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Der Parasit (Picard) – Dritter Aufzug. Neunter Auftritt.

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Narbonne zu den Vorigen.

Narbonne.
Ich habe Arbeiten von Ihnen gesehen, Herr Firmin, die mir eine hohe Idee von Ihren Einsichten geben, und von allen Seiten hör‘ ich Ihre Rechtschaffenheit, Ihre Bescheidenheit rühmen. – Männer Ihrer Art brauche ich höchst nöthig– Ich komme deßwegen, mir Ihren Beistand, Ihren Rath, Ihre Mitwirkung in dem schweren Amte auszubitten, das mir anvertraut ist. – Wollen Sie mir Ihre Freundschaft schenken, Herr Firmin?

Firmin.
So viel Zutrauen beschämt mich und macht mich stolz. – Mit Freude und Dankbarkeit nehme ich dieses gütige Anerbieten an – aber ich fürchte, man hat Ihnen eine zu hohe Meinung von mir gegeben.

Karl.
Man hat Ihnen nicht mehr gesagt, als wahr ist, Herr von Narbonne! – Ich bitte Sie, meinem Vater in diesem Punkte nicht zu glauben.

Firmin.
Mache nicht zu viel Rühmens, mein Sohn, von einem ganz gemeinen Verdienst.

Narbonne.
Das ist also Ihr Sohn, Herr Firmin?

Firmin.
Ja.

Narbonne.
Der Karl Firmin, dessen meine Mutter und Tochter noch heute Morgen gedacht haben?

Karl.
Ihre Mutter und die liebenswürdige Charlotte haben sich noch an Karl Firmin erinnert!

Narbonne.
Sie haben mir sehr viel Schmeichelhaftes von Ihnen gesagt.

Karl.
Möchte ich so viele Güte verdienen!

Narbonne.
Es soll mich freuen, mit Ihnen, braver junger Mann, und mit Ihrem würdigen Vater mich näher zu verbinden. – Herr Firmin! Wenn es meine Pflicht ist, Sie aufzusuchen, so ist es die Ihre nicht weniger, sich finden zu lassen. Mag sich der Unfähige einer schimpflichen Trägheit ergeben! – Der Mann von Talent, der sein Vaterland liebet, sucht selbst das Auge seines Chefs und bewirbt sich um die Stelle, die er zu verdienen sich bewußt ist. – Der Dummkopf und der Nichtswürdige sind immer bei der Hand, um sich mit ihrem anmaßlichen Verdienste zu brüsten – Wie soll man das wahre Verdienst unterscheiden, wenn es sich mit seinen verächtlichen Nebenbuhlern nicht einmal in die Schranken stellt? – Bedenken Sie, Herr Firmin, daß man für das Gute, welches man nicht thut, so wie für das Böse, welches man zuläßt, verantwortlich ist.

Karl.
Hören Sie‘ s nun, mein Vater!

Firmin.
Geben Sie mir Gelegenheit, meinem Vaterlande zu dienen, ich werde sie mit Freuden ergreifen!

Narbonne.
Und mehr verlang‘ ich nicht – Damit wir besser mit einander bekannt werden, so speisen Sie Beide diesen Abend bei mir. Sie finden eine angenehme Gesellschaft – ein paar gute Freunde, einige Verwandte – Aller Zwang wird entfernt sein, und meine Mutter, die durch meinen neuen Stand nicht stolzer geworden ist, wird Sie aufs freundlichste empfangen, das versprech‘ ich Ihnen.

Firmin.
Wir nehmen Ihre gütige Einladung an.

Karl (für sich).
Ich werde Charlotten sehen!

La Roche (bei Seite).
Die Sachen sind auf gutem Weg – der Augenblick ist günstig – frisch, noch einen Ausfall auf diesen Selicour! (Kommt vorwärts.) So lassen Sie endlich dem Verdienst Gerechtigkeit widerfahren, gut! Nun ist noch übrig, auch das Laster zu entlarven – Glücklicherweise finde ich Sie hier und kann da fortfahren, wo ich es diesen Morgen gelassen. – Dieser Selicour brachte mich heute zum Stillschweigen – ich machte es ungeschickt, ich gesteh‘ es, daß ich so mit der Thür ins Haus fiel; aber wahr bleibt wahr! Ich habe doch recht! Sie verlangten Thatsachen – Ich bin damit versehen.

Narbonne.
Was? Wie?

La Roche.
Dieser Mensch, der sich das Ansehen gibt, als ob er seiner Mutter und seiner ganzen Familie zur Stütze diente, er hat einen armen Teufel von Vetter schön empfangen, der heute in seiner Einfalt, in gutem Vertrauen zu ihm in die Stadt kam, um eine kleine Versorgung durch ihn zu erhalten. Fortgejagt wie einen Taugenichts hat ihn der Heuchler! So geht er mit seinen Verwandten um – und wie schlecht sein Herz ist, davon kann seine nothleidende Mutter –

Firmin.
Sie thun ihm sehr Unrecht, lieber La Roche! Eben dieser Vetter, den er soll fortgejagt haben, kehrt mit seinen Wohlthaten überhäuft und von falschen Hoffnungen geheilt in sein Dorf zurück!

Narbonne.
Eben mit diesem Vetter hat er sich recht gut betragen.

La Roche.
Wie? Was?

Narbonne.
Meine Mutter war ja bei dem Gespräch zugegen.

Firmin.
Lieber La Roche! Folgen Sie doch nicht so der Eingebung einer blinden Rache.

La Roche.
Schön, Herr Firmin! Reden Sie ihm noch das Wort!

Firmin.
Er ist abwesend, es ist meine Pflicht, ihn zu verteidigen.

Narbonne.
Diese Gesinnung macht Ihnen Ehre, Herr Firmin; auch hat sich Herr Selicour in Ansehung Ihrer noch heute eben so betragen. – Wie erfreut es mich, mich von so würdigen Personen umgeben zu sehen. – (Zu La Roche) Sie aber, der den armen Selicour so unversöhnlich verfolgt, Sie scheinen mir wahrlich der gute Mann nicht zu sein, für den man Sie hält! – Was ich bis jetzt noch von Ihnen sah, bringt Ihnen wahrlich schlechte Ehre!

La Roche (für sich).
Ich möchte bersten – aber nur Geduld!

Narbonne.
Ich bin geneigt, von dem guten Selicour immer besser zu denken, je mehr Schlimmes man mir von ihm sagt, und ich gehe damit um, ihn mir näher zu verbinden.

Karl (betroffen).
Wie so?

Narbonne.
Meine Mutter hat gewisse Plane, die ich vollkommen gutheiße – Auch mit Ihnen habe ich es gut vor, Herr Firmin! – Diesen Abend ein Mehreres. – Bleiben Sie ja nicht lange aus. (Zu Karl.) Sie, mein junger Freund, legen sich auf die Dichtkunst, hör‘ ich; meine Mutter hat mir heute Ihr Talent gerühmt. – Lassen Sie uns bald etwas von Ihrer Arbeit hören. – Auch ich liebe die Musen, ob ich gleich ihrem Dienst nicht leben kann. – Ihr Diener, meine Herren! – Ich verbitte mir alle Umstände. (Er geht ab.)