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Der Parasit (Picard) – Vierter Aufzug. Dritter Auftritt.

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Vorige. Narbonne.

Narbonne.
Selicour hier bei Ihnen! Ei, ei, liebe Mutter! Sie ziehen mir ihn von nöthigeren Dingen ab. – Er hat so dringend zu thun, und Sie beladen ihn noch mit unnützen Aufträgen.

Mad. Belmont.
Sieh, sieh, mein Sohn! – Will er nicht gar böse werden!

Narbonne.
Was soll aus dem Aufsatz werden, der doch so wichtig und so dringend ist?

Selicour.
Der Aufsatz ist fertig. Hier ist er!

Narbonne.
Was, schon fertig?

Selicour.
Und ich bitte Sie, zu glauben. daß ich weder Zeit noch Mühe dabei gespart habe.

Narbonne.
Aber wie ist das möglich?

Selicour.
Die Mißbräuche der vorigen Verwaltung haben mir nur zu oft das Herz schwer gemacht – Ich konnte es nicht dabei bewenden lassen, sie bloß müßig zu beklagen – dem Papiere vertraute ich meinen Unwillen, meinen Tadel, meine Verbesserungsplane an, und so trifft es sich, daß die Arbeit, die Sie mir auftrugen, schon seit lange im Stillen von mir gemacht ist – Es sollte mir wahrlich auch nicht an Muth gefehlt haben, öffentlich damit hervorzutreten, wenn die Regierung nicht endlich von selbst zur Einsicht gekommen wäre und in Ihrer Person einen Mann abgestellt hätte, der alles wieder in Ordnung bringt. – Jetzt ist der Zeitpunkt da, von diesen Papieren öffentlichen Gebrauch zu machen – Es fehlte nichts, als die Blätter zurecht zu legen, und das war in wenig Augenblicken geschehen.

Mad. Belmont.
Nun, mein Sohn! Du kannst zufrieden sein, denk‘ ich – Herr Selicour hat deinen Wunsch erfüllt, eh‘ er ihn wußte; hat dir in die Hand gearbeitet, und ihr kommt einander durch den glücklichsten Zufall entgegen –

Narbonne.
Mit Freuden seh‘ ich, daß wir einverstanden sind. – Geben Sie, Herr Selicour, noch heute Abend sende ich den Aufsatz an die Behörde.

Selicour (für sich).
Alles geht gut – Jetzt diesen Firmin weggeschafft, der mir im Weg ist. (Laut.) Werden Sie mir verzeihen, Herr von Narbonne? – Es thut mir leid . es zu sagen – aber ich muß fürchten, daß die Anklage des Herrn La Roche diesen Morgen doch einigen Eindruck gemacht haben könnte.

Narbonne.
Nicht den mindesten.

Selicour.
Ich habe es befürchtet. – Nach allem, was ich sehe, hat dieser La Roche meine Stelle schon an Jemanden vergeben. –

Narbonne.
Wie?

Selicour.
Ich habe immer sehr gut gedacht von Herrn Firmin. aber, ich gesteh‘ es – ich fange doch endlich an, an ihm irre zu werden.

Narbonne.
Wie? Sie haben mir ja noch heute seine Gutmütigkeit gerühmt.

Selicour.
Ist auch den Gutmütigsten bis auf einen gewissen Punkt zu trauen? – Ich sehe mich von Feinden umgeben. Man legt mir Fallstricke.

Narbonne.
Sie thun Herrn Firmin Unrecht. Ich kenne ihn besser, und ich stehe für ihn.

Selicour.
Ich wünschte, daß ich eben so von ihm denken könnte.

Narbonne.
Der schändliche Undank dieses La Roche muß Sie natürlicherweise mißtrauisch machen. Aber wenn Sie auch nur den Schatten eines Zweifels gegen Herrn Firmin haben, so werden Sie sogleich Gelegenheit haben, von Ihrem Irrthum zurück zu kommen.

Selicour.
Wie das?

Narbonne.
Er wird im Augenblick selbst hier sein.

Selicour.
Herr Firmin – hier?

Narbonne.
Hier – Ich konnte mir’s nicht versagen. Ich hab‘ ihn gesehen!

Selicour.
Gesehen! Vortrefflich!

Narbonne.
Er und sein Sohn speisen diesen Abend mit uns.

Selicour.
Speisen – Sein Sohn! Vortrefflich!

Mad. Belmont und Charlotte.
Karl Firmin?

Narbonne.
Der junge Officier, dessen Verdienste Sie mir so oft gerühmt haben – Ich habe Vater und Sohn zum Nachtessen eingeladen.

Mad. Belmont.
Ich werde sie mit Vergnügen willkommen heißen.

Narbonne (zu Selicour).
Sie haben doch nichts dawider?

Selicour.
Ich bitte sehr – ganz im Gegentheil!

Mad. Belmont.
Ich bin dem Vater schon im Voraus gut um des Sohnes willen. Und was sagt unsere Charlotte dazu?

Charlotte.
Ich, Mama – ich bin ganz Ihrer Meinung!

Narbonne.
Sie können sich also ganz offenherzig gegen einander erklären.

Selicour.
O das bedarf’s nicht – im geringsten nicht – Wenn ich’s gestehen soll, ich habe Herrn Firmin immer für den redlichsten Mann gehalten – und that ich ihm einen Augenblick Unrecht, so bekenne ich mit Freuden meinen Irrthum – Ich für meinen Theil bin überzeugt, daß er mein Freund ist.

Narbonne.
Er hat es bewiesen! Er spricht mit großer Achtung von Ihnen – Zwar kenne ich ihn nur erst von heute, aber gewiß verdient er –

Selicour (einfallend).
Alle die Lobsprüche, die ich ihm, wie Sie wissen, noch vor kurzem ertheilt habe – So bin ich einmal! Mein Herz weiß nichts von Mißgunst.

Narbonne.
Er verbindet einen gesunden Kopf mit einem vortrefflichen Herzen, und kein Mensch kann von Ruhmsucht freier sein, als er. Was gilt’s, er wär‘ im Stande, einem Andern das ganze Verdienst von dem zu lassen, was er geleistet hat!

Selicour.
Meinen Sie?

Narbonne.
Er wäre der Mann dazu!

Mad. Belmont.
Sein Sohn möchte in diesem Stück nicht ganz so denken.

Charlotte.
Jawohl, der ist ein junger feuriger Dichterkopf, der keinen Scherz versteht.

Selicour.
Würde der wohl einem Andern den Ruhm seines Werks abtreten?

Charlotte.
O daran zweifle ich sehr.

Narbonne.
Ich liebe dieses Feuer an einem jungen Kriegsmann.

Selicour.
O allerdings, das verspricht!

Narbonne.
Jeder an seinen rechten Platz gestellt, werden sie Beide vortrefflich zu brauchen sein.

Selicour.
Es ist doch gar schön, wie Sie die fähigen Leute so aufsuchen!

Narbonne.
Das ist meine Pflicht. (Er spricht mit seiner Tochter.)

Selicour.
Das war’s! (Zu Madame Belmont, bei Seite.) Ein Wort, Madame! – Man könnte doch glauben, Sie zerstreuten mich von meinen Berufsgeschäften – Wenn also diesen Abend mein Gedicht sollte gesungen werden, so – nennen Sie mich nicht!

Mad. Belmont.
Wenn Sie nicht wollen, nein.

Selicour.
Ja – mir fällt ein. – Wie? Wenn ich, größerer Sicherheit wegen, Jemanden aus der Gesellschaft darum anspräche, sich als Verfasser zu bekennen. –

Mad. Belmont.
Wie? Sie könnten einem Andern den Ruhm davon abtreten?

Selicour.
Pah! Das ist eine Kleinigkeit! (Beide Firmin treten ein.)

Charlotte (erblickt sie, lebhaft).
Da kommen sie!