HomeText: Wilhelm Tell1. AktWilhelm Tell – Text: 1. Aufzug, 1. Szene

Wilhelm Tell – Text: 1. Aufzug, 1. Szene

Bewertung:
(Stimmen: 75 Durchschnitt: 3.3)

Hohes Felsenufer des Vierwaldstättersees, Schwyz gegenüber.

Der See macht eine Bucht ins Land, eine Hütte ist unweit dem Ufer, Fischerknabe fährt sich in einem Kahn. Über den See hinweg sieht man die grünen Matten, Dörfer und Höfe von Schwyz im hellen Sonnenschein liegen. Zur Linken des Zuschauers zeigen sich die Spitzen des Haken, mit Wolken umgeben; zur Rechten im fernen Hintergrund sieht man die Eisgebirge. Noch ehe der Vorhang aufgeht, hört man den Kuhreihen und das harmonische Geläut der Herdenglocken, welches sich auch bei eröffneter Szene noch eine Zeitlang fortsetzt.

Empfehlungen Lektüreschlüssel

Fischerknabe singt im Kahn: Melodie des Kuhreihens
Es lächelt der See, er ladet zum Bade,
Der Knabe schlief ein am grünen Gestade,
Da hört er ein Klingen,
Wie Flöten so süss,
Wie Stimmen der Engel
Im Paradies.
Und wie er erwachet in seliger Lust,
Da spülen die Wasser ihn um die Brust,
Und es ruft aus den Tiefen:
Lieb Knabe, bist mein!
Ich locke den Schäfer,
Ich zieh ihn herein.

Hirte auf dem Berge: Variation des Kuhreihens
Ihr Matten lebt wohl,
Ihr sonnigen Weiden!
Der Senn muss scheiden,
Der Sommer ist hin.
Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,
Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder,
Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu,
Wenn die Brünnlein fliessen im lieblichen Mai
Ihr Matten lebt wohl,
Ihr sonnigen Weiden!
Der Senne muss scheiden,
Der Sommer ist hin.

Alpenjäger erscheint gegenüber auf der Höhe des Felsen: Zweite Variation
Es donnern die Höhen, es zittert der Steg,
Nicht grauet dem Schützen auf schwindlichtem Weg,
Er schreitet verwegen
Auf Feldern von Eis,
Da pranget kein Frühling,
Da grünet kein Reis;
Und unter den Füssen ein neblichtes Meer,
Erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr,
Durch den Riss nur der Wolken
Erblickt er die Welt,
Tief unter den Wassern
Das grünende Feld.

Die Landschaft verändert sich, man hört ein dumpfes Krachen von den Bergen, Schatten von Wolken laufen über die Gegend.

Ruodi der Fischer kommt aus der Hütte, Werni der Jäger steigt vom Felsen, Kuoni der Hirte kommt, mit dem Melknapf auf der Schulter. Seppi, sein Handbube, folgt ihm.

Ruodi:
Mach hurtig Jenni. Zieh die Naue ein.
Der graue Talvogt kommt, dumpf brüllt der Firn,
Der Mythenstein zieht seine Haube an,
Und kalt her bläst es aus dem Wetterloch,
Der Sturm, ich mein, wird dasein, eh wir’s denken.

Kuoni:
’s kommt Regen, Fährmann. Meine Schafe fressen
Mit Begierde Gras, und Wächter scharrt die Erde.

Werni:
Die Fische springen, und das Wasserhuhn
Taucht unter. Ein Gewitter ist im Anzug.

Kuoni zum Buben:
Lug Seppi, ob das Vieh sich nicht verlaufen.

Seppi:
Die braune Liesel kenn ich am Geläut.

Kuoni:
So fehlt uns keine mehr, die geht am weitsten.

Ruodi:
Ihr habt ein schön Geläute, Meister Hirt.

Werni:
Und schmuckes Vieh – Ist’s Euer eigenes, Landsmann?

Kuoni:
Bin nit so reich – ’s ist meines gnädigen Herrn,
Des Attinghäusers, und mir zugezählt.

Dieser Beitrag besteht aus 5 Seiten: