HomeInhaltsangabeDer Kampf mit dem Drachen (Ballade)

Friedrich Schiller »Der Kampf mit dem Drachen« – Text, Inhaltsangabe, Interpretation

Seite 2 von 5
Bewertung:
(Stimmen: 38 Durchschnitt: 3.8)

Entstehung der Ballade

Schon während Goethes Anwesenheit in Jena in der ersten Hälfte des Augusts 1798 hatte Schiller ihm seine Absicht mitgeteilt, den Stoff, den er in der Histoire des Chevaliers de Rhode et aujourdhui de Malte von René Aubert de Vertot (1726) gefunden hatte, als Ballade zu bearbeiten. Am 15. August glaubte er, sie in etwa acht Tagen an Körner senden zu können, doch begann er erst am 18. August seinen „Ritter“, wie er damals das Gedicht nannte. Drei Tage später schrieb er Goethe, er habe diese Woche einige Dutzend Reime gemacht. Während eines abscheulichen Wetters brachte er in seiner windigen Gartenwohnung in Jena die Ballade zu Stande. Am folgenden Tag, am 26. August, an dem er Die Bürgschaft begann, äußerte er zu Goethe, die Arbeit gehe schleppend vonstatten. Dass zwei Balladen fertig seien, die zusammen etwa 20 Seiten im Musenalmanach ausmachen würden, meldete er am 31. August. Doch erst am 4. September sandte er Goethe die erste Ballade, die damals noch „Die Ritter“ hieß. „Es sollte mir lieb sein“, schrieb er dabei, „wenn ich den christlich-mönchisch-ritterlichen Geist der Handlung richtig getroffen und die disparaten Momente derselben in einem harmonierenden Ganzen vereinigt hätte. Die Erzählung des Ritters ist zwar etwas lang ausgefallen, doch das Detail war nötig, und trennen ließ sie sich nicht wohl.“ Goethe fand bei dem „christlichen Drachen“ nichts zu kritisieren. Er schien ihm „sehr schön und zweckmäßig“.

Schillers Quelle und ihr Inhalt

Auf den Stoff war Schiller bereits 1792 gestoßen. Für eine Bearbeitung bzw. Übersetzung von René Aubert de Vertots „Geschichte des Johanniterordens“ durch Niethammer hatte Schiller in diesem Jahr eine Vorrede geschrieben. Aus Vertot schöpfte Schiller auch den Plan zu seinen Maltesern, einem Drama, das unverwirklicht blieb. Vertot erzählt sehr weitläufig einen Vorfall während der Regierung des Großmeisters des Johanniterordens, Helion de Villeneuve (1332–1346).

Inhaltsangabe der Quelle

Der Geist der Liebe und Rücksichten der Klugheit bewogen ihn, allen Rittern beim Verlust des Ordenskleides[Ausschluss aus dem Orden, Anm. d. Redaktion] den Kampf mit einem Krokodil zu verbieten. Der Aufenthalt des furchtbaren Tieres war eine Höhle neben einem Sumpf am Fuß des Stefansberges zwei Meilen von Rhodos entfernt. Es fraß Schafe, Rinder und auch Pferde, wenn sie sich dem Sumpf näherten, ja es sollte auch junge Hirten, die dort ihre Herden hüteten, verschlungen haben. Mehrere der tapfersten Ritter des Ordens waren zu verschiedenen Zeiten einzeln ausgezogenen, um das Tier zu töten, aber keinen von ihnen sah man wiederkehren. Die Haut des Tieres war mit Schuppen bedeckt, von denen die schärfsten Pfeile und Wurfspieße abprallten. Deshalb hatte der Großmeister den weiteren Kampf verboten, der menschliche Kräfte zu übersteigen schien. Alle gehorchten mit Ausnahme eines provinzialen Ritters, Dieudonné de Gozon. Dem Verbot zum Trotz und ohne sich durch das Schicksal seiner Ordensbrüder abschrecken zu lassen, beschloss er, das Ungeheuer zu erlegen. Deshalb zog er sich nach Frankreich auf sein Schloss Gozon zurück, das sich in der Provinz Languedoc in Südfrankreich befand. Sein Plan gründete sich auf die Beobachtung, dass die Schlange unter dem Bauch keine Schuppen hatte. Er ließ das Ungeheuer in Holz oder Pappe nachbilden, wobei er besonders darauf achtete, dass die grimmige Wut gut ausgedrückt wurde. Danach richtete er zwei junge Doggen dazu ab, auf sein Rufen den Bauch des Tiers anzupacken, während er selbst zu Pferde stieg und sich stellte, als ob er mit seiner Lanze ihm an verschiedenen Stellen Stöße versetzen wollte. Als er nach mehrmonatiger Übung die Doggen hinlänglich abgerichtet glaubte, kehrte er nach Rhodos zurück. Hier ließ er seine Waffen in die Kirche auf der Spitze des Stefansberges bringen, wohin er sich darauf in Begleitung zweier aus Frankreich mitgebrachter Knappen begab. Nachdem er sich Gott befohlen hatte, bewaffnete er sich und stieg zu Pferd. Den Knappen befahl er, sie sollten, wenn er im Kampf umkäme, in ihre Heimat zurückkehren. Sehen sie aber, dass die Schlange getötet oder er verwundert wäre, sollen sie zu ihm kommen. Hierauf ritt er in Begleitung seiner Hunde den Berg hinab und wandte sich rechts zu dem Sumpf und der Höhle der Schlange, die auf sein Geschrei mit offenem Rachen und funkelnden Augen herbei eilte, ihn zu verschlingen. Gozon stieß mit der Lanze auf sie ein, aber die Dicke und Härte ihrer Schuppen war undurchdringlich. Als er den Angriff wiederholen will, bringt er sein Pferd nicht von der Stelle, da es vor dem Zischen und dem widrigen Atem der Schlange scheute. Es sprach zur Seite und würde seinen Herrn ins Verderben gebracht haben, wäre Gozon nicht unverzagt abgesprungen. Das Schwert in der Hand, die beiden treuen Doggen zur Seite, griff er das Ungetüm an und versetzte ihm Stöße an verschiedenen Stellen, doch die Klinge drang bei der Härte der Schuppen nicht ein. Mit seinem Schweif schlug ihn nun das wütende Tier zu Boden. Es hätte ihn ohne Zweifel verschlungen, hätten sich nicht die Doggen, wie er sie abgerichtet hatte, an den Bauch der Schlange geworfen und diese, ohne dass sie sich ihrer erwehren konnte, grimmig zerfleischt. Diese Hilfe gestattete dem Ritter, sich wieder zu erheben. Er eilt seinen Doggen zu Hilfe und stößt sein Schwert bis an das Heft an einer Stelle ein, die nicht durch Schuppen geschützt war. Ströme Blutes schießen aus der breiten Wunde hervor. Tödlich verwundet fällt das Ungeheuer auf den Ritter, der zum zweiten Mal niederstürzt. Er wäre durch die Last und die ungeheure Masse des Körpers erdrückt worden, wären nicht die beiden Knappen gewesen, die den Kampf angesehen hatten. Sie eilten herbei, als die Schlange erlegt war. Die Knappen fanden ihn ohnmächtig und hielten ihn für tot. Mit viel Mühe zogen sie ihn unter dem Untier hervor, um ihm Luft zu machen, wenn er noch am Leben wäre. Sie lösten ihm den Helm und spritzten ihm Wasser ins Gesicht, wonach er endlich die Augen aufschlug. Sein erster Blick fiel zu seiner höchsten Freude aus seinen toten Feind.

