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Über die Sprache in Wallensteins Lager

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Wallensteins Lager versprüht frische Keckheit. Dies liegt mitunter auch an Schillers Nachahmung der Volkssprache. Nicht nur ältere Ausdrücke, wie „der Schick“ (für Benehmen), „baß“ (für tüchtig), sondern auch die Abwandelung der weiblichen Hauptwörter in der Einheit, wie: „in der Sonnen, auf der Erden, vor der engen Stuben, auf der Leipziger Messen, aus seiner Kassen, von der wahren Lehren“ versetzen uns sogleich um ein paar Jahrhunderte rückwärts. Eben so sind niedere Ausdrücke, wie „juchzen (f. jauchzen), just (f. gerade), flott (f. munter), dick (f. zahlreich), flecken (f. vorwärtsgehen), muffig“ (f. versteckt od. tückisch), desgleichen mundartliche Ausdrücke wie „schier (sd. f. fast), kraus (niederd. f. unordentlich, bunt), Sabel (s. Säbel), thät (f. that), Fratzen (s. Albernheiten), stät (f. beständig) nix“ (f. nichts) und verschiedene niedere Redensarten wie: „es ist nicht geheuer, ist er bei Troste, es ist nicht ganz ohne, lass er das unterwegen, sie sind ihm am Hofe so nicht grün, werden uns viel um den Kaiser scheren, bleiben wir von (statt fern von) dem Soldatenhaufen, das (das sächliche Fürwort auf eine Person bezogen) denkt wie ein Seifensieder“ – in hohem Grade geneigt, uns mit voller Lebendigkeit in die ungenierte Gesellschaft zu versetzen, die sich vor unseren Augen bewegt. Fügen wir nun noch einige Beispiele des für den Sinn im Allgemeinen überflüssigen Dativus ethicus hinzu, der nur die Teilnahme des Angeredeten in Anspruch nehmen will, wie: „sind euch gar trotzige Kameraden“, „sind dir gar lockere, leichte Gesellen“, wobei zugleich die Auslassung des Subjekts charakteristisch ist. Erinnern wir ferner an die bei einem Genitiv des Besitzes völlig überflüssigen Possessivpronomen wie: „auf der Fortuna ihrem Schiff“, „des Teufels sein Angesicht“, und schließlich an manche fremde Ausdrücke, wie „Permiß, Schenie, Schef“, deren einige man in späteren Ausgaben mit Unrecht in korrekter Orthographie aufgeführt hat. So hat der Dichter gewiss nichts unterlassen, was auf scharfe Beobachtung der Volkssprache schließen lässt.

Wenn schon in der Unbefangenheit der Volkssprache für jeden Beobachter, den Gebildeten, wie den Ungebildeten, etwas echt Komisches liegt, so muss sich dies natürlich auch im Volksgeist zeigen, der ja eben in der Sprache nur zum Ausdruck gelangt. Wenn Schiller so bescheiden ist, von Wallensteins Lager zu behaupten, das ganze Verdienst dieser Dichtung könne bloß Lebhaftigkeit sein, so liegt darin zugleich eine tiefe Wahrheit. Es ist eben die lebhafte Erfassung seines Gegenstandes, bei dem er nur die Sache im Auge hat und seinen Humor in ungezwungener Weise walten lässt. Hierdurch ist das Ganze so vortrefflich, so echt poetisch geraten, dass es jedem unbefangenen Beurteiler als ein entschieden genialer Wurf erscheinen muss.