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Iphigenie in Aulis – Fünfter Akt. Vierter Auftritt.

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Klytämnestra. Iphigenie. Der Chor.

Klytämnestra.
Er geht! Er flieht dich! – Tochter – Fremdlinge –
Er flieht! – Ich Unglückselige! Sie stirbt!
Er hat sein Kind dem Orkus hingegeben!

Iphigenie.
O weh mir! – Mutter, Mutter! Gleiches Leid
Berechtigt mich zu gleicher Jammerklage!
Kein Licht soll ich mehr schauen! Keine Sonne
Mehr scheinen sehn! – O Wälder Phrygiens!
Und du, von dem er einst den Namen trug,
Erhabner Ida, wo den zarten Sohn
Der Mutter Brust entrissen, Priamus
Zu grausenvollem Tode hingeworfen!
O, hätt‘ er’s nimmermehr gethan! den Hirten
Der Rinder, diesen Paris, nimmermehr
Am klaren Wasser hingeworfen, wo
Durch grüne, blüthenvolle Wiesen, reich
Beblümt mit Rosen, würdig, von Göttinnen
Gepflückt zu werden, und mit Hyacinthen,
Der Nymphen Silberquelle rauscht – wohin
Mit Hermes, Zeus‘ geflügeltem Gesandten,
Zu ihres Streits unseliger Entscheidung,
Athene kam, auf ihre Lanze stolz,
Und, stolz auf ihre Reize, Cypria,
Die Schlaue, und Saturnia, die Hohe,
Auf Jovis königliches Bette stolz!
O dieser Streit führt Griechenland zum Ruhme,
Jungfrauen, mich führt er zum Tod!

Chor.
Du fällst
Für Ilion, Dianens erstes Opfer.

Iphigenie.
Und er – o meine Mutter – er, der mir
Das jammervolle Leben gab, er flieht!
Er meidet sein verrathnes Kind! Weh mir,
Daß meine Augen sie gesehen haben,
Die traurige Verderberin! Ihr muß
Ich sterben – unnatürlich muß ich sterben,
Durch eines Vaters frevelhaften Stahl!
O Aulis, hättest du der Griechen Schiffe
In deinem Hafen nie empfangen! Hätte
Ein günst’ger Wind nach Troja sie beflügelt,
Kein Zeus hier am Euripus sie verweilt!
Ach, er verleiht die Winde nach Gefallen:
Dem schwellt er mit gelindem Wind die Segel,
Dem sendet er das Leid, die Angst dem Andern,
Den läßt er glücklich aus dem Hafen steuern,
Den führt er leicht durchs hohe Meer dahin,
Den hält er in der Mitte seines Laufes.
War’s nicht schon leidenvoll genug, nicht etwa
Schon thränenwerth genug des Menschen Loos,
Daß er dem Tod noch rief, er zu erschweren?

Chor.
Ach, wie viel Unheil, wie viel Elend brachte
Die Tochter Tyndars über Griechenland!
Du aber, Aermste, jammerst mich am meisten.
O, hättest du solch Schicksal nie erfahren!