oronzio und Stefano (freudig als sie Fernando erbliken.)
Unser Prinz? (sie wollen sich ihm nähern.)

Fabio.
Geht! geht! er hat jetzt nicht Zeit euch Gehör zu geben.

(Oronzio und Stefano ziehen sich zurük.)

Fernando und Miranda (sehen sich schmachtend an.)

Ariel.
Guter Meister! bist du heute mit mir zufrieden?

Prospero.
Ich bins, mein Ariel!

Ariel.
Darf ich einen Wunsch äussern?

Prospero.
Fordere – und wenn es deine Freiheit wäre.

Ariel (zeigt auf die Liebenden.)
Du bist Vater, und kannst dieses Paar schmachten sehen?
Es eilen die Stunden;
Es winken die sanftern Scenen,
Sie hat ihn gefunden,
Ihn, der sie zu rühren
Der würdigste war.
O merk auf ihr Sehnen!
O kürze die Prüfung der Treue!
Sey Vater! und weihe
Zum seligsten Bunde
Das liebende Paar.

Prospero (zu Miranda und Fernando.)
Erhört sey dein Sehnen!
Empfange vom seegnenden Munde
Des Vaters, die Weihe
Zum Bunde der Treue,
Du zärtliches Paar!

(er fügt ihre Hände zusammen.)

Miranda und Fernando.
O Schuzgeist! o Vater!
Wir bringen in schmelzenden Bliken
Des Herzens Entzüken
Zum reinesten Opfer
Des Dankes euch dar!

Fabio.
O schönste der Scenen!
Noch nie hat so reines Entzüken
Mein Busen empfunden,
Nie sanftere Thränen
Mein Auge geweint.

Ariel.
Dein Wunsch ist gekrönet.
Sie tönet, o Meister, sie tönet,
Die frohste der Stunden!
Ich sehe den Retter
Der allen erscheint. (ab.)

(Man hört Gesang hinter dem Theater; die Anwesenden, bis auf Prospero. Nähern sich dem Ufer.)

Achter Auftritt.

Schiffer. Vorige.

Schiffer-Chor (hinter dem Theater.)
Froloket, ihr Brüder!
Wir nahen dem Strand.

(man erblikt ein Boot mit Schiffern, das sich dem Ufer nähert.)

Schiffer-Chor.
Gesellige Lieder
Ertönen von Strand,
Uns ähnliche Brüder
Schaun freundlich hernieder –
Getrost an das Land!

Chor auf dem Theater.
Willkommen, ihr Brüder!
Getrost an das Land!

Beide Chöre.
Schiffer.
Empfanget uns als Brüder! Die Übrigen.
Willkommen ihr Brüder!
Wir sind uns durch Leiden,
Durch Freuden
Verwandt!

(die Schiffer steigen mit Hilfe der Übrigen ans Land.)

Neunter Auftritt.

Ruperto. Matrosen. Vorige.

(Ruperto, von Fernando und Miranda begleitet, nähert sich, die Übrigen bleiben im Hintergrunde.)

Prospero.
(faßt ihn scharf ins Auge – und weicht bestürzt zurük.) Ists mögich – Ja mein Gedächtniß trügt mich nicht. – Miranda sieh! – das ist der Treulose, dem ich mich auf meiner Flucht in die Arme warf – der uns hier aussezte und heimtükisch verließ.

Miranda.
O, Himmel! (schließt sich an Prospero an, Fernando und Fabio treten ihm ebenfalls näher, um ihn zu vertheidigen.)

Ruperto (ruhig.)
Ich bins – ich bin Ruperto.

Prospero.
Verworfener Bösewicht! Was bringt dich hieher?

Ruperto.
Die Reue. Ich komme, mein Verbrechen wieder gut zu mache. (zu den Matrosen.) Triumph, ihr Freunde! Er lebt! Er ist gefunden, den wir suchen! Prospero lebt noch!

Matrosen.
Triumph! Er lebe! (schwenken die Hüte.)

Ruperto.
Maylands Tyrann ist gestürzt, ermordet. Das befreite Vaterland wünscht sich seinen guten Fürsten zurük, dessen Tugenden es einst verkannte. Ich erbot mich dich wieder auf zu suchen. Mir, dem feilen Werkzeuge deiner Verbannung – mir allein war diese unwirthbare Insel bekannt. Eine alte Sage von Wundern und Zaubereien schrekt seit Menschengedenken, die Schiffer ab, sich ihr zu nähern. (zieht eine Pergamentrolle hervor, woran eine goldne Sigelkapsel hängt.) Empfange das feierliche Zeugniß unserer Sendung! Höre die Stimme deines Volks, aus dem Munde seiner Abgeordneten! und laß unser Flehen dich bewegen, ihm zu verzeihen, und zu ihm zurük zu kehren.

Matrosen (Prospero umringend, und auf den Knien.)
Ja, Vater Prospero! ja! ja!

Prospero (nachdem er gelesen hat.)
Steht auf, meine Freunde. Steht auf! Ich bin beriet.

Final.

Allmächtig ist die Liebe
Zu dir, o Vaterland
Am Ziel der Lebensreise,
Erwacht sie noch im Greise,
Und leitet, troz den Jahren,
Durch Mühen und Gefahren,
Ihn sanft am Gängelband.

Chor.
Allmächtig ist die Liebe
Zu dir, o Vaterland.

Fernando und Miranda (zu einander.)
Mit dir lacht Wonn’ und Seege:
Mir überall entgegen.
Wo du bist, will ich bleiben;
Dir folg’ ich ohne Sträuben
Bis an der Erde Rand.
Ach, stärker ist die Liebe
Als jedes andre Band.

Prospero.
Vergeßt ihr treuen Herzen,
Der Prüfung bittre Schmerzen!
Reicht hoffend euch die Hand!
Euch winkt der Kranz der Liebe,
In eurem Vaterland.

Fabio.
Und schwärmten hier, wie Bienen,
Brünetten und Blondinen,
Hohn spräch’ ich ihren Nezen
Und flähe mit Ensezen,
Von diesem Circen-Strand.

Chor.
Allmächtig ist die Liebe
Zu dir, o Vaterland.

Oronzio und Stefano.
Wenn meine Haus- Megäre
Noch zehnmal schlimmer wäre,
Ich dächt’ an Hiobs Leiden,
Und kehrte doch mit Freuden,
In meinen Wehestand.

Chor.
Allmächtig ist die Liebe
Zu dir, o Vaterland.
Lezter Auftritt.

Vorige. Ariel (in den Wolken.)

Prospero.
(mit feierlicher Geberde, indem er den Zauberstab hoch hält.)
O, die ihr einst mir Schuz gewährtet,
Als mich die ganze Welt verstieß –
Mich treu bewachtet, liebreich nährtet –
Und wenn ich trostlos mich dem Kummer überließ –
Mitleidig strebtet, ihn zu stillen –
Ihr Geister! die ich meinem Willen
Neun Jahre lang
Zu frohnen zwang –
Bewohner der Lüfte, der Haine, der Bäche! –
Vor allen du, der ganz sich mir zu eigen gab,
Mein Ariel! – Habt Dank! –
Lebt wohl! – Seyd frey! – Ich breche
Frohlokend meinen Stab!

(zerbricht den Stab, und wirft die Stüken hinter sich.)

Ariel (ungesehn.)
Lebe wohl, geliebter Meister!
Keine Macht trennt unser Band.

Geister-Chor.
Lebe wohl, geliebter Meister!
Keine Macht trennt unser Band.

Prospero.
Lebet wohl, getreue Geister!
Lebe wohl, geweihter Strand.

Miranda. Fernando. Prospero.
Lebet wohl, getreue Geister!
Lebe wohl, geweihter Strand!

Schluß-Chor.
Winde und Wogen,
Seyd uns gewogen.
Sonnen und Sterne,
Laßt es uns glüken!
Muthig ihr Brüder!
Eilet vom Strand!
Muthiger Schiffer
Spähenden Bliken
Schwindet die Ferne,
Winket das Land.

Ende.

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