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Macbeth (Shakespeare) – Erster Aufzug. Fünfzehnter Auftitt.

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Macbeth. Lady Macbeth kommt.

Lady.
Er hat
Gleich abgespeist. Warum verließet Ihr
Das Zimmer?

Macbeth.
Fragte er nach mir?

Lady.
Ich dachte,
Man hätt‘ es Euch gesagt.

Macbeth (nach einer Pause).
Laß uns nicht weiter
In dieser Sache gehen, liebes Weib!
Er hat mich kürzlich erst mit neuen Ehren
Gekrönt; ich habe goldne Meinungen
Von Leuten aller Art mir eingekauft,
Die erst in ihrem vollen Glanz getragen,
Nicht gleich beiseit gelegt sein wollen.

Lady.
Wie?
War denn die Hoffnung trunken, die dich erst
So tapfer machte? Hat sie ausgeschlafen
Und ist nun wach geworden, um auf einmal
Beim Anblick Dessen, was sie muthig wollte,
So bleich und schlaff und nüchtern auszusehn?
Von nun an weiß ich auch, wie Macbeth liebt.
Du fürchtest dich, in Kraft und That Derselbe
Zu sein, der du in deinen Wünschen bist!
Du wagst es, nach dem Höchsten aufzustreben,
Und du erträgst es, schwach und feig zu sein?
»Ich möcht‘ es gerne, doch ich wag‘ es nicht« –
Kleinmüthiger!

Macbeth.
Ich bitte dich, halt ein!
Das wag‘ ich alles, was dem Manne ziemt;
Wer mehr wagt, der ist keiner!

Lady.
War’s denn etwa
Ein Thier, das dich vorhin dazu getrieben?
Als du das thatest – da warst du ein Mann!
Und, wenn du mehr wärst, als du warst, du würdest
Um so viel mehr ein Mann sein! Da du mir’s
Entdeckt, bot weder Ort noch Zeit sich an;
Du wolltest beide machen – Beide haben sich
Von selbst gemacht, dich haben sie vernichtet.
Ich habe Kinder aufgesäugt und weiß,
Wie allgewaltig Mutterliebe zwingt,
Und dennoch – ja, bei Gott, den Säugling selbst
An meinen eignen Brüsten wollt‘ ich morden,
Hätt‘ ich’s geschworen, wie du jenes schwurst.

Macbeth.
Wird uns der blut’ge Mord zum Ziele führen?
Steht dieser Cumberland nicht zwischen mir
Und Schottlands Thron? Und lebt nicht Donalbain?
Für Duncans Söhne nur und nicht für uns
Arbeiten wir, wenn wir den König tödten.

Lady.
Ich kenne diese Thans. Nie wird ihr Stolz
Sich einem schwachen Knaben unterwerfen.
Ein bürgerlicher Krieg entflammet sich;
Dann trittst du auf, der Tapferste, der Beste,
Der Nächste an dem königlichen Stamm,
Die Rechte deiner Mündel zu behaupten.
In ihrem Namen gründest du den Thron,
Und steht er fest, wer stürzte dich herab?
Nicht in die ferne Zeit verliere dich,
Den Augenblick ergreife, der ist dein.

Macbeth.
Wenn wir’s verfehlten – wenn der Streich mißlänge!

Lady.
Mißlingen! Führ‘ es aus mit Männermuth
Und fester Hand, so kann es nicht mißlingen.
– Wenn Duncan schläft – und diese starke Reise
Wird seinen Schlaf befördern – übernehm‘ ich’s,
Die beiden Kämmrer mit berauschendem
Getränk‘ so anzufüllen, zu betäuben,
Daß ihr Gedächtniß, des Gehirnes Wächter,
Ein bloßer Dunst sein soll! Und wenn sie nun
In viehischem Schlafe wie im Tode liegen,
Was können dann wir beide mit dem un-
Bewachten Duncan nicht beginnen, nicht
Mit seinen überfüllten Kämmerern,
Die unsers Mordes Sünde tragen sollen?

Macbeth.
Gebier mir keine Töchter! Männer nur
Soll mir dein unbezwinglich Herz erzeugen!
Wird man nicht glauben, wenn wir jene Beiden,
Die in des Königs eignem Zimmer schlafen,
Mit Blut bestrichen, ihrer Dolche uns
Zum Mord bedient, daß sie die That gethan?

Lady.
Wer wird bei dem Gejammer, dem Geschrei,
Das wir erheben wollen, etwas Andres
Zu denken wagen?

Macbeth.
Weib! Ich bin entschlossen,
Und alle meine Sehnen spannen sich
Zu dieser That des Schreckens an. Komm, laß uns
Den blut’gen Vorsatz mit der schönsten Larve
Bedecken! Falsche Freundlichkeit verhehle
Das schwarze Werk der heuchlerischen Seele! (Beide gehen ab.)