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267. An Goethe, 17. Januar 1797

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Jena den 17. Januar 1797.

Ich mache eben Feierabend mit meinem Geschäft und sage Ihnen noch einen guten Abend, eh ich die Feder weglege. Ihr letzter Besuch, so kurz er auch war, hat eine gewisse Stagnation bei mir gehoben, und meinen Muth erhöht. Sie haben mich durch Ihre Beschreibungen wieder in die Welt geführt, von der ich mich ganz abgetrennt fühlte.

Besonders aber erfreut mich Ihre lebhafte Neigung zu einer fortgesetzten poetischen Thätigkeit. Ein neueres schöneres Leben thut sich dadurch vor Ihnen auf, es wird sich auch mir nicht nur in dem Werke, es wird sich mir auch durch die Stimmung, in die es Sie versetzt, mittheilen und mich erquicken. Ich wünschte besonders jetzt die Chronologie Ihrer Werke zu wissen; es sollte mich wundern, wenn sich an den Entwicklungen Ihres Wesens nicht ein gewisser nothwendiger Gang der Natur im Menschen überhaupt nachweisen ließe. Sie müssen eine gewisse, nicht sehr kurze, Epoche gehabt haben, die ich Ihre analytische Periode nennen möchte, wo Sie durch die Theilung und Trennung zu einem Ganzen strebten, wo Ihre Natur gleichsam mit sich selbst zerfallen war und sich durch Kunst und Wissenschaft wieder herzustellen suchte. Jetzt däucht mir kehren Sie, ausgebildet und reif, zu Ihrer Jugend zurück, und werden die Frucht mit der Blüthe verbinden. Diese zweite Jugend ist die Jugend der Götter und unsterblich wie diese.

Ihre kleine und große Idylle und noch neuerlich Ihre Elegie zeigen dieses, so wie die alten Elegien und Epigramme. Ich möchte aber von den früheren Werken, vom Meister selber, die Geschichte wissen. Es ist keine verlorene Arbeit, dasjenige aufzuschreiben was Sie davon wissen. Man kann Sie ohne das nicht ganz kennen lernen. Thun Sie es also ja, und legen auch bei mir eine Copie davon nieder.

Fällt Ihnen etwas von der Lenzischen Verlassenschaft in die Hände, so erinnern Sie sich meiner. Wir müssen alles was wir finden, für die Horen zusammenraffen. Bei Ihrem veränderten Plan für die Zukunft können Sie vielleicht auch die italienischen Papiere den Horen zu gut kommen lassen.

An den Cellini bitte ich auch zu denken, daß ich ihn etwa in drei Wochen habe.

Freund Reichardts Abfertigung bitte auch nicht ganz zu vergessen.

Leben Sie recht wohl.

Sch.