HomeDie Horen1797 - Stück 6IV. Der Wanderer. [Friedrich Hölderlin]

IV. Der Wanderer. [Friedrich Hölderlin]

Bewertung:
(Stimmen: 1 Durchschnitt: 5)

Einsam stand ich und sah in die Afrikanischen dürren
Ebnen hinaus; vom Olymp regnete Feuer herab.
Fernhin schlich das hagre Gebirg, wie ein wandelnd Gerippe,
Hohl und einsam und kahl blikt’ aus der Höhe sein Haupt.
Ach! nicht sprang, mit erfrischendem Grün der schattende Wald hier
In die säuselnde Luft üppig und herrlich empor,
Bäche stürzten hier nicht in melodischem Fall vom Gebirge,
Durch das blühende Thal schlingend den silbernen Strom,
Keiner Heerde vergieng am plätschernden Brunnen der Mittag,
Freundlich aus Bäumen hervor blickte kein wirthliches Dach.
Unter dem Strauche saß ein ernster Vogel gesanglos,
Ängstig und eilend flohn wandernde Störche vorbei.
Nicht um Wasser rief ich dich an, Natur, in der Wüste,
Wasser bewahrte mir treulich das fromme Kameel.
Um der Haine Gesang, um Gestalten und Farben des Lebens
Bat ich, vom lieblichen Glanz heimischer Fluren verwöhnt.
Aber ich bat umsonst; du erschienst mir feurig und herrlich,
Aber ich hatte dich einst göttlicher, schöner gesehn.
Auch den Eispol hab ich besucht; wie ein starrendes Chaos
Thürmte das Meer sich da schreklich zum Himmel empor.
Todt in der Hülse von Schnee schlief hier das gefesselte Leben,
Und der eiserne Schlaf harrte des Tages umsonst.
Ach! nicht schlang um die Erde den wärmenden Arm der Olymp hier
Wie Pygmalions Arm um die Geliebte sich schlang.
Hier bewegt’ er ihm nicht mit dem Sonnenblicke den Busen,
Und in Regen und Thau sprach er nicht freundlich zu ihr.
Mutter Erde! rief ich, du bist zur Wittwe geworden,
Dürftig und kinderlos lebst du in langsamer Zeit.
Nichts zu erzeugen und nichts zu pflegen in sorgender Liebe
Alternd im Kinde sich nicht wiederzusehn, ist der Tod.
Aber vielleicht erwarmst du dereinst am Strale des Himmels,
Aus dem dürftigen Schlaf schmeichelt sein Odem dich auf;
Und, wie ein Saamenkorn, durchbrichst du die eherne Hülse,
Und die knospende Welt windet sich schüchtern heraus.
Deine gesparte Kraft flammt auf in üppigen Frühling,
Rosen glühen und Wein sprudelt im kärglichen Nord.
Aber jetzt kehr’ ich zurück an den Rhein, in die glückliche Heimath,
Und es wehen, wie einst, zärtliche Lüfte mich an.
Und das strebende Herz besänftigen mir die vertrauten
Friedlichen Bäume, die einst mich in den Armen gewiegt,
Und das heilige Grün, der Zeuge des ewigen, schönen
Lebens der Welt, es erfrischt, wandelt zum Jüngling mich um.
Alt bin ich geworden indeß, mich bleichte der Eispol,
Und im Feuer des Süds fielen die Locken mir aus.
Doch wie Aurora den Tithon, umfängst du in lächelnder Blühte
Warm und fröhlich, wie einst, Vaterlandserde, den Sohn.
Seeliges Land! kein Hügel in dir wächst ohne den Weinstok,
Nieder ins schwellende Gras regnet im Herbste das Obst.
Fröhlich baden im Strome den Fuß die glühenden Berge,
Kränze von Zweigen und Moos kühlen ihr sonniges Haupt.
Und, wie die Kinder hinauf zur Schulter des herrlichen Ahnherrn
Steigen am dunkeln Gebirg Vesten und Hütten hinauf.
Friedsam geht aus dem Walde der Hirsch ans freundliche Tagslicht;
Hoch in heiterer Luft siehet der Falke sich um.
Aber unten im Thal, wo die Blume sich nährt von der Quelle,
Streckt das Dörfchen vergnügt über die Weise sich aus.
Still ist’s hier: kaum rauschet von fern die geschäftige Mühle,
Und vom Berge herab knarrt das gefesselte Rad.
Lieblich tönt die gehämmerte Sens’ und die Stimme des Landmanns,
Der am Pfluge dem Stier lenkend die Schritte gebeut,
Lieblich der Mutter Gesang, die im Grase sich mit dem Söhnlein,
Das die Sonne des Mais schmeichelt in lächelnden Schlaf.
Aber drüben am See, wo die Ulme das alternde Hofthor
Übergrünt und den Zaun wilder Holunder umblüht,
Da empfängt mich das Haus und des Gartens heimliches Dunkel,
Wo mit den Pflanzen mich einst liebend mein Vater erzog,
Wo ich froh, wie das Eichhorn, spielt’ auf den lispelnden Ästen,
Oder in’s duftende Heu träumend die Stirne verbarg.
Heimatliche Natur! wie bist du treu mir geblieben!
Zärtlich pflegend, wie einst, nimmst du den Flüchtling noch auf.
Noch gedeihn die Pfirsiche mir, noch wachsen gefällig
Mir an’s Fenster, wie sonst, köstliche Trauben herauf.
Lokend röthen sich noch die süssen Früchte des Kirschbaums,
Und der pflükenden Hand reichen die Zweige sich selbst.
Schmeichelnd zieht mich, wie sonst, in des Walds unendliche Laube
Aus dem Garten der Pfad, oder hinab an den Bach,
Und die Pfade röthest du mir, es wärmt mich und spielt mir
Um das Auge, wie sonst, Vaterlandssonne! dein Licht;
Feuer trink ich und Geist aus deinem freudigen Kelche,
Schläfrig lässest du nicht werden mein alterndes Haupt.
Die du einst mir die Brust erwektest vom Schlafe der Kindheit
Und mit sanfter Gewalt höher und weiter mich triebst,
Mildere Sonne! zu dir kehr’ ich getreuer und weiser,
Friedlich zu werden und froh unter den Blumen zu ruhn.

"]"]