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Der Parasit (Picard) – Zweiter Aufzug. Siebenter Auftritt.

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Vorige. Robineau.

Robineau (hinter der Scene).
Nu! Nu! Wenn er drinn ist, wird mir’s wohl auch erlaubt sein. denk‘ ich –

Mad. Belmont.
Was gibt’s da?

Robineau (im Eintreten).
Dieses Bedientenpack bildet sich mehr ein als seine Herrschaft. – Ich will den Herrn Selicour sprechen.

Selicour.
Ich bin’s.

Robineau.
Das will ich bald sehen. – Ja, mein Seel, das ist er! – leibhaftig – Ich seh‘ ihn noch, wie er sich im Dorf mit den Jungens herum jagte. – Nun seh‘ Er jetzt auch ‚mal mich an – betracht‘ Er mich wohl. Ich bin wohl ein bischen verändert – Kennt Er mich?

Selicour.
Nein!

Robineau.
Ei, ei, ich bin ja des Robineau’s Christoph, des Winzers, der die dicke Madelon heirathete, Seines Großvaters Muhme, Herr Selicour!

Selicour.
Ach so!

Robineau.
Nun – Vetter pflegen sich sonst zu umarmen, denk‘ ich.

Selicour.
Mit Vergnügen. – Seid mir willkommen, Vetter!

Robineau.
Großen Dank, Vetter!

Selicour.
Aber laßt uns auf mein Zimmer gehen – ich bin hier nicht zu Hause.

Mad. Belmont.
Lassen Sie sich nicht stören, Herr Selicour! Thun Sie, als wenn ich gar nicht da wäre.

Selicour.
Mit Ihrer Erlaubniß, Madame, Sie sind gar zu gütig! Man muß ihm sein schlichtes Wesen zu gute halten; er ist ein guter ehrlicher Landmann und ein Vetter, den ich sehr lieb habe.

Mad. Belmont.
Das sieht Ihnen ähnlich, Herr Selicour!

Robineau.
Ich komme so eben an, Herr Vetter!

Selicour.
So – und woher denn?

Robineau.
Ei, woher sonst als von unserm Dorf. – Dieses Paris ist aber auch wie zwanzig Dörfer. – Schon über zwei Stunden, daß ich aus dem Postwagen gestiegen, treib‘ ich mich herum, um Ihn und den La Roche aufzusuchen, Er weiß ja, Seinen Nachbar und Schulkameraden. – Nun, da find‘ ich Ihn ja endlich, und nun mag’s gut sein!

Selicour.
Er kommt in Geschäften nach Paris, Vetter?

Robineau.
In Geschäften! Hat sich wohl! Ein Geschäft hab‘ ich freilich –

Selicour.
Und welches denn?

Robineau.
Je nun – mein Glück hier zu machen, Vetter!

Selicour.
Ha! Ha!

Robineau.
Nun, das Geschäft ist wichtig genug, denk‘ ich.

Selicour (zu Madame Belmont).
Excusieren Sie.

Mad. Belmont.
Er belustigt mich. Selicour. Er ist sehr kurzweilig.

Robineau.
Peter, der Kärrner, meinte, der Vetter habe sich in Paris seine Pfeifen gut geschnitten. – Als er noch klein war, der Vetter, da sei er ein loser Schelm gewesen; da hätt’s geheißen: Der verdirbt nicht– der wird seinen Weg schon machen! – Wir hatten auch schon von Ihm gehört; aber die Nachrichten lauteten gar zu schön, als daß wir sie hätten glauben können. Wie wir aber nicht länger daran zweifeln konnten, sagte mein Vater zu mir: Geh hin, Christoph! suche den Vetter Selicour in Paris auf! Die Reise wird dich nicht reuen – Vielleicht machst du dein Glück mit einer guten Heirath. – Ich, gleich auf den Weg, und da bin ich nun! – Nehmen Sie mir’s nicht übel, Madame! Die Robineaus gehen gerade aus; was das Herz denkt, muß die Zunge sagen – und wie ich den lieben Herrn Vetter da so vor mir sah, sehen Sie, so ging mir das Herz auf.

Mad. Belmont.
Ei, das ist ganz natürlich.

Robineau.
Hör‘ Er, Vetter, ich möchte herzlich gern auch mein Glück machen! Er weiß das Geheimniß, wie man’s anfängt; theil‘ Er mir’s doch mit.

Selicour.
Sei immer rechtschaffen, wahr und bescheiden! Das ist mein ganzes Geheimniß, Vetter, weiter hab‘ ich keins. – Es ist doch alles wohl zu Hause?

Robineau.
Zum Preis Gottes, ja! Die Familie gedeiht. Der Bertrand hat seine Susanne geheirathet; sie wird bald niederkommen und hofft, der Herr Vetter wird zu Gevatter stehen. Es ist alles in guten Umständen, bis auf Seine arme Mutter. – Die meint, es war‘ doch hart, daß sie Noth leiden müsse und einen so steinreichen Sohn in der Stadt habe.

Selicour (leise).
Halt’s Maul, Dummkopf!

Mad. Belmont.
Was sagt er von der Mutter?

Selicour (laut).
Ist’s möglich? Die tausend Thaler, die ich ihr geschickt, sind also nicht angekommen? – Das thut mir in der Seele weh! – Was das doch für schlechte Anstalten sind auf diesen Posten – Die arme, gute Mutter! Was mag sie ausgestanden haben!

Mad. Belmont.
Ja wohl! Man muß ihr helfen.

Selicour.
Das versteht sich! Sogleich bitte ich den Minister um Urlaub – es ist eine gerechte Forderung. Ich kann darauf bestehen – Die Pflicht der Natur geht allen andern vor – Ich eile nach meinem Ort – in acht Tagen ist alles abgethan! – Sie hat sich nicht in Paris niederlassen wollen, wie sehr ich sie auch darum bat! Die liebe alte Mutter hängt gar zu sehr an ihrem Geburtsort.

Robineau.
So kann ich gar nicht aus ihr klug werden; denn zu uns sagte sie, sie wäre gern nach Paris gekommen, aber der Vetter habe es durchaus nicht haben wollen!

Selicour.
Die gute Frau weiß selbst nicht immer, was sie will! – Aber sie nothleidend zu wissen – ach Gott! das jammert mich und schneidet mir ins Herz.

Mad. Belmont.
Ich glaub’s Ihnen wohl, Herr Selicour! Aber Sie werden bald Rath geschafft haben. Ich gehe jetzt und lasse Sie mit Ihrem Vetter allein. – Glücklich ist die Gattin, die Sie einst besitzen wird. Ein so pflichtvoller Sohn wird gewiß auch ein zärtlicher Gatte werden! (Ab.)