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Der Neffe als Onkel (Picard) – Erster Aufzug. Vierter Auftritt.

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Vorige. Frau von Mirville.

Fr. v. Mirville.
Ah! Sind Sie es? Sei’n Sie von Herzen willkommen!

Dorsigny.
Nun, das ist doch ein herzlicher Empfang!

Fr. v. Mirville.
Das ist ja recht schön, daß Sie uns so überraschen! Sie schreiben, daß Sie eine lange Reise vorhätten, von der Sie frühestens in einem Monat zurück sein könnten, und vier Tage darauf sind Sie hier.

Dorsigny.
Geschrieben hätt‘ ich und an wen?

Fr. v. Mirville.
An meine Tante! (Sieht den Champagne, der seinen Mantel ablegt.) Wo ist denn aber Herr von Lormeuil?

Dorsigny.
Wer ist der Herr von Lormeuil?

Fr. v. Mirville.
Ihr künftiger Schwiegersohn.

Dorsigny.
Sage mir, für wen hältst du mich?

Fr. v. Mirville.
Nun, doch wohl für meinen Onkel!

Dorsigny.
Ist’s möglich! Meine Schwester erkennt mich nicht!

Fr. v. Mirville.
Schwester? Sie – mein Bruder?

Dorsigny.
Ich – dein Bruder.

Fr. v. Mirville.
Das kann nicht sein. Das ist nicht möglich. Mein Bruder ist bei seinem Regiment zu Straßburg, mein Bruder trägt sein eigenes Haar, und das ist auch seine Uniform nicht – und so groß auch sonst die Aehnlichkeit –

Dorsigny.
Eine Ehrensache, die aber sonst nicht viel zu bedeuten haben wird, hat mich genöthigt, meine Garnison in aller Geschwindigkeit zu verlassen; um nicht erkannt zu werden, steckte ich mich in diesen Rock und diese Perrücke.

Fr. v. Mirville.
Ist’s möglich? – O so laß dich herzlich umarmen, lieber Bruder – Ja, nun fange ich an, dich zu erkennen! Aber die Aehnlichkeit ist doch ganz erstaunlich.

Dorsigny.
Mein Onkel ist also abwesend?

Fr. v. Mirville.
Freilich, der Heirath wegen.

Dorsigny.
Der Heirath? – Welcher Heirath?

Fr. v. Mirville.
Sophiens, meiner Cousine.

Dorsigny.
Was hör‘ ich? Sophie soll heirathen?

Fr. v. Mirville.
Ei freilich! Weißt du es denn nicht?

Dorsigny.
Mein Gott! Nein!

Champagne (nähert sich).
Nicht ein Wort wissen wir.

Fr. v. Mirville.
Herr von Lormeuil, ein alter Kriegskamerad des Onkels, der zu Toulon wohnt, hat für seinen Sohn um Sophien angehalten – Der junge Lormeuil soll ein sehr liebenswürdiger Mann sein, sagt man; wir haben ihn noch nicht gesehen. Der Onkel holt ihn zu Toulon ab; dann wollen sie eine weite Reise zusammen machen, um ich weiß nicht welche Erbschaft in Besitz zu nehmen. In einem Monat denken sie zurück zu sein, und wenn du alsdann noch da bist, so kannst du zur Hochzeit mit tanzen.

Dorsigny.
Ach, liebe Schwester! – Redlicher Champagne! Rathet, helft mir! Wenn ihr mir nicht beisteht, so ist es aus mit mir, so bin ich verloren.

Fr. v. Mirville.
Was hast du denn, Bruder? Was ist dir?

Champagne.
Mein Herr ist verliebt in seine Cousine.

Fr. v. Mirville.
Ah, ist es das?

Dorsigny.
Diese unglückselige Heirath darf nun und nimmermehr zu Stand kommen.

Fr. v. Mirville.
Es wird schwer halten, sie rückgängig zu machen. Beide Väter sind einig . das Wort ist gegeben, die Artikel sind aufgesetzt, und man erwartet bloß noch den Bräutigam, sie zu unterzeichnen und abzuschließen.

Champagne.
Geduld! – Hören Sie! – (Tritt zwischen Beide). Ich habe einen sublimen Einfall!

Dorsigny.
Rede!

Champagne.
Sie haben einmal den Anfang gemacht, Ihren Onkel vorzustellen! Bleiben Sie dabei! Führen Sie die Rolle durch.

Fr. v. Mirville.
Ein schönes Mittel, um die Nichte zu heirathen.

Champagne.
Nur gemach! Lassen Sie mich meinen Plan entwickeln, – Sie spielen also Ihren Onkel! Sie sind nun Herr hier im Hause, und Ihr erstes Geschäft ist, die bewußte Heirath wieder aufzuheben – Sie haben den jungen Lormeuil nicht mitbringen können, weil er – weil er gestorben ist – Unterdessen erhält Frau von Dorsigny einen Brief von Ihnen, als dem Neffen, worin Sie um die Cousine anhalten – Das ist mein Amt! Ich bin der Courier, der den Brief von Straßburg bringt – Frau von Dorsigny ist verliebt in ihren Neffen; sie nimmt diesen Vorschlag mit der besten Art von der Welt auf; sie theilt ihn Ihnen als ihrem Eheherrn mit, und Sie lassen sich’s, wie billig, gefallen. Nun stellen Sie sich, als wenn Sie aufs eiligste verreisen müßten; Sie geben der Tante unbedingte Vollmacht, diese Sache zu Ende zu bringen. Sie reisen ab, und den andern Tag erscheinen Sie in Ihren natürlichen Haaren und in der Uniform Ihres Regiments wieder, als wenn Sie eben spornstreichs von Ihrer Garnison herkämen. Die Heirath geht vor sich; der Onkel kommt stattlich angezogen mit seinem Bräutigam, der den Platz glücklich besetzt findet und nichts Besseres zu thun hat, als umzukehren und sich entweder zu Toulon oder in Ostindien eine Frau zu holen.

Dorsigny.
Glaubst du, mein Onkel werde das so geduldig –

Champagne.
O er wird aufbrausen, das versteht sich! Es wird heiß werden am Anfang – Aber er liebt Sie! er liebt seine Tochter! Sie geben ihm die besten Worte, versprechen ihm eine Stube voll artiger Enkelchen, die ihm alle so ähnlich sehen sollen, wie Sie selbst. Er lacht, besänftigt sich, und alles ist vergessen.

Fr. v. Mirville.
Ich weiß nicht, ist es das Tolle dieses Einfalls, aber er fängt an, mich zu reizen –

Champagne.
O er ist himmlisch, der Einfall!

Dorsigny.
Lustig genug ist er, aber nur nicht ausführbar – Meine Tante wird mich wohl für den Onkel ansehen! –

Fr. v. Mirville.
Habe ich’s doch!

Dorsigny.
Ja, im ersten Augenblicke.

Fr. v. Mirville.
Wir müssen ihr keine Zeit lassen, aus der Täuschung zu kommen. Wenn wir die Zeit benutzen, so brauchen wir auch nur einen Augenblick – Es ist jetzt Abend, die Dunkelheit kommt uns zu Statten; diese Lichter leuchten nicht hell genug, um den Unterschied bemerklich zu machen. Den Tag brauchst du gar nicht zu erwarten – du erklärst zugleich, daß du noch in der Nacht wieder fortreisen müssest, und morgen erscheinst du in deiner wahren Person. Geschwind ans Werk! wir haben keine Zeit zu verlieren – Schreibe den Brief an unsre Tante, den dein Champagne als Courier überbringen soll, und worin du um Sophien anhältst.

Dorsigny (an den Schreibtisch gehend.)
Schwester! Schwester! du machst mit mir, was du willst.

Champagne (sich die Hände reibend).
Wie freue ich mich über meinen klugen Einfall! Schade, daß ich schon eine Frau habe; ich könnte hier eine Hauptrolle spielen, anstatt jetzt bloß den Vertrauten zu machen.

Fr. v. Mirville.
Wie das, Champagne?

Champagne.
Ei nun, das ist ganz natürlich. Mein Herr gilt für seinen Onkel, ich würde den Herrn von Lormeuil vorstellen, und wer weiß, was mir am Ende nicht noch blühen könnte, wenn meine verdammte Heirath –

Fr. v. Mirville.
Wahrhaftig, meine Cousine hat Ursache, sich darüber zu betrüben!

Dorsigny (siegelt den Brief und gibt ihn an Champagne).
Hier ist der Brief. Richt‘ es nun ein, wie du willst! Dir überlass‘ ich mich.

Champagne. Sie sollen mit mir zufrieden sein – In wenig Augenblicken werde ich damit als Courier von Straßburg ankommen, gespornt und gestiefelt, triefend von Schweiß. – Sie, gnädiger Herr, halten sich wacker. – Muth, Dreistigkeit, Unverschämtheit, wenn‘ s nöthig ist. – Den Onkel gespielt, die Tante angeführt, die Nichte geheirathet und, wenn alles vorbei ist, den Beutel gezogen und den redlichen Diener gut bezahlt, der Ihnen zu allen diesen Herrlichkeiten verholfen hat. (Ab.)

Fr. v. Mirville.
Da kommt die Tante. Sie wird dich für den Onkel ansehen. Thu‘, als wenn du nothwendig mit ihr zu reden hättest, und schick‘ mich weg.

Dorsigny.
Aber was werd‘ ich ihr denn sagen?

Fr. v. Mirville.
Alles, was ein galanter Mann seiner Frau nur Artiges sagen kann.