Auf die Kunde von seinem Sieg und der Erledigung der Schlange strömten große Scharen aus der Stadt ihm entgegen. Die Ritter führten ihn im Triumph zum Palast des Großmeisters. Aber wie erstaunte er, als der Großmeister, während die Menge ihm Beifall zurief, ihn unwillig anblickte und die Frage an ihn stellte, ob er nicht wisse, dass er den Kampf mit diesem Tier verboten habe, und ob er glaube, ungestraft das Gesetz verletzen zu dürfen. Ohne auf seine Antwort zu hören, ohne sich durch die Bitten der Ritter erweichen zu lassen, ließ ihn dieser strenge Bewahrer der Ordenszucht sofort ins Gefängnis werfen. Er berief sodann den Rat und stellte ihm vor, der Orden müsse den Ungehorsam auf das Strengste bestrafen, da dieser für dessen Zucht gefährlicher sei als viele Schlangen für die Tiere und Menschen der Insel. Und er stimmte auch dafür, den Sieger mit dem Tod zu bestrafen. Auf das Anraten des Rates begnügte er sich, ihm das Ordenskleid zu nehmen. So sah sich Gozon kurze Zeit nach dem Sieg des Ordenskleides beraubt, eine Strafe die ihm viel schlimmer als der Tod schien. Der Großmeister aber ließ, nachdem er so der Ordenszucht Genüge getan hatte, wieder seine Sanftmut und Güter walten. Ja, er vermittelte es, dass man seiner Begnadigung erbat, die er selbst beantragt haben würde, wäre er nicht Meister des Ordens gewesen. Auf dringende Bitten der ersten Komturen schenkte er ihm sein Kleid und sein Wohlwollen wieder und überhäufte ihn mit Wohltaten. Den Kopf der Schlange befestigte man auf einem der Tore der Stadt als Denkmal für Gozons Sieg.

Vertot erzählt in einer Reisebeschreibung, er habe diesen selbst oder ein Abbild davon noch persönlich gesehen. Der Kopf sei dicker und größer als ein Pferdekopf gewesen, der Rachen bis an die Ohren geschlitzt. Er habe große Zähne und Ohren, runde Augen und eine grau-weiße Farbe gehabt, welche Letztere vielleicht vom Staube herrühren.

Vertot berichtet weiter, wie der Großmeister den Helden für seine ausgestandene Pein zu entschädigen gesucht und ihn zu seinem Statthalter gemacht hat, überzeugt, dass ein so tapferer und mutiger Ritter, der sein Leben großherzig für das Wohl der Einwohner aufs Spiel gesetzt hat, auch die Insel im Fall eines Krieges oder einer Belagerung am besten gegen die Ungläubigen schützen werde. Nach dem Tod des Großmeisters wurde Gozon an dessen Stelle erwählt. Er selbst hatte für sich bestimmt, weil er keinen wisse, der in diesen gefährlichen Zeiten besser einem so wichtigen Amt vorstehen könne. Er starb 1353. Auf sein Grabmal setzte man die Worte: Der Drachentöter.

Dieser Beitrag besteht aus 5 Seiten: