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275. An Schiller, 4. Februar 1797

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Nach einer sehr staubigen und gedrängten Redoute kann ich Ihnen nur wenige Worte sagen.

Erstlich sende ich hier das Opus des Maler Müllers abgeschrieben; ich habe es nicht wieder durchsehen können und lege daher auch das Original bei. Da Sie es wohl nicht sogleich brauchen, so conferiren wir vorher nochmals drüber und Sie überlegen ja wohl ob am Style irgend etwas zu thun ist. Leider vergleicht er sich selbst ganz richtig mit einem Geist der nothgedrungen spricht, nur äußert er sich nicht so leicht und luftig wie Ariel. Vieles, werden Sie finden, ist ganz aus unserm Sinne geschrieben und, auch unvollkommen wie sie ist, bleibt eine solche öffentliche, ungesuchte und unvorbereitete Beistimmung schätzbar. Am Ende ist’s und bleibt’s denn doch ein Stein, den wir in des Nachbars Garten werfen; wenn er auch ein bißchen aufpatscht, was hat’s zu bedeuten. Selbst wenn wirklich etwas an Fernow ist, muß es durch Opposition ausgebildet werden, denn seine deutsche Subjectivität spricht nur immer entscheidender und alberner von Rom her.

Zweitens sende ich Ihnen einen Gesang eines wunderlichen Gedichtes. Da ich den Verfasser kenne, so macht mich das im Urtheil irre. Was sagen Sie? glauben Sie daß er poetisch Talent hat? Es ist eine gewisse anmuthige freie Weltansicht drin und eine hübsche Jugend; aber freilich alles nur Stoff, und wie mich dünkt keine Spur von einer zusammenfassenden Form. Gesetzt man hätte eine poetische Schule, wo man die Hauptvortheile und Erfordernisse der Dichtkunst, wenigstens dem Verstande eines solchen jungen Mannes klar machen könnte, was glaubten Sie, daß aus einem solchen Naturell gezogen werden könnte? Jetzt weiß ich ihm keinen Rath zu geben als daß er kleinere Sachen machen soll.

Meine Aussicht auf längere Zeit bei Ihnen zu bleiben, verschiebt sich abermals weiter hinaus. Die Anstellung der Jagemann und ihre Einleitung aufs Theater macht meine Gegenwart höchst nöthig; doch soll mich nicht leicht etwas abhalten Sonntag den 12ten zu Ihnen zu kommen; wir haben Vollmond und brauchen bei der Rückkehr das zerrissene Mühlthal nicht zu fürchten.

Den Vieilleville will ich schicken, denn ich darf nichts neues unternehmen. Vielleicht bildet sich die Idee zu einem Mährchen, die mir gekommen ist, weiter aus. Es ist nur gar zu verständig und verständlich, drum will mirs nicht recht behagen; kann ich aber das Schiffchen auf dem Ocean der Imagination recht herumjagen, so giebt es doch vielleicht eine leidliche Composition die den Leuten besser gefällt als wenn sie besser wäre. Das Mährchen mit dem Weibchen im Kasten lacht mich manchmal auch wieder an, es will aber noch nicht recht reif werden.

Uebrigens sind jetzt alle meine Wünsche auf die Vollendung des Gedichtes gerichtet und ich muß meine Gedanken mit Gewalt davon zurückhalten, damit mir das Detail nicht in Augenblicken zu deutlich werde wo ich es nicht ausführen kann. Leben Sie recht wohl und lassen mich etwas von Ihrer Stimmung und Ihren Arbeiten wissen.

Weimar den 4. Februar 1797.

G.