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248. An Schiller, 5. Dezember 1796

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Eine sehr schöne Eisbahn bei dem herrlichen Wetter hat mich abgehalten Ihnen diese Tage zu schreiben und ich sage Ihnen noch am Abend eines sehr heitern Tages einige Worte.

Das Werk der Frau von Staël, wovon Ihnen Herr von Humboldt wird gesagt haben, kommt in einigen Tagen. Es ist äußerst interessant zu sehen wie eine so höchst passionirte Natur, durch das grimmige Läuterfeuer einer solchen Revolution, an der sie so viel Antheil nehmen mußte, durchgeht und, ich möchte sagen, nur das geistreich menschliche an ihr übrig bleibt. Vielleicht ließ sich eine Art von Auszug der höchsten Sprüche in einer Folge machen und für die Horen gebrauchen, vielleicht nähme man nur ein einzeln Capitel, aber bald; denn zu Ostern ist die Uebersetzung gewiß da. Hierüber überlasse ich Ihnen das Urtheil.

Ob ich gleich vermuthe, daß der böse Wille unserer Gäste auch Exemplare nach Jena geschafft haben wird, so schicke ich doch hier das meinige. Es ist lustig zu sehen, was diese Menschenart eigentlich geärgert hat, was sie glauben daß einen ärgert, wie schal, leer und gemein sie eine fremde Existenz ansehen, wie sie ihre Pfeile gegen das Außenwerk der Erscheinung richten, wie wenig sie auch nur ahnen, in welcher unzugänglichen Burg der Mensch wohnt, dem es nur immer Ernst um sich und um die Sachen ist.

So manche Umstände und Verhältnisse fesseln mich noch hier, da ich jetzt nicht zu Ihnen kommen möchte, ohne wenigstens einige Tage bei Ihnen zu bleiben. Das Theater kommt kaum durch einige gute Stücke und Repräsentationen in den Gang, wobei eine neue Einrichtung bei der Regie meine Gegenwart erfordert.

Auch erwarte ich den jungen Jacobi in diesen Tagen und werde also noch eine Zeit lang Ihrer persönlichen Aufmunterung entbehren müssen.

Uebrigens geht alles seinen Gang und ich habe in manchen Capiteln meiner Studien gute Hoffnung. Grüßen Sie Humboldt recht vielmals und sagen mir bald ein Wort wie Sie sich befinden und wie Ihre Arbeit gelingt.

Weimar den 5. December 1796.

G.