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Turandot, Prinzessin von China – Zweiter Aufzug. Erster Auftritt.

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Großer Saal des Divans, mit zwei Pforten, davon die eine zu den Zimmern des Kaisers, die andere ins Serail der Prinzessin Turandot führt.

Truffaldin, als Anführer der Verschnittenen, steht gravitätisch in der Mitte der Scene und befiehlt seinen Schwarzen, welche beschäftigt sind, den Saal in Ordnung zu bringen. Bald darauf Brigella.

Truffaldin.
Frisch an das Werk! Rührt euch! Gleich wird der Divan
Beisammen sein. – Die Teppiche gelegt,
Die Throne aufgerichtet! Hier zur Rechten
Kommt kaiserliche Majestät, links meine
Scharmante Hoheit, die Prinzeß, zu sitzen!

Brigella (kommt und sieht sich verwundernd um).
Mein! Sagt mir, Truffaldin, was gibt’s denn Neues,
Daß man den Divan schmückt in solcher Eile?

Truffaldin (ohne auf ihn zu hören – zu den Schwarzen).
Acht Sessel dorthin für die Herrn Doktoren!
Sie haben hier zwar nicht viel zu dotieren;
Doch müssen sie, weil’s was Gelehrtes gibt,
Mit ihren langen Bärten figurieren.

Brigella.
So redet doch! Warum, wozu das alles?

Truffaldin.
Warum? Wozu? Weil sich die Majestät
Und meine schöne Königin, mit sammt
Den acht Doktoren und den Excellenzen,
Sogleich im Divan hier versammeln werden.
’s hat sich ein neuer, frischer Prinz gemeldet,
Den’s juckt, nm einen Kopf sich zu verkürzen.

Brigella.
Was? Nicht drei Stunden sind’s, daß man den letzten
Hat abgethan –

Truffaldin.
Ja, Gott sei Dank! Es geht
Von statten! die Geschäfte gehen gut.

Brigella.
Und dabei könnt Ihr scherzen, roher Kerl!
Euch freut wohl das barbarische Gemetzel?

Truffaldin.
Warum soll mich’s nicht freuen? Setzt’s doch immer
Für meinen Schnabel was, wenn so ein Neuer
Die große Reise macht – denn jedesmal,
Daß meine Hoheit an der Hochzeitklippe
Vorbeischifft, gibt’s im Harem Hochzeitkuchen.
Das ist einmal der Brauch, wir thun’s nicht anders:
So viele Köpfe, so viel Feiertage!

Brigella.
Das sind mir heillos niederträchtige
Gesinnungen, so schwarz, wie Eure Larve.
Man sieht’s Euch an, daß Ihr ein Halbmann seid,
Ein schmutziger Eunuch! – Ein Mensch, ich meine
Einer, der ganz ist, hat ein menschlich Herz
Im Leib und fühlt Erbarmen.

Truffaldin.
Was! Erbarmen!
Es heißt kein Mensch die Prinzen ihren Hals
Nach Peckin tragen, Niemand ruft sie her.
Sind sie freiwillig solche Tollhausnarren,
Mögen sie’s haben! Auf dem Stadtthor steht’s
Mit blut’gen Köpfen leserlich geschrieben,
Was hier zu holen ist – Wir nehmen Keinem
Den Kopf, der einen mitgebracht. Der hat
Ihn schon verloren, längst, der ihn hier setzt!

Brigella.
Ein saubrer Einfall, den galanten Prinzen,
Die ihr die Ehr‘ anthun und um sie werben,
Drei Räthsel aufzugeben und, wenn’s einer
Nicht auf der Stelle trifft, ihn abzuschlachten!

Truffaldin.
Mit nichten, Freund! Das ist ein prächtiger,
Exzellenter Einfall! – Werben kann ein Jeder;
Es ist nichts leichter, als aufs Freien reisen.
Man lebt auf fremde Kosten, thut sich gütlich,
Legt sich dem künft’gen Schwäher in das Haus,
Und mancher jüngre Sohn und Krippenreiter,
Der alle seine Staaten mit sich führt
Im Mantelsack, lebt bloß vom Körbeholen.
Es war nicht anders hier, als wie ein großes
Wirthshaus von Prinzen und von Abenteurern,
Die um die reiche Kaisertochter freiten;
Denn auch der Schlechtste dünkt sich gut genug,
Die Hände nach der Schönsten auszustrecken.
Es war wie eine Freikomödie,
Wo Alles kommt, bis meine Königin
Auf den scharmanten Einfall kam, das Haus
In vier und zwanzig Stunden rein zu machen.
– Eine andre hätte ihre Liebeswerber
Auf blutig schwere Abenteuer aus-
Gesendet, sich mit Riesen ‚rum zu schlagen,
Dem Schach zu Babel, wenn er Tafel hält,
Drei Backenzähne höflich auszuziehen,
Das tanzende Wasser und den singenden Baum
Zu holen und den Vogel, welcher redet –
Nichts von dem allem! Räthsel haben ihr
Beliebt! Drei zierlich wohlgesetzte Fragen!
Man kann dabei bequem und säuberlich
In warmer Stube sitzen, und kein Schuh
Wird naß! Der Degen kommt nicht aus der Scheide,
Der Witz, der Scharfsinn aber muß heraus.
– Brigella, die versteht’s! Die hat’s gefunden,
Wie man die Narren sich vom Leibe hält!

Brigella.
’s kann Einer ein rechtschaffner Kavalier
Und Ehmann sein und doch die spitz’gen Dinger,
Die Räthsel, just nicht handzuhaben wissen.

Truffaldin.
Da siehst du, Kamerad, wie gut und ehrlich
Es die Prinzeß mit ihrem Freier meint,
Daß sie die Räthsel vor der Hochzeit aufgibt.
Nachher war’s noch viel schlimmer. Löst er sie
Jetzt nicht, ei nun, so kommt er schnell und kurz
Mit einem frischen Gnadenhieb davon.
Doch, wer die stachelichten Räthsel nicht
Auflöst, die seine Frau ihm in der Eh‘
Aufgibt, der ist verlesen und verloren!

Brigella.
Ihr seid ein Narr, mit Euch ist nicht zu reden.
– So mögen’s denn meintwegen Räthsel sein,
Wenn sie einmal die Wuth hat, ihren Witz
Zu zeigen – Aber muß sie denn die Prinzen
Just köpfen lassen, die nicht sinnreich gnug
Für ihre Räthsel sind – Das ist ja ganz
Barbarisch, rasend toll und unvernünftig.
Wo hat man je gehört, daß man den Leuten
Den Hals abschneidet, weil sie schwer begreifen?

Truffaldin.
Und wie, du Schafskopf, will sie sich der Narren
Erwehren, die sich klug zu sein bedünken,
Wenn weiter nichts dabei zu wagen ist,
Als einmal sich im Divan zu beschimpfen?
Auf die Gefahr hin, sich zu prostituieren
Mit heiler Haut, läuft Jeder auf dem Eis.
Wer fürchtet sich vor Räthseln? Räthsel sind’s
Gerad, was man fürs Leben gern mag hören.
Das hieß‘ den Köder statt des Popanz’s brauchen.
Und wäre man auch wegen der Prinzessin
Und ihres vielen Gelds daheim geblieben,
So würde man der Räthsel wegen kommen.
Denn Jedem ist sein Scharfsinn und sein Witz
Am Ende lieber, als die schönste Frau!

Brigella.
Was aber kommt bei diesem ganzen Spiel
Heraus, als daß sie sitzen bleibt? Kein Mann,
Der seine Ruh liebt und bei Sinnen ist,
Wird so ein spitz’ges Nadelkissen nehmen.

Truffaldin.
Das große Unglück, keinen Mann zu kriegen!

(Man hört einen Marsch in der Ferne.)

Brigella.
Der Kaiser kommt.

Truffaldin.
Marsch ihr in eure Küche!
Ich gehe, meine Hoheit herzuholen. (Gehen ab zu verschiedenen Seiten.)