HomeMusenalmanach 1798Zueignung des Trauerspiels Romeo und Julia.

Zueignung des Trauerspiels Romeo und Julia.

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Nimm diess Gedicht, gewebt aus Lieb und Leiden,
Und drück’ es sanft an deine zarte Brust.
Was dich erschüttert, regt sich in uns beyden.
Was du nicht sagst, es ist mir doch bewusst.
Unglücklich Paar! und dennoch zu beneiden;
Sie kannten ja des Daseyns höchste Lust.
Lass süss und bitter denn uns Thränen mischen,
Und mit dem Thau der Treuen Grab erfrischen.

Den Sterblichen ward nur ein flüchtig Leben:
Diess flücht’ge Leben, welch ein matter Traum!
Sie tappen, auch bey ihrem kühnsten Streben,
Im Dunkel hin, und kennen selbst sich kaum.
Das Schicksal mag sie drücken oder heben:
Wo findet ein unendlich Sehnen Raum?
Nur Liebe kann den Erdenstaub beflügeln,
Nur sie allein den Himmel Thor entsiegeln.

Und ach! sie selbst, die Königin der Seelen,
Wie oft erfährt sie des Geschickes Neid!
Manch liebend Paar zu trennen und zu quälen
Ist Hass und Stolz verschworen und bereit.
Sie müssen schlau die Augenblicke stehlen,
Und wachsam lauschen in der Trunkenheit,
Und, wie auf wilder Well’ in Ungewittern,
Vor Todesangst und Götterwonne zittern.

Doch der Gefahr kann Zagheit nur erliegen,
Der Liebe Muth erschwillt, je mehr sie droht.
Sich innig fest an den Geliebten schmiegen,
Sonst kennt sie keine Zuflucht in der Noth.
Entschlossen sterben oder glücklich siegen,
Ist ihr das erste, heiligste Gebot.
Sie fühlt, vereint, noch frey sich in den Ketten,
Und schaudert nicht, bey Todten sich zu betten.

Ach! schlimmer drohn ihr lächelnde Gefahren,
Wenn sie des Zufalls Tücken überwand.
Vergänglichkeit muss jede Blüth’ erfahren:
Hat aller Blüthen Blüthe mehr Bestand?
Die wie durch Zauber fest geschlungen waren,
Löst Glück und Ruh und Zeit mit leiser Hand,
Und, jedem fremden Widerstand entronnen,
Ertränkt sich Lieb’ im Becher eigner Wonnen.

Viel seliger, wenn seine schönste Habe
Das Herz mit sich ins Land der Schatten reisst,
Wenn dem Befreyer Tod, zur Opfergabe,
Der süsse Kelch noch kaum gekostet fleusst.
Ein Tempel wird aus der Geliebten Grabe,
Der schirmend ihren heil’gen Bund umschleusst.
Sie sterben: doch im letzten Athemzuge
Entschwingt die Liebe sich zu höherm Fluge.

Diess mildert dir die gern erregte Trauer,
Die Dichtung führt uns in uns selbst zurück.
Wir fühlen beyd’ in freudig stillem Schauer;
Wir sagen es mit schnell begriffnem Blick:
Wie unsers Werths ist unsers Bundes Dauer,
Ein schön Geheimniss sichert unser Glück.
Was auch die ferne Zukunft mag verschleyern,
Wir werden stets der Liebe Jugend feyern.

A. W. Schlegel.