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Der Neffe als Onkel (Picard) – Erster Aufzug. Sechster Auftritt.

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Frau von Dorsigny. Franz von Dorsigny.

Fr. v. Dorsigny.
Nun, lieber Mann! diese Heirath –

Dorsigny.
Aus dieser Heirath wird – nichts.

Fr. v. Dorsigny.
Wie? Haben wir nicht das Wort des Vaters?

Dorsigny.
Freilich wohl! Aber der Sohn kann unsere Tochter nicht heirathen.

Fr. v. Dorsigny.
So? Und warum denn nicht?

Dorsigny (mit starkem Ton).
Weil – weil er – todt ist.

Fr. v. Dorsigny.
Mein Gott, welcher Zufall!

Dorsigny.
Es ist ein rechter Jammer. Dieser junge Mann war, was die meisten jungen Leute sind, so ein kleiner Wüstling. Einen Abend bei einem Balle fiel’s ihm ein, einem artigen hübschen Mädchen – den Hof zu machen; ein Nebenbuhler mischte sich drein und erlaubte sich beleidigende Scherze. Der junge Lormeuil, lebhaft, aufbrausend, wie man es mit zwanzig Jahren ist, nahm das übel; zum Unglück war er an einen Raufer von Profession gerathen, der sich nie schlägt, ohne seinen Mann – zu tödten. Und diese böse Gewohnheit behielt auch jetzt die Oberhand über die Geschicklichkeit seines Gegners; der Sohn meines armen Freundes blieb auf dem Platz, mit drei tödtlichen – Stichen im Leibe.

Fr. v. Dorsigny.
Barmherziger Himmel! Was muß der Vater dabei gelitten haben!

Dorsigny.
Das können Sie denken! Und die Mutter!

Fr. v. Dorsigny.
Wie? Die Mutter! Die ist ja im letzten Winter gestorben, so viel ich weiß.

Dorsigny.
Diesen Winter – ganz recht! Mein armer Freund Lormeuil! Den Winter stirbt ihm seine Frau, und jetzt im Sommer muß er den Sohn in einem Duell verlieren! – Es ist mir auch schwer angekommen, ihn in seinem Schmerz zu verlassen! Aber der Dienst ist jetzt so scharf! Auf den zwanzigsten müssen alle Offiziere – beim Regiment sein! Heut ist der neunzehnte, und ich habe nur einen Sprung nach Paris gethan und muß schon heute Abend wieder – nach meiner Garnison zurückreisen.

Fr. v. Dorsigny.
Wie? So bald?

Dorsigny.
Das ist einmal der Dienst! Was ist zu machen? Jetzt auf unsere Tochter zu kommen –

Fr. v. Dorsigny.
Das liebe Kind ist sehr niedergeschlagen und schwermüthig, seitdem Sie weg waren.

Dorsigny.
Wissen Sie, was ich denke? Diese Partie, die wir ihr ausgesucht, war – nicht nach ihrem Geschmack.

Fr. v. Dorsigny.
So? Wissen Sie?

Dorsigny.
Ich weiß nichts – Aber sie ist fünfzehn Jahre alt – Kann sie nicht für sich selbst schon gewählt haben, eh wir es für sie thaten?

Fr. v. Dorsigny.
Ach Gott ja! Das begegnet alle Tage.

Dorsigny.
Zwingen möchte ich ihre Neigung nicht gern.

Fr. v. Dorsigny.
Bewahre uns Gott davor!