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Turandot, Prinzessin von China – Fünfter Aufzug. Zweiter Auftritt.

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Vorige. Turandot. Adelma. Zelima. Ihre Sklavinnen und Verschnittenen.

Turandot (nachdem sie ihren Thron bestiegen, und eine allgemeine Stille erfolgt, zu Kalaf.)
Dies Traurgepränge, unbekannter Prinz,
Und dieser Schmerz, den mein Gefolge zeigt,
Ich weiß, ist Eurem Auge süße Weide.
Ich sehe den Altar geschmückt, den Priester
Zu meiner Trauung schon bereit, ich lese
Den Hohn in jedem Blick und möchte weinen.
Was Kunst und tiefe Wissenschaft nur immer
Vermochten, hab‘ ich angewandt, den Sieg
Euch zu entreißen, diesem Augenblick,
Der meinen Ruhm vernichtet, zu entziehen;
Doch endlich muß ich meinem Schicksal weichen.

Kalaf.
O, läse Turandot in meinem Herzen,
Wie ihre Trauer meine Freude dämpft,
Gewiß, es würde ihren Zorn entwaffnen.
War’s ein Vergehn, nach solchem Gut zu streben,
Ein Frevel wär’s, es zaghaft aufzugeben!

Altoum.
Prinz, der Herablassung ist sie nicht werth.
An ihr ist’s jetzo, sich herabzugeben!
Kann sie’s mit edelm Anstand nicht, mag sie
Sich darein finden. wie sie kann – Man schreite
Zum Werk! Der Instrumente froher Schar
Verkünde laut –

Turandot.
Gemach! Damit ist’s noch zu früh!
(Aufstehend und zu Kalaf sich wendend.)
Vollkommner konnte mein Triumph nicht sein,
Als dein getäuschtes Herz in süße Hoffnung
Erst einzuwiegen und mit einemmal
Nun in den Abgrund nieder dich zu schlendern.
(Langsam und mit erhobner Stimme.)
Hör‘, Kalaf, Timurs Sohn, verlaß den Divan!
Die beiden Namen hat mein Geist gefunden,
Such‘ eine andre Braut – Weh dir und Allen,
Die sich im Kampf mit Turandot versuchen!

Kalaf.
O, ich Unglücklicher!

Altoum.
Ist’s möglich? Götter!

Pantalon.
Heil’ge Katharina! (Zu Tartaglia.)
Geht heim! Laßt Euch den Bart auszwicken, Doctor!

Tartaglia.
Allerhöchster Tien! Mein Verstand steht still!

Kalaf.
Alles verloren! Alle Hoffnung todt!
– Wer steht mir bei? Ach, mir kann Niemand helfen!
Ich bin mein eigner Mörder; meine Liebe
Verlier‘ ich, weil ich allzusehr geliebt!
– Warum hab‘ ich die Räthsel gestern nicht
Mit Fleiß verfehlt, so läge dieses Haupt
Jetzt ruhig in dem ew’gen Schlaf des Todes,
Und meine bange Seele hätte Luft.
Warum, zu güt’ger Kaiser, mußtet Ihr
Das Blutgesetz zu meinem Vortheil mildern,
Daß ich mit meinem Haupt dafür bezahlte,
Wenn sie mein Räthsel aufgelöst – So wäre
Ihr Sieg vollkommen und ihr Herz befriedigt!

(Ein unwilliges Gemurmel entsteht im Hintergrund.)

Altoum.
Kalaf! Mein Alter unterliegt dem Schmerz;
Der unversehne Blitzstrahl schlägt mich nieder.

Turandot (bei Seite zu Zelima).
Sein tiefer Jammer rührt mich, Zelima!
Ich weiß mein Herz nicht mehr vor ihm zu schützen.

Zelima (leise zu Turandot).
O, so ergebt Euch einmal! Macht ein Ende!
Ihr seht, Ihr hört, das Volk wird ungeduldig!

Adelma (für sich).
An diesem Augenblick hängt Tod und Leben!

Kalaf.
Und braucht’s denn des Gesetzes Schwert, ein Leben
Zu endigen, das länger mir zu tragen
Unmöglich ist? (Er tritt an den Thron der Turandot.)
Ja, Unversöhnliche!
Sieh hier den Kalaf, den du kennst – den du
Als einen namenlosen Fremdling haßtest,
Den du jetzt kennst und fortfährst zu verschmähn!
Verlohnte sich’s, ein Dasein zu verlängern,
Das so ganz werthlos ist vor deinen Augen?
Du sollst befriedigt werden, Grausame.
Nicht länger soll mein Anblick diese Sonne
Beleidigen – Zu deinen Füßen –

(Er zieht einen Dolch und will sich durchstechen. In demselben Augenblick macht Adelma eine Bewegung, ihn zurück zu halten, und Turandot stürzt von ihrem Thron.)

Turandot (ihm in den Arm fallend, mit dem Ausdruck des Schreckens und der Liebe).
Kalaf!

(Beide sehen einander mit unverwandten Blicken an und bleiben eine Zeit lang unbeweglich in dieser Stellung.)

Altoum.
Was seh‘ ich!

Kalaf (nach einer Pause).
Du? Du hinderst meinen Tod?
Ist das dein Mitleid, daß ich leben soll,
Ein Leben ohne Hoffnung, ohne Liebe?
Meiner Verzweiflung denkst du zu gebieten?
– Hier endet deine Macht. Du kannst mich tödten;
Doch mich zum Leben zwingen kannst du nicht.
Laß mich, und wenn noch Mitleid in dir glimmt,
So zeig‘ es meinem jammervollen Vater.
Er ist zu Peckin, er bedarf des Trostes;
Denn auch des Alters letzte Stütze noch,
Den theuren einz’gen Sohn raubt ihm das Schicksal.
(Er will sich tödten.)

Turandot (wirft sich ihm in die Arme).
Lebt, Kalaf! Leben sollt Ihr – und für mich!
Ich bin besiegt. Ich will mein Herz nicht mehr
Verbergen – Eile, Zelima, den beiden
Verlassenen, du kennst sie, Trost zu bringen,
Freiheit und Freude zu verkünden – Eile!

Zelima.
Ach, und wie gerne!

Adelma (für sich).
Es ist Zeit, zu sterben.
Die Hoffnung ist verloren.

Kalaf.
Träum‘ ich, Götter?

Turandot.
Ich will mich keines Ruhms anmaßen, Prinz,
Der mir nicht zukommt. Wisset denn, es wisse
Es alle Welt. Nicht meiner Wissenschaft,
Dem Zufall, Eurer eignen Uebereilung
Verdank‘ ich das Geheimniß Eures Namens.
Ihr selbst, Ihr ließet gegen meine Sklavin
Adelma beide Namen Euch entschlüpfen.
Durch sie bin ich dazu gelangt – Ihr also habt
Gesiegt, nicht ich, und Euer ist der Preis.
– Doch nicht bloß, um Gerechtigkeit zu üben
Und dem Gesetz genug zu thun – Nein, Prinz!
Um meinem eignen Herzen zu gehorchen,
Schenk‘ ich mich Euch – Ach, es war Euer, gleich
Im ersten Augenblick, da ich Euch sah!

Adelma.
O nie gefühlte Marter!

Kalaf (der diese ganze Zeit über wie ein Träumender gestanden, scheint jetzt erst zu sich selbst zu kommen und schließt die Prinzessin mit Entzückung in seine Arme).
Ihr die Meine?
O, tödte mich nicht, Uebermaß der Wonne!

Altoum.
Die Götter segnen dich, geliebte Tochter,
Daß du mein Alter endlich willst erfreun.
Verziehen sei dir jedes vor’ge Leid,
Der Augenblick heilt jede Herzenswunde.

Pantalon.
Hochzeit! Hochzeit! Macht Platz, ihr Herrn Doctoren!

Tartaglia.
Platz! Platz! Der Bund sei alsogleich beschworen!

Adelma.
Ja, lebe, Grausamer, und lebe glücklich
Mit ihr, die meine Seele haßt! (Zu Turandot.)
Ja, wisse,
Daß ich dich nie geliebt, daß ich dich hasse
Und nur aus Haß gehandelt, wie ich that.
Die Namen sagt‘ ich dir, um den Geliebten
Aus deinem Arm zu reißen und mit ihm,
Der meine Liebe war, eh du ihn sahst,
In glücklichere Länder mich zu flüchten.
Noch diese Nacht, da ich zu deinem Dienst
Geschäftig schien, versucht‘ ich alle Listen –
Selbst die Verleumdung spart‘ ich nicht – zur Flucht
Mit mir ihn zu bereden; doch umsonst!
In seinem Schmerz entschlüpften ihm die Namen,
Und ich verrieth sie dir; du solltest siegen,
Verbannt von deinem Angesicht sollt‘ er
In meinen Arm sich werfen – Eitle Hoffnung!
Zu innig liebt‘ er dich und wählte lieber,
Durch dich zu sterben, als für mich zu leben!
Verloren hab‘ ich alle meine Mühen;
Nur eins steht noch in meiner Macht. Ich stamme
Wie du von königlichem Blut und muß erröthen,
Daß ich so langte Sklavenfesseln trug.
In dir muß ich die blut’ge Feindin hassen.
Du hast mir Vater, Mutter, Brüder, Schwestern,
Mir Alles, was mir theuer war, geraubt,
Und nun auch den Geliebten raubst du mir.
So nimm auch noch die Letzte meines Stammes,
Mich selbst zum Raube hin – Ich will nicht leben!
(Sie hebt den Dolch, welchen Turandot dem Kalaf entrissen, von der Erde auf.)
Verzweiflung zückte diesen Dolch; er hat
Das Herz gefunden, das er spalten soll. (Sie will sich erstechen.)

Kalaf (fällt ihr in den Arm).
Faßt Euch, Adelma!

Adelma.
Laß mich, Undankbarer!
In ihrem Arm dich sehen? Nimmermehr!

Kalaf.
Ihr sollt nicht sterben. Eurem glücklichen
Verrathe dank‘ ich’s, daß dies schöne Herz,
Dem Zwange feind, mich edelmüthig frei
Beglücken konnte – Gütiger Monarch,
Wenn meine heißen Bitten was vermögen,
So habe sie die Freiheit zum Geschenk,
Und unsere Glückes erstes Unterpfand
Sei eine Glückliche!

Turandot.
Auch ich, mein Vater,
Vereinige mein Bitten mit dem seinen.
Zu hassenswerth, ich fühl‘ es, muß ich ihr
Erscheinen; mir verzeihen kann sie nie
Und könnte nie an mein Verzeihen glauben.
Sie werde frei, und ist ein größer Glück
Für sie noch übrig, so gewährt es ihr.
Wir haben viele Thränen fließen machen
Und müssen eilen, Freude zu verbreiten.

Pantalon.
Ums Himmelwillen, Sire, schreibt ihr den Laufpaß,
So schnell Ihr könnt, und gebt ihr, wenn sie’s fordert,
Ein ganzes Königreich noch auf den Weg.
Mir ist ganz weh und bang, daß unsre Freude
In Rauch aufgeht solang ein wüthend Weib
Sich unter einem Dach mit Euch befindet.

Altoum (zu Turandot).
An solchem Freudentag, den du mir schenkst,
Soll meine Milde keine Grenzen kennen.
Nicht bloß die Freiheit schenk‘ ich ihr. Sie nehme
Die väterlichen Staaten auch zurück
Und theile sie mit einem würd’gen Gatten,
Der klug sei und den Mächtigen nicht reize.

Adelma.
Sire – Königin – ich bin beschämt, verwirrt,
So große Huld und Milde drückt mich nieder.
Die Zeit vielleicht, die alle Wunden heilt,
Wird meinen Kummer lindern – Jetzt vergönnt mir
Zu schweigen und von eurem Angesicht
Zu gehn – Denn nur der Thränen bin ich fähig,
Die unaufhaltsam diesem Aug entströmen.

(Sie geht ab mit verhülltem Gesicht, noch einen glühenden Blick auf Kalaf werfend, ehe sie scheidet.)