HomeText: ÜbersetzungenIphigenie in AulisIphigenie in Aulis – Vierter Akt. Zweiter Auftritt.

Iphigenie in Aulis – Vierter Akt. Zweiter Auftritt.

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Klytämnestra zu den Vorigen.

Klytämnestra.
Glorwürd’ger Sohn der Thetis, deine Stimme
Vernahm ich drinnen im Gezelt; drum komm‘ ich
Heraus und dir entgegen –

Achilles (betroffen.)
Heilige
Schamhaftigkeit! – Ein Weib – von diesem Anstand –

Klytämnestra.
Kein Wunder, daß Achill mich nicht erkennet,
Der mich vordem noch nie gesehn – Doch Dank ihm,
Daß ihm der Scham Gesetze heilig sind!

Achilles.
Wer bist du aber? Sprich? Was führte dich
Ins griech’sche Lager, wo man Männer nur
Und Waffen sieht?

Klytämnestra.
Ich bin der Leda Tochter,
Und Klytämnestra heiß‘ ich. Mein Gemahl
Ist König Agamemnon.

Achilles.
Viel und gnug
Mit wenig Worten! Ich entferne mich.
Nicht wohlanständig wäre mir’s, mit Frauen
Gespräch zu wechseln.

Klytämnestra.
Bleib! Was fliehest du?
Laß, deine Hand in meine Hand gelegt,
Das neue Bündniß glücklich uns beginnen.

Achilles.
Ich dir die Hand? Was sagst du, Königin?
Zu sehr verehr‘ ich Agamemnons Haupt,
Als daß ich wagen sollte, zu berühren,
Was mir nicht ziemt.

Klytämnestra.
Warum dir nicht geziemen,
Da du mit meiner Tochter dich vermählest?

Achilles.
Vermählen – Wahrlich – Ich bin voll Erstaunen –
Doch nein, du redest so, weil du dich irrest.

Klytämnestra.
Auch dies Erstaunen find‘ ich sehr begreiflich.
Uns alle pflegt – ich weiß nicht welche – Scheu
Beim Anblick neuer Freunde umzuwandeln,
Wenn sie von Heirath sprechen sonderlich.

Achilles.
Nie, Königin, hab‘ ich um deine Tochter
Gefreit – und nie ist zwischen den Atriden
Und mir ein Solches unterhandelt worden.

Klytämnestra.
Was für ein Irrthum muß hier sein? Gewiß,
Wenn meine Rede sich bestürzt, so setzt
Die deine mich nicht minder in Erstaunen.

Achilles.
Denk nach, wie das zusammenhängt! Dir muß,
Wie mir, dran liegen, es herauszubringen.
Vielleicht, daß wir nicht beide uns betrügen!

Klytämnestra.
O der unwürdigen Begegnung! – Eine
Vermählung, fürcht‘ ich, läßt man mich hier stiften,
Die nie sein wird und nie hat werden sollen.
O wie beschämt mich das!

Achilles.
Ein Scherz vielleicht,
Den Jemand mit uns beiden treibt. Nimm’s nicht
Zu Herzen, edle Frau. Veracht‘ es lieber.

Klytämnestra.
Leb‘ wohl. In deine Augen kann ich ferner
Nicht schau’n, da ich zur Lügnerin geworden,
Da ich erniedrigt worden bin.

Achilles.
Mich laß
Vielmehr so reden! – Doch ich geh‘ hinein,
Den König, deinen Gatten, aufzusuchen.

(Wie er auf das Zelt zugeht, wird es geöffnet.)