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Don Carlos – 1. Akt, 2. Auftritt

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Carlos, Marquis von Posa.

Carlos.
Wer kommt? – Was seh‘ ich? O ihr guten Geister!
Mein Roderich!

Marquis.
Mein Carlos!

Carlos.
Ist es möglich?
Ist’s wahr? Ist’s wirklich? Bist du’s? – O, du bist’s!
Ich drück‘ an meine Seele dich, ich fühle
Die deinige allmächtig an mir schlagen.
O, jetzt ist Alles wieder gut. In dieser
Umarmung heilt mein krankes Herz. Ich liege
Am Halse meines Roderich.

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Marquis.
Ihr krankes,
Ihr krankes Herz? Und was ist wieder gut?
Was ist’s, das wieder gut zu werden brauchte?
Sie hören, was mich stutzen macht.

Carlos.
Und was
Bringt dich so unverhofft aus Brüssel wieder?
Wem dank‘ ich diese Ueberraschung? wem?
Ich frage noch? Verzeih dem Freudetrunknen,
Erhabne Vorsicht, diese Lästerung!
Wem sonst als dir, Allgütigste? Du wußtest,
Daß Carlos ohne Engel war, du sandtest
Mir diesen, und ich frage noch?

Marquis.
Vergebung,
Mein theurer Prinz, wenn ich dies stürmische
Entzücken mit Bestürzung nur erwiedre.
So war es nicht, wie ich Don Philipps Sohn
Erwartete. Ein unnatürlich Roth
Entzündet sich auf Ihren blassen Wangen,
Und Ihre Lippen zittern fieberhaft.
Was muß ich glauben, theurer Prinz? – Das ist
Der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem
Ein unterdrücktes Heldenvolk mich sendet –
Denn jetzt steh‘ ich als Roderich nicht hier,
Nicht als des Knaben Carlos Spielgeselle –
Ein Abgeordneter der ganzen Menschheit
Umarm‘ ich Sie – es sind die flandrischen
Provinzen, die an Ihrem Halse weinen
Und feierlich um Rettung Sie bestürmen.
Gethan ist’s um Ihr theures Land, wenn Alba,
Des Fanatismus rauher Henkersknecht,
Vor Brüssel rückt mit spanischen Gesetzen.
Auf Kaiser Carls glorwürd’gem Enkel ruht
Die letzte Hoffnung dieser edeln Lande.
Sie stürzt dahin, wenn sein erhabnes Herz
Vergessen hat, für Menschlichkeit zu schlagen.

Carlos.
Sie stürzt dahin.

Marquis.
Weh mir! Was muß ich hören!

Carlos.
Du sprichst von Zeiten, die vergangen sind.
Auch mir hat einst von einem Carl geträumt,
Dem’s feurig durch die Wangen lief, wenn man
Von Freiheit sprach – doch der ist lang begraben.
Den du hier siehst, das ist der Carl nicht mehr,
Der in Alcala von dir Abschied nahm,
Der sich vermaß in süßer Trunkenheit,
Der Schöpfer eines neuen goldnen Alters
In Spanien zu werden – O, der Einfall
War kindisch, aber göttlich schön! Vorbei
Sind diese Träume. –

Marquis.
Träume, Prinz? – So wären
Es Träume nur gewesen?

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