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Iphigenie in Aulis – Dritter Akt. Vierter Auftritt.

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Agamemnon. Klytämnestra. Chor.

Agamemnon.
O Tochter Tyndars, wenn
Du allzu weich mich fandest, sieh dem Schmerz
Des Vaters nach, der die geliebte Tochter
Jetzt zu Achilles scheiden sehen soll!
Ich weiß es, Ihrem Glück geht sie entgegen.
Doch welchen Vater schmerzt es nicht, die er
Mit Müh‘ und Sorgen auferzog, die Lieben,
An einen Fremden hinzugeben!

Klytämnestra.
Mich
Soll man so schwach nicht finden. Auch der Mutter
– Kommt’s nun zur Trennung – wird es Thränen kosten,
Und ohne dein Erinnern – doch die Ordnung
Und deiner Tochter Jahre heischen sie.
Laß auf den Bräutigam uns kommen. Wer
Er ist, weiß ich bereits. Erzähle mir
Vor seinen Ahnherrn jetzt und seinem Lande.

Agamemnon.
Aegina kennest du, Asopus‘ Tochter.

Klytämnestra.
Wer freite sei, ein Sterblicher, ein Gott?

Agamemnon.
Zeus selbst, dem sie den Aeakus, den Herrscher
Oenopiens gebar.

Klytämnestra.
Wer folgte diesem
Auf seinem Königsthrone nach?

Agamemnon.
Derselbe,
Der Nereus‘ Tochter freite, Peleus.

Klytämnestra.
Mit
Der Götter Willen freit‘ er diese, oder
Geschah es wider ihren Rathschluß?

Agamemnon.
Zeus
Versprach sie, und der Vater führte sie ihm zu.

Klytämnestra.
Wo war die Hochzeit? In des Meeres Wellen?

Agamemnon.
Die Hochzeit war auf dem erhabnen Sitze
Des Pelion, dem Aufenthalte Chirons.

Klytämnestra.
Wo man erzählt, daß die Centauren wohnen?

Agamemnon.
Dort feierten die Götter Peleus‘ Fest.

Klytämnestra.
Den jungen Sohn – hat ihn der Vater oder
Die Göttliche erzogen?

Agamemnon.
Sein Erzieher
War Chiron, deß der Bösen Umgang nicht
Des Knaben Herz verderbe.

Klytämnestra.
Ihn erzog
Ein weiser Mann. Und weiser noch war der,
Der einer solchen Aufsicht ihn vertraute.

Agamemnon.
Das ist der Mann, den ich zu deinem Eidam
Bestimme.

Klytämnestra.
An dem Mann ist nichts zu tadeln.
Und welche Gegend Griechenlands bewohnt er?

Agamemnon.
Die Grenzen vom Phthiotis, die der Strom
Apidanus durchfließt, ist seine Heimat.

Klytämnestra.
So weit wird er die Tochter von uns führen?

Agamemnon.
Das überlass‘ ich ihm. Sie ist die Seine.

Klytämnestra.
Das Glück begleite sie! – Wann aber soll
Der Tag sein?

Agamemnon.
Wenn der segensvolle Kreis
Des Mondes wird vollendet sein.

Klytämnestra.
Hast du
Das hochzeitliche Opfer für die Jungfrau
Der Göttin schon gebracht?

Agamemnon.
Ich werd‘ es bringen.
Das Opfer ist es, was uns jetzt beschäftigt.

Klytämnestra.
Ein Hochzeitmahl gibst du doch auch?

Agamemnon.
Wenn erst
Die Himmlischen ihr Opfer haben werden.

Klytämnestra.
Wo aber gibst du dieses Mahl den Frauen?

Agamemnon.
Hier bei den Schiffen.

Klytämnestra.
Wohl. Es läßt sich anders
Nicht thun. Ich seh’s. Ich muß mich drein ergeben.

Agamemnon.
Jetzt aber höre, was von dir dabei
Verlangt wird – Doch, daß du mir ja willfahrest!

Klytämnestra.
Sag‘ an, du weißt, wie gern ich dir gehorche.

Agamemnon.
Ich freilich kann mich an dem Orte, wo
Der Bräutigam ist, finden lassen –

Klytämnestra.
Was?
Ich will nicht hoffen, daß man ohne mich
Vollziehen wird, was nur der Mutter ziemt.

Agamemnon.
Im Angesicht des ganzen griech’schen Lagers
Geb‘ ich dem Sohn des Peleus deine Tochter.

Klytämnestra.
Und wo soll dann die Mutter sein?

Agamemnon.
Nach Argos
Zurückkehren soll die Mutter – dort
Die Aufsicht führen über ihre Kinder.

Klytämnestra.
Nach Argos? Und die Tochter hier verlassen?
Und wer wird dann die Hochzeitfackel tragen?

Agamemnon.
Der Vater wird sie tragen.

Klytämnestra.
Nein, das geht nicht!
Du weißt, daß dir die Sitten dies verbieten.

Agamemnon.
Daß sie der Frau verbieten, ins Gewühl
Von Kriegern sich zu mengen, dieses weiß ich.

Klytämnestra.
Es heischt die Sitte, daß aus Mutterhänden
Die Braut der Bräutigam empfange.

Agamemnon.
Sie heischt, daß deine andern Töchter in
Mycen‘ der Mutter länger nicht entbehren.

Klytämnestra.
Wohl aufgehoben und verwahrt sind die
In ihrem Frauensaal.

Agamemnon.
Ich will Gehorsam.

Klytämnestra.
Nein!
Bei Argos‘ königlicher Göttin, nein!
Du hast dich weggemacht ins Ausland. Dort
Mach dir zu thun! [Fußnote] Mich laß im Hause walten
Und meine Töchter, wie sich’s ziemt, vermählen. (Sie geht ab.)

Agamemnon (allein).
Ach! zu entfernen hofft‘ ich sie. – Ich habe
Umsonst gehofft. Umsonst bin ich gekommen.
So häuf‘ ich Trug auf Trug, berücke Die,
Die auf der Welt das Theuerste mir sind,
Durch schnöde List, und Alles spottet meiner.
Nun will ich gehn und, was der Göttin wohl
Gefällt und mir so wenig Segen bringet
Und allen Griechen so belastend ist,
Vom Seher Kalchas näher auskundschaften.
Wer’s aber mit sich selbst gut meint, der nehme
Ja eine Gattin, die gefällig ist
Und sanften Herzens – oder lieber keine! (Er geht ab.)