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Turandot, Prinzessin von China – Vierter Aufzug. Zehnter Auftritt.

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Adelma tritt auf, das Gesicht verschleiert, eine Wachskerze in der Hand. Kalaf schlafend.

Adelma.
Nicht Alles soll mißlingen – Hab‘ ich gleich
Vergebens alle Künste des Betrugs
Verschwendet, ihm die Namen zu entlocken,
So werd‘ ich doch nicht eben so umsonst
Versuchen, ihn aus Peckin wegzuführen
Und mit dem schönen Raube zu entfliehn.
– O heißerflehter Augenblick! Jetzt, Liebe!
Die mir bis jetzt den kühnen Muth verliehn,
So manche Schranke mir schon überstiegen,
Dein Feuer laß auf meinen Lippen glühn!
Hilf mir in diesem schwersten Kampfe siegen!
(Sie betrachtet den Schlafenden.)
Der Liebste schläft. Sei ruhig, pochend Herz,
Erzittre nicht! Nicht gern, ihr holden Augen,
Scheuch‘ ich den goldnen Schlummer von euch weg;
Doch schon ergraut der Tag, ich darf nicht säumen.
(Sie nähert sich ihm und berührt ihn sanft.)
Prinz, wachet auf!

Kalaf (erwachend).
Wer störet meinen Schlummer?
Ein neues Trugbild? Nachtgespenst, verschwinde!
Wird mir kein Augenblick der Ruh vergönnt?

Adelma.
Warum so heftig, Prinz? Was fürchtet Ihr?
Nicht eine Feindin ist’s, die vor Euch steht;
Nicht Euern Namen will ich Euch entlocken.

Kalaf.
Ist dies dein Zweck, so spare deine Müh.
Ich sag‘ es dir voraus, du wirst mich nicht betrügen.

Adelma.
Betrügen? Ich? Verdien‘ ich den Verdacht?
Sagt an! War hier nicht Skirina bei Euch,
Mit einem Brief Euch listig zu versuchen?

Kalaf.
Wohl war sie hier.

Adelma.
Doch hat sie nichts erlangt?

Kalaf.
Daß ich ein solcher Thor gewesen wäre!

Adelma.
Gott sei’s gedankt! – War eine Sklavin hier,
Mit trüglicher Vorspieglung Euch zu blenden?

Kalaf.
Solch eine Sklavin war in Wahrheit hier,
Doch zog sie leer ab – wie auch du wirst gehn.

Adelma.
Der Argwohn schmerzt, doch leicht verzeih‘ ich ihn.
Lernt mich erst kennen! Setzt Euch! Hört mich an,
Und dann verdammt mich als Betrügerin! (Sie setzt sich, er folgt.)e

Kalaf.
So redet denn und sagt, was ich Euch soll.

Adelma.
Erst seht mich näher an – Beschaut mich wohl!
Wer denkt Ihr, daß ich sei?

Kalaf.
Dies hohe Wesen,
Der edle Anstand zwingt mir Ehrfurcht ab.
Das Kleid bezeichnet eine niedre Sklavin,
Die ich, wo ich nicht irre, schon im Divan
Gesehen und ihr Los beklagt.

Adelma.
Auch ich
Hab‘ Euch – die Götter wissen es, wie innig –
Bejammert, Prinz! Es sind fünf Jahre nun,
Da ich, noch selber eine Günstlingin
Des Glücks, in niederm Sklavenstand Euch sah.
Schon damals sagte mir’s mein Herz, daß Euch
Geburt zu einem bessern Loos berufen.
Ich weiß, daß ich gethan, was ich gekonnt,
Euch ein unwürdig Schicksal zu erleichtern.
Weiß, daß mein Aug sich Euch verständlich machte,
Soweit es einer Königstochter ziemte. (Sie entschleiert sich.)
Seht her, mein Prinz, und sagt mir! Dies Gesicht,
Habt Ihr es nie gesehn in Eurem Leben?

Kalaf.
Adelma! Ew’ge Götter! Seh‘ ich recht?

Adelma.
Ihr sehet in unwürd’gen Sklavenbanden
Die Tochter Keicobads, des Königes
Der Karazanen, einst zum Thron bestimmt,
Jetzt zu der Knechtschaft Schmach herabgestoßen.

Kalaf.
Die Welt hat Euch für todt beweint. In welcher
Gestalt, weh mir, muß ich Euch wieder finden!
Euch hier als eine Sklavin des Serails,
Die Königin, die edle Fürstentochter!

Adelma.
Und als die Sklavin dieser Turandot,
Der grausamen Ursache meines Falles!
Vernehmt mein ganzes Unglück, Prinz! Mir lebte
Ein Bruder, ein geliebter, theurer Jüngling,
Den diese stolze Turandot, wie Euch,
Bezauberte – Er wagte sich im Divan.
(Sie hält inne, von Schluchzen und Thränen unterbrochen.)
Unter den Häuptern, die man auf dem Thore
Zu Peckin sieht – entsetzensvoller Anblick! –
Erblicktet Ihr auch das geliebte Haupt
Des theuren Bruders, den ich noch beweine.

Kalaf.
Unglückliche! So log die Sage nicht!
So ist sie wahr, die klägliche Geschichte,
Die ich für eine Fabel nur gehalten!

Adelma.
Mein Vater Keicobad, ein kühner Mann,
Nur seinem Schmerz gehorchend, überzog
Die Staaten Altoums mit Heeresmacht,
Des Sohnes Mord zu rächen – Ach, das Glück
War ihm nicht günstig! Männlich fechtend fiel er
Mit allen seinen Söhnen in der Schlacht.
Ich selbst, mit meiner Mutter, meinen Schwestern,
Ward auf Befehl des wüthenden Veziers,
Der unsern Stamm verfolgte, in den Strom
Geworfen. Jene kamen um; nur mich
Errettete die Menschlichkeit des Kaisers,
Der in dem Augenblick ans Ufer kam.
Er schalt die Gräuelthat und ließ im Strom
Nach meinem jammervollen Leben fischen.
Schon halb entseelt werd‘ ich zum Strand gezogen;
Man ruft ins Leben mich zurück; ich werde
Der Turandot als Sklavin übergeben,
Zu glücklich noch, das Leben als Geschenk
Von eines Feindes Großmuth zu empfangen.
O, lebt in Eurem Busen menschliches Gefühl,
So laßt mein Schicksal Euch zu Herzen gehn!
Denkt, was ich leide! Denkt, wie es ins Herz
Mir schneidet, sie, die meinen ganzen Stamm
Vertilgt, als eine Sklavin zu bedienen.

Kalaf.
Mich jammert Euer Unglück. Ja, Prinzessin,
Aufricht’ge Thränen zoll‘ ich Eurem Leiden –
Doch Euer grausam Loos, nicht Turandot
Klagt an – Eu’r Bruder fiel durch eigne Schuld,
Euer Vater stürzte sich und sein Geschlecht
Durch übereilten Rathschluß ins Verderben.
Sagt, was kann ich, selbst ein Unglücklicher,
Ein Ball der Schicksalsmächte, für Euch thun?
Ersteig‘ ich morgen meiner Wünsche Gipfel,
So sollt Ihr frei und glücklich sein – Doch jetzt
Kann Euer Unglück nichts als meins vermehren.

Adelma.
Der Unbekannten konntet Ihr mißtrauen;
Ihr kennt mich nun – Der Fürstin werdet Ihr,
Der Königstochter, glauben, was sie Euch
Ans Mitleid sagen muß und lieber noch
Aus Zärtlichkeit, aus Liebe sagen möchte.
– O, möchte dies befangne Herz mir trauen,
Wenn ich jetzt wider die Geliebte zeuge!

Kalaf.
Adelma, sprecht, was habt Ihr mir zu sagen?

Adelma.
Wißt also, Prinz – Doch nein, Ihr werdet glauben
Ich sei gekommen, Euch zu täuschen, werdet
Mit jenen feilen Seelen mich verwechseln,
Die für das Sklavenjoch geboren sind.

Kalaf.
Quält mich nicht länger! Ich beschwör‘ Euch, sprecht!
Was ist’s? Was habt Ihr mir von ihr zu sagen,
Die meines Lebens einz’ge Göttin ist?

Adelma (bei Seite).
Gib Himmel, daß ich jetzt ihn überrede!
(Zu Kalaf sich wendend.)
Prinz, diese Turandot, die schändliche,
Herzlose, falsche, hat Befehl gegeben,
Euch heut am frühen Morgen zu ermorden.
– Dies ist die Liebe Eurer Lebensgöttin!

Kalaf.
Mich zu ermorden?

Adelma.
Ja, Euch zu ermorden!
Beim ersten Schritt aus diesem Zimmer tauchen
Sich zwanzig Degenspitzen Euch ins Herz,
So hat es die Unmenschliche befohlen.

Kalaf (steht schnell auf und geht gegen die Thüre).
Ich will die Wache unterrichten.

Adelma (hält ihn zurück).
Bleibt!
Wo wollt Ihr hin? Ihr hofft noch, Euch zu retten?
Unglücklicher, Ihr wißt nicht, wo Ihr seid,
Daß Euch des Mordes Netze rings umgeben!
Dieselben Wachen, die der Kaiser Euch
Zu Hütern Eures Lebens gab, sie sind –
Gedingt von seiner Tochter, Euch zu tödten.

Kalaf (außer sich, laut und heftig mit dem Ausdruck des innigsten Leides).
O Timur! Timur! Unglücksel’ger Vater!
So muß dein Kalaf endigen! Du mußt
Nach Peckin kommen, auf sein Grab zu weinen!
Das ist der Trost, den dir dein Sohn versprach!
– Furchtbares Schicksal!
(Er verhüllt sein Gesicht, ganz seinem Schmerz hingegeben.)

Adelma (für sich, mit frohem Erstaunen).
Kalaf! Timurs Sohn!
Glücksel’ger Fund! – Fall‘ es nun, wie es wolle!
Entgeh‘ er meinen Schlingen auch, ich trage
Mit diesen Namen sein Geschick in Händen.

Kalaf.
So bin ich mitten unter den Soldaten,
Die man zum Schutz mir an die Seite gab,
Verrathen! Ach, wohl sagte mir’s vorhin
Der feilen Sklaven einer, daß Bestechung
Und Furcht des Mächtigen das schwache Band
Der Treue lösen – Leben, fahre hin!
Vergeblich ist’s, dem grausamen Gestirn,
Das uns verfolgt, zu widerstehn – Du sollst
Den Willen haben, Grausame – dein Aug
An meinem Blute weiden! Süßes Leben,
Fahr hin! Nicht zu entfliehen ist dem Schicksal.

Adelma (mit Feuer).
Prinz, zum Entfliehen zeig‘ ich Euch die Wege,
Nicht müß’ge Thränen bloß hab‘ ich für Euch.
Gewacht hab‘ ich indeß, gesorgt, gehandelt,
Kein Gold gespart, die Hüter zu bestechen.
Der Weg ist offen. Folgt mir! Euch vom Tode,
Mich aus den Banden zu befreien, komm‘ ich.
Die Pferde warten, die Gefährten sind
Bereit. Laßt uns aus diesen Mauern fliehen,
Worauf der Fluch der Götter liegt. Der Khan
Von Berlas ist mein Freund, ist mir durch Bande
Des Bluts verknüpft und heilige Verträge.
Er wird uns schützen, seine Staaten öffnen,
Uns Waffen leihen, meiner Väter Reich
Zurück zu nehmen, daß ich mit Euch theile,
Wenn Ihr der Liebe Opfer nicht verschmäht.
Verschmäht Ihr’s aber und verachtet mich,
So ist die Tartarei noch reich genug
An Fürstentöchtern, dieser Turandot
An Schönheit gleich und zärtlicher als sie.
Aus ihnen wählt Euch eine würdige
Gemahlin aus! Ich – will mein Herz besiegen,
Nur rettet, rettet dieses theure Leben!

(Sie spricht das Folgende mit immer steigender Lebhaftigkeit, indem sie ihn bei der Hand ergreift und mit sich fortzureißen sucht.)

O, kommt! Die Zeit entflieht, indem wir sprechen.
Die Hähne krähn, schon regt sich’s im Palast,
Todbringend steigt der Morgen schon herauf.
Fort, eh der Rettung Pforten sich verschließen!

Kalaf.
Großmüthige Adelma! Einz’ge Freundin!
Wie schmerzt es mich, daß ich nach Berlas Euch
Nicht folgen, nicht der Freiheit süß Geschenk,
Nicht Euer väterliches Reich zurück
Euch geben kann – Was würde Altoum
Zu dieser heimlichen Entweichung sagen?
Macht‘ ich nicht schändlichen Verraths mich schuldig,
Wenn ich, des Gastrechts heilige Gebräuche
Verletzend, aus dem innersten Serail
Die werthgehaltne Sklavin ihm entführte?
– Mein Herz ist nicht mehr mein, Adelma. Selbst
Der Tod, den jene Stolze mir bereitet,
Wird mir willkommen sein von ihrer Hand.
– Flieht ohne mich, flieht, und geleiten Euch
Die Götter! Ich erwarte hier mein Schicksal.
Noch tröstlich ist’s, für Turandot zu sterben,
Wenn ich nicht leben kann für sie – Lebt wohl!

Adelma.
Sinnloser! Ihr beharrt? Ihr seid entschlossen?

Kalaf.
Zu bleiben und den Mordstreich zu erwarten.

Adelma.
Ha, Undankbarer! Nicht die Liebe ist’s,
Die Euch zurückhält – Ihr verachtet mich!
Ihr wählt den Tod, um nur nicht mir zu folgen!
Verschmähet meine Hand, verachtet mich;
Nur flieht, nur rettet, rettet Euer Leben!

Kalaf.
Verschwendet Eure Worte nicht vergebens;
Ich bleibe und erwarte mein Geschick.

Adelma.
So bleibet denn! Auch ich will Sklavin bleiben,
Ohn‘ Euch verschmäh‘ ich auch der Freiheit Glück.
Laß sehn, wer von uns beiden, wenn es gilt,
Dem Tode kühner trotzt! (Von ihm wegtretend.)
Wär‘ ich die Erste,
Die durch Beständigkeit ans Ziel gelangte? (Für sich. Mit Accent.)
Kalaf! Sohn Timurs! (Verneigt sich spottend.)
Unbekannter Prinz!
Lebt wohl! (Geht ab.)

Kalaf (allein).
Wird diese Schreckensnacht nicht enden?
Wer hat auf solcher Folter je gezittert?
Und endet sie, welch neues größres Schreckniß
Bereitet mir der Tag! Aus welchen Händen!
Hat meine edelmüthig treue Liebe
Solches um dich verdient, tyrannisch Herz!
– Wohlan! Den Himmel färbt das Morgenroth,
Die Sonne steigt herauf, und allen Wesen
Bringt sie das Leben, mir bringt sie den Tod!
Geduld, mein Herz, dein Schicksal wird sich lösen!