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Arion.

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Romanze.

Arion war der Töne Meister,
Die Cither lebt’ in seiner Hand;
Damit ergötzt’ er alle Geister,
Und gern empfing ihn jedes Land.
Er schiffte Goldbeladen
Jetzt von Taronts Gestaden,
Zum schönen Hellas heimgewandt.

Zum Freunde zieht ihn sein Verlangen,
Ihn liebt der Herrscher von Korinth.
Eh’ in die Fremd’ er ausgegangen,
Bat der ihn, brüderlich gesinnt:
Lass dirs in meinen Hallen
Doch ruhig wohlgefallen!
Viel kann verlieren, wer gewinnt.

Arion sprach: ein wandernd Leben
Gefällt der freyen Dichterbrust.
Die Kunst, die mir ein Gott gegeben,
Sie sey auch vieler Tausend Lust.
An wohlerworbnen Gaben
Wie werd’ ich einst mich laben,
Des weiten Ruhmes froh bewusst! –

Er sieht im Schiff am zweyten Morgen,
Die Lüfte wehen lind und warm.
„O Periander, eitle Sorgen!
Vergiss sie nun in meinem Arm.
Wir wollen mit Geschenken
Die Götter reich bedenken,
Und jubeln in der Gäste Schwarm.

Es bleiben Wind und See gewogen,
Auch nicht ein fernes Wölkchen graut.
Er hat nicht allzuviel den Wogen,
Den Menschen allzu viel vertraut.
Er hört die Schiffer flüstern,
Nach seinen Schätzen lüstern,
Doch bald umringen sie ihn laut.

„Du darfst, Arion, nicht mehr leben
Begehrtst du auf dem Land’ ein Grab,
So musst du hier den Tod dir geben;
Sonst wirf dich in das Meer hinab.“
So wollt ihr mich verderben?
Ihr mögt mein Gold erwerben,
Ich kaufe gern mein Blut euch ab. –

„Nein, nein! wir lassen dich nicht wandern,
Du wärst ein zu gefährlich Haupt.
Wo blieben wir vor Periandern,
Verriethst du, dass wir dich beraubt?
Uns kann dein Gold nicht frommen,
Wenn wieder heim zu kommen
Uns nimmermehr die Furcht erlaubt.“

Gewährt mit denn noch Eine Bitte,
Gilt, mich zu retten, kein Vertrag;
Dass ich nach Citherspieler-Sitte,
Wie ich gelebet, sterben mag.
Wann ich mein Lied gesungen,
Die Saiten ausgeklungen,
Dann fahre hin des Lebens Tag. –

Die Bitte kann sie nicht beschämen,
Sie denken nur an den Gewinn.
Doch solchen Sänger zu vernehmen,
Das reizet ihren wilden Sinn.
„Und wollt ihr ruhig lauschen,
Lasst mich die Kleider tauschen,
Im Schmuck nur reisst Apoll mich hin.“

Der Jüngling hüllt die schönen Glieder
In Gold und Purpur wunderbar.
Bis auf die Sohlen wallt hernieder
Ein leichter faltiger Talar;
Die Arme zieren Spangen,
Um Hals und Stirn und Wangen
Fliegt duftend das bekränzte Haar.

Die Cither ruht in seiner Linken,
Die Rechte hält das Elfenbein.
Er scheint erquickt die Luft zu trinken,
Er strahlt im Morgensonnenschein.
Es staunt der Schiffer Bande,
Er schreitet vorn zum Rande,
Und sieht ins blaue Meer hinein.

Er sang: Gefährtin meiner Stimme!
Komm, folge mir ins Schattenreich.
Ob auch der Höllenhund ergrimme,
Die Macht der Töne zähmt ihn gleich.
Elysiums Heroën,
Dem dunkeln Strohm entflohen!
Ihr Friedlichen, schon grüss’ ich euch!

Doch könnt ihr mich des Grams entbinden?
Ich lasse meinen Freund zurück.
Du gingst, Eurydicen zu finden;
Der Hades barg dein süsses Glück.
Da wie ein Traum zerronnen,
Was dir dein Lied gewonnen,
Verfluchtest du der Sonne Blick.

Ich muss hinab, ich will nicht zagen.
Die Götter schauen aus der Höh.
Die ihr mich wehrlos habt erschlagen,
Erblasset, wenn ich untergeh’!
Den Gast, zu euch gebettet,
Ihr Nereiden, rettet! –
So sprang er in die tiefe See.

Ihn decken alsobald die Wogen,
Die sichern Schiffer segeln fort.
Delphine waren nachgezogen,
Als lockte sie ein Zauberwort:
Eh Fluthen ihn ersticken,
Beut einer ihm den Rücken
Und trägt ihn sorgsam hin zum Port,

„Leb’ wohl, und könnt ich dich belohnen
Du treuer, freundlicher Delphin!
Du kannst nur hier, ich dort nur wohnen
Gemeinschaft ist uns nicht verliehn.
Dich wird auf feuchten Spiegeln
Noch Galaten zügeln,
Du wirst sie stolz und heilig ziehn.“

Arion eilt nun leicht von hinnen,
Wie einst er in die Fremde fuhr;
Schon glänzen ihm Korinthus Zinnen,
Er wandelt singend durch die Flur.
Mit Lieb’ und Lust gebohren,
Vergisst er, was verlohren,
Bleibt ihm der Freund, die Cither nur.

Er tritt hinein: „Vom Wanderleben
Nun ruh, ich, Freund, an deiner Brust.
Die Kunst, die mir ein Gott gegeben,
Sie wurde vieler Tausend Lust.
Zwar falsche Räuber haben
Die wohlerworbnen Gaben,
Doch bin ich mir des Ruhms bewusst.

Dann spricht er von den Wunderdingen
Dass Periander staunend horcht.
„Soll jenen solch ein Raub gelingen?
Ich hätt’ umsonst die Macht geborgt.
Die Thäter zu entdecken
Musst du dich hier verstecken,
So nahn sie wohl sich unbesorgt.“

Und als im Hafen Schiffer kommen
Bescheidet er sie zu sich her.
„Habt vom Arion ihr vernommen?
Mich kümmert seine Wiederkehr.“ –
Wir liessen, recht im Glücke,
Ihn zu Tarent zurücke. –
Da, siehe! tritt Arion her.

Gehüllt sind seine schönen Glieder
In Gold und Purpur wunderbar.
Bis auf die Sohlen wallt hernieder
Ein leichter faltiger Talar;
Die Arme zieren Spangen,
Um Hals und Stirn und Wangen
Fliegt duftend das bekränzte Haar.

Die Cither ruht in seiner Linken,
Die Rechte hält das Elfenbein.
Sie müssen ihm zu Füssen sinken,
Es trifft sie wie des Blitzes Schein.
Ihn wollten wir ermorden;
Er ist zum Gotte worden:
O schläng’ uns nur die Erd hinein!“ –

Er lebet noch, der Töne Meister;
Der Sänger steht in heil’ger Hut.
Ich rufe nicht der Rache Geister,
Arion will nicht euer Blut.
Fern mögt ihr zu Barbaren,
Des Geizes Knechte, fahren;
Nie labe Schönes euern Muth!

A. W. Schlegel